§ 8 Widerruf

I. Allgemeines

Der Widerruf stellt neben der Rücknahme eine weitere Möglichkeit dar, vorangegangenes Handeln der Verwaltung außergerichtlich aufzuheben. Er ist ein Instrument der Verwaltung, sich selbst zu korrigieren. Wie bei der Rücknahme werden mit einem Widerruf sämtliche Wirkungen eines VAs beseitigt. Der VA wird nachträglich aus der Welt geschaffen und verliert seinen für ihn wesentlichen Regelungscharakter.

Im Gegensatz zu der Rücknahme geht es beim Widerruf grundsätzlich um die Aufhebung eines rechtmäßigen VAs. Dies ist der wesentliche Unterschied zwischen Rücknahme und Widerruf und bedeutsam für die Bestimmung der Rechtsgrundlage für die Aufhebung eines VAs: Soll ein rechtswidriger VA aufgehoben werden, erfolgt dies nach Art. 48, 50 BayVwVfG, soll ein rechtmäßiger VA aufgehoben werden, richtet sich dies nach Art. 49, 50 BayVwVfG.

Neben der allgemeinen Regelung des Widerrufs in Art. 49, 50 BayVwVfG bestehen darüber hinaus verschiedene Regelungen des Widerrufs in den Spezialgesetzen, wie z.B. § 15 GastG oder § 17 AtomG. Ist eine der spezialgesetzlichen Regelungen einschlägig, darf nicht mehr auf die allgemeinen Vorschriften der Art. 49, 50 BayVwVfG zurück gegriffen werden.

Generelle Voraussetzung für den Widerruf eines rechtmäßigen VAs ist, dass dieser wirksam ist. Ein VA der sich erledigt hat oder auf andere Art erloschen ist, kann nicht mehr widerrufen werden.

Widerruf


II. Rechtmäßige belastende VAs nach Art. 49 Abs. 1 BayVwVfG

Art. 49 Abs. 1 BayVwVfG regelt den Widerruf rechtmäßiger belastender VAs. Nach dieser Vorschrift kann ein VA, der nicht begünstigend ist, auch nachdem er unanfechtbar ist zurückgenommen werden, es sei denn ein VA gleichen Inhalts müsste erneut erlassen werden oder der Widerruf ist aus anderen Gründen unzulässig.

Der Tatbestand des Art. 49 Abs. 1 BayVwVfG ist demnach bereits dann erfüllt, wenn ein rechtmäßiger VA vorliegt. Rechtmäßig ist der VA dann, wenn er sowohl formell als auch materiell mit dem geltenden Recht in Einklang steht. Die Unanfechtbarkeit ist kein Tatbestandsmerkmal, da auch anfechtbare VAs widerrufen werden können (vgl. Wortlaut). Maßgeblicher Beurteilungszeitraum für die Rechtmäßigkeit ist der Zeitpunkt des Erlasses des VAs.

Art. 49 Abs. 1 BayVwVfG ist eine Kann-Vorschrift. Es steht im freien Ermessen der Behörde, ob sie einen belastenden VA widerruft oder nicht. Eingeschränkt wird dieser Grundsatz der freien Widerrufbarkeit nur, wenn ein VA gleichen Inhalts erneut erlassen werden müsste, da es sich um einen gebundenen VA handelt, oder aus anderen Gründen der Widerruf unzulässig ist. Unzulässig aus anderen Gründen kann ein Widerruf sein, wenn sich dies aus ausdrücklichen gesetzlichen Bestimmungen, aus dem Sinn und Zweck gesetzlicher Bestimmungen oder aus allgemeinen Rechtsgrundsätzen ergibt. Ebenso kann sich aus der Selbstbindung der Verwaltung die Unzulässigkeit des Widerrufs ergeben. Hat die Behörde in gleichartigen Fällen grundsätzlich den VA widerrufen, ist nicht ersichtlich, warum sie nun den VA nicht widerrufen soll.

Das Ermessen der Verwaltung ist ebenfalls eingeschränkt, wenn ein VA nach Erlass, aufgrund einer Änderung der rechtlichen oder tatsächlichen Voraussetzungen, rechtswidrig geworden ist. Die Rechtmäßigkeit der Verwaltung fordert die Aufhebung dieses mittlerweile rechtswidrigen Zustands. Bestandschutzgründe stehen einem Widerruf nicht entgegen, da sich dieser auf den Zeitpunkt des Erlasses bezieht und nachträgliche Änderungen der Rechts- oder Sachlage nicht erfasst werden. Bei einer solchen Reduzierung des Ermessens der Verwaltung besteht ein Anspruch des Bürgers auf Widerruf des VAs. Darüber hinaus ist davon auszugehen, dass es i.d.R. dem Interesse des Bürgers entspricht, dass ein ihn belastender VA widerrufen wird. Dementsprechend besteht für den Widerruf eines belastenden VAs keine Frist.

Beispiel: A wurde aufgrund von § 35 GewO die Ausübung seines Gewerbes untersagt. In den folgenden Monaten sind jedoch keinerlei Anzeichen für eine Unzulässigkeit des A mehr zu erkennen. Die zuständige Behörde möchte die Untersagung aufheben.

Der ursprüngliche VA, in welchem dem A die Erlaubnis entzogen wurde, ist rechtmäßig. Er belastet den A, da dieser aufgrund des VA sein Gewerbe nicht mehr ausüben kann. Es handelt sich somit um einen rechtmäßigen belastenden VA, den die Behörde nach § 49 Abs. 1 VwVfG widerrufen kann. Dieser Widerruf steht auch im Interesse des A, so dass keine weiteren Schranken für den Widerruf erforderlich sind.

III. Rechtmäßige begünstigende VAs nach Art. 49 Abs. 2 BayVwVfG

Schwieriger gestaltet sich jedoch die Sachlage beim Widerruf eines begünstigenden VAs. Denn es ist nicht ersichtlich, warum eine rechtmäßige Begünstigung dem Begünstigten wieder entzogen werden soll. Beim Widerruf eines rechtmäßigen begünstigenden VAs spielt der Vertrauensschutz eine wesentlich bedeutendere Rolle als bei belastenden VAs. Hinzu kommt, dass anders als bei rechtswidrigen begünstigenden VAs das Argument der Rechtmäßigkeit der Verwaltung dem Vertrauensschutz nicht entgegen gestellt werden kann, es sei denn die zugrunde liegende Rechts- und Sachlage hat sich geändert. Der Betroffene wurde durch einen rechtmäßigen VA begünstigt, insofern ist für ihn in der Regel auch nicht ersichtlich, dass ihm diese Begünstigung wieder genommen wird. Aufgrund dieser stark ausgeprägten Vertrauensschutzaspekte ist der Widerruf nach Art. 49 Abs. 2 BayVwVfG nur für die Zukunft und nur unter den gesetzlich normierten Voraussetzungen möglich, d.h. es muss grundsätzlich ein spezieller Widerrufsgrund vorliegen. Liegt ein solcher Widerrufsgrund vor, kann die Behörde den VA widerrufen, sie ist jedoch nicht zu einem Widerruf verpflichtet. Besteht trotz Vorliegen eines Widerrufsgrundes schutzwürdiges Vertrauen, kann es von der Behörde berücksichtigt werden, es hindert jedoch, anders als bei der Rücknahme eines VAs, nicht den Widerruf an sich. Schutzwürdiges Vertrauen kommt zudem zum Tragen, da es den in Art. 49 Abs. 5 BayVwVfG normierten Anspruch des Betroffenen auf Entschädigung des durch den Widerruf entstandenen Vermögensschaden auslöst.

Art. 49 Abs. 2 S. 2 BayVwVfG verweist auf die Frist des Art. 48 Abs. 4 BayVwVfG, so dass durch die zeitlich begrenzte Widerrufsmöglichkeit von einem Jahr ebenfalls das Vertrauen des Begünstigten geschützt wird. Zu Fristbeginn und Fristende sind die bereits unter § 7 behandelten Probleme zu beachten. Zudem ist umstritten, ob die Jahresfrist nach Sinn und Zweck auch für einen gesetzlich zwingend vorgesehenen Widerrufsvorbehalt gemäß der Nr. 1 gelten kann.

1. Art. 49 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 BayVwVfG

Art. 49 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 VwVfG lässt einen Widerruf zu, wenn dieser durch eine Rechtsvorschrift oder in dem zu widerrufenden VA vorbehalten ist. Ein solcher Widerrufsvorbehalt bedeutet jedoch nicht, dass unter allen Umständen widerrufen werden kann. Vielmehr ist der Widerruf an weitere Voraussetzungen gebunden. Befindet sich der Widerrufsvorbehalt in einem Gesetz, sind die in diesem geregelten Voraussetzungen zu beachten und dem Art. 49 Abs. 2 S.1 Nr.1 Var. 1 VwVfG kommt keine eigenständige Bedeutung zu.

Wurde in dem VA ein Widerrufsvorbehalt normiert, ist fraglich, inwieweit dieser den Widerruf rechtfertigen kann, wenn der Widerrufsvorbehalt selbst rechtswidrig ist. Während z.T. vertreten wird, dass der Widerrufsvorbehalt im VA oder in einer gesetzlichen Grundlage seinerseits rechtmäßig sein muss, geht das BVerwG davon aus, dass der Widerrufsvorbehalt lediglich wirksam, d.h. nicht nichtig sein muss. Darüber hinaus darf ein Widerruf nicht ohne Grund erfolgen.

2. Art. 49 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 BayVwVfG

Art. 49 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 VwVfG sieht einen Widerruf vor, wenn der VA mit einer Auflage verbunden wurde und diese von dem Begünstigten innerhalb der ihm gesetzten Frist nicht erfüllt wurde.

Beispiel: Dem A wird erlaubt, Tische auf den Gehweg vor seinem Lokal zu stellen. Gleichzeitig wird ihm jedoch aufgetragen, innerhalb der nächsten drei Wochen für eine bessere Beleuchtung vor seinem Lokal zu sorgen, damit die genutzten Tische auch bei Dunkelheit gut sichtbar sind. Nach sechs Wochen ist A dieser Aufforderung immer noch nicht nachgekommen. Die zuständige Behörde widerruft daraufhin die Erlaubnis. A ist empört und der Meinung, die Behörde könne ihm nicht ohne Grund einfach die rechtmäßige Erlaubnis entziehen.

Grundsätzlich hat der A recht. Die Erlaubnis ist rechtmäßig und es besteht demnach kein Grund, dem A diese Begünstigung zu entziehen. Darüber hinaus ist zu beachten, dass die Erlaubnis auch unabhängig von der Erfüllung der Auflage besteht (vgl. § 10 Nebenbestimmungen). Jedoch sieht Art. 49 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 BayVwVfG gerade für diesen Fall einen Widerrufsgrund vor. Die Behörde soll eine Möglichkeit haben, den rechtmäßig erteilten VA zu widerrufen, wenn eine Auflage nicht erfüllt wurde. Demnach liegt ein Widerrufsgrund vor.

3. Art. 49 Abs. 2 S.1 Nr. 3 BayVwVfG

Art. 49 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 VwVfG sieht einen Widerruf vor, wenn die Behörde aufgrund nachträglich eingetretener Tatsachen berechtigt wäre, den VA nicht zu erlassen und ohne den Widerruf das öffentliche Interesse gefährdet wäre.

Nachträglich eintretende Tatsachen können das Verhalten des Betroffenen sowie äußere Umstände sein, die außerhalb des Verantwortungsbereichs des Betroffenen liegen und sich nachträglich ändern. Nicht ausreichend sind jedoch von der Behörde selbst geschaffene Bedingungen, da die Behörde sich ansonsten eine Widerrufsmöglichkeit schaffen könnte und die vom Gesetzgeber strengen Anforderungen des Widerrufs umgehen könnte. Die veränderten Tatsachen müssen darüber hinaus für eine andere Entscheidung kausal sein. Haben sich Tatsachen geändert, die mit der Entscheidung über den Widerruf nichts zu tun haben, können diese auch keinen Widerrufsgrund darstellen. Eine Gefährdung des öffentlichen Interesses ohne den Widerruf liegt vor, wenn ein Schaden für wichtige Gemeinschaftsgüter droht. Dieses Erfordernis ist somit weitergehend als ein bloßes Überwiegen des öffentlichen Interesses an der Aufhebung gegenüber dem privaten Interesse.

Hat sich die Rechtslage geändert, muss der Widerruf nach Art. 49 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 BayVwVfG erfolgen. Zudem ist zu beachten, dass manche Dauer-VAs gerade ihrer Natur nach bestehen bleiben sollen, auch wenn sich die Umstände geändert haben (so z.B. die Baugenehmigung).

4. Art. 49 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 BayVwVfG

Art. 49 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 VwVfG ermöglicht einen Widerruf aufgrund der Änderung der Rechtslage. Eine Änderung der Rechtslage liegt nur vor, wenn Außenrechtssätze sich ändern oder eine Kommissionsentscheidung über beispielsweise die Rechtmäßigkeit einer Beihilfe vorliegt. Verwaltungsvorschriften, die sich ändern, stellen keinen Widerrufsgrund dar. Ebenso wenig stellt eine Änderung der Rechtssprechung eine Änderung der Rechtslage dar, es sei denn in einem Normenkontrollverfahren wird eine Norm aufgehoben.

Wie bei Nr. 3 ist der Widerruf nur zulässig, wenn das öffentliche Interesse gefährdet ist. Darüber hinaus ist ein Widerruf nur zulässig, wenn der Begünstigte von der Vergünstigung noch keinen Gebrauch gemacht hat oder noch keine Leistungen aufgrund des VAs erlangt hat. Dies ist eine besondere Ausprägung des Vertrauensschutzes. Abzustellen ist dabei lediglich auf die Tatsache, ob eine Leistung empfangen wurde, irrelevant ist, ob sie bereits verbraucht ist. Es ist jedoch zu beachten, dass der Widerruf nur ausgeschlossen ist, soweit die Leistung empfangen oder von der Vergünstigung Gebrauch gemacht wurde. Wurde eine Leistung nur teilweise empfangen, ist der noch nicht empfangene Teil widerrufbar.

5. Art. 49 Abs. 2 S. 1 Nr. 5 BayVwVfG

§ 49 Abs. 2 S.1 Nr. 5 VwVfG ermöglicht einen Widerruf zur Vermeidung schwerer Nachteile des Gemeinwohls. Dieser Widerrufsgrund ist eine Art Notstandsrecht und somit restriktiv zu interpretieren. Erforderlich sind somit besondere Umstände wie z.B. Katastrophen. Die Nachteile müssen somit schwerwiegend sein (vgl. die Rechtsprechung des BVerfG zu Art. 12 GG) und unmittelbar bevorstehen oder bereits eingetreten sein. Rein potentiell zu befürchtende Nachteile reichen noch nicht aus.

IV. Rechtmäßig begünstigend nach Art. 49 Abs. 2a BayVwVfG

Art. 49 Abs. 2a BayVwVfG regelt den Widerruf einer Geld- oder teilbaren Sachleistung, die für einen bestimmten Zweck gewährt wurde oder für einen bestimmten Zweck Voraussetzung ist. Eine solche Leistung kann, im Gegensatz zu Abs. 2, auch mit Wirkung für die Vergangenheit widerrufen werden.

Beispiel: Dem A werden für sein Projekt „Kinder gegen Drogen“ 500 Kinder T-Shirts von der zuständigen Behörde zugeteilt. A soll diese T-Shirts an Kinder, die an seinen Projekten teilnehmen, austeilen. A verschenkt die T-Shirts einfach so an Kinder. Die zuständige Behörde fordert die T-Shirts auf der Grundlage von Art. 49 Abs. 2a BayVwVfG zurück.

Die T-Shirts sind eindeutig eine Sachleistung der Behörde. Diese Sachleistung ist auch teilbar. Die Behörde hat dem A die T-Shirts gewährt, damit dieser sie an Kinder, die an einem Projekt „Kinder gegen Drogen“ teilnehmen, verteilt. Somit war die Sachleistung an einen bestimmten Zweck gebunden. Art. 49 Abs. 2a BayVwVfG ist somit einschlägig.

Voraussetzung für den Widerruf ist, dass entweder nach Art. 49 Abs. 2a S.1 Nr. 1 BayVwVfG nicht, nicht alsbald nach Erbringung oder nicht mehr für den bestimmten Zweck verwendet wird oder dass nach Art. 49 Abs. 2a S.1 Nr. 2 BayVwVfG der VA mit einer Auflage verbunden ist und der Begünstigte diese nicht oder nicht innerhalb einer ihm gesetzten Frist erfüllt hat.

Zweckfremd verwendet ist der VA dann, wenn zumindest ein Teil objektiv nicht für den vorausgesetzten Zweck verwendet wurde. Zu unterscheiden sind zudem die Tatbestände nicht, nicht alsbald und nicht mehr. Die 1. Var. „nicht“ betrifft den Fall, dass die Leistung endgültig nicht für den vorausgesetzten Zweck verwendet wurde. Die 2. Var. „nicht alsbald“ betrifft den Fall, dass die Verwendung unnötig verzögert wird. Die 3. Var. „nicht mehr“ betrifft den Fall, dass eine Leistung zunächst für den vorgesehenen Zweck verwendet wurde, später jedoch anders eingesetzt wird.

Ein VA, der allein in der Zahlung an den Betroffenen seinen Zweck erfüllt, kann demnach nie nach Abs. 2a Nr. 1 widerrufen werden, da sich sein Zweck mit der Zahlung realisiert.

Auch wenn der Wortlaut des Art. 49 Abs. 2 S.1 Nr. 2 BayVwVfG und Art. 49 Abs. 2a S.1 Nr. 2 BayVwVfG gleich ist, ist zu beachten, dass die Rechtsfolge verschieden ist: Art. 49 Abs. 2a S. 1 Nr. 2 BayVwVfG kann auch mit ex tunc Wirkung widerrufen werden.

Der Widerruf nach Art. 49 Abs. 2a BayVwVfG steht, wenn die Tatbestandsvoraussetzungen erfüllt sind, im Ermessen der Behörde. Dies bedeutet, dass die Behörde abwägen kann, ob sie tatsächlich widerruft oder aufgrund der Umstände von einem Widerruf absieht. Auf diese Weise kann schutzwürdiges Vertrauen mit einbezogen werden, wobei in der Regel davon auszugehen ist, dass bei Vorliegen der Widerrufsgründe der zweckwidrigen Verwendung bzw. der Nichterfüllung einer Auflage in der Regel kein Raum für schutzwürdiges Vertrauen bleibt. Ebenfalls im Ermessen der Behörde liegt, ob die Behörde die Begünstigung mit ex tunc oder ex nunc Wirkung widerruft.

Beispiel: Dem A wurden für sein Projekt „Kinder gegen Drogen“ erst 250 T-Shirts gewährt. 250 weitere sollen ihm noch zukommen. Widerruft die Behörde ex nunc, betrifft dieser Widerruf lediglich die 250 T-Shirts, die der A noch nicht erhalten hat. Widerruft die Behörde ex tunc, betrifft dies alle 500 T-Shirts.

Art. 49 Abs. 2a S. 2 BayVwVfG verweist ebenfalls auf die Frist aus Art. 48 Abs. 4 BayVwVfG, so dass ein Widerruf nur innerhalb eines Jahres erfolgen kann. Es gilt das zur Frist unter § 7 ausgeführte.

V. Zuständigkeit und Rechtsfolgen

Zuständig ist die nach Art. 49 Abs. 4 BayVwVfG i.V.m. Art. 3 BayVwVfG örtlich zuständige Behörde. Da der Widerruf ein VA ist, ist die für einen VA zuständige Behörde sachlich zuständig. Dies ist die Behörde, die den ursprünglichen VA erlassen hat.

Wird nichts Abweichendes bestimmt, wird gemäß Art. 49 Abs. 3 BayVwVfG der widerrufene VA im Zeitpunkt des Widerrufs unwirksam.

Art. 49 Abs. 5 S. 1 BayVwVfG normiert zudem, dass in den Fällen des Art. 49 Abs. 2 Nrn. 3 – 5 BayVwVfG der Betroffene zu entschädigen ist, soweit sein Vertrauen schutzwürdig ist. S. 2 verweist auf die Regelungen bei der Rücknahme (Art. 48 Abs. 3 S. 3 – 5 VwVfG). Es gilt somit das bereits unter § 7 Ausgeführte: Demzufolge ist das negative Interesse durch das positive Interesse des Betroffenen begrenzt, die Höhe der Zahlung von der zuständigen Behörde festzusetzen und der Entschädigungsanspruch binnen eines Jahres geltend zu machen. Der Rechtsweg bezüglich einer Entschädigungsforderung ist nach Art. 49 Abs. 5 S. 2 VwVfG zu den ordentlichen Gerichten eröffnet. Dies vermeidet einen Konflikt mit der Rechtswegsregelung des Art. 14 GG bei Enteignungen.

Wurde eine Leistung bereits gewährt und der VA ex tunc widerrufen, stellt Art. 49a BayVwVfG einen eigenen Erstattungsanspruch dar. Dieser Anspruch ist von der Behörde durch Erlass eines VAs geltend zu machen, Art. 49a Abs. 1 S. 2 BayVwVfG. Dieser VA ist ein von dem Widerrufs-VA zu unterscheidener eigenständiger VA. Er ist rechtlich selbstständig zu beurteilen.

Die Höhe des Erstattungsanspruchs richtet sich nach Art. 49a Abs. 2 BayVwVfG nach den Vorschriften des Bürgerlichen Rechts. Nach Art. 49a Abs. 3, 4 BayVwVfG kann die Verwaltung einen Zinsanspruch geltend machen.

VI. Widerruf eines drittbelastenden VAs

Beim Widerruf eines begünstigenden VAs mit belastender Drittwirkung lassen sich zwei Situationen unterscheiden. Zum einen der Widerruf unabhängig von einem Rechtsmittelverfahren und zum anderen der Widerruf während eines Rechtsmittelverfahrens.

Regt ein Dritter unabhängig von einem Rechtsmittelverfahren den Widerruf eines VAs an, gelten uneingeschränkt die Regeln des Art. 49 BayVwVfG. Dies lässt sich mittels eines Umkehrschlusses aus Art. 50 BayVwVfG erschließen.

Hat der Dritte jedoch bereits den VA in einem Rechtsmittelverfahren angefochten und will die Behörde während des Rechtsmittelverfahrens den VA widerrufen, greift Art. 50 BayVwVfG. Nach diesem kommen die Vertrauensschutzregelungen des Art. 49 Abs. 2 – 3, 5 BayVwVfG nicht zur Anwendung. Dies ist damit zu begründen, dass während eines Rechtsmittelverfahrens der Begünstigte jederzeit mit der Änderung seiner Rechtsposition rechnen muss. Deswegen soll die Behörde während des laufenden Verfahrens auch uneingeschränkt die Möglichkeit zur Selbstkorrektur haben.

Voraussetzung ist jedoch, dass ein Rechtsmittel eingelegt wurde und das Verfahren noch läuft, das Rechtsmittel zulässig und voraussichtlich begründet ist, d.h. der Drittbelastete tatsächlich in seinen Rechten verletzt ist und durch den Widerruf dem Rechtsmittel abgeholfen wird.

VII. Widerruf einer Zusicherung

Einen Sonderfall des Widerrufs stellt der Widerruf einer Zusicherung dar. Problematisch ist zunächst, dass die Rechtsnatur der Zusicherung umstritten ist, der Widerruf jedoch grundsätzlich nur für VAs gilt. Jedoch nimmt nur noch eine Mindermeinung ein Rechtsinstitut sui generis an, während die herrschende Meinung von einem VA ausgeht. Darüber hinaus ordnet Art. 38 Abs. 2 BayVwVfG an, dass der Widerruf auf die Zusicherung angewendet wird. Auch wenn der Verweis in Art. 38 Abs. 2 BayVwVfG sich nur auf Art. 49 BayVwVfG bezieht, ist nach Sinn und Zweck der Verweisung davon auszugehen, dass ein Widerruf nach spezialgesetzlichen Vorschriften, die Art. 49 BayVwVfG verdrängen, ebenfalls zulässig ist.

Zu beachten ist beim Widerruf einer Zusicherung jedoch, dass Art. 38 Abs. 3 BayVwVfG vorrangig zu berücksichtigen ist. Nach Art. 38 Abs. 3 BayVwVfG ist die Behörde an die Zusicherung nicht mehr gebunden, wenn sich die Rechts- oder Sachlage nach Abgabe der Zusicherung so verändert hat, dass die Behörde die Zusicherung nicht gegeben hätte oder hätte geben dürfen. Der Vorrang des Art. 38 Abs. 3 BayVwVfG bedeutet demnach, dass die Aufhebungsgründe des Art. 49 Abs. 2 S. 1 Nrn. 3, 4 BayVwVfG nicht in Betracht kommen, da bei einer Änderung der Sach- oder Rechtslage die Behörde die Zusicherung nicht widerrufen muss, da sie ohnehin nicht mehr an sie gebunden ist.

Auch wenn Art. 50 BayVwVfG nicht in Art. 38 Abs. 2 BayVwVfG erwähnt ist, gilt Art. 50 BayVwVfG auch, wenn ein Dritter die Zusicherung angefochten hat.

VIII. Widerruf rechtswidriger Verwaltungsakte

Fraglich ist, ob auch ein rechtswidriger VA widerrufen werden kann. Grundsätzlich steht für die Aufhebung rechtswidriger VAs Art. 48 BayVwVfG zur Verfügung. Es ist jedoch zu bedenken, dass aufgrund des Vertrauensschutzes, der bei einem rechtmäßigen VA stärker wiegt als bei einem rechtswidrigen, die Anforderungen des Art. 49 BayVwVfG deutlich höher sind als bei

Art. 48 BayVwVfG. Widerrufen werden kann nur bei Vorliegen eines Widerrufsgrundes. Deswegen kann erst recht ein rechtswidriger VA unter den strengen Voraussetzungen des Art. 49 BayVwVfG aufgehoben werden. Folglich können, trotz der eigentlichen Differenzierung zwischen rechtswidrigen und rechtmäßigen VAs, auch rechtswidrige VAs nach Art. 49 BayVwVfG widerrufen werden.