2. Bundes- und Landesverfassungsgerichtsbarkeit

2.1. Zuständigkeiten der Verfassungsgerichtsbarkeiten im Bundesstaat

An die Verfassungsautonomie der Länder geknüpft ergibt sich damit auch die Möglichkeit (und Notwendigkeit) einer eigenen Landesverfassungsgerichtsbarkeit, die den Vorrang der Landesverfassung in ihrem Verfassungsraum sichert. Von dieser Möglichkeit haben heute alle Bundesländer Gebrauch gemacht, zum Teil jedoch in Gestalt einer reinen Staatsgerichtsbarkeit, die kein Verfahren der landesverfassungsgerichtlichen Individualverfassungsbeschwerde kennt. Akzessorisch zur Trennung der Verfassungsräume von Bund und Ländern bewirkt die Eigenstaatlichkeit der Länder auch die weitgehende Trennung der Kompetenzen der Bundes- und der Landesverfassungsgerichte, die ihre jeweiligen Verfassungsräume determinieren. So überprüft das Bundesverfassungsgericht grundsätzlich nicht am Maßstab des Landesverfassungsrechts, die Landesverfassungsgerichte nicht an dem des Grundgesetzes oder – soweit für das Bundesverfassungsgericht vorgesehen – des einfachen Bundesrechts (BVerfGE 6, 376 (381 ff.) – Wahlrechtsbeschwerde; 41, 88 (118 ff.) – Gemeinschaftsschule). Durch diese Doppelspurigkeit der Verfassungsgerichtsbarkeit nehmen letztlich auch die Landesverfassungsgerichte an der gewaltenteilenden Funktion des Föderalismus Teil

Während es aufgrund des im deutschen Föderalstaat herrschenden Instanzenzuges der Fachgerichte durchweg üblich ist, dass Gerichten der Länder auch Akte der Bundesgewalt zur Rechtmäßigkeitskontrolle vorgelegt werden, erstreckt sich die Zuständigkeit der Landesverfassungsgerichte allein auf die Kontrolle der Akte der Landesstaatsgewalt; eine sie auch zur Kontrolle der Bundesgewalt ermächtigende, bundesrechtliche Norm existiert aufgrund der getrennten Verfassungsräume gerade nicht. Eine reziproke Beschränkung der Zuständigkeit des Bundesverfassungsgerichts hinsichtlich der Akte der Landesstaatsgewalten besteht hingegen nicht: Das Bundesverfassungsgericht ist zur Kontrolle von Akten der Bundes- wie Landesstaatsgewalten gleichermaßen berufen. Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht die Landesstaatsgewalt betreffend sind grundsätzlich nicht subsidiär zu den landesverfassungsgerichtlichen Verfahren. Besondere Relevanz erhält dies für die Individualverfassungsbeschwerde, bei der auch eine parallele Antragstellung vor beiden Gerichten möglich erscheint (§ 90 Abs. 3 BVerfGG), die jeweils anhand des ihnen zugewiesenen Prüfungsmaßstabes entscheiden. Eine solche, parallele Antragstellung kann jedoch durch Landesrecht für die Landesverfassungsgerichte ausgeschlossen sein (vgl. insoweit z.B. § 55 Abs. 1 2. HS VerfGHG BW).

Die Subsidiarität des Rechtsweges zum Bundesverfassungsgericht wird jedoch ausdrücklich angeordnet für die Kommunalverfassungsbeschwerde nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 4b 2. HS GG, § 91 S. 2 BVerfGG, soweit die Verletzung von Landesrecht gerügt wird und der Rechtsweg zu den Landesverfassungsgerichten gegeben ist.

Die Verfassungsbeschwerde zum Landesverfassungsgericht ist nicht Teil des Rechtswegs, weswegen ihre vorherige (erfolglose) Erhebung auch nicht zur Erschöpfung des Rechtsweges für eine Verfassungsbeschwerde vor dem Bundesverfassungsgericht erforderlich ist. Die parallele Einlegung beider Rechtsbehelfe kann insbesondere angezeigt sein, weil die Landesverfassungsbeschwerde – gerade, weil sie nicht Teil des Rechtsweges ist – nicht die Frist des § 93 Abs. 1 BVerfGG hemmt und eine Verfassungsbeschwerde vor dem Bundesverfassungsgericht somit zu verfristen droht (BVerfGK 8, 169 (171 f.)).