2. Bundes- und Landesverfassungsgerichtsbarkeit

2.3. Bundesverfassungsgerichtliche Kontrolle landesverfassungsgerichtlicher Entscheidungen

Aufgrund der getrennten Verfassungsräume von Bund und Ländern stehen auch das Bundesverfassungsgericht und die Landesverfassungsgerichte in keinem instanziellen Über- oder Unterordnungsverhältnis zueinander (BVerfGE 6, 376 (382) – Wahlrechtsbeschwerde; 6, 445 (449) – Mandatsverlust; 60, 175 (208) – Startbahn West). Dennoch dürfen auch in den Verfassungsräumen der Länder die verbindlichen Vorgaben des Grundgesetzes nicht unterlaufen werden; das Grundgesetz ist nach Art. 31 GG auch den Landesverfassungen normativ übergeordnet. Daher können und müssen auch Entscheidungen der Landesverfassungsgerichte Prüfungsgegenstand eines bundesverfassungsgerichtlichen Verfahrens sein. Landesverfassungsgerichte unterscheiden sich insoweit nicht von der übrigen öffentlichen Gewalt: Auch sie unterliegen der Grundrechtsbindung des Art. 1 Abs. 3 GG und Art. 20 Abs. 3 GG; ihre Entscheidungen können durch das Bundesverfassungsgericht auf ihre Vereinbarkeit mit den Grundrechten des Grundgesetzes überprüft werden (BVerfGE 13, 132 (140) – Bayerische Feiertage; 34, 81 (95) – Wahlgleichheit; 42, 312 (325) – Inkompatibilität).

Von diesem Grundsatz hat das Bundesverfassungsgericht jedoch Ausnahmen gemacht. So verneint das Bundesverfassungsgericht die Möglichkeit der Rüge einer Verletzung grundrechtsgleicher Gewährleistungen, soweit das Landesverfassungsgericht über eine ausschließlich landesverfassungsrechtliche Streitigkeit abschließend entscheidet und die Länder im Hinblick auf die Einrichtung der Landesverfassungsgerichte den Homogenitätsanforderungen des Art. 28 Abs. 1 GG genügen (BVerfGE 96, 231 (243) – Müllkonzept). Ebenso wenig prüft das Bundesverfassungsgericht Entscheidungen, soweit sie die Rüge einer Verletzung des Art. 2 Abs. 1 GG dadurch, dass ein durch landesverfassungsgerichtliche Entscheidung gebilligter Eingriff gegen das Landesverfassungsrecht verstößt, zum Inhalt hat. Ein solches Verfahren würde das Bundesverfassungsgericht letztlich zur Interpretation des Landesverfassungsrechts zwingen und die dahingehende Kompetenz der Landesverfassungsgerichte aushöhlen (BVerfGE 41, 88 (118 ff.) – Gemeinschaftsschule; 60, 175 (209) – Startbahn West). Ausnahmen von der Möglichkeit einer Kontrolle finden sich insbesondere auch im Hinblick auf die Kommunal- und Landtagswahlen. Diesbezüglicher Prüfungsmaßstab des Bundesverfassungsgerichts ist insbesondere Art. 38 Abs. 1 S. 1 GG, der für Wahlen auf Landesebene jedoch gerade nicht gilt. So sieht das Bundesverfassungsgericht für den subjektiv-rechtlichen Schutz des Wahlrechts zu den Volksvertretungen der Verfassungsräume der Länder allein die Länder innerhalb ihres Verfassungsraumes in der Verpflichtung. Nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts können die Grundsätze der Allgemeinheit und Gleichheit der Wahl nicht (mehr) als Anwendungsfälle des allgemeinen Gleichheitssatzes aus Art. 3 Abs. 1 GG angesehen werden, weshalb auch die Rügefähigkeit einer Verletzung der Wahlrechtsgleichheit durch die Entscheidung eines Landesverfassungsgerichtes nicht gegeben ist (BVerfGE 99, 1 (10 ff.) – Bayerische Kommunalwahlen). Die Entscheidungen der Landesverfassungsgerichte sind in Landeswahlsachen – soweit sie in der Landesverfassung überhaupt vorgesehen sind – endgültig.

Mit dieser Rechtsprechung hat sich das Bundesverfassungsgericht von einer langen Linie der ständigen, entgegenstehenden Rechtsprechung distanziert, vgl. anders zuvor noch BVerfGE 18, 172 (180) – Inkompatibilität/Oberstadtdirektor; 24, 300 (340) –Wahlkampfkostenpauschale; 28, 220 (225) – Heimatbund Badenerland; 85, 148 (157) – Wahlprüfungsumfang.