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§ 15 Verwaltungsrechtsschutz
I. Die Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs
1) Aufdrängende Sonderzuweisung
Der Verwaltungsrechtsweg kann aufgrund einer aufdrängenden Sonderzuweisung eröffnet sein. Eine Solche liegt vor, wenn der Bundesgesetzgeber bestimmt hat, dass für einen Rechtsstreit der Verwaltungsrechtsweg ohne Rücksicht auf die Natur des Rechtsverhältnisses eröffnet ist.
z.B. § 126 BRRG
2) Generalklausel des § 40 I VwGO
Wenn eine aufdrängende Sonderzuweisung nicht einschlägig ist, richtet sich die Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs nach der Generalklausel des § 40 I VwGO. Dafür muss eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit nichtverfassungsrechtlicher Art vorliegen, zu dem darf keine abdrängende Sonderzuweisung vorhanden sein.
a) Öffentlich-rechtliche Streitigkeit
Um den Charakter der Streitigkeit zu bestimmen, ist auf das Rechtsverhältnis abzustellen, aus dem der geltend gemachte Anspruch abgeleitet wird, d.h. das zugrunde liegende Rechtsverhältnis muss öffentlich-rechtlich sein.
Probleme stellen sich hier bei der Abgrenzung des öffentlichen Rechts zum bürgerlichen Recht. Um diese Probleme zu beseitigen wurde zur Abgrenzung mehrere Theorien entwickeln.
Nach der Subordinationstheorie liegt eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit vor, wenn ein Über- und Unterordnungsverhältnis zwischen den am Rechtsverhältnis Beteiligten besteht. Wenn hingegen zwischen diesen eine Gleichordnung besteht, soll es sich um eine zivilrechtliche Streitigkeit handeln.
Die modifizierte Subjektstheorie stellt dagegen darauf ab, ob die in Streit stehende Rechtsnorm einen Hoheitsträger, gerade in seiner Tätigkeit als solcher, berechtigt oder verpflichtet.
Nach der Interessentheorie liegt eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit dann vor, wenn die dem Rechtsstreit zugrunde liegende Norm dem Gemeinwohl dient, andernfalls soll es sich um einen bürgerlichen Rechtsstreit handeln.
Diese Theorien könne jedoch nur dann Hilfe für die Abgrenzung bieten, wenn dem Rechtsstreit eine Norm zugeordnet werden kann. Andernfalls ist das Abstellen auf den tatsächlichen Sachzusammenhang erforderlich.
b) Nichtverfassungsrechtlicher Art
Eine Streitigkeit nichtverfassungsrechtlicher Art liegt vor, wenn keine sog. doppelte Verfassungsunmittelbarkeit anzutreffen ist. Dies bedeutet, dass sich in dem konkreten Rechtsstreit keine am Verfassungsleben unmittelbar beteiligten Rechtsträger über Rechtsbeziehungen, die ausschließlich dem Verfassungsrecht angehören streiten dürfen.
c) Abdrängende Sonderzuweisung
Selbst wenn eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit nichtverfassungsrechtlicher Art vorliegt kann es sein, dass der Verwaltungsrechtsweg dennoch nicht eröffnet ist. Gem. § 40 I S.1 und 2 VwGO könne nämlich der Bundesgesetzgeber und auf dem Gebiet des Landesrecht der Landesgesetzgeber den Rechtsstreit zu einer anderen Gerichtsbarkeit eröffnen. Zudem werden nach § 40 II VwGO einige öffentlich-rechtliche Streitigkeiten dem ordentlichen Rechtsweg zugewiesen.
II. Die verwaltungsgerichtlichen Klagearten
Welche Klageart in dem speziellen Fall Anwendung findet richtet sich zunächst danach, ob die Maßnahme gegen die vorgegangen werden soll oder die begehrt wird ein Verwaltungsakt i.S.d. § 35 VwVfG ist.
· Sofern das Begehren des Klägers sich auf die gerichtliche Aufhebung eines Verwaltungsakt richtet, ist die Anfechtungsklage gem. § 42 I Alt. 1 VwGO einschlägig
· Will der Kläger den Erlass eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts durchsetzen, ist die Verpflichtungsklage nach § 42 I Alt. 2 VwGO die statthafte
Klageart
· Ist hingen der Verwaltungsakt,dessen gerichtliche Überprüfung der Kläger begehrt schon erledigt, ist die Fortsetzungsfestellungsklage gem. § 113 I S.4 VwGO die richtige Klageart. § 113 I S. 4 VwGO ist nach herrschender Meinung analog anwendbar wenn der Verwaltungsakt sich bereits vor Klageerhebung erledigt hat.
Ist bei einer Klage kein Verwaltungsakt im Spiel, ist weiter zu unterscheiden:
· Wird ein Tun, Dulden oder Unterlassen begehrt, dass nicht in dem Erlass oder in der Aufhebung eines Verwaltungsakts besteht, ist die allgemeine Leistungsklage die richtige Klageart. Zwar wird diese in der VwGO nicht ausdrücklich erwähnt, wird jedoch u.a. in § 43 II, 111 VwGO vorausgesetzt
· Soll die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses erfolgen, ist gem. § 43 VwGO die Feststellungsklage einschlägig
· Geht es um die Überprüfung der Gültigkeit von Rechtsnormen ist die verwaltungs-
gerichtliche Normenkontrolle gem. § 47 VwGO statthaft.
Verdeutlicht werden soll die Abgrenzung der verwaltungsrechtlichen Klagearten folgende Graphik:
Beachte aber: Auch ein Realakt kann ein nach § 43 VwGO feststellungsfähiges Rechtsverhältnis begründen. Ein Beispiel hierfür sind sogenannte Gefährderanschreiben der Polizei, die dem Betroffenen ein bestimmtes Verhalten nahelegen ohne dieses explizit anzuordnen. Da diese damit keine Regelung enthalten und somit keine Verwaltungsakte darstellen, können sie nicht nach § 42 I Var. 1 VwGO angefochten werden. Rechtsschutz wird in solchen Fällen daher auf Grundlage des § 43 I VwGO gewährt.
III. Grundzüge des vorläufigen Rechtsschutz
1) Funktion des vorläufigen Rechtsschutz
Der vorläufige Rechtsschutz hat die Funktion, Rechtsbeeinträchtigungen vor allem tatsächlicher Art zu erfassen, die vor Verkündung des gerichtlichen Urteils in der Hauptsache eintreten und deshalb schon rein naturgesetzlich nicht mehr von diesem rückgängig gemacht werden können. Ein solches Instrumentarium ist erforderlich wegen der Garantie des effektiven Rechtsschutzes aus Art. 19 IV GG. Vorläufiger Rechtsschutz ist dabei gegen jede Art hoheitlicher Rechtsverletzung zu gewähren.
2) Arten des vorläufigen Rechtsschutzes in der VwGO
Die Regelungen zum vorläufigen Rechtsschutz finden sich in §§ 80, 80a, 80b einerseits, § 123 andererseits, zudem in § 47 VI VwGO.
a) Vorläufiger Rechtsschutz nach § 80 V VwGO
Der vorläufige Rechtsschutz nach § 80 V VwGO findet Anwendung, wenn der Antragssteller die Suspendierung eines Verwaltungsakts begehrt. Daher muss aus dessen Sicht die Anfechtungsklage die richtige Klageart in der Hauptsache sein. Des Weiteren darf durch einen Widerspruch bzw. eine Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung entstehen, da das Begehren des Antragsstellers bzgl. der Suspendierung des Verwaltungsakts ansonsten gegenstandslos wäre. Dies ist in den Fällen des § 80 II S. 1 Nr. 1-4, S. 2 VwGO der Fall.
b) Vorläufiger Rechtsschutz nach § 123 I VwGO
Der vorläufige Rechtsschutz nach § 123 VwGO ist in den Fällen einschlägig, in denen der Antragssteller eine einstweilige Anordnung mit Blick auf den Erlass eines Verwaltungsakts anstrebt. In diesen Fällen bringt ihm ein Antrag nach den §§ 80 ff. VwGO nichts, da diese ausschließlich die Suspendierung bzw. die sofortige Vollziehung eines bereist erlassenen Verwaltungsakts zum Gegenstand haben.
Je nach dem Inhalt der begehrten Maßnahme ist bei § 123 VwGO entweder eine Sicherungsanordnung gem. § 123 I S.1 oder eine Regelungsanordnung nach § 123 I S.2 statthaft.
c)Vorläufiger Rechtsschutz nach § 47 VI VwGO
Ein vorläufiger Rechtsschutz nach § 47 VI VwGO kommt dann zum Zuge, wenn der Antragssteller vorläufigen Rechtsschutz gegen untergesetzliche Normen nach § 47 I Nr.1 bzw. gegen solche des Landesrecht i.S.v. § 47 I Nr. 2 begehrt.
IV. Amtshaftung
1) Gründe für die Amtshaftung
Der Zweck der Übernahme der Haftung durch den Staat besteht zu einem darin, dass der geschädigte Bürger durch den Staat einen leistungsfähigen Bürger bekommen sollte. Zudem bildet das Rechtsstaatsprinzip eine wichtige Grundlage dafür. Denn die Staatshaftung ergänzt den Grundsatz der Gesetzesmäßigkeit (Art. 20 III GG) sowie die Rechtsschutzgarantie ( Art. 19 IV GG).
2) Anspruchsgrundlage
Die Anspruchsgrundlage für einen Amtshaftungsanspruch bildet § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG. Der Staat haftet danach anstelle und nicht neben dem Amtswalter. Wenn die Voraussetzun-gen des § 839 BGB erfüllt sind, sowie des Art. 34 GG trifft die Schadensersatzpflicht den Staat.
§ 839 BGB gilt sowohl für den hoheitlichen als auch für den privatrechtlichen Bereich des Verwaltungshandelns. Im Bereich des Privatrechts ist bezieht sich jedoch die Haftung nur auf Beamte im beamtenrechtlichen Sinn.
3) Die materiell-rechtlichen Voraussetzungen
a) Handeln in Ausübung eines öffentlichen Amts
Aus § 839 I BGB, der davon spricht, dass ein Beamter eine Amtspflicht verletzt haben muss, ergibt sich, dass das Handeln aus dem die Verletzung resultiert in Ausübung eines öffentlichen Amts geschehen muss.
b) Verletzung der einem Dritten gegenüber obliegenden Amtspflicht
Eine drittgerichtete Amtspflicht liegt dann nicht vor, wenn die Amtspflicht ausschließlich den Interessen der Allgemeinheit bzw. des Staates dient.
c) Verschulden
Nach § 839 BGB wird vorausgesetzt, dass der Amtsträger schuldhaft gegen seine Amtspflicht verstoßen hat.
d) Schaden
Des Weiteren muss auch ein Schaden entstanden sein, der durch die Amtspflichtverletzung verursacht wurde. Es muss also Kausalität zwischen der Verletzung und dem Schaden bestehen.
e) Ausschlussgründe
Letztendlich darf kein Haftungsausschlussgrund für den Amtshaftungsanspruch eingreifen. Dieser kann gem. § 839 I S.2 BGB in der Subsidiaritätsklausel liegen sowie auf dem Richterspruchprivileg beruhen gem. § 839 II S. 1 BGB oder aufgrund eines Rechtsmittel-versäumnis gem. § 839 III BGB bestehen.
V. Folgenbeseitigungsanspruch
1) Begriff
Der Folgenbeseitigungsanspruch stellt einen Wiederherstellungsanspruch, also keinen Schadensersatz oder Entschädigungsanspruch dar. Er zielt auf die Beseitigung der tatsächlichen Folgen eines rechtswidrigen Eingriffs, d.h. auf die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes, der durch den rechtswidrigen Eingriff verändert wurde.
2) Rechtsgrundlage
Die Rechtsgrundlage für den Folgenbeseitigungsanspruch wird in Rechtsprechung und Literatur unterschiedlich beurteilt. Folgende Grundlagen werden in Betracht gezogen: §§ 1004, 12, 862 BGB analog, das Rechtsstaatsprinzip, das Gebot der Gerechtigkeit, der Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, die Rechtsschutzgarantie des Art. 19 IV GG, die Freiheitsrechte.
Mittlerweile sind jedoch dessen Voraussetzungen als auch Rechtfolgen gewohnheitsrechtlich anerkannt.
3) Voraussetzungen des Folgenbeseitigungsanspruchs
a) Hoheitlicher Eingriff
Der Eingriff muss ein hoheitlicher sein, ansonsten kommt nur ein privatrechtlicher Folgenbeseitigungsanspruch in Betracht.
b) Eingriff in ein subjektives Recht
Der hoheitliche Eingriff muss zudem in ein subjektives Recht erfolgen. Dies ist bei Grundrechten immer der Fall. Daneben kommt auch die Verletzung einfach-gesetzlich begründeter Rechte in Betracht.
c) Fortdauernde rechtswidrige Folgen
Die hoheitliche Maßnahme muss einen rechtswidrigen Zustand herbeigeführt haben. Ein solcher liegt vor, wenn für den Betroffenen keine Duldungspflicht besteht.
4) Ausschlussgründe
a) Rechtliche und tatsächliche Möglichkeit der Wiederherstellung
Der Anspruch auf Folgenbeseitigung ist ausgeschlossen, wenn die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands rechtlich oder tatsächlich unmöglich ist.
b) Zumutbarkeit der Wiederherstellung
Außerdem liegt ein weiterer Ausschlussgrund dann vor, wenn die Wiederherstellung unzumutbar ist. Dies ist der Fall, wenn diese einen unverhältnismäßigen Aufwand erfordern würde.