1. Verfassungsräume im Bundesstaat

Zu den maßgeblichen Wesensmerkmalen der betont föderalen Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland gehört die Eigenstaatlichkeit der Länder. Als Glieder des Bundes sind die Länder Staaten mit eigener, nicht vom Bund abgeleiteter, sondern von ihm anerkannter staatlicher Hoheitsmacht (BVerfGE 60, 175 (207) – Startbahn West). Die souveräne Staatlichkeit der Länder findet jedoch ihre Schranken in der allein dem Bund übertragenen Kompetenz-Kompetenz (BVerfGE 13, 54 (78f.) – Neugliederung Hessen) sowie den verbindlichen Vorgaben des Grundgesetzes aus Art. 28 Abs. 1 GG.

Auch wenn die Frage der Eigenstaatlichkeit der Länder damit recht simpel beantwortet zu sein scheint, ist der Befund des Bundesstaates doch wesentlich komplexer und beschäftigt Rechtsprechung und Literatur in einem schier unerschöpflichen Fundus rechtswissenschaftlicher Schaffenskraft. Grundlegend zur Einordnung des Bundesstaates des Grundgesetzes vgl. nur Isensee, Idee und Gestalt des Föderalismus im Grundgesetz, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Bd. VI, 3. Aufl. 2008, § 126; Schwarz, Der Bundesstaat des Grundgesetzes, in: Willoweit (Hrsg.), Föderalismus in Deutschland, 2019, 387 ff.; Voßkuhle/Kaufhold, Grundwissen – Öffentliches Recht: Das Bundesstaatsprinzip, in: JuS 2010, 873 ff.

Gleichwohl entspricht die Respektierung der Eigenstaatlichkeit der Länder auch der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 6, 309 (347) – Reichskonkordat; 101, 158 (221) – Finanzausgleich III). Aus der Eigenstaatlichkeit der Länder resultieren dabei zuvorderst ihre Verfassungshoheit und Verfassungsautonomie, die den Ländern bei der Ausgestaltung der Landesverfassungen sowie der Schaffung der Landesverfassungsorgane einen weiten Freiraum eröffnen (BVerfGE 1, 14 (34) – Südweststaat; BVerfGE 41, 88 (119) – Gemeinschaftsschule; 60, 175 (207) – Startbahn West). Dem entspricht es auch, dass die Verfassungsräume von Bund und Ländern grundsätzlich getrennt nebeneinanderstehen (BVerfGE 4, 178 (189) – Landesgesetze über die Verwaltungsgerichtsbarkeit; 6, 376 (382) – Wahlrechtsbeschwerde). Schon deshalb ergibt sich grundsätzlich auch die Notwendigkeit einer restriktiven Auslegung der Homogenitätsklausel des Art. 28 Abs. 1 S. 1 GG. Diese dient der Sicherung des zur bundesverfassungsrechtlichen Konstituierbarkeit erforderlichen Mindestmaßes an Homogenität im Bundesstaat, nicht jedoch einer Konformität oder gar Uniformität der Gliedstaaten (BVerfGE 9, 268 (279). – Bremer Personalvertretung; 41, 88 (119) – Gemeinschaftsschule).