Intelligenz I: Begriff und Modelle
1. Einleitung
1.2 Begriffsklärung
Intelligenz ist ein im Alltag gebräuchlicher Begriff, den jeder zu verstehen meint; gerade in der Schule sind sich Lehrerinnen und Lehrer häufig subjektiv sehr sicher, wenn sie Schülerinnen oder Schüler als besonders intelligent oder nicht intelligent beurteilen, wobei solche Einschätzungen nicht selten intersubjektiv mit Kollegen durchaus geteilt werden. Demgegenüber kommt in wissenschaftlichen Definitionsversuchen die Schwierigkeit einer genauen begrifflichen Erfassung zum Ausdruck. So gibt es zahlreiche Definitionsversuche, die von hilflosen methodischen Definitionen („Intelligenz ist das, was der Intelligenztest misst“) hin zu komplexen kognitiven Prozessen, Problemlösung und Anpassung einschließende Definitionen reichen, wie die von Wechsler (1975), der Intelligenz definiert als „… die zusammengesetzte Fähigkeit des Individuums, zweckvoll zu handeln, vernünftig zu denken und sich mit seiner Umgebung wirkungsvoll auseinanderzusetzen“. Ein weiterer Ansatz stammt von Estes (1982), wonach Intelligenz „das adaptive Verhalten des Einzelnen, gewöhnlich charakterisiert durch ein bestimmtes Problemlösungselement und [als] gesteuert von kognitiven Prozessen und Operationen, darstellt“. Die beiden letzteren Definitionen beinhalten spezifische Komponenten der Intelligenz, nämlich Informations-verarbeitungsprozesse (oder kognitive Prozesse), welche in Problemlösesituationen in Auseinandersetzung mit der Umwelt das Verhalten einer Person steuern, sodass es sich letztlich in intelligentem Handeln manifestiert.
Betrachtet man aktuelle Definitionen, so wird im Dorsch – Psychologisches Wörterbuch (Häcker & Stapf, 1998) Intelligenz als „Fähigkeit angesehen, sich in neuen Situationen aufgrund von Einsichten zurechtzufinden oder Aufgaben mithilfe des Denkens zu lösen, ohne dass hierfür die Erfahrung, sondern vielmehr die Erfassung von Beziehungen wesentlich ist“. Hier fällt auf, dass Erfahrungen explizit als Einflussfaktoren ausgeschlossen werden. Das steht im klaren Widerspruch zur Definition von Gruber und Stamouli (2009), in der Intelligenz als „die Fähigkeit eines Menschen zur Anpassung an neuartige Bedingungen und zur Lösung neuer Probleme auf der Grundlage vorangehender Erfahrungen im gesellschaftlichen Kontext“ konzipiert wird. Es werden also vorausgehende Erfahrungen zu einem wesentlichen Definitionsbestandteil gemacht, sodass die Bedeutung erworbenen Wissens deutlich zum Ausdruck kommt – genauso wie dies auch bei Sternberg deutlich wird, der auf die Bedeutung von Erfahrungen für die Intelligenz in der eigenen Kultur verweist.