1. Einleitung

Das Bestreben, eine möglichst gute Passung zwischen den Eignungen des Schülers und des Unterrichts zu erzielen, ist ein sehr wünschenswertes und seit langem ange­streb­tes Ziel aller wissenschaftlichen Disziplinen, die einen schulischen Bezug haben, und es spielt auch in der Pädagogischen Psychologie von Beginn an eine prominente Rolle. Die systematische wissenschaftliche Unter­su­chung begann Anfang der 1960er-Jahre. Natürlich geht es einerseits darum, die we­sentlichen Einflussfaktoren (Determinanten) und Komponenten der Schulleistung zu ermitteln. Zum an­deren wird bei diesem Forschungsansatz explizit danach gefragt, wie die Vielzahl der Variablen miteinander zusammenwirken (Hasebrook, 2001).    Da diese Effekte sich mitunter gegenseitig kompensieren oder ergänzen, handelt es sich um ein ex­trem viel­schichtiges und methodisch sehr anspruchsvolles Forschungsfeld. Während die grundlegenden Einflussfaktoren mittlerweile sehr klar skizziert werden können, ist die Beschreibung ihrer Zusammenhänge bislang nur unzu­reichend möglich (vgl. Abb. 2.1). Darüber hinaus spielen nicht allein individuelle Faktoren eine Rolle, sondern diese stehen in einem komplexen Wirkungsgefüge mit dem sozialen und schulischen Um­feld, also den     Ein­flüssen der Fa­milie, der Peers und der Medien (Helmke & Schrader, 2001).

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Abbildung 2.1: Modell der kognitiven und motivational-volitionalen Voraussetzungen erfolgreichen Lernens (INVO-Modell), modifiziert nach Hasselhorn und Gold (2006, S. 68). Die kleinen Zahnrädchen mit den Fragezeichen deuten die bislang ungenügend geklärte Wechselwirkung zwischen den verschiedenen Determinanten an.

Der Begriff "Aptitude-Treatment-Interaktion (ATI)" versucht dieses komplexe Gefüge zu beschreiben. Er bezeichnet die Wechselwirkung von Schülereigenschaften (Aptitude) und verwendeter Lehrmethode (Treatment). Die Forschung auf diesem Gebiet hat das Ziel fest-zustellen, bei welchen individuellen Lernvoraussetzungen welche Lehrmethoden günstig oder ungünstig sind und welche Lernerfolge dabei erzielt werden können (Hasebrook, 2001). Eine mögliche Fragestellung ist beispielsweise, welche Lehrmethode im Schriftspracherwerb bei leistungsschwachen und leistungsstarken Schulanfängern eingesetzt werden sollte. Eine andere wäre, wie stark Unterricht vorstrukturiert werden muss (z.B. selbst- versus fremdgesteuert), um Schülern an Förderschulen den Erwerb mathematischer Kompetenzen zu erleichtern.

Wenn Sie an Ihre eigene Schulzeit zurückdenken, welche Faktoren haben Ihrer Meinung nach Ihre schulischen Leistungen beeinflusst? Es konnte mittlerweile eine ganze Reihe von Variablen identifiziert werden (s. Tab. 2.1), von denen besonders die Faktoren auf der Seite der Schüler selbst, aber auch Unterrichtsaspekte einflussreich sind (Fraser, Walberg,         Welch & Hattie, 1987; zitiert nach Cortina, 2006). Die Variablen des psychosozialen Umfeldes haben dagegen eher eine moderierende Bedeutung. Kein bedeutsamer Einfluss zeigte sich hinsichtlich Eigenschaften des Schulgebäudes, soziodemografischer Variablen der Wohngemeinde sowie der schulischen Einbindung der Eltern.

Tabelle 2.1: Variablen der Schülerseite, des Unterrichts und des psychologischen Umfelds sowie Korrelationen mit der Schulleistung, auch als Walbergs Produktivitätsfaktoren bezeichnet  (nach Cortina, 2006).

Variablen

Mittleres r mit Schulleistung

Schüler

Kognitive Fähigkeiten/Vorwissen (IQ, Leistung,...)

.44

Entwicklungsstand

.10

Motivation (Interesse, Lernausdauer,...)

.29

Unterricht

Quantität/Zeit

.38

Qualität (Lehrstrategien,...)

.48

Psychologisches Umfeld

Häusliche Umwelt

.31

Klassen- und Schulklima

.20

Peer-Beziehungen außerschulisch

.19

Massenmediennutzung

-.06

Im Folgenden werden wir zunächst die individuellen Determinanten schulischen Lernens thematisieren, bevor wir auf die Einflüsse der Schulumwelt sowie der häuslichen Lernumwelt eingehen werden. Da dieses Kapitel den Charakter einer Einführung hat, werden viele Themen nur skizziert und in folgenden Lehreinheiten vertiefend ausgearbeitet.