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§ 2 Die Abgrenzung zwischen Öffentlichem Recht und Privatrecht
I. Die praktische Relevanz und Notwendigkeit der Abgrenzung
Von besonderer Bedeutung für das allgemeine Verwaltungsrecht ist die Abgrenzung zwischen dem Öffentlichen Recht und dem Zivilrecht. Während das Zivilrecht die Rechtsbeziehungen von Privatrechtsträgern betrifft, regelt das Öffentliche Recht und damit auch das allgemeine Verwaltungsrecht insbesondere die rechtlichen Verhältnisse zwischen dem Staat als Hoheitsträger und seinen Bürgern. Dabei rührt die Notwendigkeit der Abgrenzung zwischen dem Öffentlichen Recht und dem Privatrecht aus dem Umstand, dass der Staat sowohl öffentlich-rechtlich als auch privatrechtlich handeln kann. Bestellt eine staatliche Behörde beispielsweise Büromaterial, handelt sie nicht im Rahmen ihrer Funktion als staatlicher Hoheitsträger, sondern schließt wie jeder andere auch einen privatrechtlichen Kaufvertrag nach § 433 BGB ab. Bewilligt die Behörde hingegen eine Baugenehmigung, handelt sie im Rahmen ihrer rechtlich eingeräumten Hoheitsfunktion und somit öffentlich-rechtlich. Sobald der Bürger sich nun gegen eine Maßnahme des Staates zur Wehr setzen will wird die praktische Relevanz der Abgrenzung deutlich: Handelt der Staat öffentlich-rechtlich eröffnet sich ein anderer Rechtsweg und sowohl Rechtsschutz- als auch Verfahrensvoraussetzungen sind unterschiedlich.
Dies liegt zum einen an § 1 Abs. 1 VwVfG, nach dem das Verwaltungsverfahrensrecht nur dann anwendbar ist, wenn die Behörde öffentlich-rechtlich handelt.
Zum anderen regelt § 40 Abs. 1 VwGO, dass dem Bürger der Verwaltungsrechtsweg nur dann offen steht, wenn es sich bei dem Streitgegenstand um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit handelt. Bei privatrechtlichen Streitigkeiten ist hingegen gemäß § 13 GVG der Weg zu den ordentlichen Gerichten, also in der Regel zu den Amts- bzw. Landgerichten eröffnet. Des Weiteren ist ein Amtshaftungsanspruch, für durch einen Hoheitsträger verursachte Schäden, nur dann gemäß § 839 BGB i.V.m. Art. 34 S. 1 GG möglich, wenn die betreffende Maßnahme des Amtsträgers eine hoheitliche Maßnahme darstellt.
Aufgrund dessen ist es häufig notwendig zwischen dem Öffentlichen Recht und dem Privatrecht zu unterscheiden. Diese Abgrenzung kann in unterschiedlicher Weise erfolgen: Entweder ist die maßgebliche Rechtsgrundlage zu ermitteln und diese sodann dem Privatrecht oder dem Öffentlichen Recht zuzuordnen, oder es sind andere Zuordnungskriterien wie die betreffende Organisationsform, Handlungsform oder der allgemeine Sachzusammenhang heranzuziehen.
Meistens beurteilt sich die Frage, ob es sich um eine privatrechtliche oder öffentlich-rechtliche Streitigkeit handelt jedoch anhand dessen, worüber die Parteien in rechtlicher Hinsicht streiten. Dabei ist zunächst die streitgegenständliche Rechtsnorm zu ermitteln, also die für das streitige Rechtsverhältnis relevante Vorschrift. Diese Norm ist sodann dem Öffentlichen Recht oder dem Privatrecht zuzuordnen.
Für diese Abgrenzung wurden im Wesentlichen drei Abgrenzungstheorien entwickelt, die jedoch mit Vorsicht zur Bewältigung von Zweifelsfragen heranzuziehen sind. Dennoch ist die Kenntnis dieser Theorien unabdingbar, sodass im Folgenden kurz auf die wichtigsten Abgrenzungskriterien eingegangen wird.
II. Die Interessen-, Subordinations- und modifizierte Subjektstheorie
Die Interessentheorie stellt auf den Gegensatz von öffentlichem (staatlichem) Interesse und privatem Interesse ab. Demnach sind diejenigen Rechtsnormen öffentlich-rechtlich, die vor allem dem öffentlichen Interesse dienen. Diejenigen Normen, die vor allem dem privaten Interesse dienen sind hingegen dem Privatrecht zuzuordnen. Öffentliches Recht ist demzufolge insbesondere dann anzunehmen wenn das Rechtsverhältnis im Interesse der Allgemeinheit liegt. Dies ist vor allem dann der Fall, wenn das Gemeinwohl berührt wird, beispielsweise wenn es um die Sicherheit des öffentlichen Straßenverkehrs oder die Gesundheit der Bevölkerung geht.
Privatrecht wäre hingegen dann anzunehmen, wenn die in Rede stehende Vorschrift Individualinteressen widerspiegelt, beispielsweise wenn wirtschaftliche Interessen wie die Gewinnerzielung im Vordergrund stehen.
Problematisch ist in diesem Zusammenhang jedoch, dass eine klare Abgrenzung mit Hilfe der Interessentheorie nicht immer möglich ist, da viele Normen sowohl öffentlichen als auch privaten Interessen dienen. Dies ist etwa dann der Fall, wenn öffentlich-rechtliche Vorschriften subjektiv-öffentliche Rechtspositionen der Bürger gegenüber der Verwaltung vermitteln. In diesen Fällen richten sich die streitgegenständlichen Normen häufig auch auf Individualinteressen, sind aber dennoch dem öffentlichen Recht zuzuordnen. Umgekehrt ist zum Beispiel dann das Allgemeinwohlinteresse betroffen, wenn die öffentliche Verwaltung zur Erfüllung ihrer allgemeinwohlorientierten Aufgaben Gegenstände einkauft. Dennoch liegt hier ein zivilrechtlicher Kaufvertrag vor, der dem Privatrecht unterliegt. Damit wird deutlich, dass sich die Interessentheorie in weiten Bereichen als unpraktikabel erweist.
Die Subordinationstheorie stellt auf die Über- und Unterordnung zwischen Bürger und Hoheitsträger ab. Danach sind Rechtsnormen dann dem öffentlichen Recht zuzuordnen wenn sie ein Verhältnis der Über- und Unterordnung begründen und zu einseitigen Regelungen berechtigen. Ein solches Verhältnis liegt beispielsweise bei Befehl, Zwang oder ähnlichem einseitigen Handeln vor.
Das Zivilrecht ist nach dieser Theorie dann einschlägig, wenn ein Verhältnis durch prinzipielle Gleichordnung geprägt ist. Ein solches Verhältnis liegt dann vor, wenn die Rechtssubjekte rechtlich gleichberechtigt sind, wie dies beispielsweise bei einem Vertragsschluss der Fall ist.
Aber auch diese Theorie kommt nicht in allen Fällen zu überzeugenden Ergebnissen. Zum einen wird ihr entgegengehalten, dass es auch im Privatrecht Über- und Unterordnungsverhältnisse gibt, so beispielsweise im Rahmen der Eltern-Kind-Beziehung oder im Verhältnis des Arbeitgebers zum Arbeitnehmer. Und auch im öffentlichen Recht sind etwa beim öffentlich-rechtlichen Vertrag durchaus Gleichordnungsverhältnisse erkennbar. In diesen Fällen hilft die Heranziehung der Subordinationstheorie nicht weiter. Gut anwendbar ist sie hingegen im Sicherheits- und Polizeirecht, da hier klassischerweise ein Über-Unterordnungsverhältnis vorliegt.
Am häufigsten wird die sogenannte modifizierte Subjektstheorie herangezogen. Sie richtet sich nach dem Zuordnungssubjekt der maßgeblichen Rechtsgrundlage. Danach sind diejenigen Rechtsnormen dem öffentlichen Recht zuzuordnen, die nur den Staat oder einen sonstigen Hoheitsträger gerade in seiner Funktion als Hoheitsträger berechtigen oder verpflichten. Privatrechtlich ist eine Rechtsnorm hingegen dann, wenn durch sie auch Privatpersonen entsprechend berechtigt oder verpflichtet sein könnten.
Doch auch diese Theorie, die durchaus noch die zuverlässigsten Ergebnisse erzielt, kann nicht alle Fälle befriedigend lösen. So ermöglicht die Theorie insbesondere dann keine Abgrenzung, wenn bereits unklar ist welche Rechtsnorm im Rahmen des streitigen Rechtsverhältnisses heranzuziehen ist. Und auch in den Fällen, in denen Beliehene handeln, hilft das Heranziehen dieser Theorie nicht weiter. Die Beliehenen sind Privatpersonen (z.B. TÜV), nehmen aber aufgrund der Beleihung hoheitliche Aufgaben aufgrund von Sonderrechten wahr. Als Privatpersonen können sie zwar kein Hoheitsträger sein, dennoch wird ihr Handeln als öffentlich-rechtlich qualifiziert.
Damit lässt sich abschließend zu den Abgrenzungstheorien sagen, dass diese mit Vorsicht anzuwenden sind. Um eine endgültige Entscheidung treffen zu können, ob es sich bei der in Rede stehenden Rechtsnorm um eine öffentlich-rechtliche oder eine privatrechtliche Rechtsgrundlage handelt, müssen die Theorien stets im Wege der Gesamtschau herangezogen werden, indem man sie in Kombination anwendet und auf die Merkmale des jeweiligen Einzelfalles eingeht.
Soweit das betreffende Rechtsverhältnis jedoch ein dem öffentlichen Recht typischen Rechtsgebiet zuzuordnen ist, erübrigt sich im Grunde genommen ein ausführliches Eingehen auf die Abgrenzungstheorien. Und auch in den Rechtsverhältnissen, in denen der Staat die klassische Eingriffsverwaltung einsetzt, wie dies beispielsweise im Polizei- und Sicherheitsrecht der Fall ist, erübrigt sich ein vertieftes Eingehen auf die Theorien.
III. Problematische Abgrenzungsfälle und Lösungsansätze
Problematisch ist die Abgrenzung zwischen Öffentlichem Recht und Privatrecht vor allem dann, wenn sowohl auf privatrechtliche als auch auf öffentlich-rechtliche Rechtsnormen abgestellt werden kann.
Im Folgenden sollen in diesem Zusammenhang einige Beispielsfälle und deren Lösungsansätze aufgezeigt werden.
1. Unfall eines Beamten
Fraglich ist bei einer Autofahrt eines Beamten deren rechtliche Zuordnung, da das zivilrechtliche Deliktsrecht (§ 823 ff. BGB) andere Rechtsfolgen normiert als der öffentlich-rechtliche Anspruch aus Amtshaftung (§ 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG). In einem solchen Fall stellt die Rechtsprechung insbesondere auf die Zielsetzung und den Zweck der Fahrt und damit auf den Zusammenhang mit der öffentlich-rechtlichen Aufgabenerfüllung ab. Erfolgt die Fahrt zur Wahrnehmung hoheitlicher Aufgaben, so ist die Autofahrt eines Beamten dem Öffentlichem Recht zuzuordnen, dient sie hingegen der Erledigung fiskalischer Geschäfte, so ist sie dem Privatrecht zuzuordnen. Die Literatur stellt hingegen darauf ab, ob die Teilnahme am Straßenverkehr als Ausübung hoheitlicher Befugnisse nach außen erkennbar wird, insbesondere ob also Sonderrechte gem. § 35 StVO, Blaulicht oder Martinshorn in Anspruch genommen werden.
2. Ehrverletzende Äußerungen eines Beamten
Im Rahmen von ehrverletzenden Äußerungen eines Beamten können sich für den Bürger Widerrufs- bzw. Unterlassungsansprüche ergeben. Auch hier können diese sowohl aus dem Privatrecht (§§ 823, 1004 BGB) als auch aus dem öffentlichen Recht (öffentlich-rechtlicher Unterlassungsanspruch, Folgenbeseitigungsanspruch auf Widerruf ehrbeeinträchtigender Äußerungen) abgeleitet werden. Die Abgrenzung hängt auch in diesen Fällen davon ab, in welchem Zusammenhang die Äußerung des Beamten steht. Äußert sich der Beamte als Privatperson und damit erkennbar nicht in seiner Funktion als Verwaltungsträger, steht dem Bürger ein privatrechtlicher Anspruch zu; steht die Äußerung jedoch im Zusammenhang mit der Erfüllung hoheitlicher Aufgaben, so ist die Äußerung des Beamten dem öffentlichen Recht zuzuordnen und damit der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten eröffnet.
3. Hausverbot in öffentlichen Gebäuden
Ein weiterer problematischer Abgrenzungsfall ist die Ausübung des Hausrechts in öffentlichen Gebäuden (z.B. Erteilung eines Hausverbotes). Die Literatur stellt in diesen Fällen überwiegend auf den Zweck der jeweiligen Einrichtung ab. Dient das Gebäude vordergründig öffentlichen Belangen, so ist der Verwaltungsrechtsweg eröffnet, was regelmäßig der Fall ist.
Die Rechtsprechung hingegen stellt auf den Zweck des jeweiligen Aufenthaltes in dem Gebäude ab. Das Hausverbot ist danach dem öffentlichen Recht zuzuordnen, soweit der Bürger das Gebäude mit einem öffentlichen Interesse betritt (z.B. der Beantragung einer Baugenehmigung) und dem Privatrecht, soweit es bei dem Aufenthalt in dem entsprechenden Gebäude um die Erledigung privatrechtlicher Geschäfte (z.B. dem Verkauf eines Zeitschriftenabonnements) geht.
4. Leistungsverwaltung
Auch im Rahmen der Leistungsverwaltung (z.B. der Subventionsvergabe) ist die Abgrenzung zwischen dem Öffentlichem Recht und dem Privatrecht schwierig, da die Verwaltung in diesem Bereich ein Wahlrecht sowohl hinsichtlich der Organisations- als auch der Kontrahierungsform hat. So kann der Staat beispielsweise ein in Not geratenes Unternehmen ein Darlehen nach § 488 BGB gewähren oder öffentliche Gebäude an Privatpersonen nach § 535 BGB vermieten. Trotzdem ist der Staat im Bereich der Leistungsverwaltung anders als Private an die Grundrechte und andere öffentlich-rechtliche Vorschriften gebunden. Wird einem wirtschaftlich angeschlagenen Unternehmen zum Beispiel ein Darlehen gewährt, so hat wegen dem Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG auch ein Konkurrenzunternehmen in derselben Situation einen Anspruch auf Erteilung des Darlehens. Vermietet eine Stadt ihre Stadthalle regelmäßig an eine Partei, die dort ihre Parteitage durchführt, muss sie gem. Art. 21 BayGO auch mit einer anderen Partei einen Mietvertrag abschließen, wenn diese die Stadthalle nutzen will. Diese im Öffentlichen Recht begründeten Ansprüche müssen auch vor den Verwaltungsgerichten durchgesetzt werden können, da im Privatrecht ein Kontrahierungszwang anders als im Öffentlichen Recht grundsätzlich nicht anerkannt ist.
Zur Lösung dieses Spannungsfeldes wurde die sog. Zwei-Stufen-Theorie entwickelt, die nach dem „ob“ und dem „wie“ der Vergabe der Leistung differenziert. Ein Streit über das „ob“, also z.B. über das Vorliegen der Voraussetzungen für die Gewährung einer staatlichen Subvention muss demnach immer dem öffentlichen Recht zugeordnet werden.
Die nähere Ausgestaltung, also das „wie“ kann dann hingegen privatrechtlich (z.B. durch Darlehensvertrag) erfolgen.
In diesem Rahmen konnten nur einige der relevanten Fallgruppen betrachtet werden. Aber anhand der Beispiele wird deutlich, dass die Abgrenzung von Öffentlichem Recht und Privatrecht oft zu Problemen in einer verwaltungsrechtlichen Klausur führen kann. Beachten sie aber immer die Schwerpunktsetzung in der Klausur. So sollten die Abgrenzungstheorien in unproblematischen Fällen, wenn überhaupt, nur am Rande angesprochen werden. Liegt jedoch ein Fall vor, in dem die Abgrenzung zu Schwierigkeiten führt, ist in diesem Rahmen nicht nur eine Gesamtschau der jeweiligen Theorien erforderlich, sondern ebenso eine auf den Einzelfall gerichtete Argumentation.