Verfassungsgerichtsbarkeit im Bundesstaat
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Buch: | Verfassungsgerichtsbarkeit im Bundesstaat |
Gedruckt von: | Gast |
Datum: | Freitag, 22. November 2024, 08:48 |
Beschreibung
1. Verfassungsräume im Bundesstaat
Zu den maßgeblichen Wesensmerkmalen der betont föderalen Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland gehört die Eigenstaatlichkeit der Länder. Als Glieder des Bundes sind die Länder Staaten mit eigener, nicht vom Bund abgeleiteter, sondern von ihm anerkannter staatlicher Hoheitsmacht (BVerfGE 60, 175 (207) – Startbahn West). Die souveräne Staatlichkeit der Länder findet jedoch ihre Schranken in der allein dem Bund übertragenen Kompetenz-Kompetenz (BVerfGE 13, 54 (78f.) – Neugliederung Hessen) sowie den verbindlichen Vorgaben des Grundgesetzes aus Art. 28 Abs. 1 GG.
Auch wenn die Frage der Eigenstaatlichkeit der Länder damit recht simpel beantwortet zu sein scheint, ist der Befund des Bundesstaates doch wesentlich komplexer und beschäftigt Rechtsprechung und Literatur in einem schier unerschöpflichen Fundus rechtswissenschaftlicher Schaffenskraft. Grundlegend zur Einordnung des Bundesstaates des Grundgesetzes vgl. nur Isensee, Idee und Gestalt des Föderalismus im Grundgesetz, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Bd. VI, 3. Aufl. 2008, § 126; Schwarz, Der Bundesstaat des Grundgesetzes, in: Willoweit (Hrsg.), Föderalismus in Deutschland, 2019, 387 ff.; Voßkuhle/Kaufhold, Grundwissen – Öffentliches Recht: Das Bundesstaatsprinzip, in: JuS 2010, 873 ff.
Gleichwohl entspricht die Respektierung der Eigenstaatlichkeit der Länder auch der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 6, 309 (347) – Reichskonkordat; 101, 158 (221) – Finanzausgleich III). Aus der Eigenstaatlichkeit der Länder resultieren dabei zuvorderst ihre Verfassungshoheit und Verfassungsautonomie, die den Ländern bei der Ausgestaltung der Landesverfassungen sowie der Schaffung der Landesverfassungsorgane einen weiten Freiraum eröffnen (BVerfGE 1, 14 (34) – Südweststaat; BVerfGE 41, 88 (119) – Gemeinschaftsschule; 60, 175 (207) – Startbahn West). Dem entspricht es auch, dass die Verfassungsräume von Bund und Ländern grundsätzlich getrennt nebeneinanderstehen (BVerfGE 4, 178 (189) – Landesgesetze über die Verwaltungsgerichtsbarkeit; 6, 376 (382) – Wahlrechtsbeschwerde). Schon deshalb ergibt sich grundsätzlich auch die Notwendigkeit einer restriktiven Auslegung der Homogenitätsklausel des Art. 28 Abs. 1 S. 1 GG. Diese dient der Sicherung des zur bundesverfassungsrechtlichen Konstituierbarkeit erforderlichen Mindestmaßes an Homogenität im Bundesstaat, nicht jedoch einer Konformität oder gar Uniformität der Gliedstaaten (BVerfGE 9, 268 (279). – Bremer Personalvertretung; 41, 88 (119) – Gemeinschaftsschule).
2. Bundes- und Landesverfassungsgerichtsbarkeit
2.1. Zuständigkeiten der Verfassungsgerichtsbarkeiten im Bundesstaat
An die Verfassungsautonomie der Länder geknüpft ergibt sich damit auch die Möglichkeit (und Notwendigkeit) einer eigenen Landesverfassungsgerichtsbarkeit, die den Vorrang der Landesverfassung in ihrem Verfassungsraum sichert. Von dieser Möglichkeit haben heute alle Bundesländer Gebrauch gemacht, zum Teil jedoch in Gestalt einer reinen Staatsgerichtsbarkeit, die kein Verfahren der landesverfassungsgerichtlichen Individualverfassungsbeschwerde kennt. Akzessorisch zur Trennung der Verfassungsräume von Bund und Ländern bewirkt die Eigenstaatlichkeit der Länder auch die weitgehende Trennung der Kompetenzen der Bundes- und der Landesverfassungsgerichte, die ihre jeweiligen Verfassungsräume determinieren. So überprüft das Bundesverfassungsgericht grundsätzlich nicht am Maßstab des Landesverfassungsrechts, die Landesverfassungsgerichte nicht an dem des Grundgesetzes oder – soweit für das Bundesverfassungsgericht vorgesehen – des einfachen Bundesrechts (BVerfGE 6, 376 (381 ff.) – Wahlrechtsbeschwerde; 41, 88 (118 ff.) – Gemeinschaftsschule). Durch diese Doppelspurigkeit der Verfassungsgerichtsbarkeit nehmen letztlich auch die Landesverfassungsgerichte an der gewaltenteilenden Funktion des Föderalismus Teil
Während es aufgrund des im deutschen Föderalstaat herrschenden Instanzenzuges der Fachgerichte durchweg üblich ist, dass Gerichten der Länder auch Akte der Bundesgewalt zur Rechtmäßigkeitskontrolle vorgelegt werden, erstreckt sich die Zuständigkeit der Landesverfassungsgerichte allein auf die Kontrolle der Akte der Landesstaatsgewalt; eine sie auch zur Kontrolle der Bundesgewalt ermächtigende, bundesrechtliche Norm existiert aufgrund der getrennten Verfassungsräume gerade nicht. Eine reziproke Beschränkung der Zuständigkeit des Bundesverfassungsgerichts hinsichtlich der Akte der Landesstaatsgewalten besteht hingegen nicht: Das Bundesverfassungsgericht ist zur Kontrolle von Akten der Bundes- wie Landesstaatsgewalten gleichermaßen berufen. Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht die Landesstaatsgewalt betreffend sind grundsätzlich nicht subsidiär zu den landesverfassungsgerichtlichen Verfahren. Besondere Relevanz erhält dies für die Individualverfassungsbeschwerde, bei der auch eine parallele Antragstellung vor beiden Gerichten möglich erscheint (§ 90 Abs. 3 BVerfGG), die jeweils anhand des ihnen zugewiesenen Prüfungsmaßstabes entscheiden. Eine solche, parallele Antragstellung kann jedoch durch Landesrecht für die Landesverfassungsgerichte ausgeschlossen sein (vgl. insoweit z.B. § 55 Abs. 1 2. HS VerfGHG BW).
Die Subsidiarität des Rechtsweges zum Bundesverfassungsgericht wird jedoch ausdrücklich angeordnet für die Kommunalverfassungsbeschwerde nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 4b 2. HS GG, § 91 S. 2 BVerfGG, soweit die Verletzung von Landesrecht gerügt wird und der Rechtsweg zu den Landesverfassungsgerichten gegeben ist.
Die Verfassungsbeschwerde zum Landesverfassungsgericht ist nicht Teil des Rechtswegs, weswegen ihre vorherige (erfolglose) Erhebung auch nicht zur Erschöpfung des Rechtsweges für eine Verfassungsbeschwerde vor dem Bundesverfassungsgericht erforderlich ist. Die parallele Einlegung beider Rechtsbehelfe kann insbesondere angezeigt sein, weil die Landesverfassungsbeschwerde – gerade, weil sie nicht Teil des Rechtsweges ist – nicht die Frist des § 93 Abs. 1 BVerfGG hemmt und eine Verfassungsbeschwerde vor dem Bundesverfassungsgericht somit zu verfristen droht (BVerfGK 8, 169 (171 f.)).
2.2. Prüfungs- und Entscheidungsmaßstäbe
a) Die wohl wichtigsten Implikationen für die Entscheidungen von Bundesverfassungsgericht und Landesverfassungsgerichten leiten sich aus den ihnen jeweils zugewiesenen Prüfungsmaßstäben ab. Das Bundesverfassungsgericht zieht auch bei der Überprüfung von Akten der Landesstaatsgewalt grundsätzlich nicht das Landesverfassungsrecht heran, sondern allein das Grundgesetz sowie das einfache Bundesrecht (BVerfGE 41, 88 (119 f.) – Gemeinschaftsschule). Eine Ausnahme von diesem Grundsatz ergibt sich nur, soweit das Bundesverfassungsgericht kraft grundgesetzlicher Zuständigkeit hilfsweise als Landesverfassungsgericht tätig wird, so etwa in den Verfahren nach Art. 99 GG i. V. m. § 13 Nr. 10 BVerfGG (Verfassungsstreitigkeiten innerhalb eines Landes) oder nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 4 Var. 3 GG i. V. m. § 13 Nr. 8 Var. 3 BVerfGG (Landesorganstreitverfahren).
Da heute alle 16 Länder über ein eigenes Landesverfassungsgericht verfügen, kommt dem Bundesverfassungsgericht als Ersatzlandesverfassungsgericht nach Art. 99 GG in der Praxis keine Relevanz mehr zu. Bis 2008 jedoch verzichtete Schleswig-Holstein auf die Einrichtung eines Landesverfassungsgerichts, so dass für landesverfassungsrechtliche Streitigkeiten nach Art. 51 SHVerf. a.F. i. V. m. Art. 99 GG der Rechtsweg zum Bundesverfassungsgericht zu beschreiten war. Vgl. vertiefend hierzu nur Flor: 6 Jahre Schleswig-Holsteinisches Landesverfassungsgericht, in: SchlHA 2014, 115 ff.
Der Prüfungsmaßstab der Verfassungsgerichte der Länder ist allein die jeweilige Landesverfassung. Die Beschränkung auf ihren landesverfassungsrechtlichen Prüfungsmaßstab entbindet die Landesverfassungsgerichte jedoch nicht von ihrer Bindung an Recht und Gesetz. Normen des Landesverfassungsrechts, die gegen das Grundgesetz oder einfaches Bundesrecht verstoßen, sind daher auch durch Landesverfassungsgerichte nach Art. 100 Abs. 1 GG dem Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung vorzulegen (BVerfGE 36, 342 (346 ff.) – Niedersächsisches Landesbesoldungsgesetz).
b) Die Beschränkung der Landesverfassungsgerichte auf die Landesverfassung als Prüfungsmaßstab führt in der Praxis durchaus zu Problemen: Zahlreiche Akte der Landesstaatsgewalt sind durch die Anwendung von Bundesrecht gekennzeichnet, so dass sich auch die Frage stellt, inwieweit die Anwendung von Bundesrecht Gegenstand einer am Maßstab der Landesverfassung durchzuführenden, landesverfassungsgerichtlichen Überprüfung sein kann. Bedenken hiergegen ergeben sich schon aus Art. 31 Abs. 1 GG, da eine solche Überprüfung letztlich die Anwendung von Bundesrecht unter einen landesverfassungsrechtlichen Vorbehalt stellen würde. In der Praxis ergibt sich eine solche Konstellation vor allem bei der landesverfassungsgerichtlichen Kontrolle landesgerichtlicher Entscheidungen. Das Bundesverfassungsgericht hält dabei die Kontrolle und letztlich auch die Kassation von Akten der Landesstaatsgewalt im Hinblick auf die Anwendung des Prozessrechts des Bundes (wie die StPO oder VwGO) grundsätzlich unter Bedingungen für möglich (BVerfGE 96, 345 ff. – Landesverfassungsgerichte).
Erforderlich hierzu ist zunächst, dass die Beschwer eines Beschwerdeführers im landesverfassungsgerichtlichen Verfahren allein aus einer landesgerichtlichen Entscheidung, nicht jedoch einer bundesgerichtlichen Entscheidung resultiert. Zur Entfaltung einer Kassationswirkung muss die Landesverfassungsbeschwerde aufgrund der föderalen Kompetenzordnung landesrechtlich subsidiär gegenüber dem fachgerichtlichen Rechtsweg ausgestaltet sein. Die gerügte fehlerhafte Verfahrensgestaltung muss ferner einen Anwendungsfall für ein Landesgrundrecht begründen können. Dies ist jedenfalls dann nicht der Fall, wenn der Vorgang abschließend durch Bundesecht geregelt ist, weil das bundesrechtliche Prozessrecht der Landesstaatsgewalt keinen Entscheidungsspielraum mehr überlässt. Darüber hinaus muss das Landesgrundrecht dem Inhalt nach einem Grundrecht des Grundgesetzes gleichen. Schließlich müssen eine Anwendung des Landesgrundrechts und eine hypothetische Anwendung des inhaltsgleichen Grundrechts des Grundgesetzes zu demselben Ergebnis führen. Sind diese Voraussetzungen nicht erfüllt, so ist die Verfassungsbeschwerde zum Landesverfassungsgericht bereits unzulässig (BVerfGE 96, 345 (363 ff.) – Landesverfassungsgerichte). Ob diese Konzeption für das Prozessrecht auch auf das materielle Recht übertragbar ist, hat das Bundesverfassungsgericht bislang offengelassen; schlüssige Gründe für eine Differenzierung von Prozessrecht und materiellem Recht finden sich hingegen nicht. Vertiefend zu diesem Gesamtkomplex Benda/Klein, Verfassungsprozessrecht, 3. Aufl. 2012, Rn. 48; Hain, in: NJW 1998, 1296 ff.; Menzel, NVwZ 1999, 1314 ff.; Schlaich/Korioth, Das Bundesverfassungsgericht, 11. Aufl. 2018, Rn. 351 ff.
Relevant wurde diese Frage beispielsweise in der Honecker-Entscheidung des Berliner Verfassungsgerichtshofes von 1993 (BerlVerfGH, Beschl. v. 12.1.1993, VerfGH 55/92, in: NJW 1993, 515 ff.), mit der dieser Beschlüsse des Land- und Kammergerichts über die Ablehnung der Einstellung des Verfahrens und die Aufhebung des Haftbefehls nach der StPO aufhob, weil sie den Beschwerdeführer in seiner landesverfassungsrechtlich gewährleisteten Menschenwürde verletzen. Der Berliner Verfassungsgerichtshof monierte damit die spezifische Anwendung von Bundesrecht durch die Fachgerichte auf Grundlage landesverfassungsrechtlicher Grundrechtsgewährleistungen. (Vertiefend Berkemann, NVwZ 1993, 409 ff.; Lemhöfer, NJW 1996, 1714 ff.; Menzel, NVwZ 1999, 1314 ff.).
c) Zwar sind die Landesverfassungsgerichte auf die Landesverfassung als Prüfungsmaßstab verwiesen (BVerfGE 36, 342 (368) – Niedersächsisches Landesbesoldungsgesetz), jedoch finden sich wenige Ausnahmefälle, in denen auch Bundesrecht als Prüfungsmaßstab der Landesverfassungsgerichte fungieren kann.
(1) Eine direkte Heranziehung der Grundrechte des Grundgesetzes ist den Landesverfassungsgerichten grundsätzlich verwehrt. Ausnahmsweise möglich erscheint dies jedoch, soweit eine Landesverfassung die Grundrechte des Grundgesetzes durch eine Rezeptionsklausel als Bestandteil der Landesverfassung inkorporiert (vgl. Art. 2 Abs. 1 VerfBW, Art. 4 Abs. 1 VerfNRW). Die Grundrechte des Grundgesetzes werden damit in ihrer jeweils aktuell geltenden Fassung unmittelbar geltendes Recht der Landesverfassung.
(2) Ferner ergibt sich eine Durchbrechung der getrennten Verfassungsräume auch aus einer Vorfragekompetenz der Landesverfassungsgericht, die zur Wahrung eines gesetzmäßigen Prüfungsmaßstabes das Landesverfassungsrecht inzident auch auf seine Vereinbarkeit mit dem Grundgesetz zu überprüfen haben. Dies setzt letztlich implizit auch Art. 100 Abs. 1 und 3 GG voraus. Eine gegen das Grundgesetz verstoßende Norm der Landesverfassung wäre nach Art. 31 GG nichtig und könnte im vorgelegten Verfahren nicht als tauglicher Prüfungsmaßstab herangezogen werden (BVerfGE 103, 332 (352) – Naturschutzgesetz Schleswig-Holstein). Das Bundesrecht wird hierdurch jedoch nicht zum Prüfungsmaßstab „in der Sache“.
(3) Die Heranziehung von Bundesrecht als Prüfungsmaßstab der Landesverfassungsgerichte kann letztlich auch für den Fall des Hineinwirkens des Bundesverfassungsrechts in das Landesverfassungsrecht eröffnet sein. Nach Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ergibt sich das Landesverfassungsrecht nicht alleine aus den kodifizierten Landesverfassungen, sondern auch aus Elementen der Bundesverfassung, die eine Ausstrahlungswirkung für die Landesverfassungen haben (BVerfGE 1, 208 (232 f.) – 7,5%-Sperrklausel).
Dies wird zuvorderst für Art. 21 GG angenommen (BVerfGE 1, 208 (227) – 7,5%-Sperrklausel; 3, 375 (378); 66, 107 (114)), jedoch auch für den in Art. 20 Abs. 3 GG normierten Grundsatz der Bindung des Gesetzgebers an die verfassungsmäßige Ordnung oder für die Grundsätze der Gleichheit der Wahl sowie der Chancengleichheit der Wahlbewerber (BVerfGE 120, 82 (101 ff.) – Sperrklausel Kommunalwahl).
In ähnlicher Weise hat das Bundesverfassungsgericht auch die Kompetenznormen des Grundgesetzes zu dem dem Grundgesetz entlehnten Prüfungsmaßstab der Landesverfassungsgerichte erklärt, so dass Landesverfassungsgerichte Fragen der grundgesetzlichen Zuständigkeit abschließend im Rahmen ihrer Vorfragenkompetenz entscheiden können (BVerfGE 60, 175 (206) – Startbahn West). Diese Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts stößt maßgeblich wegen der Durchbrechung der getrennten Verfassungsräume von Bund und Ländern sowie einer Umgehung von Art. 28 Abs. 1 GG auf deutliche Kritik.
In allen dargestellten Fällen bleibt bei streng formaler Betrachtung indes das Landesverfassungsrecht der maßgebliche Prüfungsmaßstab der Landesverfassungsgerichte, da das Bundesrecht – sei es durch Inkorporation, sei es durch „Hineinwirken“ – durch Aufnahme in die Rechtssphäre der Landesverfassungen autochthones Landesverfassungsrecht wird.
2.3. Bundesverfassungsgerichtliche Kontrolle landesverfassungsgerichtlicher Entscheidungen
Aufgrund der getrennten Verfassungsräume von Bund und Ländern stehen auch das Bundesverfassungsgericht und die Landesverfassungsgerichte in keinem instanziellen Über- oder Unterordnungsverhältnis zueinander (BVerfGE 6, 376 (382) – Wahlrechtsbeschwerde; 6, 445 (449) – Mandatsverlust; 60, 175 (208) – Startbahn West). Dennoch dürfen auch in den Verfassungsräumen der Länder die verbindlichen Vorgaben des Grundgesetzes nicht unterlaufen werden; das Grundgesetz ist nach Art. 31 GG auch den Landesverfassungen normativ übergeordnet. Daher können und müssen auch Entscheidungen der Landesverfassungsgerichte Prüfungsgegenstand eines bundesverfassungsgerichtlichen Verfahrens sein. Landesverfassungsgerichte unterscheiden sich insoweit nicht von der übrigen öffentlichen Gewalt: Auch sie unterliegen der Grundrechtsbindung des Art. 1 Abs. 3 GG und Art. 20 Abs. 3 GG; ihre Entscheidungen können durch das Bundesverfassungsgericht auf ihre Vereinbarkeit mit den Grundrechten des Grundgesetzes überprüft werden (BVerfGE 13, 132 (140) – Bayerische Feiertage; 34, 81 (95) – Wahlgleichheit; 42, 312 (325) – Inkompatibilität).
Von diesem Grundsatz hat das Bundesverfassungsgericht jedoch Ausnahmen gemacht. So verneint das Bundesverfassungsgericht die Möglichkeit der Rüge einer Verletzung grundrechtsgleicher Gewährleistungen, soweit das Landesverfassungsgericht über eine ausschließlich landesverfassungsrechtliche Streitigkeit abschließend entscheidet und die Länder im Hinblick auf die Einrichtung der Landesverfassungsgerichte den Homogenitätsanforderungen des Art. 28 Abs. 1 GG genügen (BVerfGE 96, 231 (243) – Müllkonzept). Ebenso wenig prüft das Bundesverfassungsgericht Entscheidungen, soweit sie die Rüge einer Verletzung des Art. 2 Abs. 1 GG dadurch, dass ein durch landesverfassungsgerichtliche Entscheidung gebilligter Eingriff gegen das Landesverfassungsrecht verstößt, zum Inhalt hat. Ein solches Verfahren würde das Bundesverfassungsgericht letztlich zur Interpretation des Landesverfassungsrechts zwingen und die dahingehende Kompetenz der Landesverfassungsgerichte aushöhlen (BVerfGE 41, 88 (118 ff.) – Gemeinschaftsschule; 60, 175 (209) – Startbahn West). Ausnahmen von der Möglichkeit einer Kontrolle finden sich insbesondere auch im Hinblick auf die Kommunal- und Landtagswahlen. Diesbezüglicher Prüfungsmaßstab des Bundesverfassungsgerichts ist insbesondere Art. 38 Abs. 1 S. 1 GG, der für Wahlen auf Landesebene jedoch gerade nicht gilt. So sieht das Bundesverfassungsgericht für den subjektiv-rechtlichen Schutz des Wahlrechts zu den Volksvertretungen der Verfassungsräume der Länder allein die Länder innerhalb ihres Verfassungsraumes in der Verpflichtung. Nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts können die Grundsätze der Allgemeinheit und Gleichheit der Wahl nicht (mehr) als Anwendungsfälle des allgemeinen Gleichheitssatzes aus Art. 3 Abs. 1 GG angesehen werden, weshalb auch die Rügefähigkeit einer Verletzung der Wahlrechtsgleichheit durch die Entscheidung eines Landesverfassungsgerichtes nicht gegeben ist (BVerfGE 99, 1 (10 ff.) – Bayerische Kommunalwahlen). Die Entscheidungen der Landesverfassungsgerichte sind in Landeswahlsachen – soweit sie in der Landesverfassung überhaupt vorgesehen sind – endgültig.
Mit dieser Rechtsprechung hat sich das Bundesverfassungsgericht von einer langen Linie der ständigen, entgegenstehenden Rechtsprechung distanziert, vgl. anders zuvor noch BVerfGE 18, 172 (180) – Inkompatibilität/Oberstadtdirektor; 24, 300 (340) –Wahlkampfkostenpauschale; 28, 220 (225) – Heimatbund Badenerland; 85, 148 (157) – Wahlprüfungsumfang.