2. Evaluation des Unterrichts

2.2.1 Fragebogenstudien

Fragebogenstudien zur Unterrichtsqualität können an unterschiedliche Zielgruppen gerichtet sein. Die beiden häufigsten Adressaten dürften dabei die Lehrkräfte sowie die Schülerinnen und Schüler sein. Beide Ansätze bringen allerdings Probleme mit sich:

Selbsteinschätzungen der Lehrkräfte

Als Ausführende den eigenen Unterricht zu bewerten, stellt Lehrkräfte vor eine schwierige Aufgabe. Sie müssen einerseits den Unterrichtsprozess gestalten und andererseits kognitive Ressourcen zur Selbstbeobachtung aufwenden. Wenn diese Selbstbeobachtung nicht vor allem durch Aufmerksamkeitseffekte und Wahrnehmungsverzerrungen (z.B. Primacy-/Recency-/Halo-Effekt) bestimmt werden soll, dann muss parallel zum Unterricht ein möglichst detailliertes Protokoll angefertigt werden1.

Somit überrascht es nicht, dass sich die Ergebnisse dieser Selbsteinschätzungen kaum mit den Ergebnissen externer Beobachter überschneiden. Schülerinnen und Schüler, Beobachter im Unterricht oder Externe, die eine aufgezeichnete Unterrichtsstunde ansehen, kommen dagegen zu ähnlichen Einschätzungen. In einer gut fundierten Arbeit findet Clausen (2002) insgesamt nur wenige Übereinstimmungen zwischen den Urteilen der Lehrkraft, den Ergebnissen der Schülerbefragung und der Auswertung von Unterrichtsvideos. Als Basis dafür standen TIMSS-Videos zur Verfügung – die Videos aus diesem Modul entstammen demselben Pool.

Schülerfeedback zum Unterricht

Rückmeldungen der Klasse zum Unterricht unterliegen im Hinblick auf die zusätzliche Belastung der Schülerinnen und Schüler denselben hinderlichen Mechanismen wie die Selbsteinschätzung der Lehrkräfte. Allerdings hat die Klasse als Ganzes den Vorteil, dass nicht nur eine einzelne Person Auskunft gibt und damit ein umfassenderes Bild möglich wird.

Mittlerweile gibt es zahlreiche Modellversuche und Erfahrungsberichte zum Schülerfeedback. Zusammengefasst hat Schülerfeedback nach Helmke (2003, S. 167) folgende Vor- und Nachteile:

Vorteile:

  • Schülerinnen und Schüler sind direkt am Unterrichtsgeschehen beteiligt und als Zielgruppe auch naheliegende Informationsquelle für eine Bewertung des Unterrichts.
  • Sie sehen – anders als externe Beurteiler – nicht nur einen kleinen Ausschnitt, sondern ein ganzes Schuljahr und können diese Informationen als Basis der Bewertung heranziehen.
  • Die Zusammenfassung der unterschiedlichen Einzelperspektiven führt zu einer Minimierung der Beobachtungsfehler.
  • Die Streuung der Urteile kann als Maß der Einigkeit bzw. Uneinigkeit herangezogen werden.

Nachteile:

  • Mögliche Überforderung der Schülerinnen und Schüler. Didaktische Kompetenz und fachliche Expertise der Lehrkraft schwer ohne eigene Fachkenntnisse zu beurteilen.
  • Bewertungsmaßstab und Beurteilungszeitraum ist – wenn dieser nicht klar vorgegeben und Bewertung geübt wird – nicht eindeutig und damit möglicherweise uneinheitlich.
  • Bewertungsverzerrungen, z.B. Herabsetzung oder Gefälligkeitsaussagen, Tendenz zu extremen Antworten möglich.
  • Wenig differenzierte Antworten durch die allgemeine Überlagerung von Faktoren wie Beliebtheit, Sympathie und Wertschätzung.

Schülerfeedback liefert also wichtige Informationen zur Verbesserung von Unterricht, unterliegt aber gleichzeitig einigen Problemen. Letztere kommen vor allem dann zum Tragen, wenn diese Rückmeldung als Quelle einer summativen Evaluation genutzt werden soll. Für formative Evaluationen, die eine Prozessverbesserung im Dialog ermöglichen sollen, ist Schülerfeedback dagegen eine sinnvolle Möglichkeit2.

1siehe z.B. dazu Checklisten (Becker, 2007)

2 Zum Unterschied von summativ und formativ siehe Lehreinheit 11: Evaluation I