3. Arten, Ziele, Strategien und Modelle der Diagnostik

3.2 Diagnostische Strategien

Die Unterscheidung zwischen Statusdiagnostik und Prozessdiagnostik bezieht sich darauf, ob man sich mit der einmaligen Erfassung eins Zustandes (Status) begnügt, oder ob Veränderungen diagnostiziert werden sollen (Prozess). Die Verwandtschaft mit den eben dargestellten Zielen Selektion und Modifikation ist offensichtlich: Im Rahmen von Modifikationsdiagnostik wird man kaum umhin kommen, Veränderungen zu registrieren. Dabei treten verschiedene methodische Probleme auf, die hier nicht näher erläutert werden können (s. dazu Jäger & Petermann, 1999, Unterkap. 6.2). Zur Selektion genügt dagegen die Erfassung eines Zustandes. Voraussetzung dafür, dass Statusdiagnostik überhaupt sinnvoll ist, ist die Annahme, dass es so etwas wie zeitlich überdauernde Eigenschaften gibt. Diese Annahme ist, wie wir im nächsten Abschnitt sehen werden, keineswegs selbstverständlich.

Die Unterscheidung zwischen normorientierter und kriterienorientierter Diagnostik betrifft den Vergleichsmaßstab, der bei der Beurteilung von Messergebnissen angelegt wird. Beim normorientierten Vorgehen vergleicht man ein individuelles Ergebnis mit den Ergebnissen einer Vergleichsstichprobe, die möglichst repräsentativ für die interessierende Population sein sollte. Mit solchen Vergleichen kann man feststellen, wie stark das erfasste Merkmal vom Mittelwert in der Population abweicht, z.B. ob es als überdurchschnittlich betrachtet werden kann. Beim kriterienorientierten Vorgehen wird das individuelle Ergebnis mit einem sachlich definierten Kriterium verglichen. Ein Beispiel hierfür ist die verbreitete Regel, nach der man eine Klausur dann besteht, wenn man mindestens die Hälfte der maximalen Punktzahl erzielt. Weitere Details zu dieser Unterscheidung sowie Vor- und Nachteile des jeweiligen Vorgehens werden in Lehreinheit 4 behandelt.