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Kurs: vhb - Kurs Allgemeines Verwaltungsrecht und Verwaltungsverfahrensrecht-Demo
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Datum: Freitag, 22. November 2024, 02:46

Beschreibung

Hier können Sie sich das komplette Skript zum Kurs ausdrucken. Die Fragen- und Fallklausuren stehen allerdings nur online zur Verfügung.

§ 1 Einführung und verfassungsmäßige Grundlagen des Allgemeinen Verwaltungsrechts

I. Begriff und Funktionen des Verwaltungsrechts

Verwaltungsrecht ist die Gesamtheit der geschriebenen und ungeschriebenen Rechtssätze des öffentlichen Rechts, die

- entweder die staatliche Verwaltung organisieren

- oder spezifisch deren Tätigkeit regeln,

- mit Ausnahme der Vorschriften anderer Rechtsordnungen, des Verfassungsrechts, des Staatsrechts und des Verwaltungsprozessrechts.

Gemeint ist ausschließlich die staatliche Verwaltung. Die Verwaltung privater Organisationen wird hingegen nicht durch das Verwaltungsrecht geregelt. Der Begriff der staatlichen Verwaltung kann negativ und positiv definiert werden. Nach der negativen Abgrenzung ist Verwaltung diejenige Staatstätigkeit, die nicht Gesetzgebung, nicht Rechtsprechung und nicht Staatsleitung ist (Subtraktionstheorie). Die positive Definition unterteilt den Verwaltungsbegriff abschließend in Verwaltung im organisatorischen Sinne, Verwaltung im formellen Sinne und Verwaltung im materiellen Sinne.

Verwaltung im organisatorischen Sinne

Verwaltung im formellen Sinne

Verwaltung im materiellen Sinne

Summe der Verwaltungsträger, Verwaltungsorgane und sonstigen Verwaltungseinricht- ungen

Gesamte Tätigkeit der Verwaltung im organisatorischen Sinne

Wahrnehmung der Verwaltungsaufgaben des Staates

Vereinfacht ausgedrückt ist das Verwaltungsrecht die Summe der Rechtssätze, die in spezifischer Weise für die Verwaltung, ihre Organisation, ihr Verfahren oder ihr Verhalten gelten.

Die Funktionen des Verwaltungsrechts liegen zum einen in der Organisation der Verwaltungsträger, d.h. der Sicherstellung der inneren Ordnung der Verwaltung und ihrer Abläufe und zum anderen in der Ausgestaltung der Bürger-Staat-Beziehung in materieller und verfahrensrechtlicher Hinsicht.

Das Allgemeine Verwaltungsrecht umfasst diejenigen Verwaltungsrechtsnormen, die für die staatliche Verwaltung insgesamt maßgeblich sind, insbesondere

- das Verwaltungsorganisationsrecht,

- das Verwaltungsverfahrensrecht,

- das Recht der öffentlich-rechtlichen Handlungsformen,

- das Recht der Anstaltsnutzung,

- das öffentliche Sachenrecht,

- das Verwaltungsvollstreckungsrecht,

- das Staatshaftungsrecht.

Den Standort des Verwaltungsrechts in der Rechtsordnung verdeutlicht folgende Grafik:

Überstaatliches Recht

Innerstaatliches Recht

Völkerrecht

Gemeinschaftsrecht

Privatrecht

Strafrecht

Öffentliches Recht



z.B. BGB, HGB

StGB und strafrecht- liche Nebenge- setze

GG, Prozessord-nungen, Allgemeines und beson- deres Ver- waltungsrecht

II. Aufgaben der Verwaltung

Historisch gesehen lagen die ersten und wichtigsten Aufgaben der vollziehenden Gewalt im Bereich der Ordnungsverwaltung, d.h. im Vollzug der staatlichen Gesetze und in der Kontrolle der Einhaltung durch die Bürger. Nur so konnte ein geordnetes Zusammenleben erst ermöglicht und ein funktionierender Staat geschaffen werden. Heute umfasst die Ordnungsverwaltung vor allem die Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung durch die Abwehr von Gefahren (z.B. Polizei- und Sicherheitsrecht, Bauordnungsrecht, Gewerberecht).

Neben der klassischen Ordnungsverwaltung haben die Verwaltungsbehörden in einem modernen Sozialstaat vor allem Aufgaben im Rahmen der Leistungsverwaltung, insbesondere in der Daseinsvorsorge. Hierzu gehört die Gewährung von Leistungen an Einzelne (z.B. BAföG, Subventionen, Arbeitslosengeld) sowie die Bereitstellung von öffentlichen Einrichtungen (z. B. Krankenhäuser, Theater, Schwimmbäder) und einer funktionsfähigen Infrastruktur (z.B. Straßen, öffentliche Verkehrsmittel).

Daneben gibt es noch folgende Aufgaben der Verwaltung:

Gewährleistungsverwaltung: Überwachung und Regulierung Privater, die in Folge von Privatisierung Leistungen erbringen, die zuvor der Staat im Rahmen seines Daseinsvorsorgeauftrages wahrgenommen hat (z.B. Post, Energieversorgung, Telekommunikation).

Abgabenverwaltung: Beschaffung von Geldmitteln durch Erhebung von Steuern und sonstigen Abgaben.

Bedarfsverwaltung: Sicherstellung des für die Verwaltungsaufgaben erforderlichen Bedarfs an Personal und Sachmitteln.

Vermögensverwaltung: Pflege und Verwertung der Vermögenswerte, die im Eigentum des Staates oder in dessen Verfügungsbefugnis stehen.

III. Organisation und Handlungsformen der Verwaltung

1. Organisation

Ein Tätigwerden der Verwaltung wird erst dann ermöglicht, wenn eine Institution besteht, die Personal und Sachmittel zur Verfügung stellt. Diese Verwaltungsträger sind in der Regel juristische Personen des öffentlichen Rechts, d.h. rechtsfähige Zurechnungsobjekte der verwaltungsrechtlichen Rechte und Pflichten. Vereinzelt gibt es auch beliehene Privatpersonen als Verwaltungsträger, z. B. die technischen Überwachungsvereine (TÜV). Für den Verwaltungsträger handeln gesetzlich vorgesehene Organe, die im Verwaltungsrecht meist als „Behörden“ bezeichnet werden. Die natürlichen Personen, die die Funktion eines Organs wahrnehmen, werden Organwalter genannt. Diese sehr technisch klingenden Grundbegriffe des Verwaltungsrechts sollen durch folgende Beispiele verdeutlicht werden:

Verwaltungsträger

Organ

Organwalter

Körperschaft

Vertreter nach außen

Natürliche Person

Freistaat Bayern

Ministerpräsident

Horst Seehofer

Stadt Würzburg

Oberbürgermeister

Georg Rosenthal

Universität Würzburg

Präsident

Alfred Forchel

Juristische Fakultät

Dekan

Christoph Weber

Jede Verwaltung in Deutschland ist entweder Bundes- oder Landesverwaltung. Art. 30 GG bestimmt, dass die Ausübung der staatlichen Befugnisse und die Erfüllung der staatlichen Aufgaben Sache der Länder ist, soweit das Grundgesetz keine andere Regelung trifft oder zulässt. Dies liegt vor allem darin begründet, dass die Länder im Gegensatz zum Bund über einen umfangreichen Verwaltungsunterbau (Landesämter, Bezirksregierungen, Kommunalverwaltungen) verfügen, der mit seinen fachlichen und personellen Mitteln in der Lage ist, den Verwaltungsauftrag zu erfüllen. Die wichtigsten Gegenstände, die der unmittelbaren Bundesverwaltung unterstehen, werden in Art. 87 Abs. 1 GG aufgelistet. Zu ihnen gehört z.B. der Auswärtige Dienst oder die Bundesfinanzverwaltung.

Den Aufbau der Verwaltung in Deutschland verdeutlicht folgende Übersicht:

Übersicht Aufbau Verwaltung

Die Grafik zeigt, dass zwischen unmittelbarer und mittelbarer Staatsverwaltung unterschieden werden muss. Bei der unmittelbaren Staatsverwaltung nehmen der Bund oder die Länder die Verwaltungsaufgaben selbst wahr. Bei der mittelbaren Staatsverwaltung erledigen dies ihre Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts in eigener Verantwortung.

Eine Körperschaft ist ein durch einen staatlichen Hoheitsakt geschaffener, mitgliedschaftlich verfasster Zusammenschluss, dem öffentliche Aufgaben zur Erledigung mit hoheitlichen Mitteln übertragen sind. Es gibt Gebiets-, Personal-, und Realkörperschaften. Wichtige Körperschaften sind z.B. die Gemeinden oder die Universitäten.

Unter einer Stiftung versteht man eine rechtlich verselbstständigte Vermögensmasse zur Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe (z.B. Museen).

Eine Anstalt ist die Zusammenfassung von Sachmitteln und Personal zur Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe. Anstalten unterscheiden sich darin von Stiftungen, dass sie Benutzer haben. Zu den wichtigsten Anstalten gehört etwa die Bundesagentur für Arbeit.

2. Handlungsformen

Unter Handlungsformen der Verwaltung ist das Instrumentarium zu verstehen, das einem Verwaltungsträger zur Erfüllung seiner Aufgaben zur Verfügung steht und nach dem sein Tun rechtlich einzuordnen ist. Die wichtigste Handlungsform der Verwaltung ist der Verwaltungsakt, der in § 35 VwVfG definiert ist. Die Verwaltung kann aber auch z.B. mittels eines Realaktes oder eines öffentlich-rechtlichen Vertrages handeln. Die einzelnen Handlungsformen werden in den §§ 4 ff. dieses Kurses detailliert erklärt und miteinander verglichen. Einen ersten Überblick soll die folgende Grafik gewähren:


Handlungsformen der Verwaltung

IV. Normenhierarchie und Rechtsquellen des Verwaltungsrechts

Nach dem Wortlaut des Art. 20 Abs. 3 GG ist die Verwaltung an Gesetz und Recht gebunden. Die deutsche Rechtsordnung besteht aber aus einer Vielzahl unterschiedlicher Rechtsnormen, wie die folgende Grafik zeigt:

Rechtsquellen

Angesichts dieser Fülle von Rechtssätzen, die von unterschiedlichen Institutionen, zu unterschiedlichen Zeiten und in unterschiedlicher Weise erlassen worden sind, kommt es immer wieder zu Normkollisionen und Wertungswidersprüchen. Der einzelne Organwalter muss aber wissen, welche Normen er anzuwenden hat, damit der Bürger auf eine gerechte und widerspruchsfreie Rechtsordnung vertrauen kann. Daher muss die Vielfalt der Rechtsquellen in ein System gebracht werden, welches die Widersprüche, die zwischen den verschiedenen Rechtsnormen bestehen, durch eine Rangordnung der Rechtsnormen löst.

Dies bewerkstelligen die drei folgenden verwaltungsrechtlichen Grundsätze:

(1) Lex superior derogat legi inferiori (das höherrangige Gesetz beseitigt das niederrangige Gesetz).

(2) Lex posterior derogat legi priori (das spätere Gesetz geht dem früheren Gesetz vor).

(3) Lex specialis derogat legi generali (das speziellere Gesetz geht dem allgemeinen Gesetz vor).

Ein Organwalter, der wegen widersprüchlichen Rechtsvorschriften nicht weiß, wie er den Sachverhalt, den er zu bearbeiten hat, entscheiden soll, muss daher zunächst einmal die Rangordnung der in Betracht kommenden Vorschriften klären. Wird der Sachverhalt durch eine hochrangige Norm geregelt, darf er allein diese anwenden und hat die niederrangigen Vorschriften zu ignorieren.

Daher stellt sich die Frage, welche Normen auf welcher Rangordnung einzuordnen sind. An oberster Stelle stehen die Rechtsvorschriften der Europäischen Union. Dies liegt darin begründet, dass die Mitgliedstaaten der EU, also auch Deutschland, Hoheitsrechte an die Institutionen der EU abgetreten haben und die Funktionsfähigkeit der EU beeinträchtigt wäre, wenn der nationale Gesetzgeber gemeinschaftsrechtliche Regelungen beliebig durch eigene Rechtsvorschriften durchkreuzen könnte. Auf nationaler Ebene geht die Verfassung den formellen Gesetzen des Bundes vor. Danach folgen die Rechtsverordnungen und Satzungen des Bundes. Da gem. Art. 31 GG Bundesrecht Landesrecht bricht, ist erst dann Landesrecht anzuwenden, wenn der Sachverhalt nicht durch eine Rechtsvorschrift des Bundes geregelt ist. Widerspricht also z.B. ein Gesetz des Bayerischen Landtages einer Satzung des Bundes, darf die Verwaltung das bayerische Gesetz nicht anwenden, sondern muss die Satzung des Bundes beachten.

Normenhierarchie

Problematisch ist aber, ob und wo Verwaltungsvorschriften und Gewohnheitsrecht auf der Rangordnungspyramide eingeordnet werden können.

1. Verwaltungsvorschriften

Verwaltungsvorschriften sind Anordnungen, die innerhalb einer Verwaltungsorganisation von einer übergeordneten Verwaltungsinstanz oder einem Vorgesetzten an nachgeordnete Verwaltungsbehörden oder Bedienstete ergehen. Anders als Gesetze, Rechtsverordnungen und Satzungen verlassen Verwaltungsvorschriften nicht den Rechtskreis der Verwaltung und sind daher mangels Außenwirkung nicht als Rechtsnorm einzustufen. Deshalb stellen sie keine unmittelbare Rechtsquelle des Verwaltungsrechts dar. Da aber die Gesetze, Verordnungen und Satzungen, die von der Verwaltung anzuwenden sind, in der Regel keine konkreten Sachverhalte regeln, sondern generell gehalten sind und unbestimmte Rechtsbegriffe enthalten, müssen sie ausgelegt und konkretisiert werden. Dies erfolgt durch die Verwaltungsvorschriften. Sie dienen somit dazu, eine einheitliche und sachgerechte Rechtsanwendung durch die Verwaltung zu gewährleisten. Die Verwaltung ist zur Beachtung der Verwaltungsvorschriften verpflichtet. Diese Verpflichtung beruht auf dem hierarchischen Aufbau der Verwaltung.

Fraglich ist aber, ob auch die Gerichte an die Verwaltungsvorschriften gebunden sind oder ob sie die unbestimmten Rechtsbegriffe unabhängig von den ergangenen Verwaltungsvorschriften auslegen und konkretisieren dürfen. Die Beantwortung dieser Frage hat für den Rechtsschutz des Einzelnen gegen Maßnahmen der Verwaltung erhebliche Bedeutung und ist juristisch umstritten. Grundsätzlich gilt, dass Art. 20 Abs. 3 GG i.V.m. Art. 19 Abs. 4 GG den Gerichten die Verpflichtung zur uneingeschränkten Überprüfung des Verwaltungshandelns, also auch der Verwaltungsvorschriften, zuweist. Dies liegt darin begründet, dass Verfasser von Verwaltungsvorschriften anders als der parlamentarische Gesetzgeber nicht unmittelbar demokratisch legitimiert sind, d.h. eine Kontrolle durch den Wähler nicht erfolgt. Deshalb darf der Verwaltung nur in Ausnahmefällen ein begrenzter Entscheidungsfreiraum, der nicht gerichtlich voll überprüft werden kann, zugebilligt werden und zwar dann, wenn aufgrund der geregelten Materie bzw. der von der Behörde zu beurteilenden Situation die gerichtliche Kontrolle an ihre Funktionsgrenzen stößt. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn die geregelte Materie besonders komplex oder dynamisch ist. Ein Beispiel hierfür ist etwa die Festlegung von Grenzwerten im Umweltrecht, die aufgrund einer Prognoseentscheidung und Risikobewertung der Verwaltung erfolgt, die die Gerichte nur bedingt nachprüfen können. Daher sind in diesen Bereichen normkonkretisierende Verwaltungsvorschriften anerkannt, deren Zweckmäßigkeit ausnahmsweise nicht gerichtlich überprüft werden kann. Ein Beispiel für eine normkonkretisierende Verwaltungsvorschrift ist etwa die TA-Lärm.

2. Gewohnheitsrecht

Anders als formelle Gesetze, die von einem Staatsorgan in einem rechtlich geregelten Verfahren beschlossen, schriftlich festgelegt und öffentlich bekanntgegeben werden, handelt es sich beim Gewohnheitsrecht um ungeschriebenes Recht, das aufgrund langer tatsächlicher Übung und durch allgemeine Anerkennung seiner Verbindlichkeit im Sinne einer Überzeugung von der rechtlichen Notwendigkeit der Übung entstanden ist. Obwohl es sich hierbei also um keine geschriebene Rechtsquelle des Verwaltungsrechts handelt, ist das Gewohnheitsrecht als Rechtsquelle des Verwaltungsrechts auf fast allen Rechtsordnungsebenen anerkannt und muss entsprechend der jeweiligen Entstehung und Reichweite in die Rangordnung eingefügt werden. Wegen der Vielzahl der geschriebenen Rechtsordnungen kommt dem Gewohnheitsrecht heutzutage aber nur noch eine untergeordnete Bedeutung zu.

V. Der Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung

Wie im letzten Abschnitt schon dargelegt wurde, ist die Verwaltung gem. Art. 20 Abs. 3 GG an Gesetz und Recht gebunden. Sie muss daher entsprechend der Rechtsnormen, die sie zu beachten hat, handeln bzw. darf – negativ ausgedrückt – keine gegen die zu beachtenden Vorschriften verstoßenden Maßnahmen treffen. Diesen Grundsatz nennt man Vorrang des Gesetzes. Verstößt sie hiergegen, ist ihr Verwaltungshandeln rechtswidrig.

Schwieriger ist die Frage, ob auch ein Vorbehalt des Gesetzes besteht, d.h. ob ein Handeln der Verwaltung auf ein Gesetz zurückzuführen sein muss oder ob die Verwaltung auch dann handeln darf, wenn die beabsichtigte Handlung nicht gesetzlich geregelt ist. Nach der herrschenden Meinung ist zumindest dann eine gesetzliche Ermächtigungsgrundlage notwendig, wenn das Verwaltungshandeln in Rechte des Bürgers eingreift, weil hierbei immer grundrechtlich gesicherte Rechtspositionen des Bürgers tangiert werden. Bei der Leistungsverwaltung, also z.B. der Gewährung staatlicher Subventionen für ein wirtschaftlich in Not geratenes Unternehmen, werden hingegen unmittelbar keine Rechtspositionen beeinträchtigt. Dennoch begründet eine Begünstigung bestimmter Personenkreise mittelbar oft eine rechtliche Benachteiligung anderer, z.B. die der Konkurrenzunternehmen. Trotzdem gilt im Bereich der Leistungsverwaltung kein Totalvorbehalt des Gesetzes. Das Bundesverfassungsgericht geht vielmehr mit dem sog. Wesentlichkeitsgrundsatz einen Mittelweg. Der Vorbehalt des Gesetzes umfasst demnach nicht nur die herkömmlichen eingreifenden Vorbehalte, sondern es müssen darüber hinaus alle wesentlichen Fragen vom Gesetzgeber selbst geregelt werden. Als wesentlich sind dabei Regelungen zu verstehen, die für die Verwirklichung von Grundrechten erhebliche Bedeutung haben. Auf diese Weise soll sichergestellt werden, dass wichtige staatliche Entscheidungen aus einem Verfahren hervorgehen, das sich durch Transparenz auszeichnet, die Beteiligung der parlamentarischen Opposition gewährleistet und auch den Betroffenen und dem Publikum Gelegenheit bietet, ihre Auffassungen zu bilden und zu vertreten. Ein Nachteil der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist ihre Unbestimmtheit. Ob eine Maßnahme im Bereich der Leistungsverwaltung grundrechtswesentlich ist, kann nur im Einzelfall entschieden und gerichtlich überprüft werden. Grundsätzlich lässt sich aber festhalten, dass je bedeutsamer eine Angelegenheit für die Allgemeinheit oder den einzelnen Bürger ist, desto höhere Anforderungen an den Gesetzgeber zu stellen sind.

VI. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit

Nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit muss jegliches staatliches Handeln in Hinblick auf den verfolgten Zweck geeignet, erforderlich und angemessen sein.
Er wird auch als Übermaßverbot bezeichnet.

Wie der Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, wird auch der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit dem in Artikel 20 Abs. 3 GG verankerten Rechtsstaatsprinzip entnommen. Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zwingt die öffentliche Hand einen Ausgleich der Individualrechtsgüter mit den von den öffentlich-rechtlichen Normen geschützten Gütern oder Interessen herzustellen. Er erfordert ein je nach Rechtsverstoß und Schwere des Eingriffs abgestuftes Vorgehen.

Zunächst darf eine Maßnahme der Verwaltung nur dann erfolgen, wenn es hierfür einen legitimen Zweck gibt. Dies ist immer dann der Fall, wenn die Maßnahme nicht gegen die Wertung des Grundgesetzes verstößt und sie nicht willkürlich ist.

Ist ein legitimer Zweck gegeben, darf die Verwaltung nur dann einen Eingriff in rechtlich geschützte Positionen vornehmen, wenn dieser geeignet ist, den legitimen Zweck zu verwirklichen. Verbietet beispielsweise eine Behörde den Versandhandel mit verschreibungsfreien Medikamenten, um die Bevölkerung vor Gesundheitsgefahren zu schützen, ist zwar ein legitimer Zweck gegeben, das Verbot ist aber ungeeignet. Denn es kann davon ausgegangen werden, dass Medikamente, deren Fehl- und Überdosierung ernsthafte Gesundheitsgefahren auslösen können, verschreibungspflichtig sind und somit ein Versand-handelsverbot von verschreibungsfreien Medikamenten den Gesundheitsschutz der Bevölkerung nicht erhöht.

Des Weiteren muss die Maßnahme erforderlich sein. Erforderlich ist eine Maßnahme, wenn kein milderes, weniger belastendes Mittel gegeben ist, das den gleichen Erfolg erreichen kann. Schießt beispielsweise ein Polizist einem fliehenden Bankräuber gezielt in den Rücken, ist die Maßnahme unverhältnismäßig, wenn auch ein gezielter Beinschuss den Täter gestoppt hätte.

Schließlich muss das Handeln der Verwaltung auch angemessen sein (sog. Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne). Unangemessen ist die Maßnahme dann, wenn der Nachteil für den Betroffenen und der erstrebte Erfolg in einem deutlichen Missverhältnis zueinander stehen, wenn also die durch die Maßnahme herbeigeführten Nachteile offensichtlich größer sind, als diejenigen, die durch sie abgewendet werden sollen. Ob eine Maßnahme unangemessen ist, kann nur im Einzelfall durch Abwägung der beeinträchtigten Rechtsgüter entschieden werden.

VII. Subjektiv öffentliche Rechte und besondere Gewaltverhältnisse

Die vom Gesetzgeber geschaffenen Normen haben nicht nur den Zweck die Verwaltung rechtlich zu binden, sondern sind in erster Linie dazu da, den Bürgern Rechte und Pflichten aufzulegen. Daher stellt sich die Frage, unter welchen Umständen ein Bürger einen Anspruch auf ein Handeln der Verwaltung zur Verfolgung seiner eigenen Interessen hat.

Aus objektiven Rechtsnormen des öffentlichen Rechts folgen nicht zwingend subjektiv-öffentliche Rechte. Vielmehr kommt es für einen Anspruch des Bürgers nach der herrschenden Schutznormtheorie darauf an, ob die zwischen der Verwaltung und dem Bürger im Streit stehende Bestimmung nicht nur dem öffentlichen Interesse, sondern auch dem subjektiven Interesse des Betroffenen zu dienen bestimmt ist. Erhält ein Bürger beispielsweise eine Baugenehmigung für den Ausbau seines Hauses, obwohl durch den Ausbau der gesetzlich geforderte Grenzabstand zum Nachbargrundstück verletzt werden würde, hat der betroffene Grundstücksnachbar einen Anspruch gegen die Behörde auf Aufhebung der Baugenehmigung, weil er als Nachbar zu dem Personenkreis gehört, der durch die verletzte Rechtsnorm geschützt werden soll. Ein Bürger, dessen Grundstück mehrere hundert Meter entfernt liegt, hat hingegen keinen Anspruch gegen die Behörde auf Aufhebung der rechtswidrigen Baugenehmigung, weil die verletzte Norm nicht ihn, sondern nur die Nachbarn des Bauenden schützen soll.

In sogenannten Sonderrechtsverhältnissen können die subjektiven Rechte des Einzelnen eingeschränkt sein. Hierzu gehören etwa das Beamtenverhältnis, der Strafvollzug, das Schul- und Hochschulverhältnis sowie das Wehrdienstverhältnis. Die Sonderrechtsstellung muss sich grundsätzlich aus einem grundrechtsbeschränkenden Parlamentsgesetz ergeben. Die Rechtsprechung unterscheidet zwischen dem sogenannten Grundverhältnis und dem Betriebsverhältnis. Im Grundverhältnis ist jede Person Bürger und somit Grundrechtsträger. Nur im Betriebsverhältnis soll z.B. ein Beamter oder ein Schüler dem Staat als Teil der eigenen Organisation gegenübertreten, so dass hier die subjektiven Rechte beschränkt sind. Betriebsverhältnis meint dabei die innere Regelung der betroffenen Einrichtung, etwa Organisationsmaßnahmen oder innerdienstliche Rechtsakte. Wird hingegen unmittelbar in die persönliche Rechtsstellung des im Sonderstatusverhältnis Stehenden eingegriffen, schlägt sich die Maßnahme auf das Grundverhältnis durch.

VIII. Gleichbehandlungsgrundsatz und Rechtschutzgarantien

Nach Art. 3 Abs. 1 GG sind alle Menschen vor dem Gesetz gleich. Dieser Grundsatz verlangt von der Verwaltung, gleiche Sachverhalte auch gleich zu behandeln.

Aus Art. 20 Abs. 3 GG in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 GG ergibt sich die Gleichbehandlungsverpflichtung für die Verwaltung bereits für die Anwendung des Rechts. Da sie nach dem Grundsatz des Vorrangs des Gesetzes immer an die gesetzlichen Vorgaben gebunden ist und alle Menschen vor dem Recht gleich sind, werden damit auch alle Verwaltungsentscheidungen für jedermann gleichmäßig nach den Vorgaben der Gesetze ergehen (Rechtsanwendungsgleichheit). Daher werden alle Bürger von der Verwaltung nach den gleichen gesetzlichen Bestimmungen beurteilt.

Soweit aber der Gesetzgeber in der Vorschrift, die der Organwalter anzuwenden hat, Handlungsspielräume (Ermessen oder Beurteilungsspielräume) zugelassen hat, fehlt der gesetzliche Maßstab für die Gleichbehandlung.

Hier gilt nach der Rechtsprechung des BVerfG ein objektives Willkürverbot. Dieses verpflichtet jede Behörde zur Gleichbehandlung von Personen in vergleichbaren Sachverhalten, bzw. zur Ungleichbehandlung von Personen in wesentlich unterschiedlichen Lebenslagen.

Die Prüfung des Gleichbehandlungsgrundsatzes setzt also den Vergleich von Situationen voraus. Da die Lebenssachverhalte nie genau identisch sind, darf die Verwaltung die Merkmale bestimmen, aus denen sich eine Vergleichbarkeit ergibt. Ein Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgebot liegt erst dann vor, wenn kein sachlicher Grund für die Auswahl der Differenzierungskriterien gegeben ist oder die Verwaltungsentscheidung auf andere Weise willkürlich erscheint. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Kriterien oder die Ziele der Differenzierung mit dem Gerechtigkeitsgedanken unvereinbar sind oder gegen Wertentscheidungen der Verfassung verstoßen. So ist es zum Beispiel willkürlich, wenn die Behörde von ihren selbst gesetzten Entscheidungskriterien aus der Vergangenheit in einem Einzelfall abrücken will. Die Behörde hat jedoch jeder Zeit die Möglichkeit, ihre Entscheidungskriterien und damit auch ihre zukünftige Entscheidungspraxis generell für die Zukunft abzuändern.

Fühlt sich ein Bürger durch eine Handlung der Verwaltung in seinen Rechten verletzt, kann er gem. Art. 19 Abs. 4 GG vor einem Gericht Rechtsschutz verlangen. Neben diesem formellen Recht auf richterliches Gehör gibt Art. 19 Abs. 4 GG dem Bürger darüber hinaus einen Anspruch auf eine möglichst wirksame gerichtliche Kontrolle. Dieses Gebot eines effektiven Rechtsschutzes verlangt nicht nur, dass jeder potenziell rechtsverletzende Akt der Verwaltung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht der richterlichen Prüfung unterstellt ist. Vielmehr müssen die Gerichte den betroffenen Rechten auch tatsächliche Wirksamkeit verschaffen.

IX. Prüfungsschema zur Rechtmäßigkeit von Verwaltungshandeln

In den allermeisten verwaltungsrechtlichen Fallklausuren fühlt sich ein fiktiver Bürger durch eine Maßnahme der Verwaltung in seinen Rechten verletzt und möchte sich hiergegen gerichtlich zur Wehr setzen. Der Student soll in der Klausur dann entweder in einem anwaltlichen Gutachten die Erfolgsaussichten der in Betracht kommenden Rechtsbehelfe erörtern oder die Entscheidung des Gerichts vorwegnehmen. Daher steht in der Klausurlösung neben prozessualen Fragen vor allem die Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Verwaltungsmaßnahme im Mittelpunkt. Im Folgenden soll deshalb ein Lösungsschema aufgezeigt werden, das die wichtigsten verwaltungsrechtlichen Grundsätze dieses Kapitels wiederholt und so allgemein gehalten ist, dass es für alle in Betracht kommenden Handlungsformen der Verwaltung gilt. Detaillierte Lösungsschemata zu den einzelnen Handlungsformen werden dann in den §§ 4 ff. dieses Kurses behandelt.

Grundsätzlich gilt, dass eine Maßnahme der Verwaltung, die in Rechte eines Bürgers eingreift, immer dann rechtmäßig ist, wenn sie aufgrund einer ordnungsgemäßen Ermächtigungsgrundlage erlassen worden ist und keine formellen und materiellen Fehler aufweist.

1. Ermächtigungsgrundlage

Das zwingende Vorliegen einer Ermächtigungsgrundlage ergibt sich aus dem Grundsatz des Vorbehaltes des Gesetzes (Art. 20 Abs. 3 GG). Ist diese z.B. wegen Verstoßes gegen höherrangiges Recht unwirksam, so ist auch die auf ihr beruhende Verwaltungsmaßnahme rechtswidrig.

2. Formelle Rechtmäßigkeit

Eine Maßnahme der Verwaltung ist dann formell rechtmäßig, wenn sie von der zuständigen Behörde erlassen wurde und keine beachtlichen Verfahrens- oder Formfehler aufweist.

a) Zuständigkeit

Die Zuständigkeit einer Behörde muss örtlich und sachlich beurteilt werden.

Welchem Verwaltungsträger (Bund, Land, Gemeinde, Anstalt, Körperschaft des öffentlichen Rechts) die Verwaltungsaufgabe zugewiesen ist, ergibt sich aus der entsprechenden Sachmaterie und den einschlägigen Spezialgesetzen. Bsp.: Erteilung einer Baugenehmigung in Bayern – Art. 53 Abs. 1 S.2 BayBO (Bayerische Bauordnung)

b) Verfahren

Verfahrensregeln, die die Verwaltung beachten muss, finden sich vor allem in den Verwaltungsverfahrensgesetzen des Bundes (VwVfG) und der Länder (z.B. BayVwVfG). Für die Klausurlösung wichtig ist die Tatsache, dass nicht alle Verfahrensfehler zwingend zur Rechtswidrigkeit der Maßnahme führen müssen, da die Verwaltungsverfahrensgesetze diverse Ausnahmeregelungen und Heilungsmöglichkeiten enthalten. Weitere Verfahrensvorschriften finden sich in den Spezialgesetzen (Bsp.: Beteiligung des Nachbarn im baurechtlichen Genehmigungsverfahren, Art. 66 BayBO).

c) Form

Für einige Handlungsformen der Verwaltung gelten bestimmte Formvorschriften, andere sind formfrei. So können z. B. öffentlich-rechtliche Verträge gem. § 57 VwVfG nur in Schriftform abgeschlossen werden. Für den Erlass eines Verwaltungsaktes gelten hingegen grundsätzlich keine bestimmten Formvorschriften. Daher kann ein Verwaltungsakt auch mündlich erteilt werden. Nur ausnahmsweise bedürfen bestimmte Verwaltungsakte zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform (Bsp. Art. 68 Abs. 2 BayBO – Baugenehmigung).

3. Materielle Rechtmäßigkeit

a) Subsumtion unter die Ermächtigungsgrundlage

Für die Frage, ob die Behörde materiell rechtmäßig gehandelt hat, ist zunächst zu untersuchen, ob sie den Sachverhalt zutreffend unter die in Betracht kommende Ermächtigungsgrundlage subsumiert hat. Hierfür sind die einzelnen Tatbestandsvoraussetzungen der Ermächtigungsgrundlage herauszuarbeiten und der jeweilige Sachverhalt ist unter diese zu subsumieren. Liegen die Tatbestandsvoraussetzungen der Ermächtigungsgrundlage tatsächlich vor, war die Entscheidung der Behörde, ihre Maßnahme auf diese zu stützen, rechtmäßig. Oftmals müssen an dieser Stelle unbestimmte Rechtsbegriffe, die in der Ermächtigungsgrundlage enthalten sind, konkretisiert werden.

b) Wahl der richtigen Rechtsfolge

Als nächstes ist zu überprüfen, ob die konkret getroffene Maßnahme von der Rechtsfolge der Ermächtigungsgrundlage gedeckt ist. Bei gebundenen Rechtvorschriften handelt die Verwaltung rechtmäßig, wenn sie die vorgeschriebene Rechtsfolge einhält. Schwieriger sind die Fälle, in denen der Verwaltung Ermessensspielräume für die Rechtsfolge eingeräumt werden. Dies ist vor allem dann der Fall, wenn die Rechtsfolge mit einem „kann“ bzw. einem „soll“ versehen ist (Bsp.: „Das Landratsamt kann unter folgenden Voraussetzungen den Gewerbeschein einziehen“). Hier handelt die Behörde rechtmäßig, wenn sie eine ermessensfehlerfreie Entscheidung findet. (hierzu näher unter § 3 des Kurses). Vor allem darf die Entscheidung nicht willkürlich erfolgen.

c) Verhältnismäßigkeit der Maßnahme

Schließlich ist für die Frage der materiellen Rechtmäßigkeit einer Verwaltungsmaßnahme noch zu untersuchen, ob diese verhältnismäßig ist, d.h. ob ein legitimer Zweck für den Eingriff in die Rechte des Bürgers vorliegt und die Maßnahme geeignet, erforderlich und angemessen ist (siehe oben).

§ 2 Die Abgrenzung zwischen Öffentlichem Recht und Privatrecht

I. Die praktische Relevanz und Notwendigkeit der Abgrenzung

Von besonderer Bedeutung für das allgemeine Verwaltungsrecht ist die Abgrenzung zwischen dem Öffentlichen Recht und dem Zivilrecht. Während das Zivilrecht die Rechtsbeziehungen von Privatrechtsträgern betrifft, regelt das Öffentliche Recht und damit auch das allgemeine Verwaltungsrecht insbesondere die rechtlichen Verhältnisse zwischen dem Staat als Hoheitsträger und seinen Bürgern. Dabei rührt die Notwendigkeit der Abgrenzung zwischen dem Öffentlichen Recht und dem Privatrecht aus dem Umstand, dass der Staat sowohl öffentlich-rechtlich als auch privatrechtlich handeln kann. Bestellt eine staatliche Behörde beispielsweise Büromaterial, handelt sie nicht im Rahmen ihrer Funktion als staatlicher Hoheitsträger, sondern schließt wie jeder andere auch einen privatrechtlichen Kaufvertrag nach § 433 BGB ab. Bewilligt die Behörde hingegen eine Baugenehmigung, handelt sie im Rahmen ihrer rechtlich eingeräumten Hoheitsfunktion und somit öffentlich-rechtlich. Sobald der Bürger sich nun gegen eine Maßnahme des Staates zur Wehr setzen will wird die praktische Relevanz der Abgrenzung deutlich: Handelt der Staat öffentlich-rechtlich eröffnet sich ein anderer Rechtsweg und sowohl Rechtsschutz- als auch Verfahrensvoraussetzungen sind unterschiedlich.

Dies liegt zum einen an § 1 Abs. 1 VwVfG, nach dem das Verwaltungsverfahrensrecht nur dann anwendbar ist, wenn die Behörde öffentlich-rechtlich handelt.

Zum anderen regelt § 40 Abs. 1 VwGO, dass dem Bürger der Verwaltungsrechtsweg nur dann offen steht, wenn es sich bei dem Streitgegenstand um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit handelt. Bei privatrechtlichen Streitigkeiten ist hingegen gemäß § 13 GVG der Weg zu den ordentlichen Gerichten, also in der Regel zu den Amts- bzw. Landgerichten eröffnet. Des Weiteren ist ein Amtshaftungsanspruch, für durch einen Hoheitsträger verursachte Schäden, nur dann gemäß § 839 BGB i.V.m. Art. 34 S. 1 GG möglich, wenn die betreffende Maßnahme des Amtsträgers eine hoheitliche Maßnahme darstellt.

Aufgrund dessen ist es häufig notwendig zwischen dem Öffentlichen Recht und dem Privatrecht zu unterscheiden. Diese Abgrenzung kann in unterschiedlicher Weise erfolgen: Entweder ist die maßgebliche Rechtsgrundlage zu ermitteln und diese sodann dem Privatrecht oder dem Öffentlichen Recht zuzuordnen, oder es sind andere Zuordnungskriterien wie die betreffende Organisationsform, Handlungsform oder der allgemeine Sachzusammenhang heranzuziehen.

Meistens beurteilt sich die Frage, ob es sich um eine privatrechtliche oder öffentlich-rechtliche Streitigkeit handelt jedoch anhand dessen, worüber die Parteien in rechtlicher Hinsicht streiten. Dabei ist zunächst die streitgegenständliche Rechtsnorm zu ermitteln, also die für das streitige Rechtsverhältnis relevante Vorschrift. Diese Norm ist sodann dem Öffentlichen Recht oder dem Privatrecht zuzuordnen.

Für diese Abgrenzung wurden im Wesentlichen drei Abgrenzungstheorien entwickelt, die jedoch mit Vorsicht zur Bewältigung von Zweifelsfragen heranzuziehen sind. Dennoch ist die Kenntnis dieser Theorien unabdingbar, sodass im Folgenden kurz auf die wichtigsten Abgrenzungskriterien eingegangen wird.

II. Die Interessen-, Subordinations- und modifizierte Subjektstheorie

Die Interessentheorie stellt auf den Gegensatz von öffentlichem (staatlichem) Interesse und privatem Interesse ab. Demnach sind diejenigen Rechtsnormen öffentlich-rechtlich, die vor allem dem öffentlichen Interesse dienen. Diejenigen Normen, die vor allem dem privaten Interesse dienen sind hingegen dem Privatrecht zuzuordnen. Öffentliches Recht ist demzufolge insbesondere dann anzunehmen wenn das Rechtsverhältnis im Interesse der Allgemeinheit liegt. Dies ist vor allem dann der Fall, wenn das Gemeinwohl berührt wird, beispielsweise wenn es um die Sicherheit des öffentlichen Straßenverkehrs oder die Gesundheit der Bevölkerung geht.

Privatrecht wäre hingegen dann anzunehmen, wenn die in Rede stehende Vorschrift Individualinteressen widerspiegelt, beispielsweise wenn wirtschaftliche Interessen wie die Gewinnerzielung im Vordergrund stehen.

Problematisch ist in diesem Zusammenhang jedoch, dass eine klare Abgrenzung mit Hilfe der Interessentheorie nicht immer möglich ist, da viele Normen sowohl öffentlichen als auch privaten Interessen dienen. Dies ist etwa dann der Fall, wenn öffentlich-rechtliche Vorschriften subjektiv-öffentliche Rechtspositionen der Bürger gegenüber der Verwaltung vermitteln. In diesen Fällen richten sich die streitgegenständlichen Normen häufig auch auf Individualinteressen, sind aber dennoch dem öffentlichen Recht zuzuordnen. Umgekehrt ist zum Beispiel dann das Allgemeinwohlinteresse betroffen, wenn die öffentliche Verwaltung zur Erfüllung ihrer allgemeinwohlorientierten Aufgaben Gegenstände einkauft. Dennoch liegt hier ein zivilrechtlicher Kaufvertrag vor, der dem Privatrecht unterliegt. Damit wird deutlich, dass sich die Interessentheorie in weiten Bereichen als unpraktikabel erweist.

Die Subordinationstheorie stellt auf die Über- und Unterordnung zwischen Bürger und Hoheitsträger ab. Danach sind Rechtsnormen dann dem öffentlichen Recht zuzuordnen wenn sie ein Verhältnis der Über- und Unterordnung begründen und zu einseitigen Regelungen berechtigen. Ein solches Verhältnis liegt beispielsweise bei Befehl, Zwang oder ähnlichem einseitigen Handeln vor.

Das Zivilrecht ist nach dieser Theorie dann einschlägig, wenn ein Verhältnis durch prinzipielle Gleichordnung geprägt ist. Ein solches Verhältnis liegt dann vor, wenn die Rechtssubjekte rechtlich gleichberechtigt sind, wie dies beispielsweise bei einem Vertragsschluss der Fall ist.

Aber auch diese Theorie kommt nicht in allen Fällen zu überzeugenden Ergebnissen. Zum einen wird ihr entgegengehalten, dass es auch im Privatrecht Über- und Unterordnungsverhältnisse gibt, so beispielsweise im Rahmen der Eltern-Kind-Beziehung oder im Verhältnis des Arbeitgebers zum Arbeitnehmer. Und auch im öffentlichen Recht sind etwa beim öffentlich-rechtlichen Vertrag durchaus Gleichordnungsverhältnisse erkennbar. In diesen Fällen hilft die Heranziehung der Subordinationstheorie nicht weiter. Gut anwendbar ist sie hingegen im Sicherheits- und Polizeirecht, da hier klassischerweise ein Über-Unterordnungsverhältnis vorliegt.

Am häufigsten wird die sogenannte modifizierte Subjektstheorie herangezogen. Sie richtet sich nach dem Zuordnungssubjekt der maßgeblichen Rechtsgrundlage. Danach sind diejenigen Rechtsnormen dem öffentlichen Recht zuzuordnen, die nur den Staat oder einen sonstigen Hoheitsträger gerade in seiner Funktion als Hoheitsträger berechtigen oder verpflichten. Privatrechtlich ist eine Rechtsnorm hingegen dann, wenn durch sie auch Privatpersonen entsprechend berechtigt oder verpflichtet sein könnten.

Doch auch diese Theorie, die durchaus noch die zuverlässigsten Ergebnisse erzielt, kann nicht alle Fälle befriedigend lösen. So ermöglicht die Theorie insbesondere dann keine Abgrenzung, wenn bereits unklar ist welche Rechtsnorm im Rahmen des streitigen Rechtsverhältnisses heranzuziehen ist. Und auch in den Fällen, in denen Beliehene handeln, hilft das Heranziehen dieser Theorie nicht weiter. Die Beliehenen sind Privatpersonen (z.B. TÜV), nehmen aber aufgrund der Beleihung hoheitliche Aufgaben aufgrund von Sonderrechten wahr. Als Privatpersonen können sie zwar kein Hoheitsträger sein, dennoch wird ihr Handeln als öffentlich-rechtlich qualifiziert.

Damit lässt sich abschließend zu den Abgrenzungstheorien sagen, dass diese mit Vorsicht anzuwenden sind. Um eine endgültige Entscheidung treffen zu können, ob es sich bei der in Rede stehenden Rechtsnorm um eine öffentlich-rechtliche oder eine privatrechtliche Rechtsgrundlage handelt, müssen die Theorien stets im Wege der Gesamtschau herangezogen werden, indem man sie in Kombination anwendet und auf die Merkmale des jeweiligen Einzelfalles eingeht.

Soweit das betreffende Rechtsverhältnis jedoch ein dem öffentlichen Recht typischen Rechtsgebiet zuzuordnen ist, erübrigt sich im Grunde genommen ein ausführliches Eingehen auf die Abgrenzungstheorien. Und auch in den Rechtsverhältnissen, in denen der Staat die klassische Eingriffsverwaltung einsetzt, wie dies beispielsweise im Polizei- und Sicherheitsrecht der Fall ist, erübrigt sich ein vertieftes Eingehen auf die Theorien.

III. Problematische Abgrenzungsfälle und Lösungsansätze

Problematisch ist die Abgrenzung zwischen Öffentlichem Recht und Privatrecht vor allem dann, wenn sowohl auf privatrechtliche als auch auf öffentlich-rechtliche Rechtsnormen abgestellt werden kann.

Im Folgenden sollen in diesem Zusammenhang einige Beispielsfälle und deren Lösungsansätze aufgezeigt werden.

1. Unfall eines Beamten

Fraglich ist bei einer Autofahrt eines Beamten deren rechtliche Zuordnung, da das zivilrechtliche Deliktsrecht (§ 823 ff. BGB) andere Rechtsfolgen normiert als der öffentlich-rechtliche Anspruch aus Amtshaftung (§ 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG). In einem solchen Fall stellt die Rechtsprechung insbesondere auf die Zielsetzung und den Zweck der Fahrt und damit auf den Zusammenhang mit der öffentlich-rechtlichen Aufgabenerfüllung ab. Erfolgt die Fahrt zur Wahrnehmung hoheitlicher Aufgaben, so ist die Autofahrt eines Beamten dem Öffentlichem Recht zuzuordnen, dient sie hingegen der Erledigung fiskalischer Geschäfte, so ist sie dem Privatrecht zuzuordnen. Die Literatur stellt hingegen darauf ab, ob die Teilnahme am Straßenverkehr als Ausübung hoheitlicher Befugnisse nach außen erkennbar wird, insbesondere ob also Sonderrechte gem. § 35 StVO, Blaulicht oder Martinshorn in Anspruch genommen werden.

2. Ehrverletzende Äußerungen eines Beamten

Im Rahmen von ehrverletzenden Äußerungen eines Beamten können sich für den Bürger Widerrufs- bzw. Unterlassungsansprüche ergeben. Auch hier können diese sowohl aus dem Privatrecht (§§ 823, 1004 BGB) als auch aus dem öffentlichen Recht (öffentlich-rechtlicher Unterlassungsanspruch, Folgenbeseitigungsanspruch auf Widerruf ehrbeeinträchtigender Äußerungen) abgeleitet werden. Die Abgrenzung hängt auch in diesen Fällen davon ab, in welchem Zusammenhang die Äußerung des Beamten steht. Äußert sich der Beamte als Privatperson und damit erkennbar nicht in seiner Funktion als Verwaltungsträger, steht dem Bürger ein privatrechtlicher Anspruch zu; steht die Äußerung jedoch im Zusammenhang mit der Erfüllung hoheitlicher Aufgaben, so ist die Äußerung des Beamten dem öffentlichen Recht zuzuordnen und damit der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten eröffnet.

3. Hausverbot in öffentlichen Gebäuden

Ein weiterer problematischer Abgrenzungsfall ist die Ausübung des Hausrechts in öffentlichen Gebäuden (z.B. Erteilung eines Hausverbotes). Die Literatur stellt in diesen Fällen überwiegend auf den Zweck der jeweiligen Einrichtung ab. Dient das Gebäude vordergründig öffentlichen Belangen, so ist der Verwaltungsrechtsweg eröffnet, was regelmäßig der Fall ist.

Die Rechtsprechung hingegen stellt auf den Zweck des jeweiligen Aufenthaltes in dem Gebäude ab. Das Hausverbot ist danach dem öffentlichen Recht zuzuordnen, soweit der Bürger das Gebäude mit einem öffentlichen Interesse betritt (z.B. der Beantragung einer Baugenehmigung) und dem Privatrecht, soweit es bei dem Aufenthalt in dem entsprechenden Gebäude um die Erledigung privatrechtlicher Geschäfte (z.B. dem Verkauf eines Zeitschriftenabonnements) geht.

4. Leistungsverwaltung

Auch im Rahmen der Leistungsverwaltung (z.B. der Subventionsvergabe) ist die Abgrenzung zwischen dem Öffentlichem Recht und dem Privatrecht schwierig, da die Verwaltung in diesem Bereich ein Wahlrecht sowohl hinsichtlich der Organisations- als auch der Kontrahierungsform hat. So kann der Staat beispielsweise ein in Not geratenes Unternehmen ein Darlehen nach § 488 BGB gewähren oder öffentliche Gebäude an Privatpersonen nach § 535 BGB vermieten. Trotzdem ist der Staat im Bereich der Leistungsverwaltung anders als Private an die Grundrechte und andere öffentlich-rechtliche Vorschriften gebunden. Wird einem wirtschaftlich angeschlagenen Unternehmen zum Beispiel ein Darlehen gewährt, so hat wegen dem Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG auch ein Konkurrenzunternehmen in derselben Situation einen Anspruch auf Erteilung des Darlehens. Vermietet eine Stadt ihre Stadthalle regelmäßig an eine Partei, die dort ihre Parteitage durchführt, muss sie gem. Art. 21 BayGO auch mit einer anderen Partei einen Mietvertrag abschließen, wenn diese die Stadthalle nutzen will. Diese im Öffentlichen Recht begründeten Ansprüche müssen auch vor den Verwaltungsgerichten durchgesetzt werden können, da im Privatrecht ein Kontrahierungszwang anders als im Öffentlichen Recht grundsätzlich nicht anerkannt ist.

Zur Lösung dieses Spannungsfeldes wurde die sog. Zwei-Stufen-Theorie entwickelt, die nach dem „ob“ und dem „wie“ der Vergabe der Leistung differenziert. Ein Streit über das „ob“, also z.B. über das Vorliegen der Voraussetzungen für die Gewährung einer staatlichen Subvention muss demnach immer dem öffentlichen Recht zugeordnet werden.

Die nähere Ausgestaltung, also das „wie“ kann dann hingegen privatrechtlich (z.B. durch Darlehensvertrag) erfolgen.

In diesem Rahmen konnten nur einige der relevanten Fallgruppen betrachtet werden. Aber anhand der Beispiele wird deutlich, dass die Abgrenzung von Öffentlichem Recht und Privatrecht oft zu Problemen in einer verwaltungsrechtlichen Klausur führen kann. Beachten sie aber immer die Schwerpunktsetzung in der Klausur. So sollten die Abgrenzungstheorien in unproblematischen Fällen, wenn überhaupt, nur am Rande angesprochen werden. Liegt jedoch ein Fall vor, in dem die Abgrenzung zu Schwierigkeiten führt, ist in diesem Rahmen nicht nur eine Gesamtschau der jeweiligen Theorien erforderlich, sondern ebenso eine auf den Einzelfall gerichtete Argumentation.

§ 3 Ermessen, Beurteilungsspielraum und unbestimmter Rechtsbegriff

I. Gebundene und nichtgebundene Verwaltung

Je detaillierter und bestimmter der Gesetzgeber eine Norm fasst, desto weniger Entscheidungsspielräume bleiben der Verwaltung bei ihrer Umsetzung. Besagt z.B. eine Norm, dass ein Autofahrer, der innerorts die Geschwindigkeitshöchstgrenze um bis zu 20% überschreitet, mit einem Bußgeld von 30 € zu belangen ist, ist die zuständige Behörde daran gebunden, diese Norm Wort für Wort umzusetzen. Besagt hingegen eine Norm, dass derjenige, der durch sein Verhalten ein öffentliches Ärgernis erregt hat, mit einem Bußgeld von bis zu 100 € belangt werden kann, eröffnen sich für die Behörde verschiedene Entscheidungsspielräume. Zum einen muss sie klären, was die Begriffe „Erregung“ und „öffentliches Ärgernis“ bedeuten und ob der Sachverhalt, den sie zu entscheiden hat, unter diese Begriffe subsumiert werden kann. Zum anderen kann sie ein Bußgeld erheben, d.h. sie muss dies nicht zwingend tun und sie kann, falls sie sich für die Erhebung eines Bußgelds entscheidet, wählen, in welcher Höhe dieses erhoben werden soll, solange der Höchstbetrag von 100 € nicht überschritten wird.

Die Verwaltung kann in solchen Fällen also sowohl auf der Tatbestands- als auch auf der Rechtsfolgenebene Entscheidungsspielräume haben. Der Sinn, warum der Gesetzgeber Kompetenzen auf die Verwaltung verlagert, liegt darin begründet, dass der Gesetzgeber der Verwaltung die Möglichkeit geben will, Einzelfallgerechtigkeit und Rationalität des Mitteleinsatzes zu wahren.

Ermessen

Im Folgenden sollen daher die verschiedenen Konstellationen, in denen der Verwaltung Handlungsspielräume eingeräumt werden, näher dargestellt werden.

II. Ermessen

1.Begriff

Neben gebundenen Entscheidungen der Verwaltung, die auf dem Tatbestand einer Rechtsnorm basieren, an den der Gesetzgeber zwingend eine konkrete Rechtsfolge geknüpft hat, kann die Behörde unter bestimmten Voraussetzungen auch Ermessensentscheidungen treffen. Ermessen ist die Befugnis der Verwaltung, bei Verwirklichung eines gesetzlichen Tatbestands zwischen verschiedenen gleichermaßen rechtmäßigen Rechtsfolgen zu wählen. Hierbei knüpft das Gesetz also an den Tatbestand nicht eine einzige Rechtsfolge, sondern überlässt es der Verwaltung selbst die Rechtsfolge zu wählen, um dadurch die im Verwaltungsrecht erforderliche Handlungsflexibilität zu gewährleisten. Die Ausübung von Ermessen kann auf zwei unterschiedliche Arten erfolgen. Zum einen kann der Verwaltung Ermessen eingeräumt werden zu entscheiden, ob sie im konkreten Fall überhaupt tätig werden soll oder nicht. In diesem Fall spricht man von sogenanntem Entschließungsermessen. Liegt es dagegen im Ermessen der Verwaltung von mehreren möglichen, zulässigen Maßnahmen im jeweiligen Einzelfall eine als Rechtsfolge zu bestimmen, so verfügt sie über Auswahlermessen. Daneben gibt es noch das sog. intendierte Ermessen, das dann vorliegt, wenn der Gesetzgeber in der entsprechenden Ermächtigungsnorm die Zielrichtung, an der sich die Ermessensentscheidung zu orientieren hat, bereits gesetzlich bestimmt hat, von der aber im Einzelfall eine abweichende Ermessensentscheidung getroffen werden kann. Dieses von der Rechtsprechung entwickelte Konstrukt wird in der Literatur vor allem deshalb weitgehend abgelehnt, weil der Gesetzgeber durch den Erlass einer Soll-Vorschrift Identisches erreichen kann.

2.Voraussetzungen

Aufgrund des Vorbehalts des Gesetzes ist die Ausübung von Ermessen an strenge Voraussetzungen geknüpft. Der Verwaltung wird nur ein Handlungs- und Entscheidungsspielraum bei der Bestimmung der an die Verwirklichung eines Tatbestandes zu knüpfenden Rechtsfolge eingeräumt, wenn dies auf eine Entscheidung des Gesetzgebers zurückzuführen ist. Dies bedeutet, dass sich die Ermessensermächtigung entweder ausdrücklich, aus der im Einzelfall einschlägigen Norm, oder vereinzelt, aus deren Gesamtzusammenhang ergeben muss. Eine ausdrückliche Ermessenermächtigung ist daran zu erkennen, dass auf Rechtsfolgenseite der jeweiligen Norm beispielsweise die Begriffe „kann“, „darf“, „ist befugt“ u. ä. verwendet werden. Gebundene Entscheidungen sind dagegen durch Ausdrücke wie „muss“, „ist zu …“ oder „darf nicht …“ usw. gekennzeichnet.

3.Bedeutung

Ziel der Ermessenseinräumung ist es, der Verwaltung die Möglichkeit zu eröffnen, flexibel auf unterschiedliche Sachverhalte zu reagieren. Die Verwaltung kann so innerhalb eines gesetzlichen Rahmens individuell und eigenverantwortlich Entscheidungen für den Einzelfall treffen, womit es ermöglicht wird, einen Ausgleich zwischen der abstrakten gesetzlichen Zielvorstellung und den konkret vorliegenden Umständen zu schaffen. Insbesondere bleibt Raum für eine Prüfung auf Zweckmäßigkeit und Billigkeit.

4.Ermessensfehler

Zu beachten ist, dass die Verwaltung in ihrer Ermessensausübung nicht völlig frei ist. Das Verwaltungshandeln muss auf eine pflichtgemäße Ermessensentscheidung zurückzuführen sein. Dies ist insbesondere § 40 VwVfG zu entnehmen, nach dem die Behörde bei der Ermessensausübung „ihr Ermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben und die gesetzlichen Grenzen des Ermessens einzuhalten“ hat. Die Verwaltung ist also insofern rechtlich gebunden, dass sie ihr Ermessen frei von Ermessensfehlern ausüben muss. Hinsichtlich der Ermessensfehler unterscheidet man vier unterschiedliche Kategorien, die zum Teil unterschiedlich bezeichnet werden.

a)Ermessensüberschreitung

Ein Fall der Ermessensüberschreitung liegt vor, wenn der Behörde zwar in der einschlägigen Ermächtigungsnorm Ermessen eingeräumt wird, sie aber irrtümlich oder bewusst davon ausgeht, dass ihr ein größerer Handlungsspielraum eröffnet ist, als dies tatsächlich der Fall ist. Eine Ermessensüberschreitung ist somit nur im Bereich von Auswahlermessen möglich.

Bsp.: Die Stadtverwaltung sanktioniert das ordnungswidrige Wegwerfen einer Zigarette im Park mit einem Bußgeld von 50,- €, während die zugehörige Gebührentabelle im konkreten Fall Strafen von max. 30,- € vorsieht.

b)Ermessensnichtgebrauch

Eine behördliche Ermessensentscheidung ist dagegen aufgrund eines Ermessensnichtgebrauchs fehlerhaft, wenn die Behörde trotz einer entsprechenden Ermessensermächtigung von ihrem Ermessen keinen Gebrauch macht. Dies ist anzunehmen, wenn sich die Behörde in ihrer Entscheidung irrigerweise für gebunden hält. Im Rahmen des Entschließungsermessens, innerhalb dessen es im Ermessen der Behörde liegt, ob sie im vorliegenden Fall tätig werden soll oder nicht, ist die Entscheidung nur frei von Ermessenfehlern, wenn sie sich dieser Wahlmöglichkeit zum Zeitpunkt der Entscheidung auch bewusst war. Beim Auswahlermessen ist von einer Ermessensunterschreitung auszugehen, wenn der Behörde bei ihrer Entscheidung nicht bewusst war, dass neben der von ihr getroffenen Maßnahme weitere Handlungsalternativen zur Verfügung gestanden hätten.

c)Ermessensfehlgebrauch

Von Ermessensfehlgebrauch spricht man, wenn die Behörde ihr Ermessen entgegen dem Zweck der Ermächtigung ausübt. Hier liegt die gewählte Rechtsfolge zwar in den Grenzen der Ermächtigungsnorm, die für die Entscheidung wesentlichen Gesichtspunkte wurden aber nicht derart in die Abwägung mit einbezogen, dass die Rechtsfolge den gesetzlich vorgesehen Zielvorstellungen entspricht. Dies ist anzunehmen, wenn nicht alle für die Entscheidung erheblichen Tatsachen ermittelt wurden, der Zweck der Ermächtigung verkannt, oder bewusst aus willkürlichen, unsachlichen Motiven gehandelt wurde.

d)Verstoß der Ermessensausübung gegen Grundrechte oder allgemeine Verfassungsgrundsätze

Zuletzt ist eine Entscheidung ermessensfehlerhaft, wenn diese zu einem Grundrechtsverstoß oder einem Verstoß gegen sonstige Verfassungsgrundsätze führt. Das Ermessen der Behörde wird folglich durch die Grundrechte, sowie insbesondere durch den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz in objektiver Hinsicht beschränkt. Praktisch relevant ist oft die Frage, ob eine Ermessensentscheidung aufgrund eines Verstoßes gegen den Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) ermessensfehlerhaft ist. Hiernach ist die Behörde nämlich verpflichtet bei gleichartigen Sachverhalten gleich zu entscheiden, sofern eine Ungleichbehandlung nicht aus sachlichen Gründen gerechtfertigt ist. Eine hiernach erfolgende stetige Verwaltungspraxis kann sodann zur Selbstbindung der Verwaltung führen, von der wiederum nicht ohne weiteres abgewichen werden kann.

5.Ermessensreduzierung auf Null

Wie bereits festgestellt bedeutet Ermessen, dass der Verwaltung vom Gesetzgeber die Möglichkeit eingeräumt wird, zwischen mehreren Handlungsmöglichkeiten zu wählen. Diese Wahlmöglichkeit kann allerdings auf eine Alternative reduziert werden, sofern von den zur Verfügung stehenden möglichen Rechtsfolgen nur eine einzige ermessensfehlerfrei gewählt werden kann. Die Behörde ist dann gezwungen diese eine Entscheidung zu treffen. Sie ist somit in ihrer Ermessensentscheidung gebunden. In diesem Fall spricht man von einer Ermessensreduzierung auf Null. Eine solche liegt vor allem dann vor, wenn nur eine Entscheidung mit höherrangigem Recht in Einklang steht.

Beispiele:

(1) Die straßenrechtliche Sondernutzungserlaubnis wird zwar nach Ermessen erteilt, sie muss aber mit Blick auf Art. 21 I und 38 I GG für Wahlplakate politischer Parteien während des Wahlkampfes grundsätzlich ergehen.

(2) Bei Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis gem. §§ 1 I, 5 I Nr. 1, 17 i AuslG kann das bestehende behördliche Ermessen wegen Art. 6 I GG bei einem verheirateten Ausländer mit Familie dahingehend reduziert sein, dass nur noch die Entscheidung, die Aufenthaltserlaubnis zu verlängern, verfassungskonform ist.

Verkennt die Verwaltung dass die Norm, die sie anwendet, eine Ermessensvorschrift ist und macht deshalb von ihrem Ermessen keinen Gebrauch, begeht sie dann keinen Ermessensfehler, wenn ein Fall der Ermessensreduktion auf Null vorliegt, weil die Annahme der Verwaltung, dass sie in ihrer Entscheidung gebunden ist, im Ergebnis zutrifft.

6.Gerichtliche Überprüfung von Ermessen

Fraglich ist zuletzt, in wie weit Ermessensentscheidungen einer gerichtlichen Überprüfung unterliegen. Auch Ermessensvorschriften können subjektiv-öffentliche Rechte begründen. Allerdings hat der Bürger aus einer Ermessensnorm keinen Anspruch auf die Wahl einer bestimmten Handlung oder Entscheidung. Er verfügt lediglich über einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung. Entscheidend ist also nur, dass überhaupt eine Ermessensentscheidung der Behörde vorliegt, die zudem frei von Ermessensfehlern ist. Dementsprechend unterliegt das behördliche Ermessen im verwaltungsgerichtlichen Verfahren keiner Zweckmäßigkeitsprüfung. Der Einwand, dass die Verwaltung eine unzweckmäßige oder sinnlose Ermessensentscheidung getroffen hat, ist rechtlich irrelevant. Lediglich in dem der verwaltungsgerichtlichen Klage vorgeschalteten Widerspruchsverfahren (§ 68 Abs. 1 VwGO) kann ein Verwaltungsakt auf seine Zweckmäßigkeit hin überprüft werden. Prozessual bedeutet dies, dass ein Bürger, der durch eine ermessensfehlerhafte Entscheidung in seinen Rechten verletzt ist, nur eine neue, ermessensfehlerfreie Verbescheidung der Verwaltung einklagen kann, nicht aber ein bestimmtes Ziel hinsichtlich des Ausgangs des Verfahrens.

III. Beurteilungsspielraum

Beurteilungsermächtigungen sind anders als Ermessensvorschriften nicht auf der Rechtsfolgen- sondern auf der Tatbestandsseite angesiedelt. Sie räumen der Verwaltung die Befugnis ein, das Vorliegen bestimmter Tatbestandsmerkmale abschließend, d.h. ohne nachträgliche verwaltungsgerichtliche Kontrolle zu konkretisieren. Man spricht auch von Einschätzungsprärogativen. Diese müssen sich gleichsam wie die Ermessensermächtigungen unmittelbar aus einem Gesetz ableiten lassen. Dabei kommt es insbesondere darauf an, welche Rechte der Bürger durch die Maßnahme betroffen sind. Oftmals werden solche Beurteilungsspielräume in Bereichen gewährt, die spezielle Fachkenntnisse der Behörden erfordern und daher von den Gerichten ohnehin nur schwer nachgeprüft werden können (z.B. Schulnoten). Das Bundesverfassungsgericht hat mehrfach betont, dass bei Entscheidungen, die sich auf Grundrechte der Bürger auswirken, nur sehr begrenzt solche gerichtlich nicht kontrollierbaren Entscheidungsfreiräume der Verwaltung geschaffen werden dürfen.

In der Rechtsprechung sind Beurteilungsspielräume in folgenden Fällen anerkannt:

(1) Prüfungsentscheidungen wie Abitur und Staatsexamen

(2) Prüfungsähnliche Entscheidungen im Schulbereich wie Versetzung

(3) Beamtenrechtliche Beurteilungen

(4) Wertende Entscheidungen weisungsfreier Ausschüsse

(5) Prognoseentscheidungen und Risikobewertungen im Umweltrecht

IV. Unbestimmter Rechtsbegriff

Neben dem Ermessen, das der Verwaltung auf Rechtsfolgenseite einen gewissen Handlungsspielraum gewährt, findet man in verwaltungsrechtlichen Normen zudem auf Tatbestandsebene unbestimmte Rechtsbegriffe, die einer näheren Konkretisierung durch die Behörde bedürfen. Bei den unbestimmten Rechtsbegriffen handelt es sich also um generalklauselartige Formulierungen, die von der jeweiligen Behörde im Einzelfall auszulegen sind. Bei der Anwendung einer Norm, in der unbestimmte Rechtsbegriffe enthalten sind, kann die Behörde Interpretationen der Rechtsprechung und solche aus Verwaltungsvorschriften zur Hilfe ziehen.

Die Auslegung unbestimmter Rechtsbegriffe folgt nach den allgemeinen Grundsätzen. Es kommt also etwa auf den Wortsinn, die Entstehungsgeschichte der Norm, ihren Sinn und Zweck und den systematischen Zusammenhang der Norm, aber gegebenenfalls auch auf eine verfassungskonforme Auslegung an.

Häufig wiederkehrende unbestimmte Rechtsbegriffe in Klausuren sind die polizei- und ordnungsrechtlichen Begriffe „Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung“ sowie der Begriff „Zuverlässigkeit“, der insbesondere im Gewerbe-, Gaststätten- und Waffenrecht von grundlegender Bedeutung ist.

Weitere Beispiele für unbestimmte Rechtsbegriffe sind: „öffentliches Interesse“, „soziale Härte“, „Einbruch der Dämmerung“, „geschlossene Ortslage“...

Unbestimmte Rechtsbegriffe unterliegen anders als Ermessens- und Beurteilungsspielräume der vollen verwaltungsgerichtlichen Kontrolle. Das bedeutet, dass die Behörde bei der Auslegung und Anwendung unbestimmter Rechtsbegriffe keinen Beurteilungsspielraum hat. Die Verwaltungsgerichte sind auch dann befugt, eine behördliche Entscheidung aufzuheben, wenn die behördliche Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs im konkreten Einzelfall vertretbar ist, das Verwaltungsgericht den unbestimmten Rechtsbegriff aber anders auslegt.

§ 4 Der Verwaltungsakt

I. Begriff und Bedeutung

Der Verwaltungsakt stellt das zentrale Handlungselement des Staates im Bereich des allgemeinen Verwaltungsrechts dar. Er ist nur eine von mehreren Möglichkeiten des Verwaltungshandelns, wird aber auf Grund seiner verbindlichen Regelung eines konkreten Einzelfalls von den Behörden vielfach angewandt. Insbesondere wird durch das Instrument des Verwaltungsakts die Effektivität der Verwaltung sichergestellt, indem einheitliche Vorgaben für alle Verwaltungsakte gelten, was für die Bewältigung der modernen Aufgaben der Verwaltung unentbehrlich ist. Die große dogmatische Bedeutung des Verwaltungsakts lässt sich zudem darauf zurückführen, dass er durch seine einheitliche Struktur und gemeinsame Rechtsregeln in den unterschiedlichen Verwaltungsbereichen gleichsam eingesetzt werden kann. So zählen zu den Verwaltungsakten unter anderem Verkehrszeichen, Gebührenbescheide, Baugenehmigungen, Beamtenernennungen, Hochschulzulassungen und Gewerbeverbote.

Nach der Legaldefinition in Art. 35 S. 1 BayVwVfG ist ein Verwaltungsakt „jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalls auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtwirkung nach außen gerichtet ist.“ Kurz zusammengefasst kann der Verwaltungsakt als Maßnahme einer Behörde auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts zur Regelung eines Einzelfalls mit Außenwirkung bezeichnet werden. An den einzelnen Elementen kann die Abgrenzung zu anderen Formen des Verwaltungshandelns vorgenommen werden.

Einen Überblick hierzu bietet das folgende Schaubild:

Elemente VaII. Funktion

Dem Verwaltungsakt kommen mehrere Funktionen zu. Er kann zum einen durch die Behörde selbst vollstreckt werden (Titelfunktion). Im Gegensatz dazu kann der Bürger im Zivilrecht seine Forderung nur mittels der Gerichte durchsetzen. Zum anderen stellt das Handeln des Staates durch einen Verwaltungsakt eine abschließende Entscheidung für das Verwaltungsverfahren dar (Verfahrensfunktion). Die Behörde ist über Art. 9 BayVwVfG an die Verfahrensgrundsätze des Verwaltungsverfahrensgesetzes gebunden. Daneben trifft der Verwaltungsakt eine verbindliche Regelung für den betroffenen Bürger, um Rechtssicherheit zwischen Staat und Bürger zu schaffen (Klarstellungsfunktion). Dadurch werden auch alle weiteren staatlichen Behörden an die Festsetzungen des Verwaltungsakts gebunden. Die Intensität der Bindung lässt sich in verschiedene Stufen einteilen, wobei Tatbestandswirkung, Feststellungswirkung und Konzentrationswirkung unterschieden werden (vgl. im Einzelnen § 6 Kapitel II). Zudem entfaltet der Verwaltungsakt seine Wirkung unabhängig davon ob er rechtmäßig oder rechtswidrig ergangen ist. Allein die Bekanntgabe entscheidet über die Rechtswirksamkeit, es sei denn der Verwaltungsakt war schon von vornherein nichtig (Art. 44 BayVwVfG). Nichtigkeit in diesem Sinne bedeutet, dass der Verwaltungsakt rechtsunwirksam ist und keinerlei rechtliche Gestaltungskraft entfaltet. Sie tritt nach Art. 44 I BayVwVfG nur ein, wenn der Verwaltungsakt an einem schwerwiegenden Fehler leidet, der nach verständiger Würdigung des Falles offensichtlich ist (vgl. § 6 Kapitel V). Die endgültige Verbindlichkeit tritt jedoch nur ein, wenn der Verwaltungsakt zur Bestandskraft erstarkt ist (Bestandsfunktion). Das ist dann der Fall, wenn der Verwaltungsakt nicht mehr anfechtbar ist oder erfolglos angefochten wurde. Der Bürger darf darauf vertrauen, dass der Verwaltungsakt nicht mehr abgeändert werden kann. Danach ist eine Aufhebung des Verwaltungsakts nur noch in begrenzten Ausnahmefällen wie Rücknahme und Widerruf (Art. 48 ff. BayVwVfG) möglich. Das Handeln mittels Verwaltungsakt bestimmt zudem die Klagemöglichkeiten der Bürger, da sich die Klageart je nach der Form des Verwaltungshandelns richtet (Rechtsschutzfunktion). So kann der Bürger gegen einen Verwaltungsakt mit einer Anfechtungsklage (§§ 42 ff. VwGO) vorgehen oder ein Widerspruchsverfahren (§§ 68 ff. VwGO) durchführen. Außerdem ist der Verwaltungsakt der Einstieg zu Maßnahmen im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes nach den §§ 80 f. VwGO.

III. Arten von Verwaltungsakten

Der Verwaltungsakt lässt sich in viele unterschiedliche Gruppen und Typen einteilen. Anknüpfungspunkte bilden zum einen der Regelungsinhalt, zum anderen die Rechtswirkung. Daneben kann an Hand der Beteiligten eine Abgrenzung vorgenommen werden. Schließlich finden sich noch einige Sonderformen.

a) Inhaltlich lassen sich befehlende, feststellende und rechtsgestaltende Verwaltungsakte unterscheiden. Ein befehlender Verwaltungsakt ist darauf gerichtet Rechtspflichten des Betroffenen zu konkretisieren. Er verpflichtet zu einem bestimmten Tun (Gebote), Dulden oder Unterlassen (Verbote), zum Beispiel ein Versammlungsverbot (Art. 12, 15 BayVersG), eine Gewerbeuntersagung (§ 35 GewO) oder eine baurechtliche Abrissverfügung (Art. 76 BayBO). Ein feststellender Verwaltungsakt hingegen zielt darauf ab ein Verwaltungsrechtsverhältnis festzustellen. Es wird ein Recht oder eine Eigenschaft einer Person durch die Behörde verbindlich festgelegt, zum Beispiel die Staatsangehörigkeit (vgl. StAG), das Recht auf einen Schwerbehindertenausweis (vgl. SchwerbehindertenausweisVO) oder die Anmeldung eines Wohnortes (vgl. Melderechtsrahmengesetz). Ein rechtsgestaltender Verwaltungsakt räumt dem Adressaten eine konkrete Rechtsstellung ein. Der Verwaltungsakt kann unter anderem in Form einer Erlaubnis, einer Genehmigung oder einer Konzession ergehen. Das Rechtsverhältnis wird unmittelbar durch den Verwaltungsakt begründet, verändert oder beseitigt. Er kann daher nicht vollstreckt werden. Beispiele sind die Ernennung, Beförderung und Entlassung eines Beamten, die Ein- und Ausbürgerung, die Im- und Exmatrikulation oder die Erteilung und der Entzug des Führerscheins.

b) Begünstigende und belastende Verwaltungsakte können nach der Rechtswirkung für den betroffenen Bürger untergliedert werden. Nach der Legaldefinition in Art. 48 I 2 BayVwVfG begründet oder bestätigt ein begünstigender Verwaltungsakt ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil. Beispiele sind die Immatrikulation, die Beamtenernennung oder die Baugenehmigung. Dagegen wirkt sich ein belastender Verwaltungsakt nachteilig für den Bürger aus, da in dessen Rechte eingegriffen wird. Zu beachten ist, dass aus diesen Gründen der Verwaltungsakt nur auf Grund einer gesetzlichen Grundlage erlassen werden darf. Der Nachteil kann auch darin liegen, dass eine beantragte Begünstigung abgelehnt wird. Beispiele sind die Exmatrikulation, die Beamtenentlassung oder die Ablehnung einer beantragten Baugenehmigung.

c) Daneben können auch Verwaltungsakte mit Doppel- oder Drittwirkung nach den rechtlichen Folgen unterschieden werden. Ein Verwaltungsakt entfaltet dann eine Doppelwirkung, wenn er für den Betroffenen sowohl belastende als auch begünstigende Folgen hat. Dies ist zum Beispiel dann der Fall, wenn statt einem beantragten Haus mit Garage nur ein Haus ohne Garage genehmigt wird. Eine Drittwirkung tritt dann ein, wenn der Verwaltungsakt für den Betroffenen begünstigend wirkt, für einen oder mehrere Dritte belastende Auswirkungen hat. Ein Beispiel hierfür ist die Baugenehmigung, die den Bauherrn die Erlaubnis zum Baubeginn erteilt, den Nachbarn aber in seinen Rechten beeinträchtigt. Dies gilt ebenso im Wirtschaftsverwaltungsrecht, wenn ein Unternehmer eine Subvention erhält, die seinen Konkurrenten auf Grund seiner verschlechterten Wettbewerbslage benachteiligt. Für die Klagebefugnis des Dritten ist in diesem Zusammenhang immer zu beachten (§ 42 II VwGO), dass der Dritte in seinen eigenen Rechten verletzt sein muss.

d) Entsprechend kann die Wirkung in zeitlicher Hinsicht unterschieden werden. Hier gilt es Verwaltungsakte mit und ohne Dauerwirkung abzugrenzen. Eine Dauerwirkung tritt ein, wenn der Verwaltungsakt nicht nur punktuell, sondern auf Dauer erlassen wird und ständig aktualisiert wird, zum Beispiel ein Steuer- oder ein Rentenbescheid. Verwaltungsakte ohne Dauerwirkung, die nur einmalig eine bestimmte Rechtsfolge verwirklichen, sind etwa die Ernennung oder die Entlassung eines Beamten oder die Im- bzw. Exmatrikulation.

e) Schließlich kann nach der Wirkung auf andere Rechtsgebiete unterschieden werden. Ein Verwaltungsakt entfaltet regelmäßig seine Wirkung allein im öffentlichen Recht. Eine Ausnahme bilden die privatrechtsgestaltenden Verwaltungsakte. Diese lassen ihre Regelungen überwiegend oder ausschließlich im Zivilrecht wirken. Beispiel hierfür ist das Vorkaufsrecht der Gemeinden in §§ 24 ff. BauGB.

f) Die Beteiligung an Verwaltungsakten lässt eine weitere Abgrenzung zu. Hier können einseitige, mitwirkungsbedürftige und mehrstufige Verwaltungsakte unterschieden werden. Ein einseitiger Verwaltungsakt liegt dann vor, wenn die Behörde von sich aus tätig wurde und nicht auf Antrag des Betroffenen tätig wurde, zum Beispiel ein Versammlungsverbot oder ein Führerscheinentzug. Dagegen erfordert ein mitwirkungsbedürftiger Verwaltungsakt einen Antrag des Betroffenen auf ein Tätigwerden der Behörde, zum Beispiel eine Gaststättenerlaubnis oder eine Einbürgerung. Ein mehrstufiger Verwaltungsakt setzt voraus, dass andere Behörden mitgewirkt haben, etwa bei einer Baugenehmigung, bei der unter den Voraussetzungen des § 36 I 1 BauGB das Einvernehmen der Gemeinde erforderlich ist. Ein weiteres Beispiel ist § 9 FstrG, in Rahmen dessen die oberste Landesstraßenbaubehörde ihre Zustimmung zum Vorhaben erteilen muss. In der Regel ist die Zustimmung selbst kein Verwaltungsakt, sondern mangels Außenwirkung nur eine verwaltungsinterne Erklärung (vgl. Kapitel IX).

g) Sonderformen eines Verwaltungsakts stellen die Allgemeinverfügung in Art. 35 S. 2 BayVwVfG und die Zusicherung in Art. 38 I 1 BayVwVfG dar (im Einzelnen dazu Kapitel VIII).

Eine weitere Sonderform eines Verwaltungsakts findet sich im Vorbescheid. Er steht zwischen Genehmigung und Zusicherung. Im Gegensatz zur Genehmigung beschränkt er sich auf einzelne Genehmigungsvoraussetzungen. Im Unterschied zur Zusicherung stellt er den nachfolgenden Verwaltungsakt nicht nur in Aussicht, sondern regelt Vorfragen selbst abschließend und verbindlich. Er ist von der Teilgenehmigung abzugrenzen, die einen Endbescheid bezogen auf einen bestimmten Teil des Vorhabens bildet. Ein Beispiel für diesen Vorbescheid ist die Bebauungsgenehmigung (vgl. Art. 71 BayBO).

Daneben ist umstritten, ob es die Sonderform eines dinglichen Verwaltungsakts gibt. Diese Form unterscheidet eine personenbezogene von einer sachbezogenen Regelung. So kann zum einen von einem personalen Verwaltungsakt gesprochen werden, wenn er sich auf das Verhalten einer Person bezieht, etwa bei einer Einbürgerung. Zum anderen kann der einer Sache zugeordnete Verwaltungsakt als dinglicher Verwaltungsakt bezeichnet werden, zum Beispiel eine Gaststättengenehmigung. Die Abgrenzung ist jedoch ungenau, da sich auch der dingliche Verwaltungsakt an eine Person richtet, etwa den Gaststättenbetreiber. Daher lehnt eine überwiegende Meinung in der Literatur eine solche Unterteilung ab. Zumindest legt Art. 35 S. 2 BayVwVfG fest, dass für die wichtigsten Formen des dinglichen Verwaltungsakts die Regeln der Allgemeinverfügung anzuwenden sind, so dass kein Bedürfnis nach einer eigenständigen Regelung besteht (im Einzelnen vgl. Kapitel VIII).

Die behördliche Auskunft indes stellt keine Sonderform eines Verwaltungsakts dar. Die Behörde will sich nicht selbst verpflichten, sondern eine rein informativ dem Betroffenen rechtliche oder tatsächliche Umstände mitteilen. Ein Beispiel für eine Auskunft ist die Information über bei der Polizei gespeicherte Daten.

Einen Überblick über die verschiedenen Arten der Verwaltungsakte bietet folgendes Schaubild.

Arten Va

IV. Hoheitliche Maßnahme

Der Verwaltungsakt erfordert eine hoheitliche Maßnahme.

Eine Maßnahme ist als einseitiges und zweckgerichtetes Handeln der Verwaltung zu qualifizieren. Unter Handeln sind unmittelbare oder mittelbare menschliche Tätigkeiten in der Verwaltung zu verstehen. Ein Handeln liegt insbesondere nur dann vor, wenn die Behörde durch ihr Tätigwerden den Willen zum Ausdruck bringt, dass sie eine rechtlich erhebliche Handlung vornehmen will. Die verwaltungsrechtliche Willenserklärung erfordert demzufolge eine fehlerfreie Willensbildung und die Äußerung des Willens. Daher sind bloßes Schweigen oder Unterlassen nicht als Maßnahme der Verwaltung anzusehen. Dagegen ist konkludentes Handeln der Verwaltung möglich.

Die Maßnahme kann regelmäßig schon dann als hoheitlich verstanden werden, wenn sie dem öffentlichen Recht zugeordnet werden kann (dazu Kapitel VI). Allerdings unterfallen hierunter auch öffentlich-rechtliche Vertragsregelungen. Entscheidend ist daher, dass die Behörde die Handlung einseitig vornimmt und sich nicht auf eine gleichrangige Ebene mit dem Betroffenen begibt( Über-, Unterordnungsverhältnis). Daher kann rechtsgeschäftliches Handeln des Staates mit dem Bürger ungeachtet dessen, ob es öffentlich-rechtlicher oder privatrechtlicher Natur ist, nicht als Verwaltungsakt aufgefasst werden. Bestimmte Arten von Verwaltungshandeln stehen daneben unter dem Vorbehalt der Mitwirkung des Betroffenen, zum Beispiel durch einen Antrag (vgl. dazu Kapitel II). Gleichwohl kann diesen ihr Charakter als Verwaltungsakt nicht abgesprochen werden, da die Behörde zwar auf die Initiative des Bürgers angewiesen ist und dessen Interessen berücksichtigen muss, aber ihre Entscheidung ohne Einfluss des Betroffenen fällt.

V. Behördenbegriff

Die hoheitliche Maßnahme muss von einer Behörde ausgeführt werden.

Die Behörde ist nach Art. 1 II BayVwVfG jede Stelle die Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnimmt. Die Eigenschaft knüpft nicht am Status einer bestimmten Stelle an, sondern an der konkreten Wahrnehmung der Aufgabe. Demnach kann jede Instanz mit eigener Organisation als Behörde definiert werden, wenn sie mit Verwaltungsaufgaben betraut ist. Es wird insoweit von einem funktionalen Behördenbegriff gesprochen.

Die Behördeneigenschaft lässt sich regelmäßig einfach feststellen. Unter den Begriff fallen alle Bundes-, Landes- und Kommunalbehörden. Dazu kommen Stiftungen, Anstalten und Körperschaften des öffentlichen Rechts, deren Organe als Behörden tätig werden können. Zum Beispiel sind der Gemeinderat und der Bürgermeister, der Kreistag und der Landrat und der Bezirkstag und die Bezirksregierung als untere staatliche Behörden zu qualifizieren. Daneben können auch Verfassungsorgane wie der Bundespräsident, der Bundestagspräsident oder ein Bundesminister als Behörde tätig werden, wenn sie Verwaltungsaufgaben innerhalb ihrer Ressorts vornehmen. Beispiel hierfür ist die Ausübung des Hausrechts über das jeweilige Gebäude. Ausgeschlossen sind jedoch genuine Maßnahmen der Gesetzgebung oder der Regierung wie etwa der Verweis eines Abgeordneten aus dem Plenum. Dasselbe gilt für die Gerichtsbarkeit, solange diese keine ureigenen Aufgaben der Judikative wie zum Beispiel der Erlass eines Urteils wahrnimmt. So ist die Ernennung eines Beamten durch den Gerichtspräsidenten als Verwaltungsakt zu qualifizieren.

Dagegen sind interne Verwaltungsstellen wie Referate oder Arbeitsgruppen nicht als Behörden anzusehen. Diese treten nicht nach außen in Erscheinung und nehmen keine selbstständigen Aufgaben wahr. Sie sind daher nur als Teil der Behörde zu qualifizieren.

Schließlich ergeben sich Besonderheiten bei Privatpersonen, die für die Verwaltung tätig sind. Grundsätzlich gelten deren Maßnahmen nicht als Handeln einer Behörde. So kann etwa der Schülerlotse, der als Verwaltungshelfer mit öffentlichen Aufgaben betraut wurde, nicht unter den Begriff der Behörde gefasst werden. Eine Ausnahme bilden die Beliehenen, denen durch Gesetz öffentliche Aufgaben zur eigenständigen Wahrnehmung übertragen wurden. Diesen kommt die Eigenschaft der Behörde zu, solange und soweit diese aufgrund der Beleihung öffentlich-rechtlich handeln.

VI. Auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts

Die hoheitliche Maßnahme der Behörde muss auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts ergehen.

Im Wesentlichen kann hier auf die Abgrenzung zwischen Öffentlichem Recht und Privatrecht verwiesen werden (vgl. dazu § 2). Daraus lässt sich schließen, dass ein Verwaltungsakt dann dem Gebiet des öffentlichen Rechts zuzurechnen ist, wenn seine Rechtsgrundlage als öffentlich-rechtlich zu qualifizieren ist. Es muss sich folglich um Maßnahmen handeln, die das Verwaltungsrecht umsetzen. Davon abzugrenzen sind Maßnahmen, die das Völker-, Staats- und Europarecht im formellen Sinn umsetzen. Hier ist ein Handeln der Legislative erforderlich.

Zu beachten ist, dass Rechtswirkungen auf das Privatrecht nicht ausgeschlossen sind. Lediglich der Ausgang der Maßnahme muss dem öffentlichen Recht zugeordnet sein, nicht notwendig aber seine Auswirkungen. So ist zum Beispiel die Vornahme des gemeindlichen Vorkaufsrechts nach §§ 24 ff. BauGB als Verwaltungsakt anzusehen, obwohl es überwiegend Rechtswirkungen auf die privatrechtlichen Bindungen des Grundstückseigentümers mit dem Käufer hat (vgl. dazu Kapitel III e).

VII. Regelungscharakter

Die hoheitliche Maßnahme der Behörde auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts muss eine Regelung beinhalten.

a) Eine Regelung liegt vor, wenn die Maßnahme auf die Setzung einer Rechtsfolge gerichtet ist. Sie ist als einseitige, verwaltungsrechtliche Willenserklärung zu qualifizieren, die unmittelbar die Gestaltung eines Rechtsverhältnisses bezweckt und dieses rechtlich verbindlich festlegen will. Die Rechtsfolge besteht darin, dass Rechte oder Pflichten des Betroffenen begründet, verändert, aufgehoben, festgestellt oder dingliche Regelungen getroffen werden. Zumeist handelt es sich um Gebote, Verbote oder Erlaubnisse, aber es kommen auch der Entzug eines Rechts oder die Anerkennung einer Rechtslage in Betracht.

b) Der Verwaltungsakt kann durch die Regelungswirkung von den Realakten unterschieden werden, die nicht auf einen rechtlichen, sondern vielmehr auf einen tatsächlichen Erfolg abzielen. Darunter lassen sich tatsächliche Verrichtungen, etwa Dienstfahrten oder die Unterhaltung einer städtischen Versorgungsanlage, und reine Wissenserklärungen, zum Beispiel Auskünfte oder Warnungen, fassen. Der Realakt kann wie der Verwaltungsakt rechtliche Auswirkungen auf den Betroffenen haben. Die Rechtsfolgen sind aber nicht wie beim Verwaltungsakt unmittelbar beabsichtigt, sondern ergeben sich erst mittelbar aus dem Handeln der Behörde. So kann zum Beispiel der Betrieb eines Freibads störenden Lärm für die Anwohner verursachen, den die zuständige Gemeinde unzweifelhaft nicht bezweckt hat. Entscheidendes Abgrenzungsmerkmal ist daher, ob die Behörde mit ihrer Handlung eine Regelung bezwecken wollte. Falls dies nicht vorliegt, scheidet mangels Regelungscharakter das Vorliegen eines Verwaltungsakts aus. Der Betroffene bleibt hiergegen nicht schutzlos, sondern kann sich mittels der allgemeinen Leistungsklage auf dem Rechtsweg wehren.

c) Umstritten ist die Regelungswirkung der polizeilichen Standardmaßnahmen. Einige lassen sich zweifelsfrei als Verwaltungsakt qualifizieren, da sie mit Geboten, zum Beispiel ein Platzverweis, oder Verboten, etwa ein Aufenthaltsverbot, Regelungen treffen. Andere Maßnahmen berechtigen die Polizei unmittelbar zur Vornahme tatsächlicher Handlungen, zum Beispiel die Durchsuchung von Personen und Sachen, ohne dass dem Betroffenen Verhaltenspflichten auferlegt werden. Eine Ansicht schließt daraus, dass der Polizeihandlung keine Regelungswirkung zukommt. Die andere Ansicht sieht in der tatsächlichen Handlung immer auch eine Duldungsverfügung realisiert, der Regelungscharakter zukommt. Dem wird entgegen gebracht, dass jedem polizeilichen Handeln eine Duldung immanent zu Grunde liege. Diese Konstruktion ist historisch bedingt, da früher nur gegen polizeiliche Verwaltungsakte die Möglichkeit des Rechtsschutzes gegeben war. Mittlerweile gilt der aus Art. 19 IV GG abgeleitete Grundsatz, dass gegen alle staatlichen Maßnahmen der Weg zu den Gerichten offen sein muss. Ein wesentliches Argument für die konkludente Duldungsverfügung ist damit entfallen. Nach wie vor können aber beide Ansichten vertreten werden. Zu beachten ist die richtige Einordnung der Klageart. Bei der Qualifikation als Verwaltungsakt ist die Fortsetzungsfeststellungsklage einschlägig, da der Verwaltungsakt sich bereits durch die Maßnahme erledigt hat (vgl. dazu § 6). Bei der Einordnung als Realakt kommt nur die Feststellungsklage in Betracht.

d) Dieselbe Problematik stellt sich bei polizeilichen Maßnahmen des unmittelbaren Zwangs, etwa der Schlag mit dem Polizeiknüppel. Sie kann aber entsprechend dem eben Dargelegten behandelt werden, so dass eine Regelungswirkung sowohl bejaht als auch verneint werden kann.

e) Umstritten ist auch der Regelungscharakter der Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit nach § 80 II Nr. 4 VwGO. Einerseits wird durch die Anordnung keine eigenständige Regelung getroffen. Es wird nur über die Vollstreckung des Verwaltungsakts entschieden. Andererseits könnte man gerade darin eine Regelung sehen. Es wird bestimmt, dass der sofortige Vollzug möglich ist. Allerdings ist die Anordnung nicht mit Widerspruch und Anfechtungsklage angreifbar, da § 80 III VwGO abschließende Regelungen hierzu trifft. Der Anordnung kommt nur eine Annexfunktion zu. Als eigener Verwaltungsakt ist sie nicht zu qualifizieren. Zu beachten ist, dass die Frage nach der Regelungswirkung des § 80 II Nr. 4 VwGO im Rahmen der Prüfung des Verfahrens im Punkt Anhörung aufzuwerfen ist (vgl. dazu § 5).

f) Daneben müssen im Hinblick auf den Regelungscharakter der Zweitbescheid und die wiederholende Verfügung abgegrenzt werden. Beiden liegt zu Grunde, dass die Behörde einen Fall ein zweites Mal bearbeitet und eine weitere Verfügung erlässt. Der Unterscheid besteht darin, dass bei einem Zweitbescheid eine erneute Entscheidung in der Sache ergeht, während die wiederholende Verfügung lediglich auf die frühere Entscheidung verweist. Der Zweitbescheid stellt damit in jedem Fall einen Verwaltungsakt dar. In der wiederholenden Verfügung ist grundsätzlich kein Verwaltungsakt zu sehen, da keine neue Regelung getroffen wurde. Eine Ausnahme liegt nur dann vor, wenn ein Verfahren nach Art. 51 BayVwVfG beantragt wurde. In diesem Fall ist eine wiederholende Verfügung als Verwaltungsakt zu qualifizieren, da der Bescheid konkludent eine Ablehnung des Verfahrens nach Art. 51 BayVwVfG bedeutet.

g) Keine Regelungswirkung weisen vorbereitende Maßnahmen auf, z.B. der Ruf eines Privatdozenten auf eine Professorenstelle. Das Verfahren wird durch diese nicht abgeschlossen. Sie sind daher nicht als Verwaltungsakte anzusehen. Im Gegensatz dazu entfaltet ein Vorbescheid eine eigene, verbindliche Rechtswirkung im Hinblick auf einzelne Punkte des Genehmigungsverfahrens. Er findet sich vor allem im Baurecht in Art. 71 BayBO (vgl. Kapitel III g).

VIII. Regelung eines Einzelfalls

Die hoheitliche Maßnahme einer Behörde auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts muss zur Regelung eines Einzelfalls erfolgen.

Ein Einzelfall ist im Sinne des Art. 35 S. 1 BayVwVfG gegeben, wenn die Maßnahme individuell für einen konkreten Sachverhalt ergeht. Individuell ist die Handlung dann, wenn nur eine bestimmte, zahlenmäßig feststehende Anzahl an Personen betroffen ist. Die Zahl muss objektiv zur Zeit des Erlasses feststehen. Keine Rolle spielt dabei, an wie viele Adressaten sich die Regelung gleichzeitig richtet. Jede Person muss dies so auffassen, als sei der Verwaltungsakt gerade gegenüber einem selbst erlassen worden. So ist etwa bei einer Auflösung einer Versammlung jeder Teilnehmer betroffen, der bei Erlass der Verfügung an der Versammlung beteiligt ist. Art. 35 S. 2 BayVwVfG erweitert den Bereich des Verwaltungsakts auf einen bestimmten oder bestimmbaren Personenkreis, der zum Zeitpunktes des Erlasses noch nicht feststeht. Im Gegensatz zur konkret-individuellen Regelung nach Art. 35 S.1 BayVwVfG wird eine konkret-generelle Rechtsbeziehung geschaffen (vgl. dazu Kapitel X).

Neben dem konkreten Sachverhalt kann die Maßnahme auch für einen abstrakten Fall Regelungen treffen. Wird zum Beispiel einem Kraftwerksbetreiber aufgetragen bei Glatteis zu streuen, liegt zwar eine individuelle Regelung vor, die sich aber nicht auf einen konkret, schon feststehenden Sachverhalt bezieht, sondern immer auf die aktuelle Situation abstellt.

Im Unterschied zum Verwaltungsakt stellen die Rechtsnormen abstrakt-generelle Regelungen dar. Sie beziehen sich auf einen abstrakten Sachverhalt und richten sich an eine unbestimmte Zahl von Personen und Fällen. Als Rechtnormen sind insbesondere Satzungen und Rechtsverordnungen zu qualifizieren. Die Satzung ergeht auf einer generellen Rechtssetzungshoheit, etwa die gemeindliche Selbstverwaltungsgarantie aus Art. 28 II GG. Die Rechtsverordnung hingegen bedarf in jedem Fall einer gesetzlichen Ermächtigung, zum Beispiel Art. 42 LStVG. Für die Bundesregierung und die Länderregierungen konkretisiert Art. 80 GG die Vorgaben für eine Rechtsverordnung.

Eine Übersicht bietet folgende Tabelle:


Individuell bestimmter Adressat

Generell bestimmter Adressat

Konkreter Sachverhalt

Verwaltungsakt

Allgemeinverfügung

Abstrakter Sachverhalt

Verwaltungsakt

Rechtsnorm

IX. Außenwirkung

Die hoheitliche Maßnahme einer Behörde auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts zur Regelung eines Einzelfalls muss auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet sein.

a) Außenwirkung liegt vor, wenn die Rechtsfolgen eine außerhalb der internen Verwaltung stehende juristische oder natürliche Person treffen, deren Rechtsposition verändert wird. Die Regelung muss den eigenen Rechtskreis der Behörde verlassen und in einen anderen eingreifen. Die Handlungen können danach in einen Innenbereich, der die Verwaltung nicht verlässt, und einen Außenbereich, der außerhalb der Behörde wirkt, eingeteilt werden. Wesentliches Abgrenzungsmerkmal ist somit die Richtung der Behördenhandlung. Ein entscheidendes Indiz kann die Rechtsgrundlage der Handlung bilden. Insbesondere ist die Maßnahme vom bloßen Behördeninternum zu unterscheiden.

b) Innerdienstliche Weisungen scheiden aus diesem Grund als Verwaltungsakte aus. Sie stellen Anordnungen einer Behörde an eine untergeordnete Verwaltungseinheit hinsichtlich der dienstlichen Stellung und Tätigkeit dar. Sie haben zwar Regelungscharakter, verlassen aber den verwaltungsinternen Bereich nicht. Ihnen fehlt es insoweit an der Außenwirkung für eine außerhalb der Verwaltung stehende Person. Auch Verwaltungsvorschriften sind in diese Kategorie einzuordnen, da sie nur der Koordinierung und Einheitlichkeit der Verwaltung dienen, aber für Dritte keine Bestimmungen treffen. Ein Beispiel hierfür ist die Technische Anweisung Luft (kurz TA Luft), die aufgrund § 48 Bundesimmissionsschutzgesetz erlassen wurde.

c) Davon sind die Anordnungen abzugrenzen, die den Beamten in seinem persönlichen Status betreffen. Während die innerdienstliche Weisung nur für das Betriebsverhältnis, also den internen Dienstablauf, Auswirkungen hat, wird bei der anderen Maßnahme das Grundverhältnis des Beamten, insbesondere Fragen des Bestands, zum Staat geregelt. Grundlegender Unterschied ist, das der Beamte in seinem Betriebsverhältnis als Glied der Verwaltung jederzeit gegen einen anderen Beamten austauschbar ist. Dagegen wird der Beamte im Grundverhältnis als selbstständige Rechtsperson angesehen, die nur ihm persönlich zukommt. Folglich verlassen die Festsetzungen im Grundverhältnis den internen Verwaltungsbereich und haben Rechtswirkung nach außen. Sie sind daher als Verwaltungsakt zu qualifizieren. Beispiel hierfür sind die Ernennung und die Entlassung, aber auch die Besoldung und die Versetzung eines Beamten. Dagegen ist die bloße Umsetzung oder die Zuweisung eines neuen Arbeitsbereiches nicht in diese Kategorie einzustufen, da die grundlegende Stellung als Beamter nicht beeinträchtigt wird.

d) Das beamtenrechtliche Dienst- und Treueverhältnis unterfällt wie die Sonderbeziehungen in Schule und Strafvollzug dem Begriff des Sonderstatusverhältnisses. Daneben lassen sich auch Soldaten und Ersatzdienstleistende in den Bereich einordnen. Dem liegt zu Grunde, dass die Personengruppen besonders eng an den Staat gebunden sind. Früher wurden die Beziehungen als besondere Gewaltverhältnisse qualifiziert, bei dem Maßnahmen der Verwaltung den internen Bereich nicht verlassen. Heute wird nach den Grundsätzen im Beamtenverhältnis zwischen rein internen und in die persönlichen Rechte des Einzelnen eingreifenden Maßnahmen unterschieden. So sind zum Beispiel Regelungen im laufenden Schulbetrieb kein Verwaltungsakt. Die Nicht-Versetzung in die nächste Jahrgangsstufe wirkt sich dagegen unmittelbar auf den betroffenen Schüler aus und stellt daher einen Verwaltungsakt dar.

e) Die Anordnungen der kommunalen Aufsichtsbehörden entfalten dann Außenwirkung, wenn sie die Gemeinde als eine mit eigenen Rechten ausgestattete Persönlichkeit betreffen. Zu unterscheiden ist zwischen Rechts- und Fachaufsicht.

Die Rechtsaufsicht nach Art. 109 I BayGO kommt nur im Betracht, wenn es sich um Maßnahmen des eigenen Wirkungskreises im Sinne der Art. 7, 57 Bay GO handelt. Es wird unmittelbar in das Selbstverwaltungsrecht der Gemeinden aus Art. 28 II GG eingegriffen. Daher ist die Gemeinde gegenüber der Aufsichtsbehörde als ein selbstständiges Rechtssubjekt anzusehen. Die Maßnahme verlässt den internen Rechtskreis der Behörde und ist auf Rechtswirkung nach außen gerichtet. Den Weisungen der Rechtsaufsicht kommt somit Verwaltungsaktqualität zu.

Dagegen ist die Fachaufsicht nach Art. 109 II BayGO auch bei Weisungen im Bereich des übertragenen Wirkungskreises im Sinne der Art. 8, 58 BayGO möglich. Die Gemeinde nimmt hier reine Staatsaufgaben von einer übergeordneten Behörde wahr und wird organisatorischer Teil des Staates. Ein unmittelbarer Eingriff in das gemeindliche Selbstverwaltungsrecht ist demnach nicht anzunehmen. Einer Ansicht nach wird daraus gefolgert, dass nur eine interne Weisung vorliegt und der Maßnahme keine Außenwirkung zukommt. Eine Verletzung des Selbstverwaltungsrechts ist immer ausgeschlossen, da nur der übertragene Wirkungskreis der Gemeinde betroffen ist. Dagegen sieht eine andere Ansicht die Gemeinde auch hier als selbstständige Rechtspersönlichkeit an. Sie wird eigenständig tätig innerhalb der ihr zugewiesenen Aufgabe. Hierfür spricht Art. 109 II 2 BayGO, der die Stellung der Gemeinde in der Fachaufsicht besonders schützt. Zudem lässt sich Art. 120 BayGO heranziehen, der von der Möglichkeit eines Widerspruchs bei der Fachaufsicht ausgeht. Schließlich wird die Frage nach dem Vorliegen des Selbstverwaltungsrechts erst bei der Klagebefugnis relevant, so dass daraus nicht Rückschlüsse auf die Außenwirkung gezogen werden können. Dazu legt Art. 6 BayGO fest, dass die Aufgaben des übertragenen Wirkungskreises auch als Aufgabe der Gemeinde zu sehen sind. Folglich sind die Weisungen der Fachaufsichtsbehörden als Verwaltungsakte zu qualifizieren.

f) Falls ein Verwaltungsakt der Zustimmung, etwa eine Genehmigung oder ein Einvernehmen, einer anderen Verwaltungsbehörde bedarf (mehrstufiger Verwaltungsakt), stellt sich die Frage, ob schon dem Akt der Zustimmung Außenwirkung zukommt. Entscheidend ist, ob sie dem Betroffenen gegenüber eine eigene und unmittelbare Rechtswirkung entfaltet. In der Regel stellt die Zustimmung aber nur eine Teilentscheidung dar, die den internen Rechtskreis der Behörde nicht verlässt. Ihr fehlt daher die Außenwirkung und sie kann nicht als Verwaltungsakt eingeordnet werden. Beispiel hierfür ist das gemeindliche Einvernehmen bei der Baugenehmigung in § 36 BauGB.

X. Die Allgemeinverfügung (Art. 35 S. 2 BayVwVfG)

Die Allgemeinverfügung stellt einen Unterfall des Verwaltungsakts im Sinne des Art. 35 S. 1 BayVwVfG dar. Im Gegensatz zu dessen Einzelfallregelung richtet sie sich an eine Vielzahl von möglichen Rechtsbeziehungen. Gleichzeitig geht sie aber nur auf einen Sachverhalt ein und weist nicht die abstrakte Regelungsqualität einer Rechtsnorm auf. Entscheidendes Abgrenzungskriterium ist somit die Konkretheit der Regelung und nicht die Individualisierbarkeit der Adressaten. Es handelt sich folglich um eine konkret-generelle Regelung.

a) Traditionell wird unter der Allgemeinverfügung ein Verwaltungsakt verstanden, der sich nicht auf einen Adressaten beschränkt, sondern sich an einen objektiv und individuell feststehenden, bestimmten oder bestimmbaren Personenkreis richtet.

b) Die Regelung in Art. 35 S. 2 BayVwVfG erweitert diesen Begriff. Danach reicht es für die Allgemeinverfügung aus, wenn der Adressatenkreis nach allgemeinen Merkmalen bestimmt oder bestimmbar ist. Es genügt daher auch eine zahlenmäßig nicht exakt erfasste Zahl an Personen, solange diese nach ihrer Art im Wesentlichen eingegrenzt werden kann, zum Beispiel die Teilnehmer einer bestimmten Versammlung. Entscheidend ist vielmehr, dass nur ein konkreter Sachverhalt geregelt wird. Dieser Fall wird als adressatenbezogene Allgemeinverfügung bezeichnet und stellt die erste Alternative des Art. 35 S.2 BayVwVfG dar. So fällt unter diese Gruppe etwa das Verbot einer Demonstration, deren Teilnehmer zwar nicht genau bestimmt werden können, aber doch einen einheitlichen Personenkreis bilden, der sich zum konkreten Ereignis der Demonstration zusammenfindet.

c) Daneben finden sich in Art. 35 S. 2 VwVfG zwei weitere Alternativen. Zum einen lässt sich die sachbezogene Allgemeinverfügung anführen (Alt.2). Diese richtet sich an die öffentlich-rechtliche Eigenschaft einer Sache. Dazu zählen beispielsweise die Widmung oder Entwidmung einer öffentlichen Straße. Zum anderen ist die benutzungsregelnde Allgemeinverfügung zu nennen (Alt.3). Diese regelt die Benutzung einer Sache durch die Allgemeinheit. Hierunter lassen sich alle Maßnahmen im Straßenverkehr fassen, die an alle Verkehrsteilnehmer ergehen, etwa die Verkehrsregelung durch einen Polizeibeamten an einer Kreuzung.

Eine Übersicht über die unterschiedlichen Bereiche der Allgemeinverfügung bietet folgende Grafik:

Allgemeinverfügung

d) Umstritten ist die Einordnung der Verkehrsschilder. Teilweise wird vertreten, dass diese als Rechtsverordnungen zu qualifizieren sind. Sie ergehen an eine unbestimmte Zahl von Personen in einer unbestimmten Zahl an Fällen und sind somit abstrakt-generelle Regelungen. Überwiegend besteht jedoch die Ansicht, dass Verkehrszeichen als Allgemeinverfügungen anzusehen sind. Sie regeln die Verkehrslage an einem bestimmten Ort auf Dauer für alle Personen, die die Stelle passieren und sind daher als konkret-generelle Regelungen aufzufassen. In der Folge bestimmt sich aus Art. 41 III 2 BayVwVfG, dass die Verkehrszeichen generell nach dem Zeitpunkt des Aufstellens (=öffentliche Bekanntgabe) wirksam werden. Insbesondere sind daher nachträglich aufgestellte Verkehrsschilder ohne Kenntnis des Betroffenen wirksam und müssen unmittelbar befolgt werden. So muss zum Beispiel ein im Halteverbot stehendes Kraftfahrzeug sofort weggefahren werden oder es wird auf Kosten des Halters entfernt. Zur Einschränkung dessen hat die Rechtsprechung entwickelt, dass die Verkehrszeichen mindestens drei Tage vor ihrem Wirksamwerden aufgestellt werden müssen, um dem Bürger die Möglichkeit der Kenntnisnahme zu geben.

e) Die Allgemeinverfügung wird grundsätzlich nach den Regeln des Verwaltungsakts behandelt. Es finden sich abweichende Vorschriften. So ist es möglich auf die Anhörung zu verzichten (vgl. Art. 28 II Nr. 4 BayVwVfG). Daneben kann die Allgemeinverfügung öffentlich bekannt gegeben werden statt gegenüber jedermann einzeln zu ergehen (vgl. Art. 41 III 2 BayVwVfG). Einer Begründung bedarf die Allgemeinverfügung dann nicht (vgl. Art. 39 II Nr. 5 BayVwVfG).

XI. Die Zusicherung (Art. 38 BayVwVfG)

Die Zusicherung steht zwischen Auskunft und Vorbescheid. Einerseits geht sie über eine bloße Auskunft hinaus, da sie verbindlich eine Regelung treffen will. Andererseits wirkt sie nicht wie der Vorbescheid zu bestimmten Bereichen abschließend, sondern stellt die Regelung erst in Aussicht. Nach der Legaldefinition in Art. 38 I 1 BayVwVfG stellt eine Zusicherung die von der zuständigen Behörde erteilte Zusage, einen Verwaltungsakt zu erlassen, dar. Sie ist Unterfall der behördlichen Zusage, die als das verbindliche Versprechen einer Behörde angesehen, eine bestimmte Maßnahme der Verwaltung zu erlassen.

Umstritten ist, ob es sich bei der Zusage selbst um einen Verwaltungsakt handelt. Einerseits wird betont, dass sie verpflichtenden Charakter habe. Andererseits wird darauf hingewiesen, dass die Zusage noch keine Regelung enthalte, sondern erst auf eine solche hinweise. Letztlich kann der Streit für die Zusicherung dahinstehen, da Art. 38 II BayVwVfG bestimmt, dass die Regeln für Verwaltungsakte entsprechend anzuwenden sind. Berücksichtigt werden muss jedoch nach Art. 38 III BayVwVfG, dass die Sach- und Rechtslage sich nicht erheblich verändert hat. Eine Zusicherung kann alle möglichen Verwaltungsakte zum Gegenstand haben, zum Beispiel die Zusicherung eine Baugenehmigung zu erteilen.

Folgende Übersicht grenzt die Zusicherung von anderen Maßnahmen der Verwaltung ab:


Auskunft

Zusicherung

Vorbescheid

Rechtsform

Kein Verwaltungsakt

Verwaltungsakt (str.); Regeln kraft Gesetz anwendbar ( §38 II BayVwVfG)

Verwaltungsakt

Rechtswirkung

Unverbindlich

Verbindliches Versprechen einer Regelung

Verbindliche Regelung

Ausrichtung

Rein Informativ

Erlass eines zukünftigen VA

Abschließend bzgl. Teilbereich einer Maßnahme

§ 5 Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts

Die Rechtmäßigkeit eines Verwaltungsakts unterteilt sich in einen formellen und einen materiellen Teil. Zum formellen Teil zählen die Zuständigkeitsregeln, die Bestimmungen über Verfahren und Form- und Begründungserfordernisse. Hierauf soll zunächst eingegangen werden.

I. Zuständigkeit der Behörde

Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit eines Verwaltungsakts ist, dass die sachlich und örtlich zuständige Behörde gehandelt hat.

Die Zuständigkeit regelt, welcher Verwaltungsträger und welche Behörde die jeweilige Verwaltungsaufgabe wahrzunehmen hat. Eine Behörde kann nur innerhalb ihres Kompetenzbereiches tätig werden. Dies hat zur Folge, dass Verwaltungsakte unzuständiger Behörden rechtswidrig sind, soweit nicht die Möglichkeit der Heilung besteht (vgl. § 6 Kapitel IV).

Einen Überblick über die möglichen Verwaltungsträger gibt folgendes Schaubild:

Verwaltungsträger

Die Zuständigkeitsregelungen haben die Funktion Doppelzuständigkeiten zu vermeiden und so die Verwaltung ökonomisch zu betreiben. Daneben soll dem Bürger der Weg zu den jeweils verantwortlichen Verwaltungsbehörden aufgezeigt werden. Der Betroffenen wird somit vor staatlicher Willkür geschützt.

Es sind vier verschiedene Arten von behördlichen Zuständigkeiten zu unterscheiden.

a) Die sachliche Zuständigkeit bestimmt sich nach der durch Rechtsnormen oder Verwaltungsvorschriften festgelegten Zuordnung der jeweiligen Verwaltungsaufgabe. Sie ist auf Sachaufgaben bezogen. So ist zum Beispiel das Straßenbauamt für die Angelegenheiten des Straßenbaus zuständig.

Innerhalb der sachlichen Zuständigkeit ist zwischen der Verbands- und Organkompetenz zu unterscheiden. Die Verbandskompetenz regelt, welcher Verwaltungsträger zuständig ist. In Betracht kommen hier der Bund, die Länder, die Gemeinden oder andere Körperschaften des öffentlichen Rechts. Zu beachten sind insbesondere die Art. 83 ff. GG, die grundsätzlich von der Ausführung der Gesetze durch die Länder ausgehen. Daher ergibt sich meist die Konstellation, dass der Bundesgesetzgeber nur die Behörde funktional bezeichnet, während die Länder in den Ausführungsverordnungen die konkrete Behörde festlegen. Zum Beispiel bestimmt das Gaststättengesetz in § 2 Abs. 1 die Erlaubnispflicht des Betriebs einer Gaststätte. Die konkret zuständige Genehmigungsbehörde ergibt sich aus § 1 Abs. 1 S. 1 BayGastV: die Kreisverwaltungsbehörde. Die Organkompetenz hingegen legt fest, welcher Behörde innerhalb des Verwaltungsträgers die Aufgabe zugewiesen ist. So erfolgt etwa in Art. 29, 37 BayGO die Aufteilung der gemeindlichen Zuständigkeiten zwischen Gemeinderat und dem Ersten Bürgermeister.

Verstöße gegen die sachliche Zuständigkeit führen grundsätzlich zur Rechtswidrigkeit der Maßnahmen, da eine Heilung nach Art. 46 BayVwVfG nur für die örtliche Zuständigkeit in Betracht kommt. Eine analoge Anwendung kommt angesichts des Wortlauts und des Schutzzwecks der Norm nicht in Betracht. Das Vorliegen eines groben Fehlers kann daneben zur Nichtigkeit des Verwaltungsakts nach Art. 44 Abs. 1 BayVwVfG führen (vgl. weitergehend § 6 Kapitel III, V).

b) Die örtliche Zuständigkeit grenzt die einzelnen Verwaltungsträger räumlich in ihrem Tätigkeitsbereich ab. Grundsätzlich bestimmt sich diese für alle Behörden nach Art. 3 BayVwVfG, solange nicht Spezialgesetze etwas anderes bestimmen. Falls sich für mehrere Behörden eine Zuständigkeit ergibt, ist grundsätzlich diejenige, die sich zuerst mit der Sache befasst hat, zuständig.

Verstöße gegen die örtliche Zuständigkeit sind nach Art. 46 BayVwVfG grundsätzlich unbeachtlich, wenn sie ohne Einfluss auf die Sachentscheidung waren. Eine Ausnahme bildet Art. 44 Abs. 2 Nr. 3 BayVwVfG, der bei einem Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 Nr. 1 BayVwVfG die Nichtigkeit des Verwaltungsakts anordnet (näher dazu § 6 Kapitel III).

c) Die instantielle Zuständigkeit wird bei einem mehrstufigen Verwaltungsaufbau relevant und regelt wann die über- oder untergeordnete Behörde zur Wahrnehmung der Aufgabe berufen ist. Sie ist ein Unterfall der sachlichen Zuständigkeit und findet sich zum Beispiel in § 73 VwGO beim Widerspruchsverfahren. Hier entscheidet die nächsthöhere Behörde über den Erlass des Widerspruchsbescheids, solange keine gesetzliche Ausnahme einschlägig ist. Ein Selbsteintrittsrecht der höheren Behörde in eine ihr nicht zugeordnete Aufgabe ist nur dann zugelassen, wenn eine gesetzliche Ermächtigung zugrunde liegt.

Ein Verstoß gegen die instantielle Zuständigkeit ist ebenso wie bei der sachlichen Zuständigkeit zu behandeln.

d) Die funktionale (auch funktionelle) Zuständigkeit betrifft nur die behördeninterne Aufgabenzuweisung innerhalb der sachlichen Zuständigkeit. Sie tritt auf, wenn zum Beispiel geregelt ist, dass nur der Amtsvorsteher die Handlung vornehmen darf oder ein bestimmtes Amt innerhalb einer Gemeinde nur einen bestimmten Aufgabenbereich bearbeitet.

Ein Verstoß gegen die funktionelle Zuständigkeit führt nur dann zur Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts, wenn es sich um einen besonders schweren Eingriff in Grundrechte handelt.

Einen Überblick über die Zuständigkeit gibt folgendes Schaubild:

Zuständigkeit

II. Verfahren

Die zuständige Behörde muss das für den Verwaltungsakt einschlägige Verfahren beachtet haben.

a) Als Verwaltungsverfahren wird allgemein jede auf den Erlass einer Maßnahme gerichtete Tätigkeit der Verwaltungsbehörden bezeichnet. Dies umfasst eine Vielzahl möglicher Verfahrensarten. Speziell für das Verwaltungsverfahrensgesetz gibt Art. 9 BayVwVfG eine Einschränkung. Ein Verwaltungsverfahren im Sinne dieses Gesetzes ist demnach nur das nach außen wirkende Handeln der Behörden, das auf Prüfung, Vorbereitung und Erlass eines Verwaltungsakts oder den Abschluss eines öffentlich-rechtlichen Vertrages gerichtet ist. So sind interne oder informelle Absprachen sowie Realakte und dergleichen nicht Teil des Verfahrens nach dem Verwaltungsverfahrensgesetz.

b) Art. 10 BayVwVfG gilt grundsätzlich für alle Verwaltungsverfahren nach dem Verwaltungsverfahrensgesetz, soweit sich nicht gesetzlich eine Ausnahme hierzu findet. Dies bedeutet, dass für diese Verfahren nur die allgemeinen Regeln des Verwaltungsverfahrensgesetzes gelten. Es wird als nichtförmliches oder allgemeines Verfahren bezeichnet.

Das Verwaltungsverfahrensgesetz kennt zwei weitere Verfahrensarten: Das förmliche Verfahren, geregelt in den Art. 63 ff. BayVwVfG, und das Planfeststellungsverfahren, geregelt in den Art. 72 ff. BayVwVfG. Das förmliche Verfahren setzt einen schriftlichen Antrag voraus. Darüber hinaus trifft es, als Ausnahme zu den allgemeinen Vorschriften Abweichungen über Anhörung und Mitwirkung der Beteiligten. Das Planfeststellungsverfahren ist auf ein raumbezogenes Vorhaben gerichtet, das durch einen Plan geregelt werden soll. Es werden wie beim förmlichen Verfahren Abweichungen zu den allgemeinen Vorschriften bestimmt, die allerdings noch weiter von diesen abweichen. So müssen alle Einwendungen in einer mündlichen Verhandlung erörtert werden. Das Verfahren wird durch den Planfeststellungsbeschluss beendet, der für alle öffentlich-rechtlichen Beziehungen des Plans zu seiner Umwelt abschließende Wirkungen entfaltet.

Daneben findet sich noch das Rechtsbehelfsverfahren in Art. 79 BayVwVfG, das auf das Widerspruchsverfahren in §§ 68 ff. VwGO verweist und die Vorschriften des Verwaltungsverfahrensgesetzes subsidiär für anwendbar erklärt. Es ist neben dem verwaltungsrechtlichen Verfahren auch ein gerichtliches Vorverfahren, das im Vorfeld der Klage durchzuführen ist, soweit keine gesetzliche Ausnahme besteht.

c) Eine Regelung über die Eröffnung des Verfahrens sieht Art. 22 BayVwVfG vor. Grundsätzlich entscheidet die Behörde nach pflichtgemäßem Ermessen, ob sie das Verfahren beginnt (S.1, Offizialprinzip). Dies gilt nicht, wenn die Behörde auf Antrag oder von Amts wegen tätig werden muss (S.2, Legalitätsprinzip). Im Umkehrschluss heißt das aber auch, dass die Behörde das Verfahren nicht einleiten darf, solange kein Antrag gestellt wurde (S.2, Dispositionsprinzip).

d) Während des Verfahrens gilt nach Art. 24 BayVwVfG der Grundsatz der Amtsermittlung. Die Behörde ermittelt den Sachverhalt und alle entscheidungserheblichen Tatsachen von sich aus. Der Untersuchungsgrundsatz schließt Beiträge zur Aufklärung durch den Betroffenen nicht aus. Die Behörde entscheidet jedoch nach freier Überzeugung über diese Beweismittel. Sie wird insoweit auch als „Herrin des Verwaltungsverfahrens“ bezeichnet.

e) In Art. 11 ff. BayVwVfG finden sich Regelungen über die Beteiligten des Verwaltungsverfahrens. Diese Normen sind den Bestimmungen der §§ 61 ff. VwGO nachgeahmt und haben insofern ähnliche Voraussetzungen. Zu unterscheiden sind die Beteiligten- und die Handlungsfähigkeit.

Gemäß Art. 11 BayVwVfG ist grundsätzlich als Subjekt an einem Verwaltungsverfahren beteiligtenfähig, wer rechtsfähig ist. Die Beteiligtenfähigkeit entspricht der Parteifähigkeit im verwaltungsgerichtlichen Verfahren. So nennt Art. 11 BayVwVfG wie § 61 VwGO natürliche und juristische Personen, aber auch sonstige Vereinigungen, soweit ihnen ein Recht zustehen kann. Darüber hinaus sind Behörden kraft Gesetzes beteiligtenfähig, da sie als nicht-rechtsfähige Vereinigung sonst nicht am Verfahren teilnehmen könnten.

Demgegenüber steht die Handlungsfähigkeit in Art. 12 BayVwVfG. Sie orientiert sich an der Prozessfähigkeit aus § 62 VwGO und richtet sich demnach nach der Geschäftsfähigkeit des Beteiligten.

Die Beteiligten in einem konkreten Verfahren werden in Art. 13 BayVwVfG erwähnt. Zum einen sind kraft Gesetzes der Antragsteller und –gegner, der Adressat des Verwaltungsakts und der Vertragspartner der Behörde beteiligtenfähig. Zum anderen kann die Behörde Dritte zum Verfahren hinzuziehen, soweit auch deren Interessen betroffen werden, zum Beispiel der Nachbar im Verfahren nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz. Dagegen ist der Nachbar im Baugenehmigungsverfahren gem. Art. 66 Abs. 2 S. 1 BayBO kraft Gesetzes Beteiligter im Sinne des Art. 13 Abs. 1 Nr. 1 BayVwVfG.

f) Daneben treffen die Art. 20 f. BayVwVfG Regelungen über den Ausschluss von Personen (Angehörige etc.) in einem Verwaltungsverfahren. Den Betroffenen ist kraft Gesetzes eine Beteiligung im Verwaltungsverfahren untersagt. Der Behördenleiter kann zusätzlich gemäß Art. 21 BayVwVfG einen Amtsträger wegen Besorgnis der Befangenheit vom Verfahren ausschließen.

Ein Verstoß gegen die Art. 20 f. BayVwVfG führt gemäß Art. 44 Abs. 3 Nr. 2 BayVwVfG nicht zur Nichtigkeit des Verwaltungsakts. Dieser ist nur rechtswidrig und aufhebbar. Der Verstoß kann aber auch nach Art. 46 BayVwVfG als unbeachtlicher Fehler geheilt werden (vgl. § 6 Kapitel V).

g) Gemäß Art. 28 BayVwVfG ist bei allen Verwaltungsakten, die in die Rechte von Beteiligten eingreifen, vor deren Erlass eine Anhörung durchzuführen. Dieser Grundsatz beruht auf dem Rechtsstaatsprinzip aus Art. 20 Abs. 3 GG, das dem Bürger rechtliches Gehör im Verwaltungsverfahren zugesteht sowie er auch im Gerichtsverfahren über Art. 103 GG geschützt ist. Umstritten ist, ob dem Betroffenen zur Entstehung des Rechts auf Anhörung eine bisherige Rechtsposition entzogen werden muss. Die Rechtsprechung bejaht dies und schließt so die Anwendung des Art. 28 BayVwVfG bei Antrag auf Erlass eines begünstigenden Verwaltungsaktes aus. Dagegen sieht die Literatur die Rechte des Bürgers durch die Ablehnung eines Antrags verletzt, da diese ebenso in dessen Rechtskreis eingreift. Der Rechtsprechung ist jedoch zuzugestehen, dass der Betroffene schon bei Antragstellung Gelegenheit hatte Angaben zum Sachverhalt zu machen. Der Zweck der Anhörung wurde damit erfüllt, so dass der Rechtsprechung gefolgt werden kann.

Eine Anhörung muss bei den in Art. 28 Abs. 2 BayVwVfG genannten Fällen nicht vorgenommen werden. Zu beachten ist, dass die Aufzählung keinen abschließenden Charakter hat und die Anwendung im Ermessen der Behörde steht. Die Norm ist aber eng auszulegen, um ihrem Charakter als Ausnahme des verfassungsrechtlichen Grundsatzes auf rechtliches Gehör gerecht zu werden.

Daneben findet sich in Art. 28 Abs. 3 BayVwVfG eine weitere Ausnahme von der Anhörungspflicht, die dann eingreift, wenn ein zwingendes öffentliches Interesse entgegensteht. Die Vorschrift greift allerdings erst dann ein, wenn die Sicherheit einer Vielzahl an Menschen oder bedeutender Sachwerte gefährdet ist.

Bei einem Verstoß gegen das Anhörungsrecht kommt im weiteren Verfahren bzw. im Gerichtsprozess eine Heilung des Fehlers nach Art. 45 Abs. 1 Nr. 3 BayVwVfG in Betracht. Daneben kann der Fehler auch nach Art. 46 BayVwVfG unbeachtlich sein (vgl. dazu § 6 Kapitel III).

h) Das Verwaltungsverfahren endet mit dem Erlass oder der Ablehnung des (beantragten) Verwaltungsakts oder mit dem Abschluss des Verwaltungsvertrags, falls das Verfahren nicht schon zuvor eingestellt wurde oder es sich sonst erledigt hat.

III. Form

Der Verwaltungsakt muss am Ende des Verfahrens durch die zuständige Behörde in der richtigen Form erlassen werden.

a) Grundsätzlich bestimmt Art. 37 Abs. 2 BayVwVfG, dass die Behörde bei der Wahl der Form frei und unabhängig entscheiden kann. Der Verwaltungsakt kann sowohl schriftlich, mündlich, elektronisch oder auf andere Weise ergehen (vgl. Art. 3 a BayVwVfG). Schon allein aufgrund der Rechtsklarheit werden Verwaltungsakte in der Regel schriftlich erlassen. Für bestimmte Verwaltungsakte ist die Schriftform sogar ausdrücklich im Gesetz vorgeschrieben, zum Beispiel bei der Zusicherung nach Art. 38 Abs. 1 S. 1 BayVwVfG. Gewisse Vorschriften sehen überdies weitergehende Erfordernisse vor, wie etwa § 5 Abs. 2 BRRG eine Aushändigung einer Urkunde für die Beamtenernennung voraussetzt. Der mündliche Verwaltungsakt kommt hingegen meist nur dann in Betracht, wenn es sich um eine ortsgebundene Maßnahme handelt, beispielsweise bei der Auflösung einer Demonstration oder der Verkehrslenkung durch einen Polizisten.

Ein Verstoß gegen eine vorgeschrieben Form eines Verwaltungsakts führt zur Rechtswidrigkeit der Maßnahme.

Zu beachten ist, dass seit Juli 2009 in Art. 42 a VwVfG die Genehmigung für nicht bearbeitete Anträge nach Ablauf einer Frist fingiert wird, wenn eine Norm dies vorsieht und der Antrag hinreichend bestimmt ist. Ziel ist es, die Verwaltungsverfahren weiter zu beschleunigen. Dieser sogenannte fiktive Verwaltungsakt ergeht somit schweigend und ohne jegliche Form. Auf Verlangen muss die Genehmigung aber schriftlich bestätigt werden.

b) Bei einem schriftlichen oder elektronischen Verwaltungsakt ist zur Wahrung der Form eine Begründung gemäß Art. 39 Abs. 1 BayVwVfG erforderlich. Dabei muss die Behörde die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Gründe erkennen lassen, die sie zur Entscheidung für den Erlass des Verwaltungsakts geführt haben. Gemäß Art. 39 Abs. 1 S. 3 BayVwVfG sollen zudem Ermessenserwägungen im Verwaltungsakt offengelegt werden. Es genügt daher nicht, dass die Behörde von ihrem Ermessen Gebrauch gemacht hat. Sie muss vielmehr die Gesichtspunkte, die sie bei ihrer Entscheidung berücksichtigt hat, nach außen präsentieren.

In den Ausnahmefällen des Art. 39 Abs. 2 BayVwVfG kann auf eine Begründung verzichtet werden.

Fehlt die Begründung, führt dies zur formellen Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts. Der Verstoß kann allerdings gemäß Art. 45 Abs. 1 Nr. 2 BayVwVfG bis zum Abschluss des Gerichtsverfahrens geheilt werden oder unter den Voraussetzungen des Art. 46 BayVwVfG unbeachtlich sein (vgl. dazu § 6 Kapitel III).

Zu beachten ist, dass eine inhaltlich unrichtige oder unvollständige Begründung die materielle Fehlerhaftigkeit des Verwaltungsakts zur Folge hat und unter der Kategorie der Ermessenfehler behandelt werden muss. Das Nachschieben einer neuen Begründung unter der Berücksichtigung weiterer Tatsachen ist ebenso unter diesem Aspekt zu behandeln (vgl. dazu Kapitel VII).

c) Zu den Erfordernissen der Form ist daneben die Rechtsbehelfsbelehrung zu zählen. Sie ist zum Beispiel nach § 59 VwGO bei einem schriftlichen oder elektronischen Verwaltungsakt beizufügen, wenn dieser der Anfechtung unterliegt. Auch der Widerspruchsbescheid muss gemäß § 73 Abs. 3 S. 1 VwGO den Betroffenen über seine Rechte aufklären.

Ein Verstoß gegen die Belehrungspflicht führt nicht zur formellen Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts. Vielmehr beginnt gemäß § 58 Abs. 1 VwGO die Frist, zum Beispiel die einmonatige Klagefrist in § 74 Abs. 1 VwGO, für das jeweilige Rechtsmittel nicht zu laufen. Stattdessen gilt nach § 58 Abs. 2 VwGO die Jahresfrist ab Bekanntgabe des Verwaltungsakts. Zu beachten ist, dass die Frist als Prozessvoraussetzung schon im Rahmen der Zulässigkeit geprüft werden muss.

d) Dagegen ist die Bestimmtheit eines Verwaltungsakts nach Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG keine Frage der Form, sondern im Rahmen der materiellen Rechtmäßigkeit zu prüfen (vgl. Kapitel VII).

e) Auch die Bekanntgabe an den Betroffenen nach Art. 41 BayVwVfG ist kein Erfordernis der Form, sondern gemäß Art. 43 Abs. 1 BayVwVfG allgemeine Wirksamkeitsvoraussetzung für den Verwaltungsakt (vgl. dazu § 6 Kapitel I).

Nach den formellen Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen soll nun auf die materiellen Erfordernisse eingegangen werden.

IV. Rechtsgrundlage und Subsumtion

Der Verwaltungsakt muss aufgrund einer tauglichen Rechtsgrundlage ergangen sein.

a) Das Erfordernis einer Rechtsgrundlage lässt sich auf den Vorbehalt des Gesetzes aus Art. 20 Abs. 3 GG stützen. Der Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung bestimmt, dass die Verwaltung immer an Recht und Gesetz gebunden ist. Der Staat darf gegenüber dem Bürger nur handeln, soweit ihm das durch eine Norm gestattet ist. In den Bereichen, in denen in Grundrechte der Bürger eingegriffen wird, ist dieser Grundsatz stets anzuwenden. Der Betroffene wird hier durch eine staatliche Maßnahme belastet, die der gesetzlichen Rechtfertigung bedarf.

Umstritten ist dagegen, ob auch bei der Leistungsverwaltung eine Rechtsgrundlage erforderlich ist. Teilweise wird ein Totalvorbehalt vertreten, der besagt, dass jegliches staatliches Handeln einer Ermächtigungsnorm bedarf. Das Bundesverfassungsgericht hat jedoch in seiner Rechtsprechung klargestellt, dass der Gesetzgeber nur alle wesentlichen Entscheidungen im normativen Bereich selbst regeln müsse (Wesentlichkeitstheorie). Das bedeutet für den Fall der Leistungsverwaltung, dass regelmäßig keine konkrete Norm für staatliches Handeln vorliegen muss. Ein formelles Gesetz als Rechtsgrundlage ist aber dann ausnahmsweise erforderlich, wenn Grundrechte im Wesentlichen betroffen sind.

Einen Sonderfall stellen staatliche Subventionen dar. Diese sind als vermögenswerte Zuwendungen des Staates an Private zu sehen, die zur Förderung eines bestimmten öffentlichen Zwecks ergehen. Grundsätzlich genügt es, wenn die Mittel im Haushalt ausgewiesen wurden. In besonders grundrechtssensiblen Bereichen wie der Glaubensfreiheit oder der Pressefreiheit wird jedoch verlangt, dass ein formelles Parlamentsgesetz als Grundlage für die Förderung besteht. Grund hierfür ist, dass durch die Subventionsvergabe in Grundrechte Dritter eingegriffen wird, indem die Chancen möglicher Konkurrenten beeinflusst werden. Der Staat ist aber zur Neutralität verpflichtet und darf nur in geringem Maß in die freie Wirtschaft eingreifen. Die Entscheidung über die Subvention ist daher so wesentlich, dass der Gesetzgeber hier klare Vorgaben durch eine gesetzliche Grundlage aufstellen muss.

Im Sonderstatusverhältnis (vgl. § 4 Kapitel IX) ist entgegen einer früher vertretenen Ansicht keine Einschränkung des Vorbehalts des Gesetzes anzunehmen. Die Grundrechte kommen auch in diesem Verhältnis voll zum Tragen. Daher bedarf jedes Eingriffshandeln der Verwaltung hier ebenso einer gesetzlichen Ermächtigungsnorm.

b) Die Rechtsgrundlage kann sich aus Gesetz, Rechtsverordnung oder Satzung ergeben. Dabei sind speziellere Regelungen allgemeinen Normen vorzuziehen. Im Rahmen dessen kann sich auch eine inzidente Prüfung der Ermächtigungsnorm ergeben. Es muss dann untersucht werden, ob die Vorschrift selbst formell und materiell rechtmäßig zustande gekommen ist. Ist die Rechtsgrundlage rechtswidrig und unwirksam, ist auch der nachfolgende Verwaltungsakt fehlerhaft und materiell rechtswidrig.

Zu beachten ist allerdings, dass der Unwirksamkeit der Norm die gesetzes- bzw. verfassungskonforme Auslegung vorgeht. Für Parlamentsgesetze gilt zudem das Verwerfungsmonopol des Bundesverfassungsgerichts. Im Gerichtsprozess besteht daher eine Vorlagepflicht nach Art. 100 Abs. 1 GG, wenn das Verwaltungsgericht von der Unwirksamkeit des Gesetzes ausgeht. Der Verwaltung hingegen kommt keine eigene Verwerfungskompetenz zu. Falls diese eine Rechtsvorschrift für unwirksam hält, muss sie die Norm trotzdem anwenden. Sie ist zwar nach Art. 20 Abs. 3 GG an die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung gebunden. Aber aus dem Aspekt der Gewaltenteilung kommt nur der Judikative die Nichtigkeitserklärung einer Vorschrift zu. Bei Satzungen nach dem Baugesetzbuch und anderen Rechtsnormen auf Landesebene kann die Behörde überdies selbst eine Überprüfung durch ein Normenkontrollverfahren nach § 47 VwGO einleiten.

c) Daneben ist in der Regel unstreitig, ob die Behörde durch die Rechtsgrundlage zum Handeln durch Verwaltungsakt ermächtigt war. Die Befugnis ist als originäre Handlungsform der Verwaltung anzusehen und ist in jeder öffentlich-rechtlichen Rechtsgrundlage impliziert. Die Behörde kann daher durch Verwaltungsakte das Verhältnis zum einzelnen Bürger ausfüllen. Einer besonderen gesetzlichen Ermächtigung bedarf es hier nicht.

Eine Ausnahme ist dann vorzunehmen, wenn sich die Behörde auf die Ebene des Bürgers begibt. Würde hier die Möglichkeit des Handelns durch Verwaltungsakt bestehen, könnte die Verwaltung ohne gerichtlichen Prozess einen vollstreckbaren Titel erlangen. Dies ist zum einen der Fall, wenn die Behörde privatrechtliche Abmachungen mit dem Einzelnen trifft. So kann der Mietvertrag mit einem Betreiber einer städtischen Halle nicht durch Verwaltungsakt beendet werden. Zum anderen schließt das Handeln durch einen öffentlich-rechtlichen Vertrag im Sinne der Art. 54 ff BayVwVfG eine hoheitliche Regelung aus. Die Verwaltung kann sich nicht mehr einseitig durch Verwaltungsakt von ihren Bindungen lösen und muss vertragliche Ansprüche im Wege der allgemeinen Leistungsklage erstreiten.

Dergleichen gilt nach der Ansicht der Literatur auch bei Leistungsansprüchen im öffentlich-rechtlichen Schuldverhältnis, zum Beispiel Ansprüche des Staates gegen den Beamten. Es fehle eine gesetzliche Grundlage für die Durchsetzung als Verwaltungsakt. Die Rechtsprechung schließt dagegen das Handeln durch Verwaltungsakt nicht aus. Zur Begründung wird angeführt, dass das Beamtenverhältnis von einer Über-, Unterordnung gekennzeichnet ist und die Ansprüche nicht bereits konkret feststehen. Im Grundverhältnis des Beamten ist dazu die Verwaltungsakt-Befugnis allgemein anerkannt (vgl. § 4 Kapitel IX). Demzufolge kann der Leistungsanspruch auch durch Verwaltungsakt geltend gemacht werden.

d) Bei der Prüfung der konkreten Rechtsgrundlage ist wie folgt vorzugehen. Zunächst sind die Tatbestandsvoraussetzungen der jeweiligen Norm festzustellen und zu definieren. Hier sind insbesondere unbestimmte Rechtsbegriffe auszulegen (vgl. Kapitel V). Dann muss der einschlägige Sachverhalt ermittelt werden, um diesen daraufhin unter den Tatbestand der Ermächtigungsgrundlage zu subsumieren. Falls dessen Voraussetzungen erfüllt sind, kann die Norm angewandt werden und ihre Rechtsfolgen können eintreten. Die konkret getroffene Regelung muss aber von der Rechtsfolge der Rechtsgrundlage gedeckt sein. Dabei ist insbesondere zu beachten, ob die Behörde an eine bestimmte Maßnahme gebunden ist oder ob ihr ein Ermessensspielraum zusteht (näher dazu Kapitel VII).

e) Maßgeblicher Zeitpunkt der Sach- und Rechtslage

Bei der Beurteilung des konkreten Sachverhalts stellt sich im Einzelfall die Frage nach dem für die Entscheidung maßgeblichen Zeitpunkt.

Grundsätzlich richtet sich der Zeitpunkt nach den jeweils anzuwendenden Vorschriften. Hier kann die letzte Behördenhandlung, die letzte mündliche Verhandlung im Verwaltungsgerichtsverfahren oder eine feststehende Frist, nach der kein Vorbringen mehr zugelassen ist, einschlägig sein. Insbesondere sind rückwirkende Gesetze zu beachten, bei denen Sach- oder Rechtlagenänderungen für die Vergangenheit berücksichtigt werden müssen.

Bei der Anfechtungsklage ist die Verwaltung nach Erlass der letzten Behördenhandlung an ihre Maßnahme gebunden. Daher ist das der entscheidende Zeitpunkt, die Rechtmäßigkeit eines Verwaltungsakts zu beurteilen. Eine Ausnahme gilt für Dauer-Verwaltungsakte, da diese sich auch auf die Zukunft beziehen, zum Beispiel die Gewährung einer Leistung. Hier ist die letzte mündliche Verhandlung im Prozess maßgeblich. Anders stellt sich die Lage bei § 35 GewO dar. Der Betroffene kann bei einer Gewerbeuntersagung im Wege des Wiedergestattungsverfahrens nach § 35 VI GewO die Zulassung wieder erlangen. Es ist daher nicht nötig auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung abzustellen, sondern es genügt die letzte Behördenhandlung heranzuziehen.

Bei der Verpflichtungsklage hingegen ist auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung abzustellen. Der Bürger soll nicht nochmals an die Behörde herantreten müssen, um einen an sich rechtmäßigen Verwaltungsakt zu erhalten. Hintergrund ist dem Betroffenen effektiven Rechtsschutz zu gewähren und das Verwaltungsverfahren ökonomisch zu gestalten.

V. Überprüfung unbestimmter Rechtsbegriffe

Unbestimmte Rechtsbegriffe treten auf Tatbestandsseite der Norm auf. Sie bilden eine Art Generalklausel der Verwaltung, die bei der Definition des Tatbestandes einer Rechtsgrundlage ausgelegt werden müssen. Die Behörden können so auf unvorhergesehene Situationen angemessen reagieren, ohne dass der Gesetzgeber jede Entscheidung im Voraus treffen müsste.

Zu beachten ist, dass der Vorbehalt des Gesetzes bei der Eingriffsverwaltung eine hinreichende inhaltliche Konkretisierung erfordert. Dabei kommt insbesondere der Rechtsprechung die Aufgabe zu, die abstrakten Formulierungen zu konkretisieren. Daneben finden sich auch in Verwaltungsvorschriften nähere Bestimmungen zur Interpretation der Begriffe.

a) Grundsätzlich gilt, dass die Rechtsprechung unbestimmte Rechtsbegriffe voll überprüfen kann. Dies gebietet der Grundsatz aus Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG, der besagt, dass jedem Bürger effektiver Rechtsschutz zukommen muss. Gerade bei generalklauselartigen Bestimmungen muss die gerichtliche Kontrolle des Handelns der Verwaltung sichergestellt werden. Zudem gebietet der Grundsatz der Gewaltenteilung, dass die Exekutive nicht selbst legislative Aufgaben wahrnimmt.

b) Es bestehen jedoch Ausnahmen, bei denen den Behörden ein Beurteilungsspielraum zukommt, der gerichtlich nur auf formelle Fehler und sachliche Willkür kontrolliert werden kann. Diesen Fällen liegt zugrunde, dass sie aus der Natur der Sache nicht voll überprüfbar sind. Aufgrund ihrer einschränkenden Rechtsschutzwirkung muss der Gesetzgeber nach der Rechtsprechung in der Norm selbst festlegen, dass der Verwaltung teilweise eine nicht überprüfbare Entscheidungsfreiheit zugestanden wird. Die Literatur sieht es dagegen als genügend an, wenn sich der Spielraum mittels einer Auslegung der Vorschrift ermitteln lässt. Das Bundesverfassungsgericht zieht die Grenzen noch enger: Erst wenn es aufgrund der Komplexität des Sachverhalts und der besonderen Situation vor Ort nicht möglich sei, die Entscheidung nachzuvollziehen, kommt ein Freiraum für die Behörde in Betracht.

Ein Beispiel hierfür sind behördliche Prüfungsentscheidungen an einer staatlichen Schule oder Hochschule. Sie beruhen auf einem originären Sachverhalt, dem keine vergleichbare Situation nachgebildet werden kann. Nach der Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte können daher etwa bei einer Prüfungsnote keine inhaltlichen, sondern nur formale Fehler beanstandet werden. Dabei kommen insbesondere Verstöße gegen Verfahrensvorschriften und allgemein anerkannte Bewertungs-grundsätze in Betracht. Sonst kann nur noch gerügt werden, dass sich die Behörde von sachfremden Erwägungen leiten ließ, willkürlich gehandelt hat oder von einem unzutreffenden Sachverhalt ausgegangen ist. Das Bundesverfassungsgericht nimmt bei den berufsbezogenen Prüfungen im Hinblick auf Art. 12 Abs. 1 GG eine weitergehende gerichtliche Kontrollmöglichkeit an. Die fachliche Richtigkeit der Beurteilung sei vollständig zu überprüfen. Eine Lösung darf dann nicht als falsch gewertet werden, wenn die Ansicht vertretbar erscheint. Dagegen seien prüfungsspezifische Wertungen von der gerichtlichen Kontrolle ausgenommen. Begründet wird dies unter anderem mit der Chancengleichheit aus Art. 3 Abs. 1 GG. In der konkreten Situation kann nur der Prüfer die Lage einschätzen und seine Schlüsse aus der Prüfung ziehen. Die Verwaltungsgerichte haben in ihrer Rechtsprechung im Wesentlichen die Argumente aufgegriffen und entsprechende Urteile gefällt.

Dergleichen gilt für dienstrechtliche Beamtenbeurteilungen. Hierbei findet sich auch eine einmalige Entscheidung, die den Beamten nach seinen Eigenschaften oder Fähigkeiten einteilt. Diese der konkreten Situation geschuldete Einschätzung kann somit nicht gerichtlich in Frage gestellt werden.

Im Einzelfall stehen zudem Entscheidungen von Sachverständigengremien nicht zur Disposition der Gerichte, wenn diese pluralistisch und mit weisungsfreien Mitgliedern besetzt sind. Zu nennen sind hier etwa Richterwahlausschüsse oder die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften und Medien.

Schließlich wird der Verwaltung bei nicht wiederholbaren Einzelentscheidungen eine Einschätzungsprärogative zugestanden. Hier müssen eine Vielzahl unterschiedlichster Faktoren berücksichtigt und bewertet werden. Die subjektive Entscheidung einer Behörde in diesem Bereich soll nicht nachträglich durch ein Gericht revidiert werden. Insbesondere Prognoseentscheidungen oder Risikobewertungen im Bereich des Umwelt- und Wirtschaftrechts können in diese Kategorie gefasst werden. Ein Beispiel ist die Unzuverlässigkeit des Betreibers in § 4 Abs. 1 Nr. 1 GastG.

VI. Ermessen und Ermessensfehler

Die Frage nach dem Ermessen stellt sich entgegen der unbestimmten Rechtsbegriffe erst auf der Rechtsfolgenseite.

a) Das Ermessen ist von der gebundenen Entscheidung abzugrenzen. Eine gebundene Entscheidung der Verwaltung liegt dann vor, wenn der Gesetzgeber in der Rechtsnorm die Behörde verpflichtet, eine bestimmte Rechtsfolge zu setzen. Zu erkennen ist dies an Formulierungen wie „muss“, „darf nicht“ oder „ist zu“. Ein Beispiel für eine gebundene Entscheidung ist § 15 Abs. 2 GastG, nach dem eine Gaststättenerlaubnis widerrufen werden muss, wenn bestimmte Voraussetzungen vorliegen.

Bei Ermessen hat die Verwaltung einen Spielraum und muss eigene Zweckmäßigkeitserwägungen in ihre Entscheidung einfließen lassen. Ausdrücke wie „kann“, „darf“ oder „ist befugt“ in Rechtsnormen weisen auf einen solchen Gestaltungsspielraum hin. Eine Ermessensregelung findet sich beispielsweise in Art. 48 Abs. 1 S. 1 BayVwVfG, der die Entscheidung über die Rücknahme eines Verwaltungsakts der Verwaltung zuweist.

Eine Zwitterstellung nehmen sogenannte Soll-Vorschriften ein. Sie geben den Behörden zwar im Regelfall eine bindende Entscheidung vor, lassen aber bei atypischen Fällen eine Ausnahme zu. Eine entsprechende Regelung findet sich etwa in Art. 39 Abs. 1 S. 3 BayVwVfG, der der Behörde in der Regel vorschreibt, ihre Ermessenserwägungen in der Begründung eines Verwaltungsakts erkennen zu lassen.

Schließlich kann das Ermessen der Verwaltung auf Null reduziert sein. Dies tritt auf, wenn jegliches andere Verhalten ermessensfehlerhaft wäre (dazu sogleich). Die Behörde ist dann faktisch wie bei einer gebundenen Entscheidung verpflichtet, die einzige verbliebene Möglichkeit der Ermessensausübung anzuwenden. In Betracht kommt dies etwa bei einer Selbstbindung der Verwaltung über Art. 3 Abs. 1 GG, bei der sich die Behörde mit einer über längere Zeit gleichmäßige Verwaltungsausübung in der Auslegung ihres Ermessens festlegt. Auch ist die Polizei bei einer schwerwiegenden Gefahr für wesentliche Rechtsgüter zum Einschreiten verpflichtet, obwohl sie gem. Art. 5 Abs. 1 PAG nur nach einer pflichtgemäßen Ermessensentscheidung handeln muss.

b) Das Ermessen gewährt der Verwaltung nicht per se freie Hand. Vielmehr muss die Behörde immer ihr Ermessen pflichtgemäß ausüben, das ihr der Gesetzgeber eingeräumt hat. Art. 40 BayVwVfG stellt dies ausdrücklich klar und betont, dass die Verwaltung den Zweck der Ermächtigung und dessen gesetzliche Grenzen nicht überschreiten darf. Falls sich eine Behörde nicht an den vorgegebenen Rahmen hält, ist ihre Entscheidung ermessensfehlerhaft und damit rechtswidrig. Dies kann gem. § 114 S. 1 VwGO auch durch die Verwaltungsgerichte kontrolliert werden.

Im Einzelnen sind folgende Ermessensfehler zu unterscheiden.

(1) Ermessensüberschreitung

Wenn die Verwaltung eine nicht in der Rechtsnorm vorgesehene Entscheidung trifft, überschreitet sie ihren durch den Gesetzgeber zugewiesenen Ermessensspielraum. Es ist folglich das Ergebnis der Ermessensbetätigung fehlerhaft. Beispiel hierfür ist, wenn die Behörde eine höhere Gebühr für eine Verwaltungsaufgabe verlangt als ihr nach dem gesetzlichen Rahmen zustehen würde.

(2) Ermessensfehlgebrauch

Ermessensfehlgebrauch liegt dann vor, wenn die Begründung des Verwaltungsakts nicht vom Zweck des Gesetzes abgedeckt ist. Hier beruht der Fehler somit auf dem Vorgang der Ermessensbetätigung. Darunter können mehrere Defizite unterschieden werden.

Zuerst ist die Unterschreitung eines eingeräumten Ermessens zu erwähnen. Die Verwaltung gebraucht in diesem Fall das ihr zustehende Ermessen nicht, sei es, dass sie den Tatbestand der Norm nicht richtig subsumiert, sei es, dass sie fälschlicherweise von einer gebundenen Entscheidung ausgeht. Ein Anhaltspunkt für einen solchen Fehler kann sein, wenn der Verwaltungsakt keine Begründung nach Art. 39 Abs. 1 S.3 BayVwVfG enthält.

Weiterhin besteht ein Ermessensfehlgebrauch, wenn sachfremde Erwägungen Einfluss in die Entscheidung gefunden haben oder Tatsachen nicht berücksichtigt bzw. nicht ermittelt wurden. Hier spricht man von einem Heranziehungsdefizit bzw. -überhang.

Schließlich kann auch die Abwägung der für die Ermessensentscheidung relevanten Gesichtspunkte zu einem fehlerhaften Ermessensgebrauch führen. Dies ist etwa dann der Fall, wenn die Pro- und Contra-Argumente der Entscheidung nicht entsprechend gewichtet wurden oder an sich sachgemäße Gründe nur vorgeschoben wurden, um den wirklichen Zweck zu verdecken.

Folgende Grafik zeigt die Ermessensfehler im Überblick:

Ermessenfehler

c) Ein Ermessensfehler führt zunächst einmal zu einem fehlerhaften und damit rechtswidrigen Verwaltungsakt. Allerdings kann die Behörde gewillt sein, ihre Entscheidung nachzubessern und ihre Ermessensgründe nachzureichen. Entscheidend ist hier, dass es sich nicht um nachträglich entstandene Tatsachen (vgl. dazu Kapitel Abs. 4 e), sondern nur um nachträglich vorgebrachte Tatsachen handelt.

Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass ein Nachschieben von Gründen im Verwaltungsprozess möglich sein muss. Dies lässt sich vor allem auf den gerichtlichen Untersuchungsgrundsatz nach § 86 Abs. 1 VwGO stützen, der eine umfassende Prüfung aller relevanten Tatsachen durch das Gericht vorsieht. Dazu dient ein solches Vorgehen auch der Prozessökonomie, da die Behörde nach einem Urteil nicht daran gehindert wäre, denselben Verwaltungsakt mit einer neuen Begründung zu erlassen.

Für Ermessensentscheidungen sieht § 114 S. 2 VwGO ausdrücklich ein Nachschieben von weiteren Erwägungen noch bis zum Ende des Verwaltungsgerichtsverfahrens vor. Eine Ausnahme muss nur dann gemacht werden, wenn ein völliger Austausch der Begründung vorgenommen wird oder die Behörde kein Ermessen angewandt hat. Hier muss aus dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes dem Bürger die Gelegenheit gegeben werden, die neu vorgebrachten Gründe nicht in den Prozess einfließen zu lassen. Sonst würde dem Betroffenen die Möglichkeit der Zweckmäßigkeitskontrolle des Verwaltungsakts im Widerspruchsverfahren und somit ein Teil des Rechtsschutzes genommen.

VII. Bestimmtheit des Verwaltungsakts

Der Verwaltungsakt muss daneben nach Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG inhaltlich ausreichend bestimmt sein. Dies ist nur dann als erfüllt anzusehen, wenn der Adressat, der Inhalt und der Regelungsgehalt für den Betroffenen ausreichend erkennbar sind.

Ein Fehler gegen diese Vorschrift ist nicht heilbar und führt zur Rechtswidrigkeit bzw. - bei schwerwiegenden Verstößen - zur Nichtigkeit des Verwaltungsakts. Zu beachten ist aber, dass der zu unbestimmte Verwaltungsakt auch bei Bestandskraft mangels klaren Inhalts nicht vollzogen werden kann.

VIII. Verhältnismäßigkeitsprinzip

Der Verwaltungsakt muss zudem dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprechen. Er leitet sich aus dem Rechtsstaatsprinzip ab und soll den Bürger vor einer unverhältnismäßigen Verwaltung schützen.

Das Verhältnismäßigkeitsprinzip stellt auf die Relation zwischen Zweck und Mittel ab. So muss das Mittel zur Erreichung eines bestimmten Zwecks geeignet, erforderlich und angemessen sein. Eine Maßnahme ist nur geeignet, wenn sie das angestrebte Ziel erreichen kann und nur erforderlich, wenn nicht ein anderes gleich geeignetes Mittel zur Verfügung steht, das weniger in die Rechte des Betroffenen eingreift. Schließlich darf die Relation zwischen Zweck und Mittel nicht außer Verhältnis stehen.

Ein Verstoß gegen das Verhältnismäßigkeitsprinzip führt zur Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts und kann nicht geheilt werden.

IX. Übereinstimmung mit höherrangigem Recht

Der Verwaltungsakt darf schließlich höherrangigem Recht nicht widersprechen. Dieser Grundsatz lässt sich auf den Vorrang des Gesetzes zurückführen. Dieses Prinzip bringt zum Ausdruck, dass die Verwaltung an die bestehenden Gesetze gebunden ist. Sie muss ihre Maßnahmen folglich an den Normen ausrichten und darf nicht gegen die Vorgaben der Legislative handeln.

Das Vorrangprinzip lässt sich ebenso wie der Vorbehalt des Gesetzes auf Art. 20 Abs. 3 GG zurückführen. Die Verwaltung soll sich staatstreu verhalten und nicht den Interessen des Gesetzgebers zuwiderlaufen.

Neben dem Grundgesetz sind alle formellen Gesetze, aber auch Rechtsverordnungen und Satzungen vom Vorrang des Gesetzes umfasst. Ebenso bindet das Europäische Recht kraft eigener Gestaltungsmacht die Verwaltung.

§ 6 Fehlerfolgen bei Rechtswidrigkeit

Die Folgen eines rechtswidrigen Verwaltungsakts lassen sich in zwei Gruppen einteilen: Zum einen die Verfahrens- und Formfehler, die größtenteils heilbar sind. Zum anderen die materiellen Fehler, die teilweise zur Rechtsunwirksamkeit und damit Nichtigkeit führen, teilweise aber auch in Bestandskraft erwachsen können und damit rechtswirksam werden. Die Fehlerebene ist dabei streng von der Rechtsfolgenseite zu trennen. Im Folgenden soll daher zunächst eine Abgrenzung der Begrifflichkeiten den Einstieg weisen.

I. Rechtswirksamkeit und Nichtigkeit eines Verwaltungsakts

a) Ein Verwaltungsakt wird gemäß Art. 43 I BayVwVfG mit seiner Bekanntgabe an den Betroffenen wirksam, solange er nicht nichtig ist, vgl. Art. 43 III BayVwVfG (näher dazu Kapitel V). Die Bekanntgabe richtet sich dabei nach Art. 41 BayVwVfG und, soweit die förmliche Zustellung gesetzlich vorgegeben ist, nach dem BayVwZVG, vgl. Art. 41 V BayVwVfG. Solange die Bekanntgabe noch nicht erfolgt ist, existiert rechtlich gesehen kein Verwaltungsakt. Mehreren Adressaten ist der Verwaltungsakt jeweils individuell bekannt zu geben, außer es ist die öffentliche Bekanntgabe nach Art. 41 III, IV BayVwVfG zugelassen, zum Beispiel bei der Allgemeinverfügung (vgl. § 4 Kapitel X). Dagegen bleibt eine Verletzung von Formvorschriften für die Wirksamkeit des Verwaltungsakts unbeachtlich, kann aber Auswirkungen auf die Rechtmäßigkeit haben (vgl. § 5 Kapitel III).

b) Die Rechtswirksamkeit eines Verwaltungsakts ist strikt abzugrenzen von seiner Rechtmäßigkeit. Die rechtlichen Wirkungen kommen entgegen der Rechtmäßigkeit erst auf der Rechtsfolgenebene zum Tragen. Sie bringen zum Ausdruck, dass dem Inhalt des Verwaltungsakts ab sofort uneingeschränkte Geltung zukommt. Kennzeichnend hierfür ist das Begriffspaar rechtswirksam-nichtig (=rechtsunwirksam). Dagegen entscheidet sich die Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts bereits auf der Tatbestandsebene. Dabei muss geprüft werden, ob der Verwaltungsakt mit dem geltenden Recht vereinbar ist. Rechtswidrigkeit tritt dann ein, wenn der Verwaltungsakt nicht alle Anforderungen erfüllt, die die Rechtsordnung an ihn stellt (vgl. § 5). Charakteristisch ist das Begriffspaar rechtmäßig-rechtswidrig.

Die Rechtswirksamkeit eines Verwaltungsakts bestimmt sich folglich unabhängig von seiner Rechtmäßigkeit. Entscheidend ist nicht wie bei Gesetzen oder Verträgen die Rechtswidrigkeit, sondern, wie schon Art. 43 I, III BayVwVfG festlegt, allein die Bekanntgabe und das Nicht-Vorliegen schwerwiegender und offenkundiger Fehler, die unmittelbar zur Nichtigkeit führen würden. Folglich kann ein rechtswidriger Verwaltungsakt sehr wohl rechtswirksam sein, etwa dann, wenn kein Rechtsmittel eingelegt wird oder die Frist dafür abgelaufen ist. Auf der anderen Seite kann ein nichtiger Verwaltungsakt nie rechtmäßig sein, sondern ist immer rechtswidrig.

c) Die Rechtswirksamkeit eines Verwaltungsakts kann sich daneben zeitlich verschieben, wenn der Verwaltungsakt etwa erst nach einer gewissen Frist(Befristung) oder einem Ereignis(Bedingung) wirksam werden soll. Dies gilt natürlich auch umgekehrt, wenn der Verwaltungsakt zum Beispiel nach einem Ereignis oder einem Termin seine Wirksamkeit verlieren soll.

d) Zudem wird die Rechtswirksamkeit eines Verwaltungsakts durch die Einlegung eines Widerspruchs oder einer Anfechtungsklage nach § 80 I VwGO gehemmt, da den Rechtsmitteln insoweit aufschiebende Wirkung zukommt. Die Rechtsbehelfe müssen allerdings innerhalb einer Monatsfrist ab Bekanntgabe gemäß §§ 70 I, 74 I VwGO erhoben werden, wenn nicht eine fehlerhafte Belehrung zur Jahresfrist nach § 58 II VwGO führt. Der sogenannte Suspensiveffekt des § 80 I VwGO verhindert, dass der Verwaltungsakt in seinen Rechtswirkungen verbindlich wird und vollzogen werden kann. Eine Ausnahme besteht dann, wenn gesetzlich oder behördlich die sofortige Vollziehbarkeit angeordnet wird, vgl. § 80 II VwGO. Hier besteht aber die Möglichkeit des einstweiligen Rechtsschutzes nach §§ 80 IV, V, 80 a VwGO, um die Wirksamkeit des Verwaltungsakts doch noch hinauszuzögern.

e) Die Rechtswirksamkeit eines Verwaltungsakts endet schließlich gemäß Art. 43 II BayVwVfG, wenn er sich von selbst erledigt, etwa durch Zeitablauf, oder wenn durch einen actus contrarius, zum Beispiel Widerruf oder Rücknahme, aufgehoben wird. Der actus contrarius -Grundsatz meint in diesem Zusammenhang, dass die Aufhebung der Ausgangshandlung wieder durch einen Akt der gleichen Rechtsnatur erlassen wird. So erfolgt etwa der Widerruf eines Verwaltungsakts ebenso durch einen Verwaltungsakt. Die Aufhebung ist somit selbst wieder an den Maßstäben des Art. 43 I BayVwVfG zu messen und kann daher unabhängig von der Ausgangshandlung rechtswirksam oder nichtig sein.

Im Anschluss sollen die einzelnen Fehlerfolgen eines rechtswidrigen Verwaltungsakts dargestellt werden. Zunächst wird in Kapitel II auf die Anfechtbarkeit eingegangen werden, danach in Kapitel III auf die Folgen von Verfahrens- und Formfehlern. Daraufhin wird die Möglichkeit der Umdeutung in Kapitel IV näher erläutert. Ausführungen zur Nichtigkeit finden sich schließlich in Kapitel V. Auf die Rücknahme gemäß Art. 48 BayVwVfG wird im anschließenden § 7 gesondert Bezug genommen.

II. Anfechtbarkeit und Bestandskraft eines Verwaltungsakts

a) Ein rechtswidriger Verwaltungsakt, der nicht bereits aufgrund schwerwiegender Fehler nichtig ist und dessen Fehler auch nicht heilbar sind, kann durch den Adressaten oder einen sonst betroffenen Dritten innerhalb der Monats- oder Jahresfrist angefochten werden. Rechtsbehelfe hierfür sind die Anfechtungsklage und das Widerspruchsverfahren, das in Bayern jedoch aufgrund von Art. 15 II AGVwGO in der weit überwiegenden Zahl der Verfahren nicht mehr stattfindet. Nur in den begrenzten Fällen des Art. 15 I AGVwGO besteht noch eine fakultative, also auf Initiative des Bürgers beruhende Möglichkeit, Widerspruch einzulegen. Wird dem Rechtsmittel stattgegeben ist der Verwaltungsakt aufgehoben. Gegenstück zur Anfechtbarkeit ist somit die Aufhebbarkeit. Das Verwaltungsgericht oder die Widerspruchsbehörde kann den Verwaltungsakt in Folge der Anfechtung durch den Bürger beseitigen. Daneben besteht die Möglichkeit seitens der Verwaltung den Verwaltungsakt mittels Rücknahme oder – bei rechtmäßigen Verwaltungsakten - mittels Widerruf selbstständig, das heißt ohne Rechtsmittelverfahren, aufzuheben. Der Unterschied besteht folglich darin, dass die Anfechtung vom Betroffenen ausgeht, während die Aufhebung beim Verwaltungsgericht oder der zuständigen Behörde ihren Ursprung nimmt.

b) Eng verknüpft mit der Anfechtbarkeit ist die formelle Bestandskraft des Verwaltungsakts im verwaltungsrechtlichen Sinne. Formelle Bestandskraft bedeutet, dass der Verwaltungsakt nicht mehr mittels eines ordentlichen Rechtsbehelfs angegriffen werden kann. Sie führt somit zur Unanfechtbarkeit des Verwaltungsakts und tritt dann ein, wenn der Betroffene auf die Einlegung der Rechtsmittel verzichtet oder die Fristen hierfür abgelaufen sind. Die formelle Bestandskraft korreliert somit mit der formellen Rechtskraft im Prozessrecht, bei der ein Urteil nicht mehr mit Rechtsmitteln angefochten werden kann, wenn die dafür vorgesehenen Fristen abgelaufen sind, ein Verzicht erklärt wurde oder der Rechtsweg erschöpft ist.

Der Begriff der Bestandskraft ist trotzdem, dass er sich bis auf die Überschrift vor den Art. 43 ff. nicht im BayVwVfG wiederfindet, allgemein anerkannt. Ziel dessen ist es für Rechtssicherheit und Klarheit im Verwaltungsverfahren zu sorgen, dem Verwaltungsakt auf Dauer Beständigkeit zuzuführen und dem Bürger Planungssicherheit zu geben.

c) Neben der formellen kennt das Verwaltungsrecht auch die materielle Bestandskraft des Verwaltungsakts. Darunter versteht man zum einen die Bindungswirkung des Verwaltungsakts. Die Behörde und der Bürger müssen sich an den Inhalt des Verwaltungsakts halten und können nicht einseitig von ihm abweichen. Die materielle Bestandskraft lässt sich so auf die Rechtswirksamkeit zurückführen und wirkt daher schon ab dem Zeitpunkt der Bekanntgabe. Wie gesehen bleibt aber selbst nach der Unanfechtbarkeit noch die Möglichkeit der Aufhebung durch Rücknahme und Widerruf seitens der Behörde. Der Betroffene selbst kann diese nicht vornehmen, obgleich er unter bestimmten Voraussetzungen von der Verwaltung verlangen kann, dass diese tätig wird. Die endgültige Bindungswirkung tritt daher erst dann ein, wenn eine Aufhebung auch durch Rücknahme oder Widerruf nicht mehr möglich ist.

Ebenso der materiellen Bestandskraft unterfällt die Tatbestandswirkung. Sie besagt, dass nicht nur der Bürger und die Ausgangsbehörde sondern die gesamte Staatsverwaltung die Festsetzungen des Verwaltungsakts einzuhalten haben. Dabei ist jedoch nur der Tenor, das heißt die Regelungsabsicht des Verwaltungsakts, verpflichtend, nicht jedoch die maßgebliche Begründung und die tatsächlichen bzw. rechtlichen Inhalte. Diese wird erst durch die Feststellungswirkung bestimmt und tritt nur ausnahmsweise dann ein, wenn sie gesetzlich angeordnet ist, zum Beispiel in § 4 AsylverfahrensG.

Nicht Bestandteil der materiellen Rechtskraft ist die Konzentrationswirkung eines Verwaltungsakts. Sie ist jedoch insoweit von der Tatbestands- und Feststellungswirkung abzugrenzen. Innerhalb der Konzentrationswirkung müssen die formelle und die materiellenKonzentrationswirkung unterschieden werden. Allgemein kommt das Prinzip zum Tragen, wenn mehrere Genehmigungen für einen Antrag notwendig sind. Dabei lässt die formelle Konzentrationswirkung die andere nötige Genehmigung entfallen, nicht aber deren inhaltliche Prüfung. Beispiel hierfür ist § 13 BImSchG, der die Baugenehmigung entfallen lässt, dafür aber über § 6 I Nr. 2 BImSchG eine Prüfung der Baurechtsvorschriften anordnet. Hingegen liegt eine materielle Konzentrationswirkung dann vor, wenn neben der Genehmigung auch die Prüfung der an sich einschlägigen Vorschriften entfallen. Eine solche Regelung findet sich etwa in § 38 BauGB, der die Vorschriften der §§ 29 ff. BauGB komplett entfallen lässt.

Anders als die Tatbestands- oder Feststellungswirkung wirkt sich die Konzentrationswirkung nur auf Notwendigkeit der Prüfung einer anderen Behörde aus, nicht aber auf verbindliche Festsetzungen oder inhaltliche Vorgaben für eine andere Behörde.

III. Rechtsfolgen von Verfahrens- und Formfehlern

a) Im Gegensatz zu den eben dargestellten Folgen eines materiellen Fehlers besteht bei bestimmten formellen Fehlern die Möglichkeit der Heilung durch Nachholung nach Art. 45 BayVwVfG, um die Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts doch noch herzustellen. Art. 45 I BayVwVfG bietet dazu einen abschließenden Katalog an Fehlern, bei denen dies möglich ist. So kann zum Beispiel die Anhörung nach Art. 28 I BayVwVfG später im Verfahren noch vorgenommen werden. Es genügt hier bereits, wenn er im Prozess vor dem Gericht gehört wird. Ebenso kann eine fehlende Begründung gemäß Art. 39 I BayVwVfG nachgeholt werden. Davon zu unterscheiden ist jedoch das Nachschieben von Ermessenserwägungen bzw. neuen Tatsachen. Diese spielen erst im Rahmen der materiellen Rechtmäßigkeit bei den Ermessensfehlern eine Rolle (vgl. dazu § 5 Kapitel VI). Ein Nachholen der Begründung kommt daher nur in Betracht, wenn zuvor überhaupt keine oder eine formell ungenügende Begründung im Sinne des Art. 39 I BayVwVfG dem Verwaltungsakt beigefügt wurde.

Die Heilung kann gemäß Art. 45 II BayVwVfG bis zum Abschluss der letzten Tatsacheninstanz des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens eintreten. Die Behörde hat somit sogar bis zu einer Berufungsverhandlung Zeit eine entsprechende Handlung zu veranlassen.

Das Nachholen der Verfahrenshandlung macht den Fehler unbeachtlich. Im Ergebnis heißt das, dass der Verwaltungsakt rückwirkend zu einem formell rechtmäßigen Verwaltungsakt wird. Man kann somit davon sprechen, dass der Fehler ex-tunc beseitigt wird und die Heilung für die Vergangenheit zurück wirkt.

b) Art. 46 BayVwVfG bietet eine weitere Möglichkeit einem Verfahrens- oder Formfehler zu begegnen. Demnach kann der Verwaltungsakt nicht angefochten werden, wenn offensichtlich ist, dass die Verletzung die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat. Die Möglichkeit besteht sowohl bei einer gebundenen Entscheidung als auch dann, wenn der Behörde ein Ermessen eingeräumt wurde. Die Vorschrift erklärt lediglich einen Fehler bei Verfahren, Form oder örtlicher Zuständigkeit für unbeachtlich, falls er nicht schon zur Nichtigkeit nach Art. 44 BayVwVfG des Verwaltungsakts führt oder gemäß Art. 45 BayVwVfG geheilt werden kann. In der Prüfungsreihenfolge sind daher zunächst Nichtigkeit und Heilung des Verwaltungsakts zu erörtern, um danach auf die Möglichkeit der Unbeachtlichkeit einzugehen. In Betracht kommt die Regelung beispielsweise bei der Mitwirkung eines befangenen Amtsträgers oder die unterbliebene Mitwirkung eines Dritten, wenn ihre Beteiligung sich in der Sache nicht auf den Verwaltungsakt ausgewirkt hat.

Zu beachten ist, dass die sachliche Zuständigkeit von dieser Vorschrift ausgenommen ist. Diesbezüglich kann ein Fehler nicht als unbeachtlich angesehen werden. Grund hierfür ist, dass eine andere Behörde für den Erlass des Verwaltungsakts zuständig ist und bei der Entscheidung womöglich andere Normen beachtet hätten werden müssen.

Weiterhin ist zu bemerken, dass Art. 46 BayVwVfG nicht wie die Heilung nach Art. 45 BayVwVfG zu einem rechtmäßigen Verwaltungsakt führt. Vielmehr bleibt der Verwaltungsakt rechtswidrig, nur scheidet eine subjektive Rechtsverletzung des Klägers aus. Die Unbeachtlichkeitsregelung wirkt somit nicht für die Vergangenheit zurück, sondern beschränkt lediglich den Kläger in seinen Rechten.

Dem Ganzen liegt zu Grunde, dass die Verwaltungsgerichte nicht mit unnötigen Verfahren belastet werden. Eine Entscheidung soll nicht allein wegen eines formellen Fehlers- bei materieller Richtigkeit- aufgehoben werden können, da die Behörde einen Verwaltungsakt gleichen Inhalts formgerecht sofort wieder erlassen könnte. Art. 46 BayVwVfG dient somit der Prozessökonomie.

IV. Umdeutung von Verwaltungsakten

Eine weitere Möglichkeit einen rechtswidrigen Verwaltungsakt zu berichtigen, bietet die Umdeutung nach Art. 47 BayVwVfG. Der fehlerhafte Verwaltungsakt wird wie auch bei § 140 BGB in einen anderen, rechtmäßigen Verwaltungsakt umgewandelt. Die Umdeutung ist selbst kein Verwaltungsakt, sondern tritt kraft Gesetzes ein. Sie kann daher auch durch die Verwaltungsgerichte festgestellt werden.

Voraussetzung einer Umdeutung ist gemäß Art. 47 I BayVwVfG, dass der neue Verwaltungsakt denselben Interessen und Zielen dient wie der alte. Nicht erforderlich ist hingegen die komplette inhaltliche Übereinstimmung. Daneben muss der neue Verwaltungsakt alle formellen Voraussetzungen des ursprünglichen erfüllen. Konkret heißt das, dass das Verfahren und die Form eingehalten wurden und die Behörde auch für den Erlass des zweiten Verwaltungsakts zuständig war. Insbesondere muss der Adressat des ersten Verwaltungsakts nochmal angehört werden. Dazu bestimmt Art. 47 II BayVwVfG, dass eine Umdeutung dann nicht in Betracht kommt, wenn seine Rechtsfolgen für den Betroffenen ungünstiger sind. Unzulässig ist nach Art. 47 III BayVwVfG auch eine Umdeutung einer gebundenen Entscheidung in einen Ermessensverwaltungsakt. Grund hierfür ist, dass sich die Behörde immer ihrer Ermessensentscheidung bewusst sein muss, da sonst ein Ermessensfehler vorliegt und der Verwaltungsakt trotz Umdeutung nicht rechtmäßig wäre.

Ob daneben auch nichtige Verwaltungsakte umgedeutet werden können ist umstritten. Allerdings spricht mehr für die Möglichkeit, da die Rechtswidrigkeit für die Umdeutung entscheidend ist, nicht aber die Rechtswirksamkeit. Ein nichtiger Verwaltungsakt kann daher ebenso umgedeutet werden.

V. Nichtigkeit eines Verwaltungsakts

Die Nichtigkeit eines Verwaltungsakts bestimmt sich nach Art. 44 I BayVwVfG. Demnach muss ein Verwaltungsakt an einem besonders schwerwiegenden Fehler leiden, um nichtig zu sein. Ein solcher Fehler ist dann anzunehmen, wenn die Verletzung in besonderem Widerspruch zur Rechtsordnung steht. Dazu muss dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offensichtlich sein. Es müssen somit mehr als nur begründete Zweifel an der Rechtmäßigkeit vorliegen. Dem Verwaltungsakt muss es regelrecht „auf der Stirn geschrieben stehen“, es muss sich geradezu aufdrängen, dass ein nichtiger Rechtsakt vorliegt. Dabei ist auf die Sicht eines aufmerksamen und verständigen Durchschnittsbürgers abzustellen. Im Ergebnis heißt das aber nicht, dass jegliche Zweifel ausgeräumt werden müssen. Es muss nur für den Einzelfall genau geprüft werden, ob ein offenkundiger und schwerwiegender Fehler gegeben ist.

a) Dieser sogenannten Evidenztheorie liegt zu Grunde, dass die Rechtsordnung einen schwerwiegenden Verstoß nicht zu dulden vermag. Im Gegensatz zum bloß rechtswidrigen, aber nicht nichtigen Verwaltungsakt wird der Verwaltungsakt erst gar nicht rechtswirksam. Hier überwiegt sozusagen der Schutz des Bürgers an einer rechtmäßigen Entscheidung vor dem Allgemeininteresse an Rechtssicherheit durch Bestandsschutz.

b) Bei der Prüfung der Nichtigkeit ist zunächst der Katalog des Art. 44 II BayVwVfG zu untersuchen. Hier sind die absoluten Nichtigkeitsgründe aufgeführt, die bei Vorliegen ohne weitere Prüfung zur Unwirksamkeit des Verwaltungsakts führen, zum Beispiel wenn die erlassende Behörde bei einem schriftlichen Verwaltungsakt nicht zu erkennen ist, vgl. Art. 44 II Nr. 1 BayVwVfG, oder der Landrat des Landkreises X eine Baugenehmigung für ein Grundstück erteilt, das im Landkreis Y liegt, vgl. Art. 44 II Nr.3. BayVwVfG.

Falls diese Vorschrift nicht einschlägig ist, ist danach auf Art. 44 III BayVwVfG einzugehen. Hier werden Fälle aufgelistet, bei denen eine Nichtigkeit nicht allein aus diesen Gründen anzunehmen ist, etwa falls eine Baugenehmigung ohne das gemeindliche Einvernehmen erteilt wurde, vgl. Art. 44 III Nr.4 BayVwVfG. Beim Hinzutreten weiterer Fehler kann der Verwaltungsakt aber durchaus gemäß Art. 44 I BayVwVfG nichtig werden.

Erst im Anschluss erfolgt die Prüfung der Generalklausel des Art. 44 I BayVwVfG. Hierbei ist explizit auf die Merkmale schwerwiegend und offenkundig einzugehen (vgl. dazu oben).

c) Ein nichtiger Verwaltungsakt entfaltet keinerlei Rechtswirkungen. Das heißt, weder der Bürger noch die Behörden sind an einen unwirksamen Akt gebunden. Die Behörde kann gemäß Art. 44 V BayVwVfG auf Antrag des Adressaten jederzeit feststellen, dass ein nichtiger Verwaltungsakt vorliegt. Prozessual bedeutet dies, dass der Betroffene den Verwaltungsakt nicht anfechten muss, um ihn aus der Welt zu schaffen. Wenn aber doch Rechtsmittel eingelegt werden, so sind diese nicht an eine Frist gebunden.

d) Ein möglicher Rechtsbehelf ist die Nichtigkeitsfeststellungsklage gemäß § 43 I VwGO. Diese besteht unabhängig von der behördlichen Entscheidung über einen Antrag auf Feststellung der Nichtigkeit. Das Verwaltungsgericht kann hier ebenso wie die Behörde die Unwirksamkeit des Verwaltungsakts feststellen. Diese Klagemöglichkeit ist das eigene Risiko des Bürgers. Falls das Gericht dem Antrag auf Nichtigkeit nicht folgt, muss der Betroffene somit vorsorglich auch eine Anfechtungsklage bzw. einen Widerspruch einlegen. Diese Möglichkeiten sind dem Bürger daher trotz der Feststellungsklage nach § 43 I VwGO nicht genommen, wie auch im Umkehrschluss aus § 43 II 2 VwGO zu schließen ist. Daraus folgt, dass die Anfechtungsklage unabhängig von der Rechtswirksamkeit des Verwaltungsakts zulässig ist.

Folgende Grafik bietet einen Überblick über die Rechtsfolgen eines rechtswidrigen Verwaltungsakts:

Rechtsfolgen

§ 7 Rücknahme von Verwaltungsakten gem. Art. 48 BayVwVfG

I. Einleitung

Die Verwaltung kann nicht nur einen Verwaltungsakt erlassen, sondern Verwaltungsakte auch zurücknehmen. Damit steht ihr ein von Gerichts- und Widerspruchsverfahren unabhängiges Instrument zur Verfügung, von sich aus einen Verwaltungsakt aus der Welt zu schaffen. Sie hat die Möglichkeit zur Selbstkorrektur. Die gesetzliche Grundlage für diese Selbstkorrektur findet sich in Art. 48 ff. BayVwVfG sowie in einigen Spezialgesetzen.

Im Rahmen der Möglichkeit Verwaltungsakte aus der Welt zu schaffen sind die verschiedenen Institute der Rücknahme und des Widerrufs sowie das Wiederaufgreifen eines Verfahrens zu unterscheiden und voneinander abzugrenzen.

Die Rücknahme, Art. 48 BayVwVfG, bezieht sich dabei auf rechtswidrige Verwaltungsakte und der Widerruf, Art. 49 BayVwVfG auf die Aufhebung rechtmäßiger Verwaltungsakte.

Das Wiederaufgreifen des Verfahrens, Art. 51 BayVwVfG, stellt eine weitere Möglichkeit dar, einen VA aufzuheben und erneut über die Sachlage zu entscheiden.

Aufhebung eines VA

Die Rücknahme ist ein eigenständiges Verwaltungsverfahren i.S.d. Art. 9 BayVwVfG und unterliegt somit den allgemeinen Vorschriften über das Verwaltungsverfahren. Es dient dem Interesse der Verwaltung, einen rechtswidrigen Verwaltungsakt zurücknehmen zu können um die Gesetzesmäßigkeit der Verwaltung zu wahren. Gleichzeitig müssen die Vorschriften über die Rücknahme dem im deutschen Recht verankerten Grundsatz des Vertrauensschutzes gerecht werden.

II. Voraussetzungen

Zurückgenommen werden kann nur ein VA, der wirksam ist. Dies bedeutet, dass ein VA, der sich bereits erledigt hat oder erloschen ist, nicht mehr zurückgenommen werden kann. Ebenfalls kann ein nichtiger VA nicht zurück genommen werden, da er keine Rechtswirkungen entfaltet, die Rücknahme jedoch auf die Beseitigung der Rechtswirkungen abzielt. Der Behörde steht es aber frei, nach den Voraussetzungen des Art. 44 Abs. 5 BayVwVfG die Nichtigkeit eines VAs festzustellen.

Keine Rolle für die Rücknahme spielt, ob der VA überhaupt erlassen werden durfte. Dies lässt sich bereits aus der Tatsache, dass es bei der Rücknahme um die Aufhebung eines rechtswidrigen VAs geht, ableiten.

Zu beachten ist außerdem, dass die Regeln über die Rücknahme eines VAs auch auf fingierte VAs und Rechtsfolgesituationen, die einem VA gleichstehen, anzuwenden sind. Eine Rechtsfolgesituation stellt z.B. das Schweigen auf eine Bauanzeige dar (vgl. z.B. Art. 58 BayBO).

Die Verwaltung kann einen VA grundsätzlich nur zurück nehmen, wenn eine gesetzliche Ermächtigungsgrundlage vorliegt. In Betracht kommen spezialgesetzliche Ermächtigungsgrundlagen oder Art. 48 BayVwVfG. Spezialgesetzliche Ermächtigungsgrundlagen sind z.B. in Art. 15 GastG oder in Art. 21 BimSchG.

III. Tatbestände des Art. 48 BayVwVfG

Art. 48 BayVwVfG kommt grundsätzlich nur zur Anwendung, wenn es sich um einen rechtswidrigen VA handelt. Rechtswidrig ist ein VA, wenn er mit der geltenden Rechtslage nicht übereinstimmt. Bei der Feststellung der Rechtswidrigkeit ist sowohl die formelle als auch die materielle Rechtswidrigkeit eines VAs ausreichend. Zu beachten ist jedoch, ob ein ursprünglich rechtswidriger VA nach Art. 45 BayVwVfG geheilt oder nach Art. 47 BayVwVfG umgedeutet wurde.

Art. 48 Abs. 1 S.1 BayVwVfG normiert den Grundsatz der freien Rücknehmbarkeit. Er lässt sich aus Art. 20 Abs. 3 GG ableiten und gilt grundsätzlich für alle rechtswidrigen VAs. Nach dieser Vorschrift kann ein rechtswidriger Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, zurückgenommen werden. Die Rücknahme eines rechtswidrigen VAs steht somit im freien Ermessen der Behörde. Dies bedeutet, dass der Behörde sowohl ein Entschließungsermessen als auch ein Auswahlermessen zukommt.

Art. 48 Abs.1 S. 2 BayVwVfG schränkt den Grundsatz der freien Rücknehmbarkeit ein. Nach diesem dürfen begünstigende VAs nur unter den Einschränkungen des Art. 48 Abs. 2 – 4 BayVwVfG zurückgenommen werden. Dies ist eine gesetzliche Ausprägung des Grundsatzes des Vertrauensschutzes. Deshalb ist bei der Rücknahme grundsätzlich zu differenzieren, ob es sich um rechtswidrige begünstigende oder rechtswidrige belastende VAs handelt. Darüber hinaus ist bei rechtswidrig begünstigenden VAs zu unterscheiden, ob es sich um eine Geld- oder Sachleistung oder um eine sonstige Vorteilsgewährung handelt.

1. Rechtswidrig nicht begünstigend

Die Rücknahme eines nicht begünstigenden Verwaltungsaktes (z.B. die Pflicht zur Zahlung eines bestimmten Betrages) richtet sich nach Art. 48 Abs.1 S.1 BayVwVfG. Tatbestandsvoraussetzung ist aufgrund des Grundsatzes der freien Rücknehmbarkeit lediglich das Vorliegen eines rechtswidrigen, wirksamen VAs. Eine Abwägung, ob der VA tatsächlich zurückgenommen werden kann, findet erst auf der Rechtsfolgenseite im Rahmen des Ermessens statt.

Bsp.: A erhält von der Gemeinde einen Bescheid, in dem er verpflichet wird, jeden Montag die Straße vor seinem Haus zu reinigen. Als Rechtsgrundlage für den Bescheid gibt die Gemeinde eine gemeindliche Satzung an. Drei Wochen später stellt sich heraus, dass die besagte Satzung rechtswidrig ist. Die Gemeinde möchte deswegen den Bescheid aufheben.

Der Bescheid enthält eine Regelung für den A, sodass es sich um einen VA gemäß Art. 35 BayVwVfG handelt. Der VA ist auch wirksam, da er nicht nichtig ist und sich auch nicht erledigt hat. Die Rechtsgrundlage für den VA ist jedoch rechtswidrig, so dass das auch der aufgrund der Satzung erlassene VA mit der Rechtslage nicht übereinstimmt. Es liegt somit ein wirksamer, rechtswidriger VA vor, so dass der Tatbestand des Art. 48 Abs. 1 S.1 BayVwVfG gegeben ist.

2. Rechtswidrig begünstigend in Form einer Geld- oder Sachleistung

Die Rücknahme eines VAs, der eine einmalige oder laufende Geldleistung oder teilbare Sachleistung gewährt richtet sich nach Art. 48 Abs. 2 BayVwVfG. Ein klassisches Beispiel für einen begünstigenden VA nach Art. 48 Abs. 2 BayVwVfG ist z.B. die Rücknahme einer Subvention.

Bsp.: Dem Unternehmen O wurde eine Subvention i.H.v. 1 Mio. € gewährt. Zwei Monate nach Bewilligung des Betrages fällt dem zuständigen Sachbearbeiter auf, dass das Unternehmen O nicht die erforderlichen Voraussetzungen für die Gewährung erfüllt hat und somit kein Recht auf die Subvention hat. Er möchte die Zusage aufheben. Nach welcher Vorschrift kann er die Zusage aufheben?

Im vorliegenden Fall wurde dem Unternehmen O die Zahlung eines Betrages zugesagt. Diese Zusage ist eine hoheitliche Entscheidung, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalls getroffen hat und die auf eine unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist. Es liegt somit ein VA gemäß Art. 35 BayVwVfG vor. Mit dem VA wird dem Unternehmen O eine einmalige Geldleistung gewährt. Der VA ist somit ein begünstigender i.S.d. Art. 48 Abs. 2 BayVwVfG. Der Sachbearbeiter kann die Zusage nach Art. 48 Abs. 2 BayVwVfG aufheben.

Weitere Beispiele für Geldleistungen sind Stipendien oder die beamtenrechtliche Beihilfe. Eine Sachleistung kann sowohl vertretbare als auch unvertretbare Sachen umfassen. Es reicht die reine Überlassung, die Sache muss nicht übereignet sein. Die Überlassung einer Dienstwohnung kann z.B. eine Sachleistung sein.

a) Tatbestandliche Abwägung

Nach Art. 48 Abs. 2 S. 1 BayVwVfG darf ein VA nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des VAs vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an der Rücknahme schutzwürdig ist. Dies bedeutet, dass bereits auf tatbestandlicher Ebene eine Abwägung stattfinden muss. Art. 48 Abs. 2 BayVwVfG bildet einen Rahmen für das Ermessen und ist als negatives Tatbestandsmerkmal zu verstehen. Überwiegt z.B. das Vertrauensinteresse des Begünstigten gegenüber dem öffentlichen Interesse, darf der VA nicht zurückgenommen werden, so dass der Tatbestand nicht vorliegt. Das Ermessen ist in diesem Fall gar nicht eröffnet.

Da Art. 48 Abs. 2 BayVwVfG keine Ermessensentscheidung darstellt, sondern eine tatbestandliche Abwägung ist diese gerichtlich vollständig überprüfbar.

Diese Unterscheidung, zwischen der Abwägung auf Tatbestandebene und dem Ermessen der Behörde auf der Rechtsfolgenseite ist elementar für das Verständnis von Art. 48 Abs. 2 BayVwVfG. Nur wenn die Abwägung auf Tatbestandsebene zugunsten des Rücknahmeinteresses ausgefallen ist, stellt sich die Frage des Ermessens. Wird jedoch bereits im Rahmen des Art. 48 Abs. 2 BayVwVfG festgestellt, dass das öffentliche Interesse an der Rücknahme gegenüber dem Vertrauensinteresse des Begünstigten nicht überwiegt, kommt es gar nicht mehr zu einer Ermessensentscheidung der Verwaltung.

Die Prüfung des Art. 48 Abs. 2 BayVwVfG erfolgt somit in drei Schritten:

Hat der Begünstigte auf den Bestand des VAs vertraut?

Ist sein Vertrauen schutzwürdig?

Überwiegt das Vertrauensinteresse gegenüber dem öffentlichen Interesse an der Wiederherstellung der Gesetzmäßigkeit?

Prüfungsschritte

Grundvoraussetzung für ein Vertrauen auf den Bestand des VAs ist, dass der Betroffene den VA gekannt hat. Ohne Kenntnis kann sich auch kein Vertrauen bilden.

Die Schutzwürdigkeit des Vertrauens erläutern Art. 48 Abs. 2 S. 2, 3 BayVwVfG näher.

Dabei normiert Art. 48 Abs. 2 S. 3 BayVwVfG Ausschlusstatbestände. Liegt einer dieser Ausschlusstatbestände vor, kann sich der Begünstigte nicht auf Vertrauensschutz berufen, unabhängig davon, ob eine Leistung verbraucht ist oder nicht.

b) Ausschluss des Vertrauens

Nach Art. 48 Abs. 2 S.3 Nr. 1 BayVwVfG kann sich der Betroffene nicht auf Vertrauensschutz berufen, wenn er den VA durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat. Erwirkt wurde ein VA, wenn Täuschung, Drohung oder Bestechung für den Erlass und die Rechtswidrigkeit des VAs kausal sind. Unredliches Verhalten eines Vertreters muss sich der Begünstigte ebenfalls zurechnen lassen.

Nach Art. 48 Abs. 2 S. 3 Nr. 2 BayVwVfG besteht kein schutzwürdiges Interesse, wenn der Betroffene den VA durch Angaben erwirkt hat, die in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig waren. Angaben beziehen sich auf Tatsachen. Sie sind in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig, wenn sie zur Entscheidungsfindung der Behörde erforderlich sind. Wie bei Nr. 1 ist ein VA erwirkt, wenn die unrichtigen oder unvollständigen Angaben für den Erlass und die Rechtswidrigkeit des VAs kausal waren. Auf ein Verschulden des Begünstigten kommt es nicht an. Abgestellt wird lediglich darauf, ob die Verursachung der Rechtswidrigkeit des VAs in den Verantwortungsbereich des Begünstigten fällt.

Nicht in den Verantwortungsbereich des Begünstigten fallen demnach falsche Angaben, die aufgrund falscher Beratung durch die Behörde oder irreführender Antragsformulare getätigt wurde. Nach Art. 24, 25 BayVwVfG obliegt der Behörde die Pflicht, Sachverhalte im Verwaltungsverfahren zu ermitteln und den Bürger zu beraten. Kommt sie dieser Pflicht nicht nach und macht der Bürger infolgedessen falsche oder unvollständige Angaben, liegt dies im Verantwortungsbereich der Behörde und kann nicht zum Ausschluss des Vertrauens führen, so dass Art. 48 Abs. 2 S. 3 Nr. 2 BayVwVfG nicht einschlägig ist.

Nach Art. 48 Abs. 2 S. 3 Nr. 3 BayVwVfG ist ein schutzwürdiges Interesse des Begünstigten ausgeschlossen, wenn dieser die Rechtswidrigkeit kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte. Kenntnis liegt vor, wenn der Begünstigte weiß, dass ihm materiell-rechtlich die Leistung nicht zusteht. Grob fahrlässige Unkenntnis liegt vor, wenn es sich geradezu aufdrängt, dass der VA rechtswidrig ist. Bei der Bewertung der Fahrlässigkeit ist auf die Umstände des Einzelfalls abzustellen, d.h. es müssen persönliche Kenntnisse und Fähigkeiten berücksichtigt werden. Hat der Betroffene naheliegende Überlegungen nicht angestellt, ist von grober Fahrlässigkeit auszugehen.

c) Schutzwürdiges Vertrauen

Art. 48 Abs. 2 S. 2 BayVwVfG normiert Regelbeispiele, wann das Vertrauen des Betroffenen schutzwürdig ist. Danach ist das Vertrauen schutzwürdig, wenn die gewährte Leistung verbraucht ist oder Vermögensdispositionen getroffen wurden, die nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig gemacht werden können.

Wann eine gewährte Leistung verbraucht ist, richtet sich nach zivilrechtlichen Maßstäben und wird wie bei Art. 818 Abs. 3 BGB nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten beurteilt. Verbraucht ist eine Leistung demnach, wenn sie nicht mehr im Vermögen des Begünstigten vorhanden ist. Zu beachten ist, dass eine Leistung auch bereits verbraucht sein kann, bevor sie ausgezahlt wird. Bereits die Gewährung einer Leistung begründet Vertrauensschutz, so dass es sein kann, dass der Begünstigte nach Gewährung jedoch vor tatsächlicher Auszahlung die Leistung bereits ausgibt, d.h. verbraucht.

Beispiel:

Dem B wurde eine Zahlung von 4.000 € gewährt und ausgezahlt. Mit diesem Geld tilgt er ein fälliges Darlehen i.H.v. 3500 € und zahlt seine Miete i.H.v. 500 €. Später stellt sich heraus, dass die 4000 € dem B nicht zustanden. Die zuständige Behörde verlangt die 4000 € zurück. B macht geltend, dass er das Geld bereits vollständig verbraucht hat und somit zur Rückzahlung außerstande sei.

B hat die 4000 € ausgegeben, so dass das Regelbeispiel des Art. 48 Abs. 2 S. 2 Alt. 1 BayVwVfG einschlägig sein könnte. Zu beachten ist jedoch, dass Leistungen nur dann verbraucht sind, wenn sie sich nicht mehr im Vermögen des Begünstigten befinden. B hat mit den 4000 € Zahlungen getätigt, zu denen er unabhängig von der Leistung verpflichtet gewesen wäre. Somit hat er anfallende Ausgaben durch die 4000 € erspart. Diese Ersparnis befindet sich noch in seinem Vermögen. B hat die Leistungen somit nicht verbraucht. Es liegt nicht das Regelbeispiel des Art. 48 Abs. 2 S. 2 Alt. 1 BayVwVfG vor.

Eine Vermögensdispositionen liegt vor, wenn der Begünstigte in Hinblick auf die gewährte Leistung eine sein Vermögen negativ berührende Verpflichtung eingegangen ist oder sonst eine Minderung seines Vermögensstandards veranlasst hat. Die Vermögensdispositionen kann nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig gemacht werden, wenn zivilrechtliche Normen einer Rückgängigmachung entgegenstehen oder wenn wirtschaftlich erhebliche Verluste zu erwarten sind, die den Betroffenen schwer oder existenziell treffen würden.

Die Aufzählung in Art. 48 Abs. 2 S. 2 BayVwVfG ist nicht abschließend, d. h. das Vertrauen kann auch unter anderen Umständen schutzwürdig sein. Ebenso wenig bedeutet das Vorliegen eines Regelbeispiels, dass das Vertrauen zwingend schutzwürdig sein muss. Aus der Formulierung „ist in der Regel schutzwürdig“ lässt sich entnehmen, dass trotz des Vorliegens des Regelbeispiels dennoch das öffentliche Interesse überwiegen kann.

3. Rechtswidrig begünstigend auf sonstige Art und Weise

Art. 48 Abs. 3 BayVwVfG regelt die Rücknahme sonstiger begünstigender VAs, die also begünstigend sind aber keine Geld oder Sachleistung gewähren. Eine solche Begünstigung kann eine Baugenehmigung, Einbürgerung, Sondernutzungserlaubnis und ähnliches sein.

Art. 48 Abs. 3 BayVwVfG schränkt im Gegensatz zu Art. 48 Abs. 2 BayVwVfG nicht die freie Rücknehmbarkeit ein. Der VA ist grundsätzlich zurücknehmbar, die Rücknahme ist ohne eine Abwägung mit dem öffentlichen Interesse möglich.

Lediglich die Voraussetzungen für den Ausgleich des Vermögensschadens, den der Begünstigte durch die Rücknahme erleidet, sind an die Voraussetzungen des Vertrauensschutzes geknüpft. Hier findet, ähnlich wie in Abs. 2 eine Abwägung zwischen dem Vertrauen des Betroffenen und dem öffentlichen Interesse an der Rücknahme statt. Einen Vermögensausgleich erhält der Betroffene nur, wenn sein Vertrauen dem öffentlichen Interesse an der Rücknahme überwiegt. Art. 48 Abs. 3 S. 2 BayVwVfG verweist auf die Ausschlussgründe des Abs. 2 S. 3 BayVwVfG. Liegt einer dieser Gründe vor, ist das Vertrauen des ehemals Begünstigten nicht schutzwürdig und er hat keinen Anspruch auf einen Vermögensausgleich. Überwiegt jedoch sein Vertrauensinteresse, so hat er einen Anspruch. Diesen Anspruch kann der Betroffene ein Jahr lang geltend machen (Art. 48 Abs. 3 S. 5 BayVwVfG). Die Höhe des Ausgleichsanspruchs wird gemäß Art. 48 Abs. 3 S. 4 BayVwVfG von der zuständigen Behörde festgesetzt und darf nach Art. 48 Abs. 3 S. 3 BayVwVfG nicht das positive Interesse übersteigen.

IV. Rücknahmeermessen und Vertrauensschutz

Die Rücknahme nach Art. 48 Abs. 1 BayVwVfG steht im freien Ermessen der Behörde. Es handelt sich somit um eine Ermessensentscheidung, die alle Aspekte, darunter auch den Vertrauensschutz, mitberücksichtigen muss. Dabei muss das öffentliche Interesse an der Herstellung des rechtmäßigen Zustands berücksichtigt werden. Es dürfen jedoch nicht fiskalische Interessen in die Ermessensentscheidung mit einbezogen werden.

Die Abs. 2 und 3 hingegen berücksichtigen den Vertrauensschutz bereits vor dem Ermessen. Bei Abs. 2 wird der Vertrauensschutz bereits im Tatbestand durch eine Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse und dem Interesse am Bestand des VA berücksichtigt. Dem verfassungsrechtlich verankerten Grundsatz des Vertrauensschutzes wird der Gesetzgeber somit mit Bestandsschutz gerecht. In Abs. 3 findet eine Abwägung bei der Frage nach einem Anspruch auf Vermögensausgleich statt. Hier wird der Vertrauensschutz somit durch Vermögensschutz konkretisiert.

Rücknahmetatbestand

Vertrauensschutz

Art. 48 Abs. 1 S.1 BayVwVfG

Vertrauensschutz nicht besonders ausgeprägt, wird im Ermessen berücksichtigt

Art. 48 Abs. 2 BayVwVfG

Besondere Ausprägung bereits im Tatbestand, Vertrauensschutz wird durch Bestandsschutz gewährt

Art. 48 Abs. 3 BayVwVfG

Vertrauensschutz durch Vermögensschutz, besondere Ausprägung, indem finanzielle Verluste ausgeglichen werden

Fraglich ist, inwieweit bei den Absätzen 2 und 3 noch im Rahmen des Ermessens Vertrauensschutzgesichtspunkte berücksichtigt werden dürfen. Logischerweise kann Vertrauensschutz, der bereits auf tatbestandlicher Ebene abgelehnt werden, nicht auf der Rechtsfolgenseite anerkannt werden. Im Rahmen der Ermessensprüfung ist jedoch der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu berücksichtigen. So kann es sein, dass zwar auf Tatbestandsebene festgestellt wurde, dass sich der Betroffene nicht auf schutzwürdiges Vertrauen berufen kann, auf der Rechtsfolgenebene bei unbedeutenden Fällen von einer Rücknahme abgesehen wird. Darüber hinaus ist zu beachten, dass auch im Rahmen des Abs. 2 und 3 Vertrauensaspekte stets zu berücksichtigen sind, die bei der tatbestandlichen Abwägung nicht zu prüfen waren. Geht es im Rahmen des Abs. 3 um immaterielle Schäden, bei denen ein Vermögensausgleich nicht möglich ist, wurde Vertrauensschutz bezüglich der Rücknahme noch nicht geprüft, so dass der Vertrauensschutz im Ermessen zu berücksichtigen ist.

Nach dem Grundsatz der Rechtsmäßigkeit der Verwaltung ist die Verwaltung an Recht und Gesetz gebunden, d. h. sie ist verpflichtet, rechtswidrige Tatbestände aus der Welt zu schaffen. In die Ermessensentscheidung der Behörde ist jedoch neben der Bindung der Verwaltung an Recht und Gesetz auch der ebenfalls in Art. 20 Abs.3 GG verankerte Gedanke der Rechtssicherheit und des Rechtsfriedens mit einzubeziehen. Die Behörde hat somit in ihrer Ermessensentscheidung auf der einen Seite das Streben nach einer rechtmäßigen Verwaltung zu beachten, als auch auf der anderen Seite das Vertrauen des Bürgers zu beachten, dass einmal geregelte Tatbestände auch so geregelt bleiben.

Stehen sich zwei Behörden im Verwaltungsverfahren gegenüber, ist zu beachten, dass die Regeln über den Vertrauensschutz nicht eingreifen. Denn es entspricht auch dem Interesse der begünstigten Behörde, rechtmäßige Zustände herzustellen.

1. Ermessensreduzierung auf Null und intendiertes Ermessen

In Einzelfällen kann das Ermessen der Behörde auch auf null reduziert sein. Dies kommt bei besonders schwerwiegenden Fehlern in Betracht, deren Aufrechterhaltung nicht akzeptabel erscheint. Zu beachten ist jedoch, dass die Rechtswidrigkeit an sich nicht bereits zu einer Ermessensreduzierung führen kann. Die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes ist Tatbestand des Art. 48 BayVwVfG und würde ansonsten stets zu einer Ermessensreduzierung führen. Ebenso ist zu beachten, dass sich das Ermessen auch nicht auf null reduziert, wenn der Betroffene sich im Rahmen der tatbestandlichen Abwägung nicht auf Vertrauensschutz berufen kann. Der Behörde steht es trotzdem frei, den VA bestehen zu lassen.

Auch ein generelles intendiertes Ermessen kann nicht ohne weiteres angenommen werden. Die Rechtswidrigkeit des VA ist Tatbestandsmerkmal und eröffnet somit nur den Anwendungsbereich des Art. 48 BayVwVfG, darf demnach nicht zu einem intendierten Ermessen führen.

Ein intendiertes Ermessen kann sich jedoch aus dem einschlägigen Fachrecht ergeben, wie z.B. dem Sozialversicherungsrecht. Ebenfalls kann die Pflicht zur Ausschöpfung gesetzlicher Gebührenanspruch ein intendiertes Ermessen begründen.

2. Ermessensfehlgebrauch und Ermessensnichtgebrauch

Art. 48 BayVwVfG ist eine Ermessensvorschrift. Dementsprechend gelten die allgemeinen Ermessensvorschriften. Das Ermessen der Behörde kann somit zwar nicht vollständig gerichtlich überprüft werden, jedoch auf Ermessensfehlgebrauch und Ermessensnichtgebrauch. Ein Ermessensfehlgebrauch liegt z.B. vor, wenn die Behörde den ihr gesteckten Ermessensrahmen nicht beachtet oder wenn die Behörde im Rahmen des Art. 48 Abs. 3 BayVwVfG ihre fiskalischen Interessen mit einbezieht. Haushaltsrechtliche Interessen der Behörde dürfen nicht dazu führen, dass rechtswidrige VAs bestehen bleiben. Ein Ermessensnichtgebrauch läge vor, wenn die Behörde davon ausginge, dass bei einem schutzwürdigen Vertrauen im Rahmen des Art. 48 Abs. 3 BayVwVfG der VA nicht zurück genommen werden darf.

Beispiel:

Dem B wird eine Baugenehmigung erteilt. Es stellt sich heraus, dass diese jedoch nicht erteilt werden durfte. Die Bauaufsichtsbehörde möchte die Baugenehmigung zurücknehmen. Bei Prüfung der Sachlage stellt sich jedoch heraus, dass sich der B auf schutzwürdiges Vertrauen berufen kann. Der Sachbearbeiter S geht deswegen davon aus, dass er die Baugenehmigung nicht zurücknehmen kann.

Die Baugenehmigung durfte nicht erteilt werden und ist somit ein rechtswidriger, auf sonstige Weise begünstigender VA. Deswegen kann richtet sich die Rücknahme der Baugenehmigung nach Art. 48 Abs. 3 VwVfG. Nach Art. 48 Abs. 3 BayVwVfG i.V.m. Art. 48 Abs.1 BayVwVfG ist die Baugenehmigung frei zurücknehmbar. Vertrauensschutz ist lediglich für die Frage relevant, ob dem B ein Vermögensschaden ausgeglichen werden. Er hindert jedoch nicht die Behörde daran, im Wege einer Ermessensentscheidung den VA zurückzunehmen. S dachte jedoch, er dürfe kein Ermessen ausüben. Deshalb hat er kein Ermessen ausgeübt. Es liegt somit ein Ermessensnichtgebrauch vor.

V. Zuständigkeit für die Rücknahme

Für die Rücknahme eines VAs ist in der Regel die Behörde zuständig, die den ursprünglichen VA erlassen hat. Dies lässt sich damit begründen, dass sich die Zuständigkeit grundsätzlich nach dem jeweiligen Fachgesetz richtet. Deswegen bestimmt diese auch im eigenständigen Rücknahmeverfahren die Zuständigkeit.

Relevant wird diese Regelung insbesondere dann, wenn eine unzuständige Behörde den ursprünglichen VA erlassen hat. In diesem Fall ist nicht diese für die Rücknahme zuständig, sondern die Behörde, die eigentlich für den Erlass des VAs zuständig gewesen wäre. Dies muss auch so sein, denn ansonsten würde ein Zuständigkeitsverstoß aus dem ursprünglichen Verfahren in das selbstständige Rücknahmeverfahren übertragen.

Die Regelung des Art. 48 Abs. 5 BayVwVfG bezieht sich nur auf die örtliche Zuständigkeit.

VI. Rücknahmefrist

Nach Art. 48 Abs. 4 BayVwVfG ist die Rücknahme des VA nur binnen eines Jahres seit der Kenntnisnahme der die Rücknahme begründenden Tatsachen möglich. Eine Ausnahme besteht, wenn Art. 48 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 BayVwVfG einschlägig ist. Bei arglistiger Täuschung, Drohung oder Bestechung gilt gemäß Art. 48 Abs. 4 S. 2 BayVwVfG die Beschränkung auf ein Jahr nicht.

In Verbindung mit der Frist entstehen verschiedene Probleme.

Zunächst stellt sich die Frage, ob Art. 48 Abs. 4 BayVwVfG auch anwendbar ist, wenn die Behörde später einen Rechtsanwendungsfehler erkennt. Problematisch ist an dieser Stelle, dass Abs. 4 von der nachträglichen Kenntnis von Tatsachen spricht. Bei Rechtsanwendungsfehlern sind die Tatsachen jedoch der Behörde von Anfang an bekannt. Die Behörde erkennt lediglich nachträglich, dass sie Recht falsch angewendet hat. Dieser Fall fällt nicht unter den Wortlaut des Abs. 4, so dass angenommen werden könnte, es laufe keine Frist. Dem ist jedoch entgegen zu halten, dass die Frist des Abs. 4 dem Schutze des Bürgers dient. Bei Rechtsanwendungsfehlern, welche eine Rücknahme begründen, ist der Bürger nicht weniger schutzbedürftig als bei der nachträglichen Kenntnis von Tatsachen. Insofern ist der Anwendungsbereich des Abs. 4 auch auf diese Fälle auszudehnen (so auch das BVerwG).

Des weiteren ist fraglich, wann die Frist beginnt. Dabei entstehen zwei Fragen: erstens ist zu überlegen, ob es auf die Kenntnis der Behörde oder des zuständigen Sachbearbeiters ankommt, zweitens wann ausreichende Kenntnis vorliegt.

Das BVerwG geht davon aus, dass es auf die Kenntniserlangung des zuständigen Sachbearbeiters ankommt. Dem ist jedoch entgegen zu halten, dass die Behörde gegenüber dem Bürger als Einheit auftritt. Lägen Informationsdefizite innerhalb der Behörde vor, so dass der zuständige Sachbearbeiter erst mit Verzögerung Kenntnis von den die Rücknahme begründenden Tatsachen erlangte, würde die Frist auch erst später beginnen. Die Verzögerung innerhalb der Behörde ginge zu Lasten des Bürgers.

Infolgedessen ist entgegen der Ansicht des BVerwG davon auszugehen, dass es auf die Kenntnis der Behörde und nicht auf die des zuständigen Sachbearbeiters ankommt.

Zudem wirft sich die Frage auf, ab welcher Kenntnis die Frist zu laufen beginnt. Würde bereits die Kenntnis der zutreffenden Tatsachen ausreichen, würde bei Rechtsanwendungsfehlern die Frist bereits mit Erlass des VAs beginnen.

Das BVerwG nimmt eine Kenntnis an, wenn die Behörde alle für die Rücknahmeentscheidung maßgeblichen Tatsachen kennt. Danach liegt Kenntnis erst vor, wenn die Behörde die für die Gewährung von Vertrauensschutz und für eine Ermessensentscheidung relevanten Umstände kennt. Nach dieser Ansicht ist Abs. 4 eine reine Entscheidungsfrist.

Problematisch ist an dieser Ansicht jedoch, dass durch verzögertes Ermitteln der Behörde, die Rücknahmefrist zu Lasten des Bürger verlängert werden könnte. Deswegen geht die eine weitere Ansicht davon aus, dass Kenntnis dann vorliegt, wenn die Behörde Kenntnis von der Rechtswidrigkeit erlangt. Ab diesem Zeitpunkt weiß die Behörde, dass sie gegebenenfalls zur Rücknahme berechtigt ist und kann dementsprechend handeln.

VII. Rücknahmeadressat

Zu überlegen ist, ob der Adressat des ersten VAs auch grundsätzlich Adressat für die Rücknahme ist. Keine Probleme entstehen, wenn der Adressat eines VAs auch der Begünstigte des VAs sein soll. Dann ist der RücknahmeVA als actus contrarius auch an diesen zu richten. Schwierigkeiten können entstehen, wenn der Adressat des ersten VAs eine gewährte Begünstigung weiterleiten musste. Ist diese Pflicht verwaltungsrechtlich und nicht nur zivilrechtlich in dem VA festgelegt, ist ein begünstigter Dritter mit in das Verwaltungsverfahren einbezogen und der Rücknahmebescheid kann auch an diesen gerichtet werden. Darüber hinaus ist zu beachten, dass eine Rücknahme sinnvollerweise auch nur an diesen gerichtet werden sollte, da ansonsten keine Berücksichtigung des Vertrauensschutzes stattfinden kann. Denn derjenige, der verpflichtet war die Begünstigung weiter zu leiten kann sich nicht auf Vertrauensschutz berufen. Ein schutzwürdiges Vertrauen kann nur bei dem endgültig Begünstigten vorliegen.

Darüber hinaus kann ein Rücknahmebescheid auch immer an den Gesamtrechtsnachfolger berichtet werden.

VIII. Wirkungen der Rücknahme

Art. 48 Abs. 1 S. 1 BayVwVfG regelt die Wirkungen der Rücknahme. Ein VA kann ganz oder teilweise, mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Ergänzt wird diese allgemeine Regel durch Art. 48 Abs. 2 S. 4 BayVwVfG, und durch Art. 49a BayVwVfG.

Ist ein VA teilbar und nur ein Teil des VA rechtswidrig, darf nur der rechtswidrige Teil nach Art. 48 BayVwVfG zurückgenommen werden. Die Entscheidung ab welchem Zeitpunkt ein VA zurückgenommen wird, liegt im Ermessen der Behörde. Die Behörde kann den VA zu irgendeinem Zeitpunkt zwischen Erlass und Zeitpunkt der Rücknahme zurücknehmen. Die Behörde muss ihre Entscheidung jedoch gemäß Art. 39 BayVwVfG begründen. Bei begünstigenden VAs nach Abs. 2 erfolgt i.d.R. eine ex-nunc Rücknahme, ist jedoch Art. 48 Abs. 2 S.3 BayVwVfG einschlägig, wird gemäß S. 4 in der Regel der VA für die Vergangenheit zurückgenommen.

Wurde eine Leistung bereits gewährt und der VA ex tunc aufgehoben, stellt Art. 49a BayVwVfG einen eigenen Erstattungsanspruch dar. Dieser Anspruch ist von der Behörde durch Erlass eines VAs geltend zu machen, Art. 49a Abs. 1 S. 2 BayVwVfG. Dieser VA ist ein von dem Rücknahme-VA zu unterscheidener eigenständiger VA. Er ist rechtlich selbstständig zu beurteilen.

Die Höhe des Erstattungsanspruchs richtet sich nach Art. 49a Abs. 2 BayVwVfG nach den Vorschriften des Bürgerlichen Rechts. Nach Art. 49 a Abs. 3, 4 BayVwVfG kann die Verwaltung einen Zinsanspruch geltend machen.

IX. Sonderfall: Europarechtlicher Einfluss

Ein häufiger Fall der Rücknahme ist die Rückforderung unionsrechtswidriger Beihilfen. Der Vollzug des Unionsrechts erfolgt nach nationalem Recht. Folglich wird eine unionsrechtswidrige Beihilfe nach Art. 48 BayVwVfG zurückgefordert. Fraglich ist jedoch, inwieweit die nationalen Regelungen dem Europarecht weichen müssen.

Eine wesentliche Frage ist, inwieweit der in Art. 48 BayVwVfG geregelte Vertrauensschutz im Hinblick auf EU-Recht noch zur Anwendung kommen kann. Grundsätzlich ist zu beachten, dass das EU-Recht den deutschen Vertrauensschutz nicht automatisch verdrängt. Es kommt jedoch durch das EU-Recht zu einem Ungleichgewicht. Bei der Abwägung zwischen Vertrauensschutz einerseits und dem öffentlichen Interesse an einer rechtmäßigen Verwaltung sind zusätzlich das öffentliche Interesse an der Durchsetzung der europäischen Wirtschaftspolitik und der effet utile des Unionsrechts zu beachten. Unter diesem Aspekt wird in der Regel der Vertrauensschutz ein geringeres Gewicht haben.

Darüber hinaus ist zu beachten, dass das Unionsrecht durchaus strenge Maßstäbe für die Anwendung des Vertrauensschutzes aufstellt. So ist nach dem EuGH ein Begünstigter nicht schutzwürdig, wenn eine Beihilfe unter Nichtbeachtung des Notifizierungsverfahrens der Kommission an ihn ausgezahlt wurde, es sei denn es liegen besondere Umstände vor. Besondere Umstände, die den Begünstigten als schutzwürdig erweisen können z.B. vorliegen, wenn ein EU-Organ dazu beigetragen hat, dass eine rechtswidrige Beihilfe ausgezahlt wurde.

Der Vorrang des Europarechts hat auch auf das Rücknahmeermessen der Behörde Einfluss. Steht es bei einem rein nationalen Fall im Ermessen der Behörde, ob sie den VA zurücknimmt, entfällt dieses Ermessen, wenn die beispielsweise die Kommission die Rückforderung einer Beihilfe angeordnet hat. Die Behörde hat die Entscheidung der Kommission zu befolgen.

Fraglich ist, inwieweit sich das Europarecht auf die in Art. 48 Abs. 4 BayVwVfG auswirkt. Würde die nationale Frist von einem Jahr gelten, bestünde die Gefahr, dass Behörden die Frist bewusst verstreichen ließen, um eine gewährte Begünstigung nicht zurückfordern zu müssen. Dem steht jedoch wiederum der effet utile des Unionsrechts entgegen. Deswegen wird die nationale Frist vom einem Jahr durch eine europarechtliche Frist von 10 Jahren verdrängt.

X. Sonderfall: rechtswidrig werdende VAs

Fraglich ist, ob ein VA, der ursprünglich rechtmäßig, später jedoch rechtswidrig wird, nach Art. 48 BayVwVfG oder nach Art. 49 BayVwVfG aufgehoben wird.

Relevant kann dies zum einem bei VAs mit Dauerwirkung werden. Bei diesen müssen grundsätzlich alle Voraussetzungen vorliegen. In dem Moment, wo eine Voraussetzung entfällt, wird der Dauer-VA rechtswidrig. Fraglich ist, ob ein solcher VA nach Art. 48 BayVwVfG oder nach Art. 49 BayVwVfG aufgehoben wird. Stellt man auf den Zeitpunkt der Aufhebung ab, ist der VA rechtswidrig, stellt man auf den Zeitpunkt des Erlasses ab, ist der VA rechtmäßig. Nach h.M. wird jedoch die Rechtswidrigkeit des VA nach dem Zeitpunkt seines Erlasses beurteilt und demnach der VA nach Art. 49 BayVwVfG aufgehoben. Dies zeigen auch eindeutig Art. 49 Abs. 2 Nr. 3, 4 BayVwVfG, die gerade diese Situation berücksichtigen.

Anders zu beurteilen ist jedoch der Fall, wenn ein VA rückwirkend auf den Zeitpunkt seines Erlasses rechtswidrig wird. In diesem Fall ist der VA rückwirkend von Anfang an rechtswidrig geworden und deshalb nach Art. 48 BayVwVfG aufzuheben.

XI. Sonderfall: Können auch belastende Verwaltungsakte begünstigend sein?

Fraglich is, ob ein belastender Verwaltungsakt nicht auch zugleich begünstigend sein kann. Stellt ein belastender VA auch eine Begünstigung dar, unterfällt er den Einschränkungen des Art. 48 Abs. 2 – 4 BayVwVfG und kann nur unter erschwerten Bedingungen zurückgenommen werden. Eine solche Frage stellt sich, wenn ein Zahlungsbescheid zurückgenommen werden soll, um erneut mit einer höheren Belastung erlassen zu werden. Zwar ist der ursprüngliche VA belastend, doch ist er gegenüber dem erneut zu erlassenen VA begünstigend, da er den Bürger besser stellte er als nach Erlass des zweiten VAs steht. Problematisch ist an dieser Sichtweise, dass ein belastender VA aufgrund eines späteren VAs plötzlich doch begünstigend sein soll. Eine solche relative Begünstigung kann jedoch nur angenommen werden, wenn aus dem ersten VA hervorgeht, dass keine weitergehende Belastung auferlegt wird. Dies muss in dem VA rechtsverbindlich geregelt werden.

XII. Begünstigende VAs mit belastender Drittwirkung

Bei der Rücknahme eines begünstigenden VAs mit belastender Drittwirkung lassen sich zwei Situationen unterscheiden. Zum einen die Rücknahme unabhängig von einem Rechtsmittelverfahren und zum anderen die Rücknahme während eines Rechtsmittelverfahrens.

Soll unabhängig von einem Rechtsmittelverfahren ein VA zurückgenommen werden, geschieht dies nach den Vorschriften über die Rücknahme eines begünstigenden VAs, denn der Bezugspunkt ist nicht der belastete Dritte, sondern der Begünstigte. Deswegen finden die Vorschriften über Vertrauensschutz auch Anwendung. Dies lässt sich auch Art. 50 BayVwVfG entnehmen.

Anders liegt der Fall, wenn die Behörde während eines laufenden Rechtsmittelverfahrens einen VA zurücknimmt. Unter diesen Umständen ordnet Art. 50 BayVwVfG an, dass die Vorschriften über den Vertrauensschutz keine Anwendung finden. Dies ist damit zu begründen, dass während eines Rechtsmittelverfahrens der Begünstigte jederzeit mit der Änderung seiner Rechtsposition rechnen muss. Deswegen soll die Behörde während des laufenden Verfahrens auch uneingeschränkt die Möglichkeit zur Selbstkorrektur haben.

Voraussetzung ist jedoch, dass ein Rechtsmittel eingelegt wurde und das Verfahren noch läuft, das Rechtsmittel zulässig und voraussichtlich begründet ist, d.h. der Drittbelastete tatsächlich in seinen Rechten verletzt ist und durch die Rücknahme dem Rechtsmittel abgeholfen wird.

§ 8 Widerruf

I. Allgemeines

Der Widerruf stellt neben der Rücknahme eine weitere Möglichkeit dar, vorangegangenes Handeln der Verwaltung außergerichtlich aufzuheben. Er ist ein Instrument der Verwaltung, sich selbst zu korrigieren. Wie bei der Rücknahme werden mit einem Widerruf sämtliche Wirkungen eines VAs beseitigt. Der VA wird nachträglich aus der Welt geschaffen und verliert seinen für ihn wesentlichen Regelungscharakter.

Im Gegensatz zu der Rücknahme geht es beim Widerruf grundsätzlich um die Aufhebung eines rechtmäßigen VAs. Dies ist der wesentliche Unterschied zwischen Rücknahme und Widerruf und bedeutsam für die Bestimmung der Rechtsgrundlage für die Aufhebung eines VAs: Soll ein rechtswidriger VA aufgehoben werden, erfolgt dies nach Art. 48, 50 BayVwVfG, soll ein rechtmäßiger VA aufgehoben werden, richtet sich dies nach Art. 49, 50 BayVwVfG.

Neben der allgemeinen Regelung des Widerrufs in Art. 49, 50 BayVwVfG bestehen darüber hinaus verschiedene Regelungen des Widerrufs in den Spezialgesetzen, wie z.B. § 15 GastG oder § 17 AtomG. Ist eine der spezialgesetzlichen Regelungen einschlägig, darf nicht mehr auf die allgemeinen Vorschriften der Art. 49, 50 BayVwVfG zurück gegriffen werden.

Generelle Voraussetzung für den Widerruf eines rechtmäßigen VAs ist, dass dieser wirksam ist. Ein VA der sich erledigt hat oder auf andere Art erloschen ist, kann nicht mehr widerrufen werden.

Widerruf


II. Rechtmäßige belastende VAs nach Art. 49 Abs. 1 BayVwVfG

Art. 49 Abs. 1 BayVwVfG regelt den Widerruf rechtmäßiger belastender VAs. Nach dieser Vorschrift kann ein VA, der nicht begünstigend ist, auch nachdem er unanfechtbar ist zurückgenommen werden, es sei denn ein VA gleichen Inhalts müsste erneut erlassen werden oder der Widerruf ist aus anderen Gründen unzulässig.

Der Tatbestand des Art. 49 Abs. 1 BayVwVfG ist demnach bereits dann erfüllt, wenn ein rechtmäßiger VA vorliegt. Rechtmäßig ist der VA dann, wenn er sowohl formell als auch materiell mit dem geltenden Recht in Einklang steht. Die Unanfechtbarkeit ist kein Tatbestandsmerkmal, da auch anfechtbare VAs widerrufen werden können (vgl. Wortlaut). Maßgeblicher Beurteilungszeitraum für die Rechtmäßigkeit ist der Zeitpunkt des Erlasses des VAs.

Art. 49 Abs. 1 BayVwVfG ist eine Kann-Vorschrift. Es steht im freien Ermessen der Behörde, ob sie einen belastenden VA widerruft oder nicht. Eingeschränkt wird dieser Grundsatz der freien Widerrufbarkeit nur, wenn ein VA gleichen Inhalts erneut erlassen werden müsste, da es sich um einen gebundenen VA handelt, oder aus anderen Gründen der Widerruf unzulässig ist. Unzulässig aus anderen Gründen kann ein Widerruf sein, wenn sich dies aus ausdrücklichen gesetzlichen Bestimmungen, aus dem Sinn und Zweck gesetzlicher Bestimmungen oder aus allgemeinen Rechtsgrundsätzen ergibt. Ebenso kann sich aus der Selbstbindung der Verwaltung die Unzulässigkeit des Widerrufs ergeben. Hat die Behörde in gleichartigen Fällen grundsätzlich den VA widerrufen, ist nicht ersichtlich, warum sie nun den VA nicht widerrufen soll.

Das Ermessen der Verwaltung ist ebenfalls eingeschränkt, wenn ein VA nach Erlass, aufgrund einer Änderung der rechtlichen oder tatsächlichen Voraussetzungen, rechtswidrig geworden ist. Die Rechtmäßigkeit der Verwaltung fordert die Aufhebung dieses mittlerweile rechtswidrigen Zustands. Bestandschutzgründe stehen einem Widerruf nicht entgegen, da sich dieser auf den Zeitpunkt des Erlasses bezieht und nachträgliche Änderungen der Rechts- oder Sachlage nicht erfasst werden. Bei einer solchen Reduzierung des Ermessens der Verwaltung besteht ein Anspruch des Bürgers auf Widerruf des VAs. Darüber hinaus ist davon auszugehen, dass es i.d.R. dem Interesse des Bürgers entspricht, dass ein ihn belastender VA widerrufen wird. Dementsprechend besteht für den Widerruf eines belastenden VAs keine Frist.

Beispiel: A wurde aufgrund von § 35 GewO die Ausübung seines Gewerbes untersagt. In den folgenden Monaten sind jedoch keinerlei Anzeichen für eine Unzulässigkeit des A mehr zu erkennen. Die zuständige Behörde möchte die Untersagung aufheben.

Der ursprüngliche VA, in welchem dem A die Erlaubnis entzogen wurde, ist rechtmäßig. Er belastet den A, da dieser aufgrund des VA sein Gewerbe nicht mehr ausüben kann. Es handelt sich somit um einen rechtmäßigen belastenden VA, den die Behörde nach § 49 Abs. 1 VwVfG widerrufen kann. Dieser Widerruf steht auch im Interesse des A, so dass keine weiteren Schranken für den Widerruf erforderlich sind.

III. Rechtmäßige begünstigende VAs nach Art. 49 Abs. 2 BayVwVfG

Schwieriger gestaltet sich jedoch die Sachlage beim Widerruf eines begünstigenden VAs. Denn es ist nicht ersichtlich, warum eine rechtmäßige Begünstigung dem Begünstigten wieder entzogen werden soll. Beim Widerruf eines rechtmäßigen begünstigenden VAs spielt der Vertrauensschutz eine wesentlich bedeutendere Rolle als bei belastenden VAs. Hinzu kommt, dass anders als bei rechtswidrigen begünstigenden VAs das Argument der Rechtmäßigkeit der Verwaltung dem Vertrauensschutz nicht entgegen gestellt werden kann, es sei denn die zugrunde liegende Rechts- und Sachlage hat sich geändert. Der Betroffene wurde durch einen rechtmäßigen VA begünstigt, insofern ist für ihn in der Regel auch nicht ersichtlich, dass ihm diese Begünstigung wieder genommen wird. Aufgrund dieser stark ausgeprägten Vertrauensschutzaspekte ist der Widerruf nach Art. 49 Abs. 2 BayVwVfG nur für die Zukunft und nur unter den gesetzlich normierten Voraussetzungen möglich, d.h. es muss grundsätzlich ein spezieller Widerrufsgrund vorliegen. Liegt ein solcher Widerrufsgrund vor, kann die Behörde den VA widerrufen, sie ist jedoch nicht zu einem Widerruf verpflichtet. Besteht trotz Vorliegen eines Widerrufsgrundes schutzwürdiges Vertrauen, kann es von der Behörde berücksichtigt werden, es hindert jedoch, anders als bei der Rücknahme eines VAs, nicht den Widerruf an sich. Schutzwürdiges Vertrauen kommt zudem zum Tragen, da es den in Art. 49 Abs. 5 BayVwVfG normierten Anspruch des Betroffenen auf Entschädigung des durch den Widerruf entstandenen Vermögensschaden auslöst.

Art. 49 Abs. 2 S. 2 BayVwVfG verweist auf die Frist des Art. 48 Abs. 4 BayVwVfG, so dass durch die zeitlich begrenzte Widerrufsmöglichkeit von einem Jahr ebenfalls das Vertrauen des Begünstigten geschützt wird. Zu Fristbeginn und Fristende sind die bereits unter § 7 behandelten Probleme zu beachten. Zudem ist umstritten, ob die Jahresfrist nach Sinn und Zweck auch für einen gesetzlich zwingend vorgesehenen Widerrufsvorbehalt gemäß der Nr. 1 gelten kann.

1. Art. 49 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 BayVwVfG

Art. 49 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 VwVfG lässt einen Widerruf zu, wenn dieser durch eine Rechtsvorschrift oder in dem zu widerrufenden VA vorbehalten ist. Ein solcher Widerrufsvorbehalt bedeutet jedoch nicht, dass unter allen Umständen widerrufen werden kann. Vielmehr ist der Widerruf an weitere Voraussetzungen gebunden. Befindet sich der Widerrufsvorbehalt in einem Gesetz, sind die in diesem geregelten Voraussetzungen zu beachten und dem Art. 49 Abs. 2 S.1 Nr.1 Var. 1 VwVfG kommt keine eigenständige Bedeutung zu.

Wurde in dem VA ein Widerrufsvorbehalt normiert, ist fraglich, inwieweit dieser den Widerruf rechtfertigen kann, wenn der Widerrufsvorbehalt selbst rechtswidrig ist. Während z.T. vertreten wird, dass der Widerrufsvorbehalt im VA oder in einer gesetzlichen Grundlage seinerseits rechtmäßig sein muss, geht das BVerwG davon aus, dass der Widerrufsvorbehalt lediglich wirksam, d.h. nicht nichtig sein muss. Darüber hinaus darf ein Widerruf nicht ohne Grund erfolgen.

2. Art. 49 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 BayVwVfG

Art. 49 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 VwVfG sieht einen Widerruf vor, wenn der VA mit einer Auflage verbunden wurde und diese von dem Begünstigten innerhalb der ihm gesetzten Frist nicht erfüllt wurde.

Beispiel: Dem A wird erlaubt, Tische auf den Gehweg vor seinem Lokal zu stellen. Gleichzeitig wird ihm jedoch aufgetragen, innerhalb der nächsten drei Wochen für eine bessere Beleuchtung vor seinem Lokal zu sorgen, damit die genutzten Tische auch bei Dunkelheit gut sichtbar sind. Nach sechs Wochen ist A dieser Aufforderung immer noch nicht nachgekommen. Die zuständige Behörde widerruft daraufhin die Erlaubnis. A ist empört und der Meinung, die Behörde könne ihm nicht ohne Grund einfach die rechtmäßige Erlaubnis entziehen.

Grundsätzlich hat der A recht. Die Erlaubnis ist rechtmäßig und es besteht demnach kein Grund, dem A diese Begünstigung zu entziehen. Darüber hinaus ist zu beachten, dass die Erlaubnis auch unabhängig von der Erfüllung der Auflage besteht (vgl. § 10 Nebenbestimmungen). Jedoch sieht Art. 49 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 BayVwVfG gerade für diesen Fall einen Widerrufsgrund vor. Die Behörde soll eine Möglichkeit haben, den rechtmäßig erteilten VA zu widerrufen, wenn eine Auflage nicht erfüllt wurde. Demnach liegt ein Widerrufsgrund vor.

3. Art. 49 Abs. 2 S.1 Nr. 3 BayVwVfG

Art. 49 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 VwVfG sieht einen Widerruf vor, wenn die Behörde aufgrund nachträglich eingetretener Tatsachen berechtigt wäre, den VA nicht zu erlassen und ohne den Widerruf das öffentliche Interesse gefährdet wäre.

Nachträglich eintretende Tatsachen können das Verhalten des Betroffenen sowie äußere Umstände sein, die außerhalb des Verantwortungsbereichs des Betroffenen liegen und sich nachträglich ändern. Nicht ausreichend sind jedoch von der Behörde selbst geschaffene Bedingungen, da die Behörde sich ansonsten eine Widerrufsmöglichkeit schaffen könnte und die vom Gesetzgeber strengen Anforderungen des Widerrufs umgehen könnte. Die veränderten Tatsachen müssen darüber hinaus für eine andere Entscheidung kausal sein. Haben sich Tatsachen geändert, die mit der Entscheidung über den Widerruf nichts zu tun haben, können diese auch keinen Widerrufsgrund darstellen. Eine Gefährdung des öffentlichen Interesses ohne den Widerruf liegt vor, wenn ein Schaden für wichtige Gemeinschaftsgüter droht. Dieses Erfordernis ist somit weitergehend als ein bloßes Überwiegen des öffentlichen Interesses an der Aufhebung gegenüber dem privaten Interesse.

Hat sich die Rechtslage geändert, muss der Widerruf nach Art. 49 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 BayVwVfG erfolgen. Zudem ist zu beachten, dass manche Dauer-VAs gerade ihrer Natur nach bestehen bleiben sollen, auch wenn sich die Umstände geändert haben (so z.B. die Baugenehmigung).

4. Art. 49 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 BayVwVfG

Art. 49 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 VwVfG ermöglicht einen Widerruf aufgrund der Änderung der Rechtslage. Eine Änderung der Rechtslage liegt nur vor, wenn Außenrechtssätze sich ändern oder eine Kommissionsentscheidung über beispielsweise die Rechtmäßigkeit einer Beihilfe vorliegt. Verwaltungsvorschriften, die sich ändern, stellen keinen Widerrufsgrund dar. Ebenso wenig stellt eine Änderung der Rechtssprechung eine Änderung der Rechtslage dar, es sei denn in einem Normenkontrollverfahren wird eine Norm aufgehoben.

Wie bei Nr. 3 ist der Widerruf nur zulässig, wenn das öffentliche Interesse gefährdet ist. Darüber hinaus ist ein Widerruf nur zulässig, wenn der Begünstigte von der Vergünstigung noch keinen Gebrauch gemacht hat oder noch keine Leistungen aufgrund des VAs erlangt hat. Dies ist eine besondere Ausprägung des Vertrauensschutzes. Abzustellen ist dabei lediglich auf die Tatsache, ob eine Leistung empfangen wurde, irrelevant ist, ob sie bereits verbraucht ist. Es ist jedoch zu beachten, dass der Widerruf nur ausgeschlossen ist, soweit die Leistung empfangen oder von der Vergünstigung Gebrauch gemacht wurde. Wurde eine Leistung nur teilweise empfangen, ist der noch nicht empfangene Teil widerrufbar.

5. Art. 49 Abs. 2 S. 1 Nr. 5 BayVwVfG

§ 49 Abs. 2 S.1 Nr. 5 VwVfG ermöglicht einen Widerruf zur Vermeidung schwerer Nachteile des Gemeinwohls. Dieser Widerrufsgrund ist eine Art Notstandsrecht und somit restriktiv zu interpretieren. Erforderlich sind somit besondere Umstände wie z.B. Katastrophen. Die Nachteile müssen somit schwerwiegend sein (vgl. die Rechtsprechung des BVerfG zu Art. 12 GG) und unmittelbar bevorstehen oder bereits eingetreten sein. Rein potentiell zu befürchtende Nachteile reichen noch nicht aus.

IV. Rechtmäßig begünstigend nach Art. 49 Abs. 2a BayVwVfG

Art. 49 Abs. 2a BayVwVfG regelt den Widerruf einer Geld- oder teilbaren Sachleistung, die für einen bestimmten Zweck gewährt wurde oder für einen bestimmten Zweck Voraussetzung ist. Eine solche Leistung kann, im Gegensatz zu Abs. 2, auch mit Wirkung für die Vergangenheit widerrufen werden.

Beispiel: Dem A werden für sein Projekt „Kinder gegen Drogen“ 500 Kinder T-Shirts von der zuständigen Behörde zugeteilt. A soll diese T-Shirts an Kinder, die an seinen Projekten teilnehmen, austeilen. A verschenkt die T-Shirts einfach so an Kinder. Die zuständige Behörde fordert die T-Shirts auf der Grundlage von Art. 49 Abs. 2a BayVwVfG zurück.

Die T-Shirts sind eindeutig eine Sachleistung der Behörde. Diese Sachleistung ist auch teilbar. Die Behörde hat dem A die T-Shirts gewährt, damit dieser sie an Kinder, die an einem Projekt „Kinder gegen Drogen“ teilnehmen, verteilt. Somit war die Sachleistung an einen bestimmten Zweck gebunden. Art. 49 Abs. 2a BayVwVfG ist somit einschlägig.

Voraussetzung für den Widerruf ist, dass entweder nach Art. 49 Abs. 2a S.1 Nr. 1 BayVwVfG nicht, nicht alsbald nach Erbringung oder nicht mehr für den bestimmten Zweck verwendet wird oder dass nach Art. 49 Abs. 2a S.1 Nr. 2 BayVwVfG der VA mit einer Auflage verbunden ist und der Begünstigte diese nicht oder nicht innerhalb einer ihm gesetzten Frist erfüllt hat.

Zweckfremd verwendet ist der VA dann, wenn zumindest ein Teil objektiv nicht für den vorausgesetzten Zweck verwendet wurde. Zu unterscheiden sind zudem die Tatbestände nicht, nicht alsbald und nicht mehr. Die 1. Var. „nicht“ betrifft den Fall, dass die Leistung endgültig nicht für den vorausgesetzten Zweck verwendet wurde. Die 2. Var. „nicht alsbald“ betrifft den Fall, dass die Verwendung unnötig verzögert wird. Die 3. Var. „nicht mehr“ betrifft den Fall, dass eine Leistung zunächst für den vorgesehenen Zweck verwendet wurde, später jedoch anders eingesetzt wird.

Ein VA, der allein in der Zahlung an den Betroffenen seinen Zweck erfüllt, kann demnach nie nach Abs. 2a Nr. 1 widerrufen werden, da sich sein Zweck mit der Zahlung realisiert.

Auch wenn der Wortlaut des Art. 49 Abs. 2 S.1 Nr. 2 BayVwVfG und Art. 49 Abs. 2a S.1 Nr. 2 BayVwVfG gleich ist, ist zu beachten, dass die Rechtsfolge verschieden ist: Art. 49 Abs. 2a S. 1 Nr. 2 BayVwVfG kann auch mit ex tunc Wirkung widerrufen werden.

Der Widerruf nach Art. 49 Abs. 2a BayVwVfG steht, wenn die Tatbestandsvoraussetzungen erfüllt sind, im Ermessen der Behörde. Dies bedeutet, dass die Behörde abwägen kann, ob sie tatsächlich widerruft oder aufgrund der Umstände von einem Widerruf absieht. Auf diese Weise kann schutzwürdiges Vertrauen mit einbezogen werden, wobei in der Regel davon auszugehen ist, dass bei Vorliegen der Widerrufsgründe der zweckwidrigen Verwendung bzw. der Nichterfüllung einer Auflage in der Regel kein Raum für schutzwürdiges Vertrauen bleibt. Ebenfalls im Ermessen der Behörde liegt, ob die Behörde die Begünstigung mit ex tunc oder ex nunc Wirkung widerruft.

Beispiel: Dem A wurden für sein Projekt „Kinder gegen Drogen“ erst 250 T-Shirts gewährt. 250 weitere sollen ihm noch zukommen. Widerruft die Behörde ex nunc, betrifft dieser Widerruf lediglich die 250 T-Shirts, die der A noch nicht erhalten hat. Widerruft die Behörde ex tunc, betrifft dies alle 500 T-Shirts.

Art. 49 Abs. 2a S. 2 BayVwVfG verweist ebenfalls auf die Frist aus Art. 48 Abs. 4 BayVwVfG, so dass ein Widerruf nur innerhalb eines Jahres erfolgen kann. Es gilt das zur Frist unter § 7 ausgeführte.

V. Zuständigkeit und Rechtsfolgen

Zuständig ist die nach Art. 49 Abs. 4 BayVwVfG i.V.m. Art. 3 BayVwVfG örtlich zuständige Behörde. Da der Widerruf ein VA ist, ist die für einen VA zuständige Behörde sachlich zuständig. Dies ist die Behörde, die den ursprünglichen VA erlassen hat.

Wird nichts Abweichendes bestimmt, wird gemäß Art. 49 Abs. 3 BayVwVfG der widerrufene VA im Zeitpunkt des Widerrufs unwirksam.

Art. 49 Abs. 5 S. 1 BayVwVfG normiert zudem, dass in den Fällen des Art. 49 Abs. 2 Nrn. 3 – 5 BayVwVfG der Betroffene zu entschädigen ist, soweit sein Vertrauen schutzwürdig ist. S. 2 verweist auf die Regelungen bei der Rücknahme (Art. 48 Abs. 3 S. 3 – 5 VwVfG). Es gilt somit das bereits unter § 7 Ausgeführte: Demzufolge ist das negative Interesse durch das positive Interesse des Betroffenen begrenzt, die Höhe der Zahlung von der zuständigen Behörde festzusetzen und der Entschädigungsanspruch binnen eines Jahres geltend zu machen. Der Rechtsweg bezüglich einer Entschädigungsforderung ist nach Art. 49 Abs. 5 S. 2 VwVfG zu den ordentlichen Gerichten eröffnet. Dies vermeidet einen Konflikt mit der Rechtswegsregelung des Art. 14 GG bei Enteignungen.

Wurde eine Leistung bereits gewährt und der VA ex tunc widerrufen, stellt Art. 49a BayVwVfG einen eigenen Erstattungsanspruch dar. Dieser Anspruch ist von der Behörde durch Erlass eines VAs geltend zu machen, Art. 49a Abs. 1 S. 2 BayVwVfG. Dieser VA ist ein von dem Widerrufs-VA zu unterscheidener eigenständiger VA. Er ist rechtlich selbstständig zu beurteilen.

Die Höhe des Erstattungsanspruchs richtet sich nach Art. 49a Abs. 2 BayVwVfG nach den Vorschriften des Bürgerlichen Rechts. Nach Art. 49a Abs. 3, 4 BayVwVfG kann die Verwaltung einen Zinsanspruch geltend machen.

VI. Widerruf eines drittbelastenden VAs

Beim Widerruf eines begünstigenden VAs mit belastender Drittwirkung lassen sich zwei Situationen unterscheiden. Zum einen der Widerruf unabhängig von einem Rechtsmittelverfahren und zum anderen der Widerruf während eines Rechtsmittelverfahrens.

Regt ein Dritter unabhängig von einem Rechtsmittelverfahren den Widerruf eines VAs an, gelten uneingeschränkt die Regeln des Art. 49 BayVwVfG. Dies lässt sich mittels eines Umkehrschlusses aus Art. 50 BayVwVfG erschließen.

Hat der Dritte jedoch bereits den VA in einem Rechtsmittelverfahren angefochten und will die Behörde während des Rechtsmittelverfahrens den VA widerrufen, greift Art. 50 BayVwVfG. Nach diesem kommen die Vertrauensschutzregelungen des Art. 49 Abs. 2 – 3, 5 BayVwVfG nicht zur Anwendung. Dies ist damit zu begründen, dass während eines Rechtsmittelverfahrens der Begünstigte jederzeit mit der Änderung seiner Rechtsposition rechnen muss. Deswegen soll die Behörde während des laufenden Verfahrens auch uneingeschränkt die Möglichkeit zur Selbstkorrektur haben.

Voraussetzung ist jedoch, dass ein Rechtsmittel eingelegt wurde und das Verfahren noch läuft, das Rechtsmittel zulässig und voraussichtlich begründet ist, d.h. der Drittbelastete tatsächlich in seinen Rechten verletzt ist und durch den Widerruf dem Rechtsmittel abgeholfen wird.

VII. Widerruf einer Zusicherung

Einen Sonderfall des Widerrufs stellt der Widerruf einer Zusicherung dar. Problematisch ist zunächst, dass die Rechtsnatur der Zusicherung umstritten ist, der Widerruf jedoch grundsätzlich nur für VAs gilt. Jedoch nimmt nur noch eine Mindermeinung ein Rechtsinstitut sui generis an, während die herrschende Meinung von einem VA ausgeht. Darüber hinaus ordnet Art. 38 Abs. 2 BayVwVfG an, dass der Widerruf auf die Zusicherung angewendet wird. Auch wenn der Verweis in Art. 38 Abs. 2 BayVwVfG sich nur auf Art. 49 BayVwVfG bezieht, ist nach Sinn und Zweck der Verweisung davon auszugehen, dass ein Widerruf nach spezialgesetzlichen Vorschriften, die Art. 49 BayVwVfG verdrängen, ebenfalls zulässig ist.

Zu beachten ist beim Widerruf einer Zusicherung jedoch, dass Art. 38 Abs. 3 BayVwVfG vorrangig zu berücksichtigen ist. Nach Art. 38 Abs. 3 BayVwVfG ist die Behörde an die Zusicherung nicht mehr gebunden, wenn sich die Rechts- oder Sachlage nach Abgabe der Zusicherung so verändert hat, dass die Behörde die Zusicherung nicht gegeben hätte oder hätte geben dürfen. Der Vorrang des Art. 38 Abs. 3 BayVwVfG bedeutet demnach, dass die Aufhebungsgründe des Art. 49 Abs. 2 S. 1 Nrn. 3, 4 BayVwVfG nicht in Betracht kommen, da bei einer Änderung der Sach- oder Rechtslage die Behörde die Zusicherung nicht widerrufen muss, da sie ohnehin nicht mehr an sie gebunden ist.

Auch wenn Art. 50 BayVwVfG nicht in Art. 38 Abs. 2 BayVwVfG erwähnt ist, gilt Art. 50 BayVwVfG auch, wenn ein Dritter die Zusicherung angefochten hat.

VIII. Widerruf rechtswidriger Verwaltungsakte

Fraglich ist, ob auch ein rechtswidriger VA widerrufen werden kann. Grundsätzlich steht für die Aufhebung rechtswidriger VAs Art. 48 BayVwVfG zur Verfügung. Es ist jedoch zu bedenken, dass aufgrund des Vertrauensschutzes, der bei einem rechtmäßigen VA stärker wiegt als bei einem rechtswidrigen, die Anforderungen des Art. 49 BayVwVfG deutlich höher sind als bei

Art. 48 BayVwVfG. Widerrufen werden kann nur bei Vorliegen eines Widerrufsgrundes. Deswegen kann erst recht ein rechtswidriger VA unter den strengen Voraussetzungen des Art. 49 BayVwVfG aufgehoben werden. Folglich können, trotz der eigentlichen Differenzierung zwischen rechtswidrigen und rechtmäßigen VAs, auch rechtswidrige VAs nach Art. 49 BayVwVfG widerrufen werden.

§ 9 Wiederaufgreifen des Verfahrens

I. Abgrenzung

Beim Wiederaufgreifen des Verfahrens gemäß Art. 51 BayVwVfG geht es darum, ein bereits abgeschlossenes Verfahren wieder aufleben zu lassen. Er ist ein außerordentlicher Rechtsbehelf, der statthaft ist, wenn andere Rechtsbehelfe nicht mehr möglich sind. Teilweise wird vertreten, dass das Wiederaufgreifen lediglich den verfahrensrechtlichen Rahmen der Rücknahme und des Widerrufs regelt. Richtigerweise ist es jedoch als selbstständiges Regelungsinstitut neben Art. 48, 49 BayVwVfG aufzufassen. Aus der enumerativen Aufzählung in Art. 43 Abs. 2 BayVwVfG lässt sich entnehmen, dass es neben der Rücknahme und dem Widerruf noch andere Möglichkeiten gibt, einen VA aufzuheben. Zudem verdeutlicht die Möglichkeit der Aufhebung eines noch anfechtbaren VAs durch Art. 48, 49 BayVwVfG, dass Art. 51 BayVwVfG einen anderen Fall der Aufhebung meint. Denn nach diesem betrifft das Wiederaufgreifen des Verfahrens nur einen unanfechtbaren VA. Auch ist Art. 51 Abs. 5 BayVwVfG dahingehend zu verstehen, dass neben dem Wiederaufgreifen des Verfahrens auch noch die Rücknahme und der Widerruf anwendbar bleiben. Daraus geht eindeutig hervor, dass Art. 51 BayVwVfG ein anderes Verfahren darstellt.

II. Voraussetzungen

Das Wiederaufgreifen des Verfahrens stellt ein zweistufiges Verfahren dar. In einem ersten Schritt entscheidet die Behörde, ob das Verfahren wieder aufgegriffen wird. Diese Prüfung gliedert sich in eine Zulässigkeits- und Begründetheitsprüfung des Antrags. Im zweiten Schritt wird dann in der Sache entschieden, sofern der Antrag auf Wiederaufgreifen zulässig und begründet ist.


Prüfungsreihenfolge:

Wiederaufgreifen


1. Zulässigkeit des Antrags auf Wiederaufgreifen des Verfahrens

Zur Einleitung des Verfahrens ist grundsätzlich ein Antrag des Betroffenen erforderlich. Dieser kann nur gestellt werden, wenn der Erstbescheid unanfechtbar ist. Ist der Erstbescheid noch anfechtbar, stehen dem Betroffenen die ordentlichen Rechtsbehelfe zu, so dass ein Rückgriff auf den außerordentlichen Rechtsbehelf des Wiederaufgreifens des Verfahrens nicht erforderlich ist.

Nach den allgemeinen Grundsätzen des Verwaltungsverfahrens muss den Antragsteller eine Beschwer treffen. Eine solche Beschwer liegt bereits dann vor, wenn ein belastender VA an ihn gerichtet wurde oder ein VA, der zwar begünstigend ist, jedoch dem Antragssteller weniger gewährt als er gefordert hat. Die Beteiligtenfähigkeit richtet sich beim Antrag auf Wiederaufgreifen des Verfahrens nach Art. 11 ff. BayVwVfG. Zu beachten ist, dass das Wiederaufgreifen kein gerichtliches Verfahren ist und demnach §§ 61 ff. VwGO nicht anwendbar sind.

Fraglich ist, ob das reine Geltendmachen eines Grundes für das Wiederaufgreifen ausreicht oder ob die Gründe bei Beurteilung der Zulässigkeit einer Schlüssigkeitsprüfung unterzogen werden müssen. Schlüssigkeit liegt vor, wenn die vorgetragenen Gründe tatsächlich den Anspruch begründen würden. Eine umfassende Prüfung des Vorliegens der Gründe für das Wiederaufgreifen scheidet aus, da ansonsten die Begründetheitsprüfung des Antrags in die Zulässigkeit gezogen würde. Für Nr. 2 fordert das BVerwG jedoch eine Schlüssigkeitsprüfung, d.h. die neuen Beweismittel müssten den Anspruch des Antragstellers begründen. Konsequenterweise sollte aufgrund der Anlehnung des Verfahrens an die ZPO eine solche Schlüssigkeitsprüfung, die im Zivilprozessrecht erforderlich ist, auch für die anderen Wiederaufgreifensgründe anfallen.

Art. 51 Abs. 3 BayVwVfG normiert eine Antragsfrist. Danach muss der Antrag auf Wiederaufgreifen des Verfahrens innerhalb von drei Monaten ab dem Tage, an dem der Betroffene Kenntnis von dem Wiederaufgreifensgrund erlangt hat, gestellt werden.

Nach Art. 51 Abs. 2 BayVwVfG ist ein Antrag nur zulässig, wenn der Betroffene ohne grobes Verschulden außerstande war, den Grund für das Wiederaufgreifen in dem früheren Verfahren geltend zu machen. Grobes Verschulden liegt vor, wenn der Betroffene mit Vorsatz oder grob fahrlässig gehandelt hat. Dies liegt vor, wenn der Betroffene von einem Beweismittel Kenntnis hat, sich um dieses nicht kümmert oder wenn der Betroffene weiß, dass sich die Sach- oder Rechtslage bald ändert. In einem solchen Fall ist der Betroffene nicht schutzwürdig, so dass eine Präklusion eintritt.

Art. 51 Abs. 4 BayVwVfG regelt die örtliche Zuständigkeit der Behörde, bei der der Antrag auf Wiederaufgreifen gestellt werden muss. Sachlich zuständig ist die Behörde, die nach dem einschlägigen Fachrecht zuständig ist.

2. Begründetheit

Der Antrag auf Wiederaufgreifen des Verfahrens ist begründet, wenn ein Grund für das Wiederaufgreifen vorliegt und der Antrag auf diesen Grund gestützt ist.

Die Gründe für ein Wiederaufgreifen des Verfahrens sind in Art. 51 Abs. 1 BayVwVfG geregelt. Nach Art. 51 Abs. 1 Nr. 1 BayVwVfG ist eine nachträgliche Änderung der Sach- und Rechtslage zugunsten des Betroffenen ein Grund für das Wiederaufgreifen. Eine Änderung der Sachlage kann z.B. eintreten, wenn neue naturwissenschaftliche Erkenntnisse vorliegen. Die Rechtslage ist geändert, wenn Außenrecht sich verändert hat. Gerichtsentscheidungen fallen grundsätzlich nicht darunter, es sei denn sie haben die Aufhebung einer Rechtsnorm zur Folge. Der EuGH hat zudem in seinem Kühne & Heitz Urteil (EuGH Rs. C-452/00) entschieden, dass unter bestimmten Voraussetzungen aufgrund des Grundsatz zur Gemeinschaftstreue (Art. 5 Abs. 2 EUV) die Mitgliedstaaten verpflichtet sein können, bestandskräftige Urteile zu überprüfen, um der durch den EuGH vorgenommenen Auslegung Rechnung zu tragen. Die vom EuGH entschiedenen Voraussetzungen sind:

· dass die Behörde nach nationalem Recht befugt ist, diese Entscheidung zurückzunehmen,

· die Entscheidung infolge eines Urteils eines in letzter Instanz entscheidenden nationalem Gerichts bestandskräftig geworden ist,

· das Urteil, wie eine Entscheidung des EuGH belegt, auf einer unrichtigen Auslegung des Unionsrechts beruht, die erfolgt ist, ohne dass der EuGH um Vorabentscheidung ersucht wurde, obwohl der Tatbestand des Art. 234 Abs. 3 AEUV erfüllt war und

· der Betroffene sich, unmittelbar nachdem er Kenntnis von der besagten Entscheidung des Gerichthofs erlangt hat, an die Verwaltungsbehörde gewandt hat.

Liege diese Voraussetzungen vor, stellt ein EuGH-Urteil eine Änderung der Rechtslage dar.

Art. 51 Abs. 1 Nr. 2 BayVwVfG normiert das Vorliegen neuer Beweismittel als Grund für das Wiederaufgreifen. Neue Beweismittel liegen entweder vor, wenn neue Erkenntnismittel zur Auswertung von Tatsachen vorliegen, die sich zwar auf Tatsachen beziehen, die bereits im Zeitpunkt des Erlasses des VAs vorlagen, jedoch erst jetzt entsprechend „erkannt“ werden können. Oder es liegen neue Beweismittel vor, die erst nach Abschluss des ursprünglichen Verfahrens bekannt wurden oder beigebracht werden konnten.

Art. 51 Abs. 1 Nr. 3 BayVwVfG verweist auf die Gründe für das Wiederaufgreifen der ZPO. Dieser Grund weist noch einmal explizit auf die Ähnlichkeit des Verfahrens mit dem der ZPO hin, dennoch spielen die Gründe für das Wiederaufgreifen nach der ZPO nur eine untergeordnete Rolle.

Nach der ZPO kann ein Wiederaufgreifen des Verfahrens nach folgenden Gründen erfolgen:

· wenn der Gegner durch Beeidigung einer Aussage, auf die das Urteil gegründet ist, sich einer vorsätzlichen oder fahrlässigen Verletzung der Eidespflicht schuldig gemacht hat

· wenn eine Urkunde, auf die das Ureteil gegründet ist, fälschlich angefertigt oder verfälscht war

· wenn bei einem Zeugnis oder Gutachten, auf welches das Urteil gegründet ist, der Zeuge oder Sachverständige sich einer strafbaren Verletzung der Wahrheitspflicht schuldig gemacht hat

· wenn das Urteil von dem Vertreter der Partei oder von dem Gegner oder dessen Vertreter durch eine in Beziehung auf den Rechtsstreit verübte Straftat erwirkt ist

· wenn ein Richter bei dem Urteil mitgewirkt hat, der sich in Beziehung auf den Rechtsstreit einer strafbaren Verletzung seiner Amtspflichten gegen die Partei schuldig gemacht hat

· wenn das Urteil eines ordentlichen Gerichts, eines früheren Sondergerichts oder eines Verwaltungsgerichts, auf welches das Urteil gegründet ist, durch ein anderes rechtskräftiges Urteil aufgehoben ist

· wenn die Partei ein in derselben Sache erlassenes, früher rechtskräftig gewordenes Urteil oder eine andere Urkunde auffindet oder zu benutzen in den Stand gesetzt wird, die eine ihr günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würde

· wenn der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte eine Verletzung der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten oder ihrer Protokolle festgestellt hat und das Urteil auf dieser Verletzung beruht.

3. Prüfungsschema der Zulässigkeit und Begründetheit des Antrags auf Wiederaufgreifen:

A. Zulässigkeit

· Antrag

· Unanfechtbarkeit des Erstbescheids

· Beschwer

· Beteiligtenfähigkeit

· Geltend machen eines Wiederaufgreifensgrundes

· Wahrung der Antragsfrist

· Präklusion der Wiederaufgreifensgründe

· Zuständige Behörde

B. Begründetheit

· Nachträgliche Änderung der Sach- und Rechtslage

· Vorliegen eines neuen Beweismittels

· Wiederaufnahmegrund entsprechend § 580 ZPO

III. Rechtsfolge

Ist der Antrag auf Wiederaufgreifen des Verfahrens zulässig und begründet, muss die Behörde in dem Verfahren erneut entscheiden. Diesbezüglich steht ihr kein Ermessen zu. Diese erneute Entscheidung führt zu einer Durchbrechung der Bestandskraft des Erstbescheids.

Rechtsgrundlage für den sogenannten Zweitbescheid ist nach Ansicht der Rechtsprechung und der überwiegenden Ansicht im Schrifttum das jeweilige Fachrecht. Dabei sind verschiedene Entscheidungsmöglichkeiten der Behörde zu unterscheiden. Die Behörde kann einen positiven Zweitbescheid erlassen, also dem Begehren des Antragstellers stattgeben. Ebenso kann die Behörde einen negativen Zweitbescheid erlassen, in dem sie dem Begehren des Antragstellers nicht statt gibt. Die Entscheidung darüber richtet sich nach dem vom Fachrecht vorgegebenen Rahmen. Ist der Behörde nach dem Fachrecht Ermessen eingeräumt, kann sie dieses beim Zweitbescheid vollständig ausnutzen. Zu beachten ist, dass allein das Vorliegen eines Grundes für das Wiederaufgreifen des Verfahrens nicht dazu führt, dass das Ermessen der Behörde in eine bestimmte Richtung gelenkt wird.

Keine Rechtsfolge ist die wiederholende Verfügung, die keinen neuen VA erlässt, sondern lediglich einen unanfechtbaren VA wiederholt. Eine solche wiederholende Verfügung ist beispielsweise denkbar, wenn der Antrag auf Wiederaufgreifen des Verfahrens nicht zulässig und begründet ist und dem Antragsteller deswegen ohne erneute Entscheidung der Erstbescheid noch einmal mitgeteilt wird.

IV. Zulässigkeit einer Verböserung

Erlässt die Behörde einen negativen Zweitbescheid, kann sie den Inhalt des Erstbescheides erneut erlassen. Sie kann jedoch auch einen vom Erstbescheid weiter abweichenden Zweitbescheid erlassen. Problematisch ist an dieser Stelle, dass dies eine Verböserung gegenüber dem Erstbescheid darstellt. Ob eine solche Verböserung im Verfahren nach Art. 51 BayVwVfG zulässig ist, ist umstritten.

Teilweise wird vertreten, aufgrund des Antragscharakters des Art. 51 BayVwVfG, dass bei Vorliegen eines Wiederaufgreifensgrundes der Sachverhalt wieder zur vollständig neuen Entscheidung durch die Behörde stehe und daher eine Verböserung durch den Zweitbescheid zulässig sei. Das Ziel des Antrags ist nach dieser Ansicht nicht die Besserstellung des Betroffenen, sondern eine neue, ergebnisoffene Entscheidung in der Sache. Mit der Antragsstellung auf Wiederaufgreifen des Verfahrens geht gleichzeitig jeglicher Vertrauensschutz verloren.

Vom Sinn und Zweck her kann jedoch davon ausgegangen werden, dass der Antrag auf Wiederaufgreifen des Verfahrens mit dem Ziel gestellt wird, eine Verbesserung der Antragsberechtigung zu erreichen und nicht mit dem Ziel, eine generelle neue Sachentscheidung mit Ergebnisoffenheit zu erreichen. Deswegen ist davon auszugehen, dass eine Verböserung im Zweitbescheid nicht möglich ist.

V. Vertrauensschutz bei Drittbegünstigung

Problematisch ist, ob bei einem Wiederaufgreifen des Verfahrens und bei einem vom Erstbescheid abweichenden Zweitbescheid nicht ein Dritter, der durch den Erstbescheid begünstigt wurde, schützenswert ist, wenn durch den Zweitbescheid die Begünstigung wegfällt. Art. 51 BayVwVfG sieht keine Vertrauensschutzregeln vor, auf die sich der Dritte in diesem Falle berufen könnte, so dass nur generell eine Berücksichtigung des schutzwürdigen Vertrauens im Rahmen der Ermessensausübung der Behörde in Betracht kommt. Da sich der Erlass des Zweitbescheides jedoch nach dem einschlägigen Fachrecht richtet, kann es sein, dass bei zwingenden Vorschriften, die kein Ermessen eröffnen, die Behörde kein Ermessen ausübt und auch kein schutzwürdiges Vertrauen Dritter berücksichtigen kann. Teilweise wird vorgeschlagen, Art. 50 BayVwVfG analog heranzuziehen. Eine analoge Anwendung des Art. 51 BayVwVfG scheidet jedoch aus, da Art. 50 BayVwVfG sich ausdrücklich nur auf angefochtene VAs bezieht, während Art. 51 BayVwVfG sich gerade auf VAs bezieht, die Bestandskraft haben. Insofern liegen zwei nicht vergleichbare Sachverhalte vor, so dass eine analoge Anwendung ausscheidet. Jedoch kann, auch wenn Art. 51 BayVwVfG grundsätzlich keinen Vertrauensschutz vorsieht, das Vertrauen eines Dritten, der mit dem Wiederaufgreifen des Verfahrens nichts zu tun hatte und auch nicht damit rechnen konnte, aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht vollkommen außer Acht gelassen werden. Deswegen liegt bei schutzwürdigem Vertrauen eines begünstigten Dritten eine analoge Anwendung der Vorschriften der Art. 48 Abs. 3, 49 Abs. 5 BayVwVfG nahe.

§ 10 Nebenbestimmungen nach Art. 36 BayVwVfG

I. Einleitung

Eine Nebenbestimmung ist eine zur Hauptregelung eines VAs hinzutretende, diese Hauptregelung ergänzende oder eingrenzende zusätzliche Regelung. Sie dienen der Präzisierung und Flexibilisierung der Hauptregelung eines VAs. Relevant ist dabei insbesondere die Möglichkeit der Feinsteuerung. Die Verwaltung ist durch die Verwendung von Nebenbestimmungen nicht an die beiden Antworten Ja oder Nein gebunden, sondern hat die Möglichkeit, Genehmigungen von bestimmten zusätzlichen Voraussetzungen abhängig zu machen. Besondere Bedeutung kommen Nebenbestimmungen im Baurecht oder im Gewerberecht zu.

Nebenbestimmungen lassen sich in Befristung, Bedingung, Widerrufsvorbehalt, Auflage und Auflagenvorbehalt unterteilen. Diese sind in Art. 36 BayVwVfG normiert, die Aufzählung ist jedoch nicht abschließend. Die Nebenbestimmungen lassen sich in zwei Gruppen unterteilen: die konstitutiven und die additiven. Darüber hinaus sind auch die unterschiedlichen Arten der Nebenbestimmungen voneinander abzugrenzen. Die konkrete Bezeichnung durch beispielsweise die Behörde ist dabei nicht unbedingt maßgeblich für die Art der Nebenbestimmung, ihr kommt nur Indizwirkung zu.

II. Zulässigkeit von Nebenbestimmungen

Die Zulässigkeit von Nebenbestimmungen regelt Art. 36 BayVwVfG. Dabei geht Art. 36 Abs. 1 BayVwVfG von der generellen Unzulässigkeit bei gebundenen VAs aus, während Art. 36 Abs. 2 BayVwVfG sich nicht auf gebundene VAs bezieht und von einer generellen Zulässigkeit von Nebenbestimmungen ausgeht. Darüber hinaus normiert Art. 36 Abs. 3 BayVwVfG eine allgemeine Schranke für die Zulässigkeit von Nebenbestimmungen.

Eine Nebenbestimmung zu einem gebundenen VA ist demnach nach Art. 36 Abs. 1 BayVwVfG nur dann zulässig, wenn sie durch Rechtsvorschrift zugelassen ist oder wenn sie sicherstellen soll, dass die gesetzlichen Voraussetzungen des Verwaltungsaktes erfüllt werden. Bei gebundenen VAs besteht somit bezüglich der Nebenbestimmungen ein spezieller Gesetzesvorbehalt. Der vom Gesetzgeber vorgesehene Inhalt darf nicht durch eine Nebenbestimmung so verändert werden, dass durch die Beifügung der Nebenbestimmung eine vollkommen andere Entscheidung gefällt wird, als vom Gesetzgeber vorgesehen. Deswegen ist eine Nebenbestimmung bei gebundenen Entscheidungen nur zulässig, wenn sie explizit in einem Fachgesetz vorgesehen ist.

Darüber hinaus ist eine Nebenbestimmung zulässig, wenn sie dazu dient, die noch fehlenden gesetzlichen Voraussetzungen sicherzustellen. Dies ermöglicht der Verwaltung, Genehmigungen zu erteilen, wenn zwar noch nicht alle Voraussetzungen für die Genehmigungserteilung vorliegen, diese jedoch in absehbarer Zeit eintreten werden. Die Verwaltung kann somit anstatt die Genehmigung zu versagen eine Genehmigung mit einer Nebenbestimmung versehen erteilen. Bei der Prüfung, ob eine Nebenbestimmung zu einem gebunden VA zulässig ist, sind folgende Punkte immer zu beachten:

1. Können die fehlenden Erfordernisse hinreichend konkret beschrieben werden?

2. Ist der Zeitraum, innerhalb dessen die fehlenden Voraussetzungen erfüllt werden müssen, überschaubar?

Liegen diese beiden Voraussetzungen vor, kann ein gebundener VA mit einer Nebenbestimmung versehen werden.

Die Zulässigkeit von Nebenbestimmungen bei Ermessensakten richtet sich nach Abs. 2. Dieser erfordert keinen speziellen Gesetzesvorbehalt wie Abs. 1. Vielmehr kann die Nebenbestimmung nach freiem Ermessen von der Behörde beigefügt werden. Denn wenn es im Ermessen der Behörde steht, ob sie einen VA erlässt oder nicht, so muss sie erstrecht befugt sein, einen VA mit einer Nebenbestimmung versehen zu erlassen. Gleichzeitig bedeutet die Möglichkeit des freien Ermessens, dass die Behörde auch bei Erlass der Nebenbestimmung an die allgemeinen Ermessensgrenzen des Art. 40 BayVwVfG gebunden ist. Sie darf also nicht unsachgemäße Erwägungen in die Entscheidung mit einbeziehen.

Das freie Ermessen kann jedoch durch spezialgesetzliche Ermächtigungen eingeschränkt werden. Diese haben dann gemäß Art. 1 Abs. 1 BayVwVfG Vorrang vor dem allgemeinen Verwaltungsrecht. Ein Beispiel dafür sind z.B. Art. 7, 17 AtG. Zudem ist zu beachten, dass das einschlägige Fachrecht in der Regel den Rahmen für das Ermessen setzt. Denn wenn der Haupt-VA an einen bestimmten gesetzlichen Rahmen gebunden ist, muss auch die ihm beigefügte Nebenbestimmung diesem Rahmen entsprechen. Darüber hinaus verweist Abs. 2 auf Abs. 1. Dies lässt darauf schließen, dass auch bei Ermessens-VAs durch die Nebenbestimmung gesetzliche Vorgaben sichergestellt werden sollen.

Generell nicht zulässig sind Nebenbestimmungen bei Statusentscheidungen. So dürfen Einbürgerung, Ernennung zum Beamten auf Lebenszeit, Namensänderung und Approbation nicht mit einer Nebenbestimmung versehen werden. Auch darf eine Verordnung oder Satzung nicht mit einer Nebenbestimmung versehen genehmigt werden. Als weitere Einschränkung der Zulässigkeit von Nebenbestimmungen ist zudem Art. 36 Abs. 3 BayVwVfG zu sehen. Nach diesem darf eine Nebenbestimmung nicht dem Zweck des Verwaltungsaktes zuwider laufen.

III. Verfahren und Form

Grundsätzlich gelten für Nebenstimmungen dieselben Formvorschriften wie für die Hauptregelung. Zudem muss die Nebenstimmung, wie die Hauptbestimmung, hinreichend bestimmt sein. Deswegen ist von der Behörde deutlich zu machen, welche Wirkungen eine Nebenbestimmung entfaltet.

Bsp.: A wird eine Baugenehmigung erteilt. Unter dem Punkt Nebenbestimmungen steht, dass die Zufahrtsstraße gebaut werden muss.

Im Fall ist für A nicht erkennbar, in welcher Verbindung die Zufahrtsstraße zu der Baugenehmigung steht. Der Zusatz könnte sowohl eine Bedingung, nämlich dass die Baugenehmigung erst mit Fertigstellung der Zufahrtsstraße wirksam ist, darstellen, als auch bedeuten, dass der A die Zufahrtsstraße bauen muss. Die Wirkungen der Nebenbestimmung wären somit für A nicht klar erkennbar. Es fehlt somit an der Bestimmtheit.

Auch bezüglich der verfahrensrechtlichen Vorschriften ist zu beachten, dass die Nebenbestimmung den gleichen Anforderungen wie die Hauptregelung unterliegt. Demzufolge ist bei Ermessensentscheidungen stets eine Anhörung nach Art. 28 BayVwVfG erforderlich. Auch ist bei einem schriftlichen VA Art. 39 BayVwVfG zu beachten. Relevant für die Wirksamkeit der Nebenbestimmung ist auch die Bekanntgabe der Nebenbestimmung nach Art. 41 BayVwVfG. Ist eine Nebenbestimmung dem Betroffenen nicht mitgeteilt oder wurde nur die Möglichkeit eingeräumt, sich den Inhalt der Nebenbestimmung zu besorgen, ist diese nicht wirksam bekanntgegeben worden.

Die Nebenbestimmungen müssen grundsätzlich gemeinsam mit dem VA erlassen werden, da eine nachträgliche Beifügung einer Nebenbestimmung dem Widerruf und Neuerlass eines VAs gleich käme und die speziellen Vorschriften des Art. 49 BayVwVfG umgangen werden könnten. Eine spätere Zufügung einer Nebenbestimmung ist somit nur möglich, wenn dies gesetzlich explizit normiert ist oder im Fall der Auflage, wenn die Nebenbestimmung bereits mit einem Auflagenvorbehalt versehen erlassen wurde.

IV. Befristung

Die Befristung regelt den zeitlichen Beginn oder das Ende der Wirksamkeit des VAs. Sie normiert hingegen keine neue inhaltliche Regelung. Die Wirksamkeit des VAs hängt somit von einem Ereignis ab, das mit Sicherheit in der Zukunft eintreten wird. Dabei erfolgt eine Befristung in der Regel durch die Festsetzung eines Datums, kann aber auch durch feste Tage ohne Datum wie Pfingsten bestimmt werden. Ebenfalls möglich ist eine Zeitraumbefristung, die eine Regelung für einen bestimmten Zeitraum erteilt, z.B. vom 1. Mai 2009 bis zum 15. September 2009. Von einer solchen Zeitraumbefristung zu unterscheiden ist die Erteilung einer Genehmigung, die zwar dauerhaft aber immer nur für eine bestimmte Zeit erteilt wird. Diese unterliegt nicht einer Befristung im klassischen Sinn, sondern ist lediglich eine Genehmigung, die nach ihrem Sinn und Zweck nur für eine bestimmte, wiederkehrende Zeit erteilt wird.

Bsp.: Dem A wird einmalig erlaubt, auf dem Markt einen Stand aufzustellen. Dies darf er jedoch nur am Donnerstag (9.10.09) von 8.00 bis 20.00 Uhr. Dem B wird erlaubt, jeden Donnerstag zur Marktzeit einen Gemüsestand aufzustellen.

Die dem A erteilte Genehmigung stellt eine Zeitraumbefristung dar. A erhält eine Genehmigung, diese ist jedoch auf Donnerstag befristet. Die Genehmigung des B hingegen gilt zwar nur für Donnerstag, aber für jeden Donnerstag. Sie endet nicht mit Ablauf des 9.10.09, sondern ist vom Sinn her auf den Markttag Donnerstag begrenzt.

Ebenfalls von einer Befristung abzugrenzen ist der Fall, bei dem sich bereits aus einem Gesetz eine zeitliche Begrenzung des VAs ergibt. In diesem Fall ergibt sich die zeitliche Begrenzung aus der Hauptregelung des VAs und stellt keine Nebenbestimmung dar.

V. Bedingung

Auch die Bedingung fügt wie die Befristung keine neue inhaltliche Regelung hinzu, sondern macht wie die Befristung den Eintritt der Wirksamkeit des VAs von einem Ereignis abhängig. Dabei stellt die Bedingung nicht an einen bestimmten Termin fest, sondern an den Eintritt eines Ereignisses.

Bsp.: A ist Eigentümer eines Zulieferbetriebs in der Automobilbranche. Ihm wird von der zuständigen Behörde zur Überbrückung eines finanziellen Engpasses die Zahlung von 100.000 € unter dem Vorbehalt, dass die Zahlung von der Europäischen Kommission genehmigt wird, gewährt.

Die Subventionsbewilligung wird von einem Ereignis in der Zukunft abhängig gemacht. A erhält die Zahlung nur, wenn die Europäische Kommission diese genehmigt. Es steht nicht fest, wann die Kommission die Zahlung genehmigt, noch steht fest, ob die Kommission die Zahlung genehmigt. Es liegt somit eine Bedingung vor.

Die Bedingung kann sowohl als auflösende als auch als aufschiebende Bedingung erlassen werden.

Bsp.: Ein Kraftwerk, das nicht mehr den erforderlichen Vorschriften entspricht, darf nur noch so lange betrieben werden, bis der Neubau fertig gestellt ist (auflösende Bedingung). Die Gaststätte darf erst betrieben werden, wenn ausreichend Toiletten eingebaut sind (aufschiebende Bedingung).

VI. Widerrufsvorbehalt

Wird ein VA mit einem Widerrufsvorbehalt gemäß Art. 36 Abs. 2 Nr. 3 BayVwVfG erlassen, kann die Behörde in der Zukunft den VA widerrufen. Dies verhindert das Entstehen von Vertrauensschutz. Genau genommen stellt der Widerrufsvorbehalt einen Unterfall der auflösenden Bedingung dar, denn der VA ist wirksam bis ein Ereignis, der Widerruf, eintritt. Der Widerrufsvorbehalt stellt einen Widerrufsgrund i.S.d. Art. 49 Abs. 2 S.1 Nr.1 BayVwVfG dar. Zu beachten ist jedoch, dass der Widerrufsvorbehalt keinen generellen willkürlichen Widerruf ermöglicht, sondern nur ein Widerruf zulässig ist, der geboten ist. Ist ein Widerrufsvorbehalt nicht rechtmäßig beigefügt worden, ist fraglich, ob aufgrund dieses Vorbehalts ein Widerruf erfolgen darf.

Wird der VA zu einem späteren Zeitpunkt widerrufen, verliert er gemäß Art. 49 Abs. 4 BayVwVfG mit Wirksamwerden des Widerrufs seine Wirksamkeit.

VII. Auflage

Mit der Auflage wird ein Tun, Dulden oder Unterlassen hoheitlich angeordnet. Die Auflage muss erfüllt werden und kann bei Nichterfüllung zwangsweise durchgesetzt werden. Die Auflage kann nur mit einem begünstigenden VA verbunden werden, da eine Auflage eine Belastung darstellt und es keinen Sinn macht, zu einem nicht begünstigenden VA in Form einer Nebenbestimmung eine weitere Belastung hinzuzufügen. Diese wäre Teil der Hauptregelung. Die Rechtsnatur der Auflage war lange Zeit umstritten. Teilweise wurde sie als eigenständiger VA angesehen. Dem ist jedoch nicht zuzustimmen, da die Auflage zwar eine eigenständige Regelung enthält, aber an den Haupt-VA gebunden ist. Sie ist somit akzessorisch.

Beispiel: A wird eine Baugenehmigung erteilt mit der Auflage, zwei zusätzliche Stellplätze zu bauen.

Die Baugenehmigung ist der Haupt-VA. Die Anweisung zwei zusätzliche Stellplätze zu bauen enthält jedoch eine eigenständige Regelung. Dennoch sind die zwei zusätzlichen Stellplätze nicht isoliert zu betrachten. Denn wenn A von seinem Bauvorhaben ablässt, entfällt auch die Verpflichtung, die zwei Stellplätze zu bauen.

Zu beachten ist, dass mit Auflagen nicht nur öffentliche Interessen verfolgt werden können, sondern auch Interessen Privater. So können durch eine Auflage Interessen betroffener Dritter gesichert werden.

Bsp.: B wird die Baugenehmigung mit der Auflage erteilt, die Böschung zu seinem Nachbarn N hin abzustützen, um zu vermeiden, dass diese auf das Grundstück des N abrutscht.

Nicht als Auflage zu qualifizieren sind Hinweise auf allgemeine gesetzliche Pflichten. Diese ergeben sich aus Gesetz und stellen lediglich eine Wiederholung einer bereits bestehenden Pflicht dar und haben keinen separaten Regelungsinhalt.

VIII. Auflagenvorbehalt

Der Auflagenvorbehalt zielt auf eine Veränderung des VAs nach Erlass ab. Die Behörde behält es sich vor, dem VA zu einem späteren Zeitpunkt eine Auflage beizufügen. Somit wird das Entstehen schutzwürdigen Vertrauens verhindert. Ebenso wie die Auflage selbst, kann der Auflagenvorbehalt notwendigerweise nur mit einem begünstigenden VA verbunden werden. Die später erlassene Auflage hat jedoch keinen Einfluss auf die Wirksamkeit des VAs. Insgesamt ähnelt der Auflagenvorbehalt stark dem Widerrufsvorbehalt.

Zu beachten ist zudem, dass der Auflagenvorbehalt nur notwendig ist, wenn nicht bereits durch das einschlägige Fachrecht eine spätere Auflage zulässig ist.

IX. Abgrenzung

Schwierig erweist sich oftmals die Abgrenzung von Nebenbestimmungen zueinander.

Abzugrenzen von der Befristung ist die Bedingung. Auch die Bedingung stellt auf den Eintritt eines Ereignisses ab. Der Unterschied zwischen der Befristung und der Bedingung ist jedoch, dass die Befristung auf ein Ereignis abstellt, das mit Sicherheit eintreten wird, sich somit also nur auf den Eintritt eines Zeitpunktes bezieht. Die Bedingung stellt jedoch auf den Eintritt eines Ereignisses an sich ab.

Bsp.: A wird im Herbst 2009 eine Baugenehmigung mit dem Zusatz erteilt, er dürfe erst ab März 2010 mit dem Bauen beginnen. B wird eine Baugenehmigung erteilt mit dem Zusatz, er dürfe erst Bauen, wenn die Zufahrtsstraße, über deren Bau der Gemeinderat noch nicht entschieden hat, fertig gestellt ist.

Die Baugenehmigung, die A erteilt wird, hängt von einem Zeitpunkt ab. Sie ist erst wirksam, wenn März 2010 eingetreten ist. Hier ist klar, dass das Ereignis, nämlich der März 2010, eintreten wird. Der Zusatz ist somit eine Befristung. Die Baugenehmigung, die dem B erteilt wird, hängt jedoch von einem Ereignis, der Fertigstellung der Zufahrtsstraße ab. Ob die Zufahrtsstraße wirklich fertiggestellt wird, ist ein in der Zukunft liegendes ungewisses Ereignis. Folglich liegt eine Bedingung vor.

Für die Abgrenzung der Bedingung von der Auflage, hat sich die Merkformel Savignys eingeprägt. Nach Savigny ist der wesentliche Unterschied, dass die Bedingung suspendiert, aber nicht zwingt, während die Auflage zwingt, aber nicht suspendiert. Daraus ergeben sich verschiedene Abgrenzungsmerkmale: Soll die Wirksamkeit der Hauptbestimmung von der Erfüllung der Nebenbestimmung abhängen, liegt eine Bedingung vor. Ist hingegen nicht ersichtlich, was genau die Behörde erzwecken wollte, liegt im Zweifel immer eine Auflage vor, da diese das weniger einschneidende Mittel darstellt. Ebenso ist, wenn die Bedingung unzulässig ist, eine Auflage aber zulässig wäre, immer davon auszugehen, dass die Behörde die zulässige (rechtmäßige) Variante wollte.

Arten von Nebenbestimmungen










X. Rechtsschutz

Der Rechtsschutz gegen Nebenbestimmungen war lange Zeit umstritten, insbesondere wurde über die Frage gestritten, ob gegen Nebenbestimmungen im Wege der Verpflichtungs- oder Anfechtungsklage vorgegangen werden muss.

Eine Ansicht geht davon aus, dass bei Nebenbestimmungen grundsätzlich Verpflichtungsklage auf Erlass eines neuen VAs ohne Nebenbestimmung erhoben werden muss. Gegen diese Ansicht ist jedoch einzuwenden, dass dies nicht dem Rechtsschutzinteresse des Bürgers entspricht. Der Bürger möchte nicht gegen den gesamten VA vorgehen, sondern lediglich gegen die Nebenbestimmung. Eine zweite Ansicht stellt bei der Wahl der Klageart auf die Art der Nebenbestimmung ab. Danach war gegen die Auflage die isolierte Anfechtung statthaft und gegen die Befristung und Bedingung die Verpflichtungsklage auf Erlass eines VAs ohne Nebenbestimmung. Begründung für diese Differenzierung war, dass die Auflage im Gegensatz zur Bedingung und Befristung eine größere Eigenständigkeit zukommt. Problematisch an dieser Differenzierung war jedoch, dass auch die Auflage oft einen engen Bezug zur Hauptregelung aufweist und es demnach nicht ersichtlich ist, warum dieser mit der Anfechtungsklage angegriffen werden soll und die Bedingung und Befristung mit einer Verpflichtungsklage. Zudem konnte besonders bei Ermessensentscheidungen nicht wirklich deutlich gemacht werden, warum die Auflage weniger mit der Hauptregelung verbunden sein sollte als die Bedingung oder Befristung. Eine dritte Ansicht unterscheidet, ob es sich um einen Ermessens-VAs oder eine gebundene Entscheidung handelt. Diese Ansicht sieht bei der isolierten Anfechtung von Nebenbestimmungen bei Ermessensentscheidungen das Problem, dass der Behörde ein VA aufgedrängt wird, den sie vielleicht ohne die Nebenbestimmung gar nicht erlassen hätte. Eine vierte Ansicht geht grundsätzlich im Wege der isolierten Anfechtung gegen Nebenbestimmungen vor, sofern sie vom Haupt-VA trennbar sind. Für diese Ansicht spricht, dass § 113 Abs. 1 S.1 VwGO die Möglichkeit der Teilanfechtung vorsieht. Nach diesem kann ein VA aufgehoben werden, soweit er rechtswidrig ist und der Kläger in seinen Rechten verletzt ist. Darüber hinaus machte das BVerwG in seiner neueren Rechtsprechung deutlich, dass generell gegen belastende Nebenbestimmungen im Wege der Anfechtungsklage vorgegangen werden kann, auch bei Ermessensentscheidungen. Ob eine isolierte Aufhebbarkeit jedoch überhaupt möglich ist, ist eine Frage der Begründetheit, es sei denn eine isolierte Aufhebbarkeit ist offensichtlich unmöglich.

Die Prüfung der Begründetheit der Klage erfolgt demnach in folgenden Schritten:

1. Rechtswidrigkeit der Nebenbestimmung

2. Bleibt nach Aufhebung der Nebenbestimmung die Hauptregelung noch sinnvoll?

Zu beachten ist, dass bei einer isolierten Anfechtung der Nebenbestimmung der Suspensiveffekt eintritt und der Bürger somit zunächst bis Abschluss des Gerichtsverfahrens den VA ohne die Nebenbestimmung erhält. Dem kann jedoch mit der Anordnung des Sofortvollzugs begegnet werden.

Beim Prüfungsmaßstab ist zu beachten, dass bei Ermessensentscheidungen auch die gerichtliche Kontrolle der Nebenbestimmung den Vorschriften des § 114 VwGO unterliegt.

XI. Sonderfall modifizierende Auflage

Umstritten im Bereich der Nebenbestimmungen ist die modifizierende Auflage. Eine modifizierende Auflage liegt vor, wenn der beantragte Verwaltungsakt durch die Auflage so verändert wurde, dass er nicht mehr dem ursprünglichen VA entspricht. Fraglich ist jedoch, ob bei einer Bestimmung, die die Hauptbestimmung eines VAs wesentlich verändert, überhaupt noch von einer Auflage bzw. Nebenbestimmung gesprochen werden kann. Wesen einer Nebenbestimmung ist, dass diese neben der Hauptbestimmung steht, und nicht die Hauptbestimmung an sich verändert. Die modifizierende Auflage verändert jedoch gerade die Hauptbestimmung.

Bsp.: A beantragt bei der Baubehörde eine Baugenehmigung für ein Haus mit Flachdach. Ihm wird die Baugenehmigung mit der Auflage erteilt, ein Satteldach zu bauen.

Die vorliegende Baugenehmigung entspricht nicht der beantragten. A wollte die Baugenehmigung für ein Haus mit Flachdach, hat aber die Baugenehmigung für ein Satteldach bekommen. Damit hat die Behörde nicht nur eine Nebenbestimmung hinzugefügt, sondern die Hauptbestimmung verändert. Denn ein Haus mit Satteldach ist etwas vollkommen anderes als ein Haus mit Flachdach. Anders gestaltet sich der Fall, wenn eine Baugenehmigung mit der Auflage erteilt wird, Parkplätze zu bauen. Die Baugenehmigung für das Haus wurde erteilt. Es wurde nur zusätzlich gefordert, auch Parkplätze zu bauen. In diesem Fall wurde die Hauptbestimmung wie beantragt erteilt, es wurde lediglich eine separate Nebenbestimmung hinzugefügt.

Mittlerweile haben sich sowohl Rechtsprechung als auch Literatur von dem Begriff der modifizierenden Auflage abgewandt, insbesondere spielt diese keine Rolle mehr für die Frage des Rechtsschutzes. Wird ein VA mit einer wesentlichen Veränderung gegenüber des beantragten VAs erlassen, handelt es sich nicht um den beantragten VA mit einer Nebenbestimmung sondern um einen anderen VA. Infolgedessen ist die Verpflichtungsklage auf Erlass des beantragten VAs die statthafte Klageart.

§ 11 Der öffentlich-rechtliche Vertrag nach Art. 54 ff. BayVwVfG

Die Handlungsmöglichkeiten der Verwaltung sind nicht auf den in den vorangegangenen Kapiteln beschriebenen Verwaltungsakt beschränkt. Die Behörden haben vielmehr die Möglichkeit sich einvernehmlich mit dem betroffenen Bürger zu einigen und einen öffentlich-rechtlichen Vertrag mit ihm abzuschließen. Bevor dessen Voraussetzungen näher erläutert werden, soll der Blick zunächst auf die rechtlichen Grundlagen und die Bedeutsamkeit vertraglicher Regelungen im öffentlichen Recht gerichtet werden.

I. Rechtsgrundlagen und Bedeutung

Die wichtigsten Regelungen zum öffentlich-rechtlichen Vertrag finden sich in Art. 54 ff. BayVwVfG. Dort werden nicht nur die grundlegenden Prinzipien festlegt, sondern es erfolgt in Art. 62 BayVwVfG auch eine zentrale Verweisung auf die entsprechende Anwendung der Vorschriften des BGB. Es muss aber immer im Einzelfall geprüft werden, ob eine Analogie in Betracht kommt. Daneben sind aus dem BayVwVfG noch die Normen zur örtlichen Zuständigkeit (Art. 3 BayVwVfG) und zum Verwaltungsverfahren (Art. 9 ff. BayVwVfG) anwendbar, soweit sie sich nicht ausdrücklich auf den Verwaltungsakt beschränken (etwa Art. 28 BayVwVfG).

Daneben enthalten mehrere Gesetze Sonderregelungen zum öffentlich-rechtlichen Vertrag. Zum einen finden sich in den Verfahrensvorschriften des Sozialgesetzbuchs in §§ 53-61 SGB X Vorschriften über den Verwaltungsvertrag im Sozialrecht, die bis auf eine Ausnahme den Normen in Art. 54 ff. BayVwVfG entsprechen. Zum anderen ergeben sich auch im Baurecht Sondervorschriften zum Verwaltungsvertrag. Dort wird beispielsweise in § 11 BauGB bestimmt, welche Inhalte für einen städtebaulichen Vertrag in Frage kommen und welche weiteren Voraussetzungen der Vertrag erfüllen muss. Im Steuerrecht findet sich dagegen lediglich in § 78 der Abgabenordnung eine Regelung zum Verwaltungsvertrag. Jedoch sind auch hier nach allgemeinen Grundsätzen, das heißt soweit gesetzliche Vorschriften nicht entgegenstehen, öffentlich-rechtliche Verträge möglich. So können zum Beispiel keine Verträge über die Festsetzung der Steuer abgeschlossen werden, da insoweit § 155 Abs. 1 der Abgabenordnung festlegt, dass der Steuerbescheid nur durch Verwaltungsakt ergehen kann. Eine vertragliche Regelung über die Art und Weise der Steuerzahlung ist hingegen durchaus möglich.

Wie sich im Umkehrschluss aus § 40 Abs. 2 S. 1 VwGO ergibt, steht bei Streitigkeiten über Ansprüche aus dem öffentlich-rechtlichen Vertrag der Verwaltungsrechtsweg grundsätzlich offen. Insbesondere können hier Leistungsstörungsrechte wie etwa Schadensersatz aus vertraglicher Haftung entsprechend dem zivilrechtlichen Vertrag geltend gemacht werden. Für die Kündigung oder die Störung der Geschäftsgrundlage ist allerdings Art. 60 BayVwVfG zu beachten.

Der öffentlich-rechtliche Vertrag findet in der Verwaltung mehr und mehr Anwendung. Während früher seine Zulässigkeit noch umstritten oder zumindest begrenzt war, ist er heute allgemein anerkannt und ein dem Verwaltungsakt gleichberechtigtes Handlungsinstrument. Er ermöglicht der Verwaltung flexibel zu handeln und der Besonderheit atypischer Fälle gerecht zu werden. Die Verwaltung begibt sich auf eine Ebene mit dem Bürger und begreift diesen als selbstständiges Rechtssubjekt und Partner der Behörden. Der öffentlich-rechtliche Vertrag entspricht somit einer modernen Staatsverwaltung, die es dem Bürger erlaubt aktiv an der Ausgestaltung verwaltungsrechtlicher Rechtsverhältnisse mitzuarbeiten.

Gleichwohl ist der Anwendungsbereich des öffentlich-rechtlichen Vertrags nicht unbegrenzt. Vielmehr ist die Verwaltung wie bei anderen Handlungsformen an Recht und Gesetz gebunden. Entgegen der im Zivilrecht geltenden Privatautonomie steht es der Verwaltung somit nicht in jedem Fall frei sich einer vertraglichen Regelung zu bedienen. In diesem Feld liegt daher in der Regel auch der Schwerpunkt der zu prüfenden Probleme eines öffentlich-rechtlichen Vertrags.

II. Begriff und Abgrenzung des öffentlich-rechtlichen Vertrages

Der öffentlich-rechtliche Vertrag wird in Art. 54 S. 1 BayVwVfG legal definiert. Demnach versteht man unter einem Verwaltungsvertrag im Sinne der Art. 54 ff. BayVwVfG ein Rechtsverhältnis auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts, das durch den Vertrag begründet, geändert oder aufgehoben wird.

a) Für den Begriff des Vertrags gelten über Art. 62 S. 2 BayVwVfG die im Zivilrecht einschlägigen Grundsätze der §§ 145 ff. BGB. Folglich müssen zwei übereinstimmende, mit Bezug auf einander abgegebene Willenserklärungen (Angebot und Annahme) seitens der Vertragsparteien vorliegen. Die Erklärungen müssen darauf abzielen, eine von den Vertragspartnern beabsichtige rechtliche Wirkung herbeizuführen. Ohne diese Einigung kommt ein öffentlich-rechtlicher Vertrag nicht in Betracht. Der grundlegende Typus des öffentlich-rechtlichen Vertrags sieht demnach als Vertragspartner ein Rechtssubjekt des öffentlichen Rechts auf der einen und eine Privatperson auf der anderen Seite vor. So kann beispielsweise in einem Vertrag festgehalten werden, dass der Bürger sich zur Errichtung einer öffentlichen Straße auf seine Kosten verpflichtet und die Gemeinde ihm dafür eine Baugenehmigung für sein Vorhaben erteilt. Daneben besteht auch die Möglichkeit, dass ausschließlich Rechtssubjekte des öffentlichen Rechts beteiligt sind. Dies ist etwa dann der Fall, wenn eine Gemeinde mit einer anderen Gemeinde vertragliche Absprachen über den Betrieb einer öffentlichen Einrichtung trifft. Schließlich können auch zwei Privatpersonen einen öffentlich-rechtlichen Vertrag schließen, wenn dies ausnahmsweise gesetzlich erlaubt ist. So bietet etwa § 110 BauGB im Enteignungsverfahren die Möglichkeit eines öffentlichen-rechtlichen Vertrages, wenn sowohl der Begünstigte und als auch der Betroffene Privatpersonen sind.

Am Begriff des Vertrages lässt sich der öffentlich-rechtliche Vertrag vom Verwaltungsakt abgrenzen. Während bei einem Verwaltungsakt die Behörde eine einseitige Verfügung erlässt, wird der öffentlich-rechtliche Vertrag im Einvernehmen zwischen der Privatperson und der Verwaltung abgeschlossen.

Daran ändert sich auch nichts, wenn es sich um einen zustimmungsbedürftigen Verwaltungsakt handelt. Hier muss der Betroffene zwar seine Zustimmung zum Erlass des Verwaltungsakts geben. Die Behörde erlässt immer noch eine einseitige Regelung, da durch die Zustimmung nur erreicht werden soll, dass der Verwaltungsakt dem Bürger nicht aufgedrängt wird. Die Erklärung des Betroffenen ist demnach nur Rechtmäßigkeits- bzw. Wirksamkeitsvoraussetzung, nicht aber – wie beim öffentlich-rechtlichen Vertrag - Voraussetzung für das Vorliegen der Regelung und damit des Verwaltungsakts an sich. Im Einzelfall ist durch Auslegung des erklärten Willens der Beteiligten zu ermitteln, welcher Regelungstyp vorliegend angewandt wurde. Gleiches gilt entsprechend für die Abgrenzung zwischen öffentlich-rechtlichem Vertrag und der Zusage durch Verwaltungsakt.

Da die noch folgenden Merkmale auch beim Verwaltungsakt eingehalten werden müssen, bleibt die vertragliche Ausgestaltung einziges und damit entscheidendes Abgrenzungskriterium zwischen dem Verwaltungsakt und dem öffentlich-rechtlichen Vertrag.

b) Der öffentlich-rechtliche Vertrag bezieht sich nach Art. 54 BayVwVfG nur auf Rechtsverhältnisse, die auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts erfolgen. Bei diesem Merkmal gilt dasselbe, was zum Verwaltungsakt ausgeführt wurde (vgl. § 4 Kapitel VI). Ein Abschluss eines solchen Vertrages beschränkt sich daher auf die öffentlich-rechtliche Verwaltungstätigkeit. Insbesondere sind staatsrechtliche Verträge, zum Beispiel zwischen dem Bund und den Ländern, und völkerrechtliche Verträge, etwa internationale Abkommen, nicht unter dem Begriff des öffentlich-rechtlichen Vertrags zu fassen. Auch kirchenrechtliche Verträge, sei es innerhalb der Kirchen, sei es mit dem Staat, fallen nicht in diese Kategorie.

Daneben wird der öffentlich-rechtliche Vertrag durch die Bezugnahme auf das öffentliche Recht vom zivilrechtlichen Vertrag abgegrenzt. Hier ist vor allem zu beachten, dass die Behörden sowohl öffentlich-rechtlich als auch zivilrechtlich tätig werden können (vgl. § 2). Demnach greifen bei der Abgrenzung vertraglichen Handelns die allgemeinen Grundsätze zwischen öffentlichem und privatem Recht. Die Rechtsnatur des Vertrages ist objektiv nach dessen Gegenstand zu klären. Der vertragliche Inhalt muss sich auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts bewegen. Die handelnden Rechtssubjekte allein geben somit keinen Aufschluss über den Gegenstand des Vertrages. Bei gemischten Verträgen ist nach der überwiegenden Ansicht eine einheitliche Betrachtungsweise heranzuziehen. Entscheidend für die Zuordnung zum Zivil- oder zum öffentlichen Recht ist daher der jeweilige Schwerpunkt des Vertrages. So ist ein Vertrag dem öffentlichen Recht zuzurechnen, wenn sich der Bürger zwar verpflichtet einen Geldbetrag an die Gemeinde zu leisten, im Gegenzug ihm aber eine Amtshandlung zugesagt wird. Die wesentliche Grundlage des Vertrags liegt hier in der behördlichen Handlung, so dass dessen Schwerpunkt als öffentlich-rechtlich anzusehen ist. Eine Mindermeinung will hingegen Mischverträge in einen öffentlich-rechtlichen und einen privatrechtlichen Teil aufspalten. Dies hätte aber die Anwendung unterschiedlicher Vorschriften und impraktikable Vorgänge zur Folge, weshalb dieser Ansicht nicht gefolgt werden sollte.

c) Letztes Kriterium des Art. 54 S. 1 BayVwVfG für das Vorliegen eines öffentlich-rechtlichen Vertrages ist die Begründung, Aufhebung oder Änderung eines Rechtsverhältnisses. Es können daher sowohl das erstmalige Zustandekommen als auch die inhaltliche Umgestaltung eines bestehenden sowie die Beseitigung eines Rechtsverhältnisses Vertragsgegenstand sein. Der Vertragsgegenstand kann materiell-rechtlicher, verfahrensrechtlicher oder prozessrechtlicher Art sein. Ein Rechtsverhältnis in diesem Sinne stellt einen konkreten Einzelfall dar, der sich auch auf künftige oder bloß mögliche Sachverhalte beziehen kann.

III. Arten öffentlich-rechtlicher Verträge

Das Verwaltungsrecht kennt unterschiedliche Arten öffentlich-rechtlicher Verträge. Zum einen muss zwischen subordinations- und koordinationsrechtliche Verträge differenziert werden. Zum anderen muss auch eine Abgrenzung von Verpflichtungs- und Verfügungsverträgen vorgenommen werden. Daneben werden abstrakte und kausale Verträge unterschieden. Schließlich gilt es noch die sogenannten „benannten“ Verträge in Art. 55 und 56 BayVwVfG zu untersuchen.

a) Subordinationsrechtliche Verträge sind durch ein Über- und Unterordnungsverhältnis zwischen den Vertragspartnern geprägt. Die Regelung wird zwischen Behörden auf der einen und Privatpersonen oder juristischen Personen des öffentlichen Rechts auf der anderen Seite getroffen. Ihnen liegt zu Grunde, dass sie an Stelle eines Verwaltungsakts mit dem Bürger abgeschlossen werden können. Der Vertrag kann sowohl als Ersatz für einen Verwaltungsakt dienen als auch Vorbereitungsmaßnahmen für einen Verwaltungsakt einleiten. Ein subordinationsrechtlicher Vertrag ist beispielsweise die vertragliche Verpflichtung der Behörden eine Baugenehmigung zu erteilen, um vom Betroffenen Bürger einen Bau einer Zufahrtsstraße zum Grundstück erhalten.

Koordinationsrechtliche Verträge werden dagegen zwischen gleichgeordneten Vertragspartnern, insbesondere mehreren öffentlichen Verwaltungsträgern, abgeschlossen. Sie beziehen sich auf Rechtsverhältnisse, die nicht durch Verwaltungsakt geregelt werden können. Ein koordinationsrechtlicher Vertrag liegt etwa dann vor, wenn zwei Gemeinden sich darüber einigen eine öffentliche Einrichtung gemeinsam zu betreiben. Daneben fallen unter diese Kategorie auch öffentlich-rechtliche Verträge zwischen Privatpersonen (vgl. Kapitel II a).

Koordinationsrechtliche Verträge werden entgegen den subordinationsrechtlichen, auf die Art. 54 S. 2 BayVwVfG zumindest hinweist, nicht ausdrücklich im BayVwVfG erwähnt. Die Abgrenzung der beiden Vertragstypen ist jedoch allgemein anerkannt. Zu beachten ist, dass gewisse Vorschriften der Art. 55 ff. BayVwVfG ausdrücklich auf Art. 54 S. 2 BayVwVfG verweisen und daher nur bei subordinationsrechtlichen Verträgen Anwendung finden.

b) Verpflichtungs- und Verfügungsverträge sind nach ihrem Inhalt zu unterscheiden. Ein Verpflichtungsvertrag ist dann gegeben, wenn sich ein oder beide Vertragsparteien zu einer noch zu erbringenden Leistung verpflichten. Der jeweilige andere Vertragspartner hat dann einen Anspruch auf Erfüllung der Leistung. Ein Verfügungsvertrag liegt dagegen vor, wenn sich unmittelbar die Begründung, Aufhebung oder Änderung eines Rechtsverhältnisses aus dem Vertrag ergibt. In der Regel ist hierfür ein wirksamer Verpflichtungsvertrag notwendig. Die Verpflichtung kann sich aber auch aus einer gesetzlichen oder sonst begründeten Pflicht ergeben.

c) Abstrakte und kausale Verträge werden danach unterschieden, ob der Rechtsgrund im Vertrag als Bestandteil enthalten ist. Bei rechtswirksamen kausalen Verträgen beinhaltet der Vertrag den Rechtsgrund. Das heißt, wenn der Vertrag unwirksam ist, ist die Leistung rechtsgrundlos erfolgt und kann zurückgefordert werden. Dagegen liegt dem abstrakten Vertrag zu Grunde, dass er unabhängig von der Existenz eines kausalen Rechtsgeschäfts zu einer Leistung verpflichtet.

d) Daneben finden sich in Art. 55 und 56 BayVwVfG ausdrückliche Regelungen zu Vergleichs- und Austauschverträgen. Damit wird aber kein numerus clausus öffentlich-rechtlicher Verträge begründet, sondern nur der Häufigkeit der Formen Rechnung getragen. Sie beziehen sich beide auf Art. 54 S. 2 BayVwVfG und sind daher grundsätzlich nur bei subordinationsrechtlichen Verträgen unmittelbar anwendbar. Daneben gehen sie Art. 54 S. 1 BayVwVfG als lex specialis vor, sind aber auch nur zulässig, wenn die Vertragsform überhaupt gestattet ist. In der Regel werden beide Vertragstypen als Verpflichtungsverträge ausgestaltet.

Ein Vergleichsvertrag im Sinne des Art. 55 BayVwVfG liegt dann vor, wenn durch gegenseitiges Nachgeben der Vertragspartner eine bestehende Ungewissheit beseitigt wird. Demnach ist Voraussetzung, dass tatsächliche bzw. rechtliche Gesichtspunkte ungewiss sind und diese Unsicherheit nicht oder nicht ohne weiteres beseitigt werden kann. Weiterhin müssen beide Vertragspartner Zugeständnisse machen, um die Situation letztendlich zu bereinigen. Beispielsweise ist ein Vergleichsvertrag gegeben, wenn nicht klar ist, ob dem Bürger ein Anspruch auf 1000 oder 2000 € gegen die Behörde zusteht und sich die Beteiligten daraufhin auf einen Anspruch in Höhe von 1500 € einigen.

Bei einem Austauschvertrag im Sinne des Art. 56 BayVwVfG erbringt zumindest ein Vertragspartner eine öffentlich-rechtliche Leistung, um vom anderen eine bestimmte Gegenleistung zu erhalten, an der ein Verwaltungsinteresse besteht. Es werden demnach beide Parteien gegenseitig verpflichtet, wobei kein synallagmatisches Verhältnis im Sinne der §§ 320 ff. BGB vorliegen muss. Der Austauschvertrag ist nur unter den Voraussetzungen zulässig, dass die Gegenleistung für einen bestimmten Zweck vereinbart ist, der Erfüllung öffentlicher Aufgaben dient, angemessen ist und im sachlichen Zusammenhang mit der vertraglichen Leistung steht. Dieses sogenannte Kopplungsverbot soll verhindern, dass ein Ausverkauf von Hoheitsrechten stattfindet. Ein Fall des Austauschvertrages liegt etwa vor, wenn der Bauherr einen Parkplatz errichtet und die Gemeinde ihm dafür nach § 31 Abs. 2 BauGB eine Befreiung vom Bebauungsplan erteilt (sogenannter Baudispensvertrag).

Nachdem die Grundlagen des öffentlich-rechtlichen Vertrages erörtert wurden, sollen im weiteren Verlauf die rechtlichen Voraussetzungen und die Konsequenzen ihrer Missachtung erläutert werden.

IV. Rechtmäßigkeit des öffentlich-rechtlichen Vertrages

Der öffentlich-rechtliche Vertrag ist an bestimmte Voraussetzungen gebunden, die sich nicht in Fragen der Zulässigkeit der Vertragsform erschöpfen. Vielmehr ist wie beim Verwaltungsakt auf die formelle und materielle Rechtmäßigkeit einzugehen. Zunächst ist daher auf die Besonderheiten des öffentlich-rechtlichen Vertrags im Rahmen der Zuständigkeit, des Verfahrens und der Form einzugehen.

a) Zuständigkeit

Die Verwaltung ist auch beim Abschluss eines öffentlich-rechtlichen Vertrags an die gesetzlichen Kompetenzvorgaben gebunden. Diese richten sich nach den allgemeinen Regeln, so dass insoweit auf die Ausführungen zum Verwaltungsakt verwiesen werden kann. (vgl. § 5 Kapitel I).

b) Verfahren

Die Regelungen über das Verwaltungsverfahren in den Art. 9 ff. BayVwVfG sind bei öffentlich-rechtlichen Verträgen insoweit anwendbar (vgl. dazu § 5 Kapitel II), solange sie sich nicht ausdrücklich auf den Verwaltungsakt beschränken. So findet etwa keine Anhörung nach Art. 28 BayVwVfG statt, da diese Vorschrift das Vorliegen eines Verwaltungsakts voraussetzt.

Daneben enthält Art. 58 BayVwVfG eine besondere Verfahrensregel für öffentlich-rechtliche Verträge. Demnach bedarf ein Vertrag nach Art. 58 Abs. 1 BayVwVfG dann der schriftlichen Zustimmung eines Dritten, wenn er in dessen Rechte eingreift. Ein Vertrag zu Lasten eines unbeteiligten Dritten ist wie ein drittbelastender Verwaltungsakt von dem Einverständnis des Betroffenen abhängig. Relevant wird dies beispielsweise, wenn sich die Baubehörde in einem Baudispensvertrag zum Erlass eines Baugenehmigung nach § 31 Abs. 2 BauGB verpflichtet, der in die Rechte des Nachbarn eingreift. Hier müssen die Rechte des Nachbarn gewahrt werden, was zur Folge hat, dass der Nachbar seine Zustimmung zu diesem Vertrag erklären muss.

Dies gilt nach Art. 58 Abs. 2 BayVwVfG auch, falls eine andere Behörde mitwirkungsberechtigt ist. Als Beispiel kann das gemeindliche Einvernehmen in § 36 Abs. 1 S. 1 BauGB angeführt werden. Hier muss die Gemeinde ihre Zustimmung zur Baugenehmigung gegenüber der Baubehörde erklären, wenn diese sich vertraglich zum Erlass der Baugenehmigung verpflichtet hat. Da ohne das Einvernehmen die Baugenehmigung nicht erteilt werden darf, muss die Gemeinde auch bei einer vertraglichen Verpflichtung zustimmen.

Art. 58 BayVwVfG ist eine Wirksamkeitsvoraussetzung des Vertrags. Soweit eine Zustimmung noch nicht erfolgt ist, ist der öffentlich-rechtliche Vertrag daher schwebend unwirksam. Wenn sie gänzlich unterblieben ist, führt dies zur Nichtigkeit des Vertrages (vgl. dazu Kapitel V).

c) Form

Anders als die formlos möglichen Verwaltungsakte (vgl. Art. 37 Abs. 2 BayVwVfG) bedürfen öffentlich-rechtliche Verträge nach Art. 57 BayVwVfG grundsätzlich der Schriftform. Wie sich aus Art. 62 S. 2 BayVwVfG i.V.m. § 126 BGB ergibt, müssen dazu beide Vertragspartner auf einem Schriftstück handschriftlich unterschreiben. Das Schriftformerfordernis schließt eine strengere Form aber nicht aus, wie sich aus Art. 57 Hs. 2 BayVwVfG ergibt. So sind etwa öffentlich-rechtliche Verträge über Grundstücke nach Art. 62 S.2 BayVwVfG i.V.m. § 311 b Abs. 1 BGB notariell zu beurkunden. Zu beachten ist, dass bei alltäglichen Massengeschäften der Verwaltung, wie etwa der Eintritt in ein Museum, ein schriftlicher Vertrag durch die Satzung ausgeschlossen sein kann. In der Regel dürfte in der Benutzungsabrede auch kein öffentlich-rechtlicher Vertrag gesehen werden, sondern nur ein Verwaltungsakt auf Zugang zu der öffentlichen Einrichtung.

Ein Verstoß gegen das Schriftformgebot führt gemäß Art. 59 Abs. 1 BayVwVfG i.V.m. § 125 S. 1 BGB zur Nichtigkeit des öffentlich-rechtlichen Vertrags (vgl. dazu Kapitel V).

Die sich anschließenden Fragen der materiellen Rechtmäßigkeit lassen sich im Wesentlichen auf Art. 54 S. 1 BayVwVfG zurückführen. Die Norm gibt der Verwaltung ausdrücklich die gesetzliche Ermächtigung zum Abschluss öffentlich-rechtlicher Verträge, solange Rechtsvorschriften nicht entgegenstehen. Der öffentlich-rechtliche Vertrag steht folglich nicht unter dem Vorbehalt des Gesetzes, sondern er hat nur den Vorrang des Gesetzes zu beachten. Für die Prüfung hat dies zur Konsequenz, dass allein geklärt werden muss, ob der öffentlich-rechtliche Vertrag im Einklang mit dem geltenden Recht steht.

In der Folge ist daher zunächst darauf einzugehen, ob die Verwaltung überhaupt durch öffentlich-rechtlichen Vertrag handeln durfte. Danach ist zu prüfen, ob Vorschriften des BayVwVfG, insbesondere die besonderen Vertragsregelungen für Vergleichs- und Austauschverträge in Art. 55 und 56, sowie weiterer Normen des Verwaltungs- und Verfassungsrechts außerhalb des BayVwVfG inhaltlich entgegenstehen.

d) Zulässigkeit der Handlungsform

Grundsätzlich steht es nach Art. 54 S. 1 BayVwVfG im Ermessen der Behörde, ob sie nach sachgerechter Abwägung im Einzelfall mittels eines Vertrags handelt. Dies gilt, solange nicht das Gesetz die Vorschriften über den öffentlich-rechtlichen Vertrag, für unanwendbar erklärt, wie es sich beispielsweise in Art. 2 Abs. 3 Nr. 2 BayVwVfG für Leistungs-, Eignungs- und ähnlichen Prüfungen findet. Es genügt daher nicht, wenn im Gesetz der Verwaltungsakt als mögliches Handlungsinstrument genannt wird. Entgegenstehende Rechtsvorschriften im Sinne des Art. 54 S. 1 BayVwVfG umfassen aber nicht nur ausdrückliche Verbote, wie etwa die unzulässige vertragliche Verpflichtung einer Gemeinde zur Aufstellung eines Bauleitplans in § 1 Abs. 3 BauGB, sondern auch Normen, die nach ihrem Sinn und Zweck die Form des öffentlich-rechtlichen Vertrags ausschließen. Zum Beispiel ist die Ernennung eines Beamten oder die Einbürgerung eines Asylbewerbers aufgrund ihrer weitreichenden Entscheidung in vertraglicher Form nicht erlaubt. Dies lässt sich aus den jeweils einschlägigen Vorschriften im Beamten- bzw. Einbürgerungsrecht ersehen. Die Behörde kann insbesondere dann keinen Vertrag mit dem Bürger abschließen, wenn das Gesetz das Handeln durch Verwaltungsakt ausdrücklich vorschreibt oder sich ein solches aus den Umständen ergibt. So sieht beispielsweise § 155 Abs. 1 AO für die Festsetzung der Steuerlast ausdrücklich einen Verwaltungsakt vor.

Ein Verstoß gegen ein Formverbot führt gemäß Art. 59 Abs. 1 BayVwVfG i.V.m. § 134 BGB zur Nichtigkeit des Vertrages (vgl. dazu Kapitel V).

e) Vereinbarkeit mit Art. 55 BayVwVfG

Bei Vergleichsverträgen sind die gesetzlichen vorgeschriebenen Voraussetzungen einzuhalten (vgl. Kapitel III d). Die Rechtmäßigkeit des Vertrages ist demnach gewahrt, wenn dem Vertrag ein gegenseitiges Nachgaben zu Grunde liegt, um eine rechtliche oder sachliche Ungewissheit zu beseitigen. Dies kann unter Umständen zur Folge haben, dass sich später die wirkliche Rechts- oder Sachlage doch noch herausstellt und der Vertrag mithin rechtswidrig wäre. Dies wird jedoch beim Vergleichsvertrag hingenommen, um einer langwierigen Untersuchung oder einem gerichtlichen Prozess vorzubeugen. Aus diesem Grund führt ein Verstoß gegen die Voraussetzungen des Art. 55 BayVwVfG nach Art. 59 Abs. 2 Nr. 3 BayVwVfG ausnahmslos zur Nichtigkeit des Vertrages.

f) Vereinbarkeit mit Art. 56 BayVwVfG

Für die Rechtmäßigkeit eines Austauschvertrages muss die Gegenleistung des Vertragspartners für einen bestimmten Zweck und zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben vereinbart werden. Diese Voraussetzungen sind meist ohne weiteres gegeben, da der Verwaltung die Erfüllung öffentlicher Aufgaben obliegt. Weiterhin muss die Gegenleistung nach Art. 56 Abs. 1 S. 2 BayVwVfG in einem angemessenen Verhältnis zur Leistung stehen. Hier ist insbesondere zu beachten, dass die Leistung der Verwaltung meist in einer nicht bezifferbaren Genehmigung liegt und ein Vergleich von Leistung und Gegenleistung kaum möglich ist. In der Regel kann aber von der Angemessenheit ausgegangen werden, da sich der Vertragspartner bewusst auf den Vertragsschluss eingelassen hat. Schließlich gemäß muss Art. 56 Abs. 1 S. 2 BayVwVfG ein sachlicher Zusammenhang zwischen der Leistung der Behörde und der Gegenleistung bestehen. Hier liegt regelmäßig der Schwerpunkt der Prüfung. Das sogenannte Kopplungsverbot schließt eine sachfremde Gegenleistung aus. Es genügt daher nicht, dass der Betroffene sich nur zu einer Geldleistung verpflichtet. Vielmehr muss die Verwendung eventuell zu leistender finanzieller Mittel an eine bestimmte öffentliche Aufgabe gebunden sein. So kann für die Erteilung einer Baugenehmigung beispielsweise kein Zuschuss für den Bau eines Kindergartens als Gegenleistung vereinbart werden. Ein Zusammenhang besteht hingegen dann, wenn die bereitgestellten finanziellen Mittel zur Erschließung des Grundstücks verwendet werden. Zu beachten ist, dass Art. 56 Abs. 2 BayVwVfG für den Fall, dass ein Anspruch auf die behördliche Leistung besteht (gebundene Entscheidung), festlegt, dass nur Gegenleistungen zulässig sind, die auch bei einem Verwaltungsakt als Nebenbestimmung ergehen könnten. Bei einer Baugenehmigung könnte beispielsweise nur eine Gegenleistung vereinbart werden, die auch nach Art. 36 Abs. 1 BayVwVfG möglich wäre. Es müsste sich um eine Vereinbarung handeln, die die Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts sicherstellen will. Ein finanzieller Zuschuss für die Erschließung des Grundstücks ist daher als Gegenleistung zulässig, da die Erschließung nach dem §§ 29 ff. BauGB Voraussetzung für die Erteilung der Baugenehmigung ist. Dagegen kann eine Verpflichtung zum Bau eines Stellplatzes nicht vereinbart werden, da dies – zumindest im vereinfachten Genehmigungsverfahren nach Art. 59 BayBO – nicht Voraussetzung der Rechtmäßigkeit der Baugenehmigung ist.

Ein Verstoß gegen die Voraussetzungen des Art. 56 BayVwVfG führt nach Art. 59 Abs. 2 Nr. 4 BayVwVfG zur Nichtigkeit des Vertrages.

g) Verstoß gegen Normen außerhalb des BayVwVfG

Der öffentlich-rechtliche Vertrag darf auch Vorschriften außerhalb des BayVwVfG nicht widersprechen. Insoweit darf also kein Verstoß gegen verwaltungsrechtliche Vorgaben oder Verfassungsrecht bestehen, um dem Vertrag Rechtmäßigkeit zu verleihen.

Hier gilt es zunächst zwischen einer im Ermessen stehenden und einer gebundenen Entscheidung der Verwaltung zu unterscheiden. Bei einer Ermessensentscheidung steht es der Behörde grundsätzlich frei, ihren Spielraum im Rahmen eines öffentlich-rechtlichen Vertrags auszureizen. Allerdings muss die pflichtgemäße Ausübung des Ermessens eingehalten werden. Es dürfen folglich keine fehlerhaften Ermessensentscheidungen getroffen werden. Bei einer bindenden Entscheidung ist der Handlungsbereich der Verwaltung beschränkt. Sie kann zwar einen öffentlich-rechtlichen Vertrag vereinbaren, hat sich aber zwingend an die gesetzlich vorgegebenen Regelungen zu halten. Auch das Einverständnis des Betroffenen reicht zur Rechtfertigung einer Abweichung nicht aus.

Bei Eingriffen in Grundrechte ist zu prüfen, ob auf das betroffene Recht verzichtet werden kann oder ob es zwingend eingehalten werden muss. Ein Verzicht ist dann möglich, wenn er auch einseitig erklärt werden könnte. Eine staatliche Maßnahme, die mit dem zulässigen Einverständnis des Betroffenen erfolgt, stellt dementsprechend keinen Eingriff dar. Hier ist jeweils auf das im Einzelfall betroffene Grundrecht und dessen Funktion abzustellen. Beim öffentlich-rechtlichen Vertrag werden insbesondere die Berufsfreiheit (Art. 12 GG) und die Eigentumsfreiheit (Art. 14 GG) als disponibel angesehen. Hier wird dem Bürger ein weiter Spielraum auf den Verzicht eines Grundrechts zugestanden, da er durch die Vorschriften der Art. 54 ff. BayVwVfG hinreichend geschützt wird.

V.Fehlerfolgen bei Rechtswidrigkeit eines öffentlich-rechtlichen Vertrages

Wurden Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen eines öffentlich-rechtlichen Vertrags missachtet, stellt sich die Frage, welche Rechtsfolgen durch diese Verletzung ausgelöst werden. Hier ist zunächst - wie auch beim Verwaltungsakt (vgl. § 6) – zwischen der Rechtswidrigkeit und der Rechtswirksamkeit des öffentlich-rechtlichen Vertrags zu unterscheiden, bevor auf die einzelnen Nichtigkeitsgründe und deren Folgen eingegangen werden kann.

a) Rechtswirksamkeit und Rechtswidrigkeit

Rechtswirksamkeit und Rechtswidrigkeit sind – wie beim Verwaltungsakt – getrennt betrachten und ziehen unterschiedliche Konsequenzen nach sich. Grundsätzlich kommt es für das Bestehen und der Durchsetzbarkeit vertraglicher Ansprüche lediglich darauf an, ob der öffentlich-rechtliche Vertrag rechtswirksam ist, nicht hingegen darauf, ob er rechtmäßig ist. Dies kann im Umkehrschluss zu Art. 59 BayVwVfG ersehen werden, der nur bei gewissen Rechtsverstößen die Nichtigkeit des Vertrages bestimmt. Die Rechtswidrigkeit an sich hat also keine unmittelbaren Folgen. Die einzige Fehlerfolge eines rechtswidrigen Vertrags ist dessen Nichtigkeit, soweit Art. 59 BayVwVfG diese Konsequenz vorsieht. Es kann demnach rechtswidrige wirksame Verträge geben, die anders als beim Verwaltungsakt nicht mehr durch den Betroffenen angefochten oder durch die Behörde aufgehoben werden können.

Zu beachten ist, dass stattdessen eine Anfechtung über Art. 62 S. 2 BayVwVfG, §§ 119 ff. BGB möglich ist, da dies gemäß Art. 59 Abs. 1 BayVwVfG i.V.m. § 142 Abs. 1 BGB zur Nichtigkeit des öffentlich-rechtlichen Vertrages führt. Daneben kann die Behörde unter den engen Voraussetzungen des Art. 60 Abs. 1 S. 2 BayVwVfG den Vertrag kündigen, falls sich aus den dem Vertrag zu Grunde gelegten Bedingungen ergibt, dass schwere Nachteile für das Gemeinwohl zu erwarten sind.

Die Regelung des Art. 59 BayVwVfG trifft somit einen sachgerechten Interessenausgleich zwischen dem Prinzip der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung (Art. 20 III GG) und dem Vertrauensschutz in die Verbindlichkeit des Vertrages („pacta sunt servanda“). Zum einen werden schwerwiegende Verstöße über Art. 59 BayVwVfG geahndet. Zum anderen bleibt der öffentlich-rechtliche Vertrag aber bei anderen Rechtswidrigkeitsgründen bestehen und stellt Rechtssicherheit her.

Voraussetzung für die Rechtswirksamkeit eines Anspruchs ist folglich das Nicht-Vorliegen von Nichtigkeitsgründen. Ob der Anspruch tatsächlich bestand hat oder entfällt, richtet sich allein danach, ob die Rechtswidrigkeit des Vertrags auch zu dessen Nichtigkeit führt. Dies ist abschließend in Art. 59 BayVwVfG geregelt und soll im Folgenden näher erläutert werden.

b) Nichtigkeitsgründe

1) Art. 59 Abs. 2 BayVwVfG ist vorrangig zu prüfen, wenn ein subordinationsrechtlicher öffentlich-rechtlicher Vertrag vorliegt. Hier werden spezifische Nichtigkeitsgründe genannt, die nur für diesen Vertragstypus in Betracht kommen. In Nr. 1 wird auf die Nichtigkeitsregelung gemäß Art. 44 BayVwVfG verwiesen. Falls ein Verwaltungsakt mit entsprechendem Inhalt nichtig wäre, führt dies auch zur Nichtigkeit des öffentlich-rechtlichen Vertrags. Nr. 2 bestimmt die Nichtigkeit für den Fall, dass ein entsprechender Verwaltungsakt rechtswidrig wäre, die Rechtswidrigkeit nicht auf einem Verfahrens- oder Formfehler im Sinne des Art. 46 BayVwVfG beruht und beiden Vertragspartner dies bekannt war. So will der Gesetzgeber verhindern, dass bewusst und gewollt gesetzliche Vorschriften umgangen werden. Nach Nr. 3 tritt die Nichtigkeit dann ein, wenn die entsprechenden Voraussetzungen für einen Vergleichsvertrag nicht vorlagen (vgl. dazu Kapitel IV). Entsprechendes legt Nr. 4 zum Austauschvertrag fest, wenn hier eine unzulässige Gegenleistung versprochen wurde (vgl. auch Kapitel IV). Nr. 3 und Nr. 4 dienen somit dazu, die besonderen Voraussetzungen der Art. 55 und 56 BayVwVfG zu garantieren.

2) Art. 59 Abs. 1 BayVwVfG gilt sowohl für koordinationsrechtliche als auch, zusätzlich zu Art. 59 Abs. 2 BayVwVfG, für subordinationsrechtliche öffentlich-rechtliche Verträge. Die Vorschrift verweist generell auf die entsprechend anzuwendenden BGB-Vorschriften zur Nichtigkeit. Daher ist ein öffentlich-rechtlicher Vertrag zum Beispiel dann nichtig, wenn er gegen die gute Sitten verstößt (vgl. § 138 BGB). Weiterhin greift der Nichtigkeitsgrund der Geschäftsunfähigkeit nach § 104 BGB ein, wenn diese in einer der beteiligten natürlichen Personen vorliegt. Daneben führt die Missachtung einer Formvorschrift zur Nichtigkeit des Vertrages (§ 125 S.1 BGB). Dies gilt sowohl für die Schriftform nach Art. 57 BayVwVfG als auch für weitergehende Formvorschriften des BGB, die zum Beispiel in § 311 b Abs. 1 bei Grundstücksgeschäften die notarielle Beurkundung voraussetzen. Ferner wird von der Verweisung auch die Möglichkeit der Anfechtung nach § 142 Abs. 1 BGB mit umfasst. Demnach ist ein öffentlich-rechtliche Vertrag dann nichtig, wenn einer der Vertragsparteien seine Erklärung wegen Irrtums (§ 119 BGB), falscher Übermittlung (§120 BGB) oder arglistiger Täuschung bzw. Drohung (§ 123 BGB) angefochten hat.

Umstritten ist insoweit die Anwendung des § 134 BGB. Würde er mit all seiner Konsequenz von der Verwaltung befolgt werden, wären alle rechtswidrigen öffentlich-rechtlichen Verträge als nichtig anzusehen. Dem Grunde nach ist dies zwar mit der Rechtsordnung vereinbar, da die Behörden die Gesetze beachten müssen und ihnen folglich ein gesetzeswidriges Verhalten untersagt ist (Vorrang des Gesetzes). Art. 59 Abs. 2 BayVwVfG käme dann aber keine Funktion mehr zu und das gesetzgeberische Anliegen, nicht alle Rechtsverstöße für nichtig zu erklären, würde konterkariert. Auf der anderen Seite führt auch eine völlige Unanwendbarkeit des § 134 BGB zur problematischen Folge, dass teilweise schwerste Rechtsfehler nicht zur Unwirksamkeit des Vertrages führen. Eine derartige Handhabe der verfassungsrechtlichen Bindung der Verwaltung an das Gesetz ist aber in diesem großen Umfang nicht möglich.

Im Ergebnis sind sich Literatur und Rechtsprechung daher einig, § 134 BGB grundsätzlich für anwendbar zu halten. Es soll nicht jeder Fall der Rechtswidrigkeit von der Vorschrift umfasst sein. Vielmehr muss ein qualifizierter Rechtsverstoß vorliegen, der sich nach den Kriterien der Erheblichkeit des Fehlers, dem Wortlaut bzw. Zweck der zu schützenden Norm und dem Interesse der Vertragspartner an einem Bestehen oder Nicht-Bestehen des Vertrages bemisst. Es ist folglich eine Abwägung im Einzelfall vorzunehmen. Insbesondere ist dabei darauf zu achten, ob lediglich eine Vertragsmodalität verletzt wurde, was keinen qualifizierten Verstoß darstellen soll, oder ob der Vertragsinhalt der Rechtsordnung grundlegend widerspricht, was aufgrund der Schwere des Verstoßes die Nichtigkeit des Vertrags zur Folge hat.

Zu den Verbotsgesetzen des § 134 BGB wird nach der herrschender Auffassung auch das Vertragsformverbot in Art. 54 S. 1 BayVwVfG gerechnet. Ein Verstoß gegen die Vorschrift führt daher immer zur Nichtigkeit des Vertrages nach Art. 59 Abs. 1 BayVwVfG i.V.m. § 134 BGB.

Schließlich werden zwingende Vorschriften des Europäischen Rechts unter § 134 BGB gefasst. Dem liegt zu Grunde, dass das Gemeinschaftsrecht effektiv durchgesetzt werden muss (sogenannter effet utile) und kein Raum für eine Abwägung bleibt. Die Missachtung der Normen hat demnach die Nichtigkeit des öffentlich-rechtlichen Vertrags nach Art. 59 Abs. 1 BayVwVfG zur Folge. Als Beispiele können die Regelungen zur Gewährung von nationalstaatlichen Subventionen in Art. 87, 88 EGV oder das allgemeine Diskriminierungsverbot in Art. 10 EGV genannt werden.

c) Folgen der Nichtigkeit

Grundsätzlich führt die Nichtigkeit eines öffentlich-rechtlichen Vertrags dazu, dass die vertraglichen Verpflichtungen oder Verfügungen keine rechtliche Wirkung entfalten. Die Vertragsparteien müssen demnach weder die eigene Leistung erfüllen noch können sie die Gegenleistung einfordern.

Ein aufgrund des nichtigen Vertrags erlassener Verwaltungsakt ist rechtswidrig und wird nach den allgemeinen Regeln über die Fehlerfolgen bei Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts behandelt (vgl. § 6).

Sind schon Leistungen aufgrund des Vertrages erbracht worden, sind diese zurückzugewähren. Der Vertragspartei, die die Leistung getätigt hat, steht insoweit ein öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch zu. Dieser richtet sich nach den Grundsätzen der ungerechtfertigten Bereicherung in den §§ 812 ff. BGB. Die Vorschriften sind aber nicht analog anzuwenden, sondern nur im Rechtsgedanken aufzugreifen. Nötig für einen Anspruch sind daher eine Vermögensverschiebung aufgrund eines öffentlich-rechtlichen Rechtsverhältnisses, die ohne rechtlichen Grund – vorliegend der nichtige öffentlich-rechtliche Vertrag - erfolgt ist. Die Rückforderung kann unter Umständen jedoch der Einwand des Rechtsmissbrauchs entgegenhalten werden. Dies gilt etwa dann, wenn der Bürger sich auf den Wegfall der Bereicherung entsprechend § 818 Abs. 3 BGB stützen kann. Für die Verwaltung ist dieser Einwand gegenüber dem Bürger dagegen unzulässig, da für die öffentliche Hand der Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung selbst dann gilt, wenn sie selbst etwas ohne rechtlichen Grund erlangt hat.

Ist nur ein Teil des öffentlich-rechtlichen Vertrags nichtig, greift Art. 59 Abs. 3 BayVwVfG ein. Der Vertrag ist als nichtig anzusehen, sofern nicht anzunehmen ist, dass er auch ohne den nichtigen Teil abgeschlossen worden wäre. Entscheidend ist folglich der mutmaßliche Wille der Vertragsparteien.

§ 12 Rechtsverordnungen, Satzungen und Realakte

Neben den Verwaltungsakten und den öffentlich-rechtlichen Verträgen stehen der Verwaltung noch weitere Handlungsformen offen. Hier sind zum einen Rechtsverordnungen und Satzungen zu erläutern. Zum anderen sind die Realakte zu untersuchen, wobei abschließend noch insbesondere auf Auskünfte, Hinweise und Warnungen eingegangen werden soll.

I. Rechtliche Voraussetzungen einer Rechtsverordnung

Die Rechtsverordnung ist eine Rechtsnorm, die durch die Exekutive erlassen wird. Daher muss - wie beim Verwaltungsakt - eine gesetzliche Grundlage bestehen, in der die Legislative die Möglichkeit für den Erlass einer Rechtsverordnung geschaffen hat. Insoweit gilt auch der Vorrang des Gesetzes. Es ist somit erforderlich, dass die Rechtsverordnung den Anforderungen der Rechtsordnung entspricht, mithin formell und materiell rechtmäßig ist. Eine Rechtsverordnung unterscheidet sich aber dadurch von einem Verwaltungsakt, dass hier nicht nur ein Einzelfall, sondern eine abstrakt-generelle Regelung geschaffen wird. Im Unterschied zum öffentlich-rechtlichen Vertrag wird die Rechtsverordnung nicht einvernehmlich, sondern einseitig durch die Verwaltung erlassen.

a) Ermächtigungsgrundlage

Die erforderliche gesetzliche Ermächtigungsgrundlage muss, soweit sie sich auf den bundesrechtlichen Bereich bezieht, den Anforderungen des Art. 80 Abs. 1 GG entsprechen. In den Landesverfassungen finden sich aber meist ähnliche Regelungen. Soweit diese fehlen, gelten die Grundsätze des Art. 80 Abs. 1 GG entsprechend. Das der Rechtsverordnung zu Grunde liegende Gesetz muss Inhalt, Zweck und Ausmaß hinreichend bestimmen und begrenzen (Bestimmtheitsgebot). Der Gesetzgeber muss folglich selbst festlegen, welche Ausrichtung die zu erlassende Rechtsverordnung später erhält. Dem Verordnungsgeber kommt nur noch die Aufgabe zu, das vorgegebene Ziel auszugestalten und zu konkretisieren. Zweck dieser Regelung ist es, dass schon aus der Rechtsgrundlage gesehen werden kann, wann eine Rechtsverordnung ergehen kann. Letztendlich dient sie damit der Rechtssicherheit. Für die Bestimmtheit der Rechtsverordnung muss das zu Grunde liegende Gesetz bereits zum Zeitpunkt des Erlasses in Kraft getreten sein. Eine nachträgliche Heilung kommt nicht in Betracht. Zu beachten ist schließlich der Parlamentsvorbehalt, der es gebietet, dass alle wesentlichen Entscheidungen vom Gesetzgeber selbst getroffen werden (Wesentlichkeitstheorie). In diesem Fall kann keine Delegation an die Verwaltung ergehen.

b) Formelle Rechtmäßigkeit

Die Zuständigkeit bestimmt sich nach der jeweiligen Rechtsgrundlage. Es obliegt also dem Gesetzgeber festzulegen, wer im Nachhinein die Rechtsverordnung erlassen kann. Eine Übertragung der Ermächtigung auf andere Verwaltungsträger ist in den Grenzen des Art. 80 Abs. 1 S. 4 GG möglich. Dies muss die Rechtsgrundlage aber zulassen und die Weiterdelegation muss in der Form der Rechtsverordnung ergehen.

Das Verfahren bestimmt sich nach dem für den Erlass zuständigen Exekutivorgan. Wenn etwa die Gemeinden zum Erlass einer Rechtsverordnung ermächtigt werden, wird die Rechtsverordnung durch einen Beschluss des Gemeinderats erlassen. Dem zuständigen Verwaltungsträger steht es grundsätzlich frei, ob er die Rechtsverordnung erlässt, wenn sich nicht ausdrücklich aus der Rechtsgrundlage oder aus dem Zusammenhang ergibt, dass er dazu verpflichtet ist. Eine Rechtsverordnung der Bundesregierung ist nach Art. 80 Abs. 3 GG bei zustimmungsbedürftigen Rechtsbereichen von der Zustimmung des Bundesrats abhängig.

Die Rechtsverordnung muss in der Schriftform ergehen und bedarf der Ausfertigung durch den Leiter des Exekutivorgans. Daneben muss nach Art. 80 Abs. 1 S. 3 GG die Rechtsgrundlage angegeben werden (Zitiergebot). Ein Verstoß hiergegen genügt nach der Rechtsprechung für die Rechtswidrigkeit der Rechtsverordnung.

Schließlich muss die Rechtsverordnung wie jede Rechtsnorm verkündet werden. Dies erfolgt in der Regel durch öffentliche Bekanntmachung in Gesetzblättern oder Tageszeitungen. Solange eine Rechtsverordnung nicht dementsprechend veröffentlicht wurde, entfaltet sie keine Rechtswirkungen.

c) Materielle Rechtmäßigkeit

Die Rechtsverordnung muss sich materiell nicht nur im Rahmen der Ermächtigungsgrundlage halten, sondern auch mit allen verfassungsrechtlichen Regelungen übereinstimmen. Demnach ist zu untersuchen, ob die Vorgaben der Ermächtigungsgrundlage beachtet wurden und ob diese für den Erlass der Rechtsverordnung ausreichend ist. Verfassungsrechtlich sind insbesondere die Voraussetzungen des Art. 80 Abs. 1 GG und die Konformität mit den Grundrechten bzw. Verfassungsprinzipien zu prüfen. Wie gesehen steht es grundsätzlich im Ermessen des zuständigen Exekutivorgans, ob er von einer Ermächtigung Gebrauch machen will, außer wenn sich aus der Rechtsgrundlage eine Pflicht zum Erlass ergibt. Insoweit ist hier die Ausübung des Ermessens auf Fehlerfreiheit überprüfbar.

II. Folgen der Rechtswidrigkeit einer Rechtsverordnung

Wenn eine Rechtsverordnung den vorstehenden formellen und materiellen Rechtsmäßigkeitsvoraussetzungen nicht entspricht, ist sie rechtswidrig. Dies hat anders als beim Verwaltungsakt immer zur Folge, dass die Rechtsverordnung nichtig ist und weder von den Bürgern noch von den Behörden beachtet oder angewandt werden muss. Die Feststellung der Rechtswidrigkeit kommt den Behörden indes nach der herrschenden Meinung nicht zu. Ihnen wird aufgrund ihres Antragsrechts aus § 47 Abs. 2 VwGO kein eigenes Entscheidungsrecht über die Rechtswidrigkeit einer Rechtsverordnung zugestanden. Sie müssen also gegebenenfalls das Verfahren aussetzen und die Klärung der Rechtsfrage herbeiführen. Die andere Ansicht stützt die Prüfungskompetenz auf die Gesetzesmäßigkeit der Verwaltung aus Art. 20 Abs. 3 GG, nach der die Behörden nicht sehenden Auges rechtswidrige Normen anwenden können. Die Behörden müssen daher selbst prüfen können, ob eine Rechtsvorschrift anwendbar ist oder nicht.

Gerichtlich können die Landesrechtsverordnungen (nicht Bundesrechtsverordnungen) durch Betroffene oder Behörden nach § 47 VwGO durch die verwaltungsgerichtliche Normenkontrolle überprüft werden, da dies landesrechtlich festgelegt wurde (vgl. Art. 5 BayAGVwGO). Da es sich um ein objektives Rechtsbeanstandungsverfahren handelt, muss der Antragsteller nur eine Rechtsverletzung geltend machen; sie muss aber nicht subjektiv vom Verwaltungsgerichtshof (Oberverwaltungsgericht in Bayern mit Sitz in München, vgl. § 184 VwGO i.V.m. Art. 1 Abs. 1 S.1 BayAGVwGO) festgestellt werden. Eine Rechtsverordnung kann aber auch inzident, etwa im Rahmen einer Anfechtungsklage, gerichtlich überprüft werden. Dies erfordert jedoch, dass bereits aufgrund der Rechtsverordnung konkrete Rechtsakte gegenüber dem Betroffenen ergangen sind.

Soweit § 47 VwGO nicht eingreift, kann die Nichtigkeit der Rechtsverordnung, soweit diese unmittelbar wirkt, mittels der allgemeinen Feststellungsklage nach § 43 VwGO festgestellt werden.

III. Satzungen des öffentlichen Rechts

Öffentliche-rechtliche Satzungen sind von juristischen Personen des öffentlichen Rechts geschaffene Rechtsnormen, die zur Regelung ihrer internen Angelegenheiten dienen. Beispielsweise kann eine Gemeinde Abgabensatzungen nach Art. 2 BayKAG oder eine Universität eine Satzung zur Erhebung von Studienbeiträgen erlassen. Daneben können sich auch Anstalten oder Stiftungen des öffentlichen Rechts Satzungen geben. So kann etwa ein Museum eine Benutzungssatzung für die Besucher erlassen.

Öffentlich-rechtliche Satzungen sind Rechtsverordnungen sehr ähnlich. Sie werden nicht von der Legislative erlassen und sind daher nicht als Gesetze im formellen, aber nur als solche im materiellen Sinn einzuordnen. Im Unterschied zu Rechtsverordnungen werden Satzungen jedoch von Selbstverwaltungsorganen kraft ihrer autonomen Rechtssetzungskompetenz beschlossen. Die Satzung ist aus sich selbst heraus legitimiert. Es bedarf also keiner speziellen gesetzlichen Ermächtigung für den Satzungserlass.

Folglich muss eine Rechtsgrundlage für den Satzungserlass grundsätzlich nicht geprüft werden. Eine Ausnahme besteht bei wesentlichen, grundrechtsbeschränkenden Regelungen. Hier muss der Gesetzgeber selbst eine Norm schaffen, so dass sich eine Rechtsgrundlage für die Satzung ergibt. Ansonsten entsprechen die Prüfungspunkte bei formeller und materieller Rechtmäßigkeit denen der Rechtsverordnung. Zuständig ist das jeweilige Organ des Selbstverwaltungsträgers, etwa der Gemeinderat bei einer Gemeinde. Das Verfahren bestimmt sich ebenso nach den für den jeweiligen Selbstverwaltungskörper einschlägigen Vorschriften. Für die Form muss die Satzung wie auch die Rechtsverordnung schriftlich erlassen und öffentlich verkündet werden. Bei der materiellen Rechtmäßigkeitsprüfung muss, soweit eine Rechtsgrundlage besteht, deren Voraussetzungen überprüft werden. Weiterhin ist die Vereinbarkeit mit dem Grundgesetz, insbesondere die Vereinbarkeit mit Grundrechten, zu untersuchen.

Auch an der gerichtliche Überprüfbarkeit nach § 47 VwGO ändert sich nichts. Ausdrücklich legt § 47 Abs. 1 Nr. 1 VwGO fest, dass der Verwaltungsgerichtshof für die Verwerfung von Satzungen nach dem BauGB zuständig ist. Daneben hat das Gericht nach Art. 5 Abs. 1 BayAGVwGO auch die Verwerfungskompetenz für Satzungen von bayerischen Selbstverwaltungsträgern.

IV. Begriff und rechtliche Bedeutung von Realakten

Unter Realakten werden tatsächliche Verwaltungsmaßnahmen verstanden, die rein faktisch kraft Gesetz und unabhängig vom Willen des Betroffenen eintreten. Teilweise findet sich auch die Bezeichnung als schlichtes oder nichtförmliches Verwaltungshandeln. Realakte zielen nicht auf einen rechtlichen Erfolg ab, sondern wollen einen tatsächlichen Erfolg erreichen. Damit fehlt den Realakten das für Verwaltungsakte typische Element der Regelungswirkung (vgl. § 4 Kapitel VII). Darüber hinaus sind Realakte auch nicht auf Einzelfallgestaltungen beschränkt, sondern können an mehrere Beteiligte gleichzeitig oder allgemein ergehen. Schließlich können Realakte nicht nur einseitig erlassen werden, sondern auch in Absprache mit den Betroffenen zweiseitig ergehen. Zu beachten ist, dass Realakte nicht nur im Verwaltungsrecht, sondern auch im Zivilrecht auftreten können. Daher ist immer im Zusammenhang mit den rechtlichen Grundlagen zu prüfen, welche Art von Realakt tatsächlich vorliegt.

Als Realakte kommen viele unterschiedliche Tätigkeiten in Betracht. Hier lassen sich zwei größere Gruppen bilden: Zum einen die Wissenserklärungen, worunter man Auskünfte, Warnungen, Hinweise etc. versteht. Zum anderen tatsächlichen Verrichtungen, wie etwa die Herausgabe eines Gegenstands, eine Dienstfahrt, den Bau einer Straße usw. Die Unterscheidung hat aber keine weiteren rechtlichen Konsequenzen, sondern dient nur der Einordnung der unterschiedlichen Realakte.

Realakte stehen als solche nicht in einem rechtlich freien Raum. Sie unterliegen bei einer Beeinträchtigung von Grundrechten dem Vorbehalt des Gesetzes. Es bedarf daher einer Rechtsgrundlage für den Eingriff. Auch der Vorrang des Gesetzes greift im Bereich der Realakte ein. Hier gelten die formellen und materiellen Voraussetzungen allgemeinen Verwaltungshandelns. In der Regel finden sich jedoch keine gesetzlichen Vorschriften, so dass bei der Prüfung nur die wesentlichen Grundsätze, wie etwa die Zuständigkeit der Behörde oder Grundrechtsverstöße, erörtert werden müssen. Falls eine Rechtsverletzung aufgetreten ist, ist auch der Realakt als rechtswidrig anzusehen. Die Folgen der Rechtswidrigkeit hängen jedoch mangels rechtlicher Wirkung - im Unterschied zu anderen Verwaltungsmaßnahmen – nicht an der Frage der Rechtswirksamkeit. Vielmehr muss die Verwaltung die negativen Folgen eines rechtswidrigen Realakts beseitigen und den ursprünglichen Zustand wiederherstellen, soweit dies möglich und zumutbar ist (Folgenbeseitigungs- und Wiederherstellungsanspruch). Daneben ist ein Unterlassungsanspruch denkbar, wenn die Behörde einen Realakt nicht vornehmen soll. Schließlich kommen auch Schadensersatzansprüche gegen die Behörde in Betracht, wenn Rechtsgüter des Betroffenen beschädigt oder zerstört wurden. All diese Ansprüche können mittels der allgemeinen Leistungsklage oder – subsidiär – der Feststellungsklage nach § 43 Abs. 1 VwGO vor den Verwaltungsgerichten eingeklagt werden.

Im Folgenden soll auf einzelne Formen der Realakte näher eingegangen werden.

V. Auskünfte, Hinweise und Warnungen eines Hoheitsträgers

Wie gesehen zählen behördliche Auskünfte, Hinweise und Warnungen zu den Realakten, wobei sie der Kategorie der Wissenserklärungen zuzuordnen sind.

Die behördliche Auskunft ist eine bloße informative Mitteilung über einen Sachverhalt, über den der Betroffene eine Antwort erhalten möchte. Die Behörde will sich hier nicht selbst verpflichten. Es besteht damit kein Erfüllungsanspruch, sondern es kommen allenfalls bei Rechtswidrigkeit die zuvor genannten Ansprüche in Betracht. Eine Auskunft liegt beispielsweise dann vor, wenn ein Beamter Einsicht in seine Personalakte begehrt.

Dem behördlichen Hinweis kommt ebenfalls nur ein informatorischer Charakter zu. Hier gibt die Behörde von sich aus Empfehlungen nach außen an die Bevölkerung, ohne dass sie daraus Ansprüche gegen sich entstehen lassen will. Der Hinweis hat aber noch nicht die nachdrückliche Form der Warnung, sondern steht mit seinen Zielen hinter dieser zurück. Ein Hinweis ist etwa dann gegeben, wenn ein Landrat die Information veröffentlicht, dass sich Schadstoffe im Trinkwasser einer Gemeinde des Landkreises befinden.

Eine Warnung liegt hingegen vor, wenn die Behörde in einer Erklärung an die Bevölkerung öffentlich vor bestimmten Produkten oder vor anderen Erscheinungen wie Sekten ausdrücklich warnt. Die Behörde will so verhindern, dass sich die Bürger einem bestimmtem Risiko aussetzen, das sie nicht von vornherein abschätzen können und dessen Gefährlichkeit nachgewiesen ist. Es besteht allerdings keine unmittelbare, konkrete Gefahr für wichtige Rechtsgüter wie Leben oder Gesundheit, da sonst die Behörden zu einem direkten Eingriff verpflichtet wären. Einerseits ist die Warnung daher weniger einschneidend als ein Verbot bestimmter Produkte oder Gruppierungen. Andererseits kann eine Warnung sogar über ein mögliches Verbot hinausgehen, wenn etwa andere Produkte des gleichen Herstellers nicht mehr gekauft werden. Deshalb sind die Behörden gehalten, Warnungen erst nach einer sorgfältigen Prüfung und Abwägung der Folgen für den Betroffenen abzugeben.

Auf rechtlicher Ebene stellt sich die Frage nach der Zuständigkeit für eine öffentliche Warnung. Wenn eine Gefahr im Sinne polizei - oder sicherheitsrechtlicher Vorschriften vorliegt, sind entsprechend die Polizei – oder Sicherheitsbehörden zu Maßnahmen befugt. Ansonsten können Behörden auf kommunaler Ebene dann Warnungen veröffentlichen, wenn es sich um eine Angelegenheit in ihrem Wirkungskreis handelt. So kann eine Gemeinde zwar nicht vor einer Sekte generell warnen, aber wohl dann, wenn die Sekte sich lokal betätigt und mehrere Straßenzüge aufkaufen will. Eine Warnung kommt auch seitens der Bundes- oder einer Landesregierung in Betracht. Die Rechtsprechung hat dies in den Bereichen anerkannt, in denen der Regierung eine gesamtstaatliche Verantwortung zukommt, die mit Hilfe von Informationen wahrgenommen werden kann. So wurde die Warnung vor einer Jugendsekte seitens der Bundesregierung für verfassungsgemäß befunden, solange es sich nicht um diffamierende und sachlich ungerechtfertigte Kritik handelt.

Regelmäßig stellt sich bei der Bundesregierung auch die Frage der Rechtsgrundlage für eine öffentliche Warnung. Die Rechtsprechung zieht mangels spezieller Ermächtigungsregeln Art. 65 GG als Kompetenznorm heran. Die Regierung habe die Aufgabe, die Öffentlichkeit aufzuklären und zu informieren, insbesondere dann, wenn schützenswerte Rechtsgüter betroffen seien. Dies wird zudem auf Art. 2 Abs. 2 S.1 GG gestützt, nachdem es dem Staat obliegt, die Grundrechte seiner Bürger zu wahren. Bei einer finanziellen Förderung von Privaten, die Warnungen in diesem Sinne nach außen geben, steht nach der Rechtsprechung aber der Vorbehalt des Gesetzes entgegen. Die Literatur hingegen sieht den Gesetzesvorbehalt schon dann verletzt, sobald Grundrechte anderer durch die öffentliche Warnung beeinträchtigt werden. Es bedürfe immer einer materiellen Rechtsgrundlage, wenn in die Grundrechte der Betroffenen eingegriffen werde.

Daneben ist die Vereinbarkeit der öffentlichen Warnung mit Grundrechten zu prüfen. Hier ist insbesondere auf Art. 12 Abs. 1 GG bei Warnungen vor gewerblichen Produkten und Art. 4 Abs. 1 GG bei Warnung vor Sekten oder ähnlichen Gemeinschaften einzugehen. Ob ein Eingriff in ein Grundrecht vorliegt, ist umstritten und muss letztendlich im konkreten Einzelfall entschieden werden. Regelmäßig dürfte dieser zu bejahen sein, so dass es auf eine Verhältnismäßigkeitsprüfung der Warnung ankommt. Hier müssen die widerstreitenden Interessen abgewogen werden und einer angemessenen Lösung zugeführt werden.

Als Beispiel einer behördlichen Warnung kann der Hinweis auf jeder Zigarettenpackung gesehen werden, in der vor den gesundheitlichen Gefahren des Rauchens gewarnt wird.

§ 13 Förmliches Verwaltungsverfahren, Planfeststellungsverfahren

I. Begriff und Besonderheiten des förmlichen Verwaltungsverfahrens

Das förmliche Verwaltungsverfahren ist in den Art. 63 ff. BayVwVfG geregelt. Es wurde für Verwaltungsverfahren geschaffen bei denen der Gesetzgeber aufgrund der besonderen Grundrechtsrelevanz erhöhte Verfahrensanforderungen für erforderlich hält.

Unter dem Verwaltungsverfahren im weiteren Sinne versteht man jede auf den Erlass einer Entscheidung, die Vornahme einer sonstigen Maßnahme oder den Abschluss eines Vertrages gerichtete Tätigkeit der Verwaltungsbehörden. Das allgemeine oder nichtförmliche Verwaltungsverfahren stellt dabei den Regeltyp des Verwaltungsverfahrens dar, vgl. Art. 10 BayVwVfG. Dieses kommt immer dann zur Anwendung wenn gesetzlich keine andere Verfahrensart vorgesehen ist. Demgegenüber enthalten die Art. 63 ff. BayVwVfG einzelne Bestimmungen, die das allgemeine Verfahren gemäß Art. 9 ff. BayVwVfG ergänzen und damit das förmliche Verwaltungsverfahren normieren. Geregelt werden eine Reihe formeller Anforderungen an die Gestaltung des Verfahrens, die jedoch nur zur Anwendung kommen. Wenn dieses förmliche Verfahren durch eine Rechtsvorschrift explizit angeordnet ist. Das förmliche Verfahren eignet sich somit insbesondere für Verwaltungsbereiche, in denen die Rechte der Betroffenen oder das öffentliche Interesse ein Verfahren mit erhöhten Rechtsschutz- und Gesetzmäßigkeitsgarantien als erforderlich erscheinen lassen. Bundesrechtlich ist das förmliche Verwaltungsverfahren beispielsweise in § 10 Abs. 2 KDVG für das Verfahren vor den Ausschüssen für Kriegsdienstverweigerer vorgesehen.

Die Besonderheiten des förmlichen Verwaltungsverfahrens gegenüber dem allgemeinen Verwaltungsverfahren können von besonderen Formerfordernissen bis zur Durchführung einer mündlichen Verhandlung reichen.

So müssen Anträge gemäß Art. 64 BayVwVfG grundsätzlich schriftlich oder zur Niederschrift der Behörde gestellt werden. Weiterhin erhält Art. 65 BayVwVfG besondere Bestimmungen über Zeugen und Sachverständige im förmlichen Verfahren. Vorgesehen ist danach eine Verpflichtung von Zeugen zum Erscheinen und zur Aussage und von Sachverständigen zur Erstattung eines Gutachtens im Hinblick auf das im Rahmen des förmlichen Verfahrens in der Regel bestehende erhöhte Interesse der Allgemeinheit und der Beteiligten an einer umfassenden Aufklärung des Sachverhalts. Gleichzeitig wird in Art. 65 BayVwVfG das in diesem Zusammenhang im einzelnen anzuwendende Verfahren geregelt.

Des Weiteren sieht Art. 66 Abs. 1 BayVwVfG eine über Art. 28 BayVwVfG hinausgehende Verpflichtung der Behörde zur Anhörung der Beteiligten vor. Danach ist eine Anhörung aller Beteiligten des Verwaltungsverfahrens ausnahmslos erforderlich. Weitere Besonderheiten, insbesondere das Erfordernis und der Verlauf einer mündlichen Verhandlung sind den Art. 63 ff. BayVwVfG zu entnehmen.

II. Das Anhörungsverfahren nach Art. 73 BayVwVfG

Das in Art. 73 BayVwVfG detailliert normierte Anhörungsverfahren wurde als Instrument der Konfliktbewältigung geschaffen mit umfassenden Beteiligungsmöglichkeiten der betroffenen Behörden und Privatpersonen. Es dient im Rahmen des Raumplanungsrechts insbesondere im Hinblick auf die oft gravierenden Auswirkungen und Risiken raumbezogener Vorhaben (bspw. Die Planung von Entlagern für radioaktive Abfälle gem. § 9b AtG) dem Grundrechtsschutz durch ein besonderes Verfahren und vermittelt somit demokratische Legitimation. Außerdem ermöglicht das Anhörungsverfahren eine Sammlung von entscheidungserheblichen Informationen und damit eine effektive und effiziente Aufgabenerfüllung.

III. Planfeststellungsbeschlüsse

Die Durchführung von Planfeststellungsverfahren ist für größere Bauvorhaben gesetzlich festgeschrieben.

Der Planfeststellungsbeschluss ist ein Verwaltungsakt, durch den die Zulässigkeit eines Vorhabens im Hinblick auf alle berührten öffentlichen Belange festgestellt wird, Art. 75 Abs. 1 S. 1 BayVwVfG. Aus Sicht des Vorhabensträgers handelt es sich um einen begünstigenden Verwaltungsakt mit Genehmigungswirkung. Man kann ihn demnach als eine Art „Baugenehmigung“ für das geplante Vorhaben bezeichnen. Der Planfeststellungsbeschluss hat aber im Gegensatz zur normalen Baugenehmigung wesentlich weitreichendere Rechtswirkung, da mit ihm alle für das Vorhaben notwendigen sonstigen öffentlich-rechtlichen Genehmigungen mit erteilt werden. Darüber hinaus ist der Planfeststellungsbeschluss die Grundlage für ein evtl. später nachfolgendes Enteignungsverfahren.

Wegen dieser weitreichenden Rechtswirkungen hat der Gesetzgeber das Planfeststellungsverfahren als Verfahren mit Öffentlichkeitsbeteiligung ausgestaltet, vgl. Art. 74, 75 BayVwVfG.

§14 Verwaltungsvollstreckung

I. Grundlagen der Verwaltungsvollstreckung

Es wird unterschieden zwischen der Vollstreckung wegen Geldforderungen und der Erzwingung von Handlungen, Duldungen oder Unterlassungen. Die Gesetze sehen für diese beiden Gruppen unterschiedliche Regelungen vor (§§ 1 ff., §§ 6 ff. VwVG bzw. Art. 23 ff. Art. 29 ff. BayVwZVG).

Als Voraussetzung haben beide Gruppen gemein, dass ein vollstreckbarer Verwaltungsakt vorliegen muss. Dies ist dann der Fall, wenn

a) ein befehlender Verwaltungsakt vorliegt; denn nur diese sind vollstreckbar

b) er unanfechtbar (d.h. wenn Rechtmittel mehr gegen ihn eingelegt werden können) geworden oder sofort vollziehbar ist (vgl. § 80 II VwGO)

Ausnahmsweise ist die Verwaltungsvollstreckung auch ohne Verwaltungsakt zulässig. (vgl. § 6 II VwVG, § 61 VwVfG)

Nach der Art des zugrunde liegenden Verwaltungsaktes wird unterschieden in

  • Verwaltungsakte, die zu einer Geldleistung verpflichten
  • sonstige Verwaltungsakte

II. Vollstreckung wegen Geldforderungen

1. Voraussetzungen

Die Vollstreckung öffentlich-rechtlicher Geldschulden, wie bspw. Steuern, Gebühren, Beiträge (sog. Betreibung) wird gem. § 3 I VwVG (Art. 24 BayVwZVG) durch die sog. Vollstreckungsanordnung eingeleitet.

Die Voraussetzungen für die Zulässigkeit dieser Vollstreckung ergibt sich aus § 3 II, III VwVG (Art. 23 BayVwZVG).

2. Rechtsschutz

Es ist zu unterscheiden zwischen dem Rechtsschutz gegen den Leistungsbescheid und gegen die Vollstreckungsmaßnahme:

a) Leistungsbescheid: Dieser stellt einen VA dar, was zur Folge hat, dass er mittels Widerspruch und Anfechtungsklage angegriffen werden kann.

b)Vollstreckungsmaßnahme: Auch hier ist der Rechtscharakter der entsprechenden Maßnahme für den richtigen Rechtsschutz maßgebend.

· Die Sachpfändung der Verwaltungsbehörde stellt einen Verwaltungsakt dar, sodass Widerspruch und Anfechtungsklage statthaft sind

· Bei Vollstreckungsmaßnahmen, die durch die ordentlichen Gerichte oder den Gerichtsvollzieher getroffen werden, sind die Rechtsbehelfe der ZPO einschlägig

III. Ersatzvornahme
Die Ersatzvornahme stellt eine Unterform der Vollstreckung wegen Handlungen, Duldungen oder Unterlassungen dar. Sie stellt die Vornahme einer geschuldeten Handlung anstelle des Handlungspflichtigen auf dessen Kosten dar (§ 10 VwVG bzw. Art. 32 BayVwZVG).

Beispiel: Ein Grundstücksinhaber weigert sich, der Anordnung des Ordnungsamtes Folge zu leisten, seinen die Fußgänger bedrohenden morschen Baum zu entfernen. Daraufhin beauftragt besagte Behörde ein Gartenbauunternehmen, den Baum auf Kosten des Grundstücksinhabers fachgerecht zu fällen.

Notwendige Voraussetzung für eine Ersatzvornahme ist das Vorliegen einer vertretbaren Handlung, d.h., dass die entsprechende Handlung auch durch andere Personen vorgenommen werden kann, bzw. ein entsprechendes Dulden oder Unterlassen. Eine unvertretbare Handlung ist typischerweise die Auskunft, da nur der Verpflichtete bei dieser in der Lage ist sein Wissen kundzutun. Bei dieser kommt nur die Verhängung von Zwangsgeld in Betracht.

Damit die Ersatzvornahme letztendlich vorgenommen werden kann, bedarf es ihrer Androhung unter einer entsprechenden Fristsetzung (§ 13 I VwVG bzw. Art. 36 BayVwZVG) sowie das erfolglose Verstreichen dieser gesetzten Frist.

IV. Zwangsgeld

Auch das Zwangsgeld stellt eine Unterform der Vollstreckung wegen Handlungen, Duldungen oder Unterlassungen dar (§ 11 VwVG bzw. Art. 31 BayVwZVG). Es dient dazu, den Adressaten durch Beugung seines Willens zu einem bestimmten Verhalten zu zwingen. Die Festsetzung eines Zwangsgelds kommt bei unvertretbaren Handlungen, Duldungen und Unterlassungen in Betracht. Aber sie kann auch bei vertretbaren Handlungen verhängt werden, in Fällen in denen die Ersatzvornahme untunlich ist (z.B. wenn vorherzusehen ist, dass der Pflichtige die Kosten der Ersatzvornahme nicht tragen werden kann).

Die Zwangshaft ist keine Strafe, sondern ein Beugemittel, also ein Mittel zur Erzwingung zukünftigen Verhaltens. Dies hat bspw. zur Folge, dass sie wiederholt angedroht werden kann, auch ist sie daher neben einer etwaigen Kriminalstrafe oder Geldbuße anwendbar.

Für das Zwangsgeld gilt üblicherweise das gestreckte Verfahren (Androhung, Festsetzung, Betreibung). Mit der Androhung und der Fristsetzung ist jeweils eine angemessene Frist zur Zahlung des Zwangsgeldes bzw. Vornahme der Handlungen einzuräumen sowie die Betragshöhe zu benennen.

Wenn das Zwangsgeld nicht beigetrieben werden kann, kommt eine Zwangshaft in Betracht (§ 16 VwVG bzw. Art. 33 BayVwZVG). Diese stellt kein selbstständiges Zwangsmittel dar.

V. Unmittelbarer Zwang

Wie die Ersatzvornahme und das Zwangsgeld stellt auch der unmittelbare Zwang eine Unterform der Vollstreckung wegen Handlungen Duldungen oder Unterlassungen dar (§ 12 VwVG, Art.34 BayVwZVG). Im Vergleich zu den beiden anderen Zwangsmitteln greift er am stärksten in die Rechte der betroffenen Person ein, daher kommt er nur als ultima ratio in Betracht.

Unmittelbarer Zwang erfolgt durch die Einwirkung auf Personen oder Sachen durch körperliche Gewalt, Hilfsmittel der körperlichen Gewalt oder Waffengebrauch.

Auch bei der Anwendung von Zwangsmitteln ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit von der Verwaltung zu beachten. Dieser ist vor allem beim unmittelbaren Zwang relevant. Der Gebrauch von Schusswaffen bspw. wird nur in den größten Extremfällen zulässig sein.

In Bayern findet sich auch eine spezielle Regelung bzgl. der Ausübung unmittelbaren Zwangs durch die Polizei in Art. 60 ff. PAG.

Bestimmte Sonderformen des unmittelbaren Zwangs sind bundesgesetzlich geregelt, beispielsweise:

  • die Abschiebung (§§ 49 ff. Ausländergesetz)
  • die Absonderung (§ 37 Absatz 2 Bundesseuchengesetz)
  • die Vorführung (§§ 44 Absatz 2 Wehrpflichtgesetz, 23a Satz 1 Zivildienstgesetz)

§ 15 Verwaltungsrechtsschutz

I. Die Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs

1) Aufdrängende Sonderzuweisung

Der Verwaltungsrechtsweg kann aufgrund einer aufdrängenden Sonderzuweisung eröffnet sein. Eine Solche liegt vor, wenn der Bundesgesetzgeber bestimmt hat, dass für einen Rechtsstreit der Verwaltungsrechtsweg ohne Rücksicht auf die Natur des Rechtsverhältnisses eröffnet ist.

z.B. § 126 BRRG

2) Generalklausel des § 40 I VwGO

Wenn eine aufdrängende Sonderzuweisung nicht einschlägig ist, richtet sich die Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs nach der Generalklausel des § 40 I VwGO. Dafür muss eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit nichtverfassungsrechtlicher Art vorliegen, zu dem darf keine abdrängende Sonderzuweisung vorhanden sein.

a) Öffentlich-rechtliche Streitigkeit

Um den Charakter der Streitigkeit zu bestimmen, ist auf das Rechtsverhältnis abzustellen, aus dem der geltend gemachte Anspruch abgeleitet wird, d.h. das zugrunde liegende Rechtsverhältnis muss öffentlich-rechtlich sein.

Probleme stellen sich hier bei der Abgrenzung des öffentlichen Rechts zum bürgerlichen Recht. Um diese Probleme zu beseitigen wurde zur Abgrenzung mehrere Theorien entwickeln.

Nach der Subordinationstheorie liegt eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit vor, wenn ein Über- und Unterordnungsverhältnis zwischen den am Rechtsverhältnis Beteiligten besteht. Wenn hingegen zwischen diesen eine Gleichordnung besteht, soll es sich um eine zivilrechtliche Streitigkeit handeln.

Die modifizierte Subjektstheorie stellt dagegen darauf ab, ob die in Streit stehende Rechtsnorm einen Hoheitsträger, gerade in seiner Tätigkeit als solcher, berechtigt oder verpflichtet.

Nach der Interessentheorie liegt eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit dann vor, wenn die dem Rechtsstreit zugrunde liegende Norm dem Gemeinwohl dient, andernfalls soll es sich um einen bürgerlichen Rechtsstreit handeln.

Diese Theorien könne jedoch nur dann Hilfe für die Abgrenzung bieten, wenn dem Rechtsstreit eine Norm zugeordnet werden kann. Andernfalls ist das Abstellen auf den tatsächlichen Sachzusammenhang erforderlich.

b) Nichtverfassungsrechtlicher Art

Eine Streitigkeit nichtverfassungsrechtlicher Art liegt vor, wenn keine sog. doppelte Verfassungsunmittelbarkeit anzutreffen ist. Dies bedeutet, dass sich in dem konkreten Rechtsstreit keine am Verfassungsleben unmittelbar beteiligten Rechtsträger über Rechtsbeziehungen, die ausschließlich dem Verfassungsrecht angehören streiten dürfen.

c) Abdrängende Sonderzuweisung

Selbst wenn eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit nichtverfassungsrechtlicher Art vorliegt kann es sein, dass der Verwaltungsrechtsweg dennoch nicht eröffnet ist. Gem. § 40 I S.1 und 2 VwGO könne nämlich der Bundesgesetzgeber und auf dem Gebiet des Landesrecht der Landesgesetzgeber den Rechtsstreit zu einer anderen Gerichtsbarkeit eröffnen. Zudem werden nach § 40 II VwGO einige öffentlich-rechtliche Streitigkeiten dem ordentlichen Rechtsweg zugewiesen.

II. Die verwaltungsgerichtlichen Klagearten

Welche Klageart in dem speziellen Fall Anwendung findet richtet sich zunächst danach, ob die Maßnahme gegen die vorgegangen werden soll oder die begehrt wird ein Verwaltungsakt i.S.d. § 35 VwVfG ist.

· Sofern das Begehren des Klägers sich auf die gerichtliche Aufhebung eines Verwaltungsakt richtet, ist die Anfechtungsklage gem. § 42 I Alt. 1 VwGO einschlägig

· Will der Kläger den Erlass eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts durchsetzen, ist die Verpflichtungsklage nach § 42 I Alt. 2 VwGO die statthafte

Klageart

· Ist hingen der Verwaltungsakt,dessen gerichtliche Überprüfung der Kläger begehrt schon erledigt, ist die Fortsetzungsfestellungsklage gem. § 113 I S.4 VwGO die richtige Klageart. § 113 I S. 4 VwGO ist nach herrschender Meinung analog anwendbar wenn der Verwaltungsakt sich bereits vor Klageerhebung erledigt hat.

Ist bei einer Klage kein Verwaltungsakt im Spiel, ist weiter zu unterscheiden:

· Wird ein Tun, Dulden oder Unterlassen begehrt, dass nicht in dem Erlass oder in der Aufhebung eines Verwaltungsakts besteht, ist die allgemeine Leistungsklage die richtige Klageart. Zwar wird diese in der VwGO nicht ausdrücklich erwähnt, wird jedoch u.a. in § 43 II, 111 VwGO vorausgesetzt

· Soll die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses erfolgen, ist gem. § 43 VwGO die Feststellungsklage einschlägig

· Geht es um die Überprüfung der Gültigkeit von Rechtsnormen ist die verwaltungs-

gerichtliche Normenkontrolle gem. § 47 VwGO statthaft.

Verdeutlicht werden soll die Abgrenzung der verwaltungsrechtlichen Klagearten folgende Graphik:

Klageart


Beachte aber: Auch ein Realakt kann ein nach § 43 VwGO feststellungsfähiges Rechtsverhältnis begründen. Ein Beispiel hierfür sind sogenannte Gefährderanschreiben der Polizei, die dem Betroffenen ein bestimmtes Verhalten nahelegen ohne dieses explizit anzuordnen. Da diese damit keine Regelung enthalten und somit keine Verwaltungsakte darstellen, können sie nicht nach § 42 I Var. 1 VwGO angefochten werden. Rechtsschutz wird in solchen Fällen daher auf Grundlage des § 43 I VwGO gewährt.

III. Grundzüge des vorläufigen Rechtsschutz

1) Funktion des vorläufigen Rechtsschutz

Der vorläufige Rechtsschutz hat die Funktion, Rechtsbeeinträchtigungen vor allem tatsächlicher Art zu erfassen, die vor Verkündung des gerichtlichen Urteils in der Hauptsache eintreten und deshalb schon rein naturgesetzlich nicht mehr von diesem rückgängig gemacht werden können. Ein solches Instrumentarium ist erforderlich wegen der Garantie des effektiven Rechtsschutzes aus Art. 19 IV GG. Vorläufiger Rechtsschutz ist dabei gegen jede Art hoheitlicher Rechtsverletzung zu gewähren.

2) Arten des vorläufigen Rechtsschutzes in der VwGO

Die Regelungen zum vorläufigen Rechtsschutz finden sich in §§ 80, 80a, 80b einerseits, § 123 andererseits, zudem in § 47 VI VwGO.

a) Vorläufiger Rechtsschutz nach § 80 V VwGO

Der vorläufige Rechtsschutz nach § 80 V VwGO findet Anwendung, wenn der Antragssteller die Suspendierung eines Verwaltungsakts begehrt. Daher muss aus dessen Sicht die Anfechtungsklage die richtige Klageart in der Hauptsache sein. Des Weiteren darf durch einen Widerspruch bzw. eine Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung entstehen, da das Begehren des Antragsstellers bzgl. der Suspendierung des Verwaltungsakts ansonsten gegenstandslos wäre. Dies ist in den Fällen des § 80 II S. 1 Nr. 1-4, S. 2 VwGO der Fall.

b) Vorläufiger Rechtsschutz nach § 123 I VwGO

Der vorläufige Rechtsschutz nach § 123 VwGO ist in den Fällen einschlägig, in denen der Antragssteller eine einstweilige Anordnung mit Blick auf den Erlass eines Verwaltungsakts anstrebt. In diesen Fällen bringt ihm ein Antrag nach den §§ 80 ff. VwGO nichts, da diese ausschließlich die Suspendierung bzw. die sofortige Vollziehung eines bereist erlassenen Verwaltungsakts zum Gegenstand haben.

Je nach dem Inhalt der begehrten Maßnahme ist bei § 123 VwGO entweder eine Sicherungsanordnung gem. § 123 I S.1 oder eine Regelungsanordnung nach § 123 I S.2 statthaft.

c)Vorläufiger Rechtsschutz nach § 47 VI VwGO

Ein vorläufiger Rechtsschutz nach § 47 VI VwGO kommt dann zum Zuge, wenn der Antragssteller vorläufigen Rechtsschutz gegen untergesetzliche Normen nach § 47 I Nr.1 bzw. gegen solche des Landesrecht i.S.v. § 47 I Nr. 2 begehrt.

IV. Amtshaftung

1) Gründe für die Amtshaftung

Der Zweck der Übernahme der Haftung durch den Staat besteht zu einem darin, dass der geschädigte Bürger durch den Staat einen leistungsfähigen Bürger bekommen sollte. Zudem bildet das Rechtsstaatsprinzip eine wichtige Grundlage dafür. Denn die Staatshaftung ergänzt den Grundsatz der Gesetzesmäßigkeit (Art. 20 III GG) sowie die Rechtsschutzgarantie ( Art. 19 IV GG).

2) Anspruchsgrundlage

Die Anspruchsgrundlage für einen Amtshaftungsanspruch bildet § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG. Der Staat haftet danach anstelle und nicht neben dem Amtswalter. Wenn die Voraussetzun-gen des § 839 BGB erfüllt sind, sowie des Art. 34 GG trifft die Schadensersatzpflicht den Staat.

§ 839 BGB gilt sowohl für den hoheitlichen als auch für den privatrechtlichen Bereich des Verwaltungshandelns. Im Bereich des Privatrechts ist bezieht sich jedoch die Haftung nur auf Beamte im beamtenrechtlichen Sinn.

3) Die materiell-rechtlichen Voraussetzungen

a) Handeln in Ausübung eines öffentlichen Amts

Aus § 839 I BGB, der davon spricht, dass ein Beamter eine Amtspflicht verletzt haben muss, ergibt sich, dass das Handeln aus dem die Verletzung resultiert in Ausübung eines öffentlichen Amts geschehen muss.

b) Verletzung der einem Dritten gegenüber obliegenden Amtspflicht

Eine drittgerichtete Amtspflicht liegt dann nicht vor, wenn die Amtspflicht ausschließlich den Interessen der Allgemeinheit bzw. des Staates dient.

c) Verschulden

Nach § 839 BGB wird vorausgesetzt, dass der Amtsträger schuldhaft gegen seine Amtspflicht verstoßen hat.

d) Schaden

Des Weiteren muss auch ein Schaden entstanden sein, der durch die Amtspflichtverletzung verursacht wurde. Es muss also Kausalität zwischen der Verletzung und dem Schaden bestehen.

e) Ausschlussgründe

Letztendlich darf kein Haftungsausschlussgrund für den Amtshaftungsanspruch eingreifen. Dieser kann gem. § 839 I S.2 BGB in der Subsidiaritätsklausel liegen sowie auf dem Richterspruchprivileg beruhen gem. § 839 II S. 1 BGB oder aufgrund eines Rechtsmittel-versäumnis gem. § 839 III BGB bestehen.

V. Folgenbeseitigungsanspruch

1) Begriff

Der Folgenbeseitigungsanspruch stellt einen Wiederherstellungsanspruch, also keinen Schadensersatz oder Entschädigungsanspruch dar. Er zielt auf die Beseitigung der tatsächlichen Folgen eines rechtswidrigen Eingriffs, d.h. auf die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes, der durch den rechtswidrigen Eingriff verändert wurde.

2) Rechtsgrundlage

Die Rechtsgrundlage für den Folgenbeseitigungsanspruch wird in Rechtsprechung und Literatur unterschiedlich beurteilt. Folgende Grundlagen werden in Betracht gezogen: §§ 1004, 12, 862 BGB analog, das Rechtsstaatsprinzip, das Gebot der Gerechtigkeit, der Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, die Rechtsschutzgarantie des Art. 19 IV GG, die Freiheitsrechte.

Mittlerweile sind jedoch dessen Voraussetzungen als auch Rechtfolgen gewohnheitsrechtlich anerkannt.

3) Voraussetzungen des Folgenbeseitigungsanspruchs

a) Hoheitlicher Eingriff

Der Eingriff muss ein hoheitlicher sein, ansonsten kommt nur ein privatrechtlicher Folgenbeseitigungsanspruch in Betracht.

b) Eingriff in ein subjektives Recht

Der hoheitliche Eingriff muss zudem in ein subjektives Recht erfolgen. Dies ist bei Grundrechten immer der Fall. Daneben kommt auch die Verletzung einfach-gesetzlich begründeter Rechte in Betracht.

c) Fortdauernde rechtswidrige Folgen

Die hoheitliche Maßnahme muss einen rechtswidrigen Zustand herbeigeführt haben. Ein solcher liegt vor, wenn für den Betroffenen keine Duldungspflicht besteht.

4) Ausschlussgründe

a) Rechtliche und tatsächliche Möglichkeit der Wiederherstellung

Der Anspruch auf Folgenbeseitigung ist ausgeschlossen, wenn die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands rechtlich oder tatsächlich unmöglich ist.

b) Zumutbarkeit der Wiederherstellung

Außerdem liegt ein weiterer Ausschlussgrund dann vor, wenn die Wiederherstellung unzumutbar ist. Dies ist der Fall, wenn diese einen unverhältnismäßigen Aufwand erfordern würde.