II. Aufgaben und Stellung der Allgemeinen Staatslehre

Bevor tiefer in die Materie der Allgemeinen Staatslehre eingestiegen wird, sollen einige Überlegungen dazu vorausgeschickt werden, mit welchen Fragen sich die Allgemeine Staatslehre unter anderem beschäftigt und wie sie innerhalb der Rechtswissenschaften zu verorten ist.

1. Fragen der Allgemeinen Staatslehre

Die Allgemeine Staatslehre geht den Fragen nach dem Sinn, den Aufgaben und der Stellung der Staaten – abstrahiert vom konkreten Einzelfall – nach. Sie hinterfragt die Legitimation säkularer, staatlicher und religiöser Herrschaftsbegründung und -ausübung. Darüber hinaus fragt sie nach der bestmöglichen Gestaltung eines Staates und vergleicht die tatsächlichen Gegebenheiten mit diesen Idealen. Die Staatswirklichkeit und die Zielvorstellungen einer Staatsform stehen damit bei der Allgemeinen Staatslehre als empirische Untersuchungen im Vordergrund.[1]

2. Abgrenzung von Staats- und Verfassungslehre

Während die Allgemeine Staatslehre die Verfassung von Staaten allenfalls als Aspekt der Staatsgründung umfasst, setzt sich die Verfassungslehre mit den Fragen der Verfassung eines bestimmten Staats auseinander.
Gegenstände der Verfassungslehre sind insbesondere das Verfassungsrecht sowie die Verfassungsrealität. Dabei wird zwischen formellem und materiellem Verfassungsrecht unterschieden. Während Ersteres allein die in der Verfassungsurkunde enthaltenen Normen (in der Bundesrepublik Deutschland das Grundgesetz) meint, umschließt das Verfassungsrecht im materiellen Sinne alle staatlichen Normen, die sich mit der Organisation des Staates, seinen Organen, deren Einrichtung, Besetzung, Arbeitsweise und Kompetenzen, den Staatsfunktionen und den fundamentalen politischen, rechtlichen, ökonomischen und gesellschaftlichen  Weichenstellungen und Wertentscheidungen befassen. Dementsprechend gehören auch die Regelungen in einfachen Gesetzen, wie den Geschäftsordnungen des Bundestages und des Bundesrates, das Bundesverfassungsgerichtsgesetz, das Parteiengesetz etc. zum Verfassungsrecht im materiellen Sinn.



[1] Schubert/Klein, Politiklexikon, Staat.