Diagnostische Methoden I: Verhaltensbeobachtung in der Schule (Grundlagen, Arten der Beobachtung, Beobachtungssysteme, Beobachtungsfehler)
3. Überblick über Beobachtungssysteme
3.5 Eventsampling und Timesampling bei den drei Grundverfahren zur Verhaltensbeobachtung
Es hat sich bis hierher schon gezeigt, dass Zeichensysteme und Kategoriensysteme viel gemeinsam haben. Bei beiden lassen sich gleichermaßen zwei andere Grundtypen von Verhaltensbeobachtung anwenden: Das Eventsampling und das Timesampling (Bodenmann, 2006, S. 155; Faßnacht, 1995, S. 124-157). Beim Eventsampling wird ein Event, ein Ereignis, kodiert, sobald und so häufig es auftritt (ein Beispiel s. Tab. 7.4).
Tabelle 7.4: Einfachste Aufzeichnung einer Kodierung als Eventsampling mit einem Zeichensystem oder einem Kategoriensystem mit 4 Verhaltensklassen (aU, rU,eS, uS) entlang der Zeitleiste, aber ohne Berücksichtigung der Dauer. Im Beispiel 30 Kodierungen. |
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rU |
eS |
rU |
Damit entsteht eine Abfolge von Kodierungen im natürlichen Zeitfluss. Die Zeit ist damit also nicht ausgeschlossen; vielmehr geht die Beobachtung an der Zeitleiste entlang und kann, je nach Verfahren, sogar die zeitliche Dauer einzelner Verhaltensweisen registrieren. Beim Timesampling dagegen gibt es vorher festgelegte Zeiteinheiten, z.B. 10 s. In jeder Zeiteinheit muss für die Beobachtung eine Kodierung erfolgen. Das kann z.B. dadurch erleichtert werden, dass pro Zeiteinheit ein Kästchen vorgegeben ist, in das hinein das Symbol für die jeweils stattfindende Verhaltensweise erfolgt. Günstig ist dazu ein Zeitgeber. Im Zeitalter der Laptops kann man ein Programm entwickeln, das pro Zeiteinheit eine „frische“ Stelle zeigt, in der die Kodierung durch eine bestimmte Taste gesetzt werden muss. Die einfachste Variante wäre aber eine schlichte Strichlistenführung in den vorhandenen Beobachtungsklassen (Tab. 7.5).
Tabelle 7.5: Einfachste Strichlistenführung bei Timesampling. Jeder der 30 Striche repräsentiert die gleiche Zeitdauer, eingeordnet in eine von 4 Verhaltensklassen (aU, rU,eS, uS). Bei einer Dauer von 10 s pro Zeiteinheit ist hier ein Abschnitt von 5 Min. aus dem Verhaltensstrom kodiert. |
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Beobachtungsklasse aU |
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Beobachtungsklasse rU |
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Beobachtungsklasse eS |
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Beobachtungsklasse uS |
In dem Lehrbuch von Faßnacht sind zwar Eventsampling und Timesampling einerseits und Ratingskalen andererseits in unterschiedlichen Kapiteln behandelt; sie ließen sich aber insofern zusammenbringen, als dass beim Eventsampling (s. Tab. 7.4) zusätzlich zum signierten Code noch eine Einschätzung mit einer Ratingskala vorgenommen würde und beim Timesampling (s. Tab. 7.4) zusätzlich zur Setzung der einzelnen Striche. Das würde allerdings das System und die Anforderungen an den Beobachter verkomplizieren.
Nun muss noch die Frage der Beobachtungseinheit angeschnitten werden, also die Frage, wann der Beobachter aktiv werden muss: In zwei bekannten Kategoriensystemen zur Verhaltens-beobachtung werden die Beobachtungseinheiten unterschiedlich vorgegeben: Im prominentesten Kategoriensystem zur Verhaltensbeobachtung, nämlich der Interaktions-prozessanalyse nach Robert F. Bales (s. Bales, 1950; Faßnacht, 1995, S. 184 f.; Lukesch, 1998, S. 135-151; Trolldenier, 1985), wird die Beobachtungseinheit so festgelegt: Immer dann, wenn das beobachtete Verhalten mit einer anderen Kategorie signiert werden kann, hat das auch zu geschehen. Das ist Eventsampling (Ausnahmen bei sehr langer Dauer). Anders ist der Ablauf bei dem auf Lehrerverhalten ausgelegten System „Flanders‘ Interaction Analysis Categories (FIAC)“ (Flanders, 1970; Trolldenier, 1985, S. 113-119) festgelegt. Hier wird quasi unerbittlich vom Beobachter alle 3 Sekunden eine Signierung verlangt. Das ist Timesampling.
Damit soll nun der Übergang zu ausgewählten Beispielen erfolgen.