Diagnostische Methoden I: Verhaltensbeobachtung in der Schule (Grundlagen, Arten der Beobachtung, Beobachtungssysteme, Beobachtungsfehler)
1. Einführung
Hinweis: Begriffe, die unterstrichen sind, werden im Glossar erklärt. Das Wort Schüler gilt zur Verbesserung der Lesbarkeit hier für die männliche und weibliche Fassung gleicher-maßen, ebenso bei Lehrer und Erzieher.
Bei einer Betrachtung der 12 Lehreinheiten unseres Moduls zur Pädagogisch-psychologischen Diagnostik und Evaluation wird den Ihnen auffallen, dass zwar die am häufigsten vorkommende diagnostische Grundmethode der psychologische Test ist, dass es aber auch andere gibt. Lehramtsstudierende im Praktikum werden aufgefordert, die Schüler zu beobachten, wissen aber nicht immer, was sie da tun sollen. Da könnte es z.B. möglich sein, den Schüler Eddy ins Visier zu nehmen, der sich offensichtlich bei der Mitarbeit schwer tut und mit einem dreifach gegliederten Verfahren diese Mitarbeit festzuhalten. Für jede einzelne Verhaltensweise kann man dann einen Strich setzen. Zu einer einfachen Auswertung kann man die Aufzeichnungsergebnisse für einen anderen Schüler, der von einem Kollegen beobachtet wurde, vergleichen. Das führt zu Ergebnissen, die exakter sind, als der bloße Eindruck beim Zuschauen (Fortsetzung des Beispiels in Unterkap. 3.2).
Somit kommt die Verhaltensbeobachtung ins Spiel, weil doch auch vieles, das im unterrichtlichen oder noch breiteren pädagogischen Feld von diagnostischem Interesse ist, das unmittelbare Verhalten der beteiligten Personen betrifft, das sich einer Untersuchung durch Tests verschließt. Insofern ist nach Lukesch (1998) die Verhaltensbeobachtung als Ergänzung zur Anwendung von Tests zu sehen. Mit ihrer Hilfe kann vieles festgestellt werden, was sonst nicht möglich wäre, auch nicht durch diagnostische Gespräche (s. Lehreinheit 8). Allerdings muss vor einem unreflektierten Einsatz der Verhaltensbeobachtung gewarnt werden. So meint Graumann (1974, S. 525): " ... zumindest glaubt jeder, der Augen hat zu sehen und Ohren zu hören, dass er damit auch der Beobachtung fähig ist. Doch ohne zu wissen, was, wo und wann zu beobachten ist, hockt man ebenso als selbsternannter Tierbeobachter im Wald herum, wie man sich ungeschult in der Klasse oder sonstwo als Verhaltensbeobachter versucht."