Grundlagen der anwendungsbezogenen Hochschulmathematik
6. Integralrechnung
6.5. Integrale elementarer Funktionen
In diesem Kapitel werden Integrale einiger elementarer Funktionen berechnet.

Konstante Funktionen
Gegeben sei die konstante Funktion \(f(x) = c\). Gesucht ist das Integral \(\int\limits_a^b f(x)\,\mathrm{d} x = \int\limits_a^b c \, \mathrm{d}x\).
- Lösung durch Finden einer Stammfunktion Aus dem vorherigen Kapitel ist bekannt, dass für \(g(x) = c\cdot x\) gilt: \(g'(x) = c\). Das heißt, \(c \cdot x\) ist eine Stammfunktion für \(c\). Damit gilt also:\[\int\limits_a^b c \, \mathrm{d}x =[c \cdot x]_{x=a}^{x=b} = c\cdot b - c \cdot a = c \cdot (b-a).\]
Anmerkung: Natürlich wäre auch eine Funktion \(h(x) = c \cdot x + d\) eine Stammfunktion von \(f\), da die Konstante \(d\in\mathbb{R}\) beim Ableiten wegfällt. Der Einfachheit halber kann also mit \(c \cdot x\) gerechnet werden, da das \(d\) beim Rechnen ohnehin wegfallen würde.
- Lösung durch geometrische Betrachtung Der gesuchte Flächeninhalt unter der konstanten Funktion bildet ein Rechteck mit der Höhe \(c\) und der Länge \(b-a\). Damit ist der Flächeninhalt \(c \cdot (b-a)\), was mit der Lösung des Integrals übereinstimmt.

Lineare Funktionen
Gegeben sei die lineare Funktion \( f(x) = mx\). Gesucht ist das Integral \(\int\limits_a^b f(x)\, \mathrm dx\).
- Lösen durch Finden einer Stammfunktion Die Stammfunktion einer linearen Funktion ist auf jeden Fall eine quadratische Funktion, da \(\frac{\mathrm d}{\mathrm dx} x^2 = 2x \) gilt, also die Ableitung einer quadratischen Funktion eine lineare Funktion ergibt. Hier ist es noch wichtig, den Vorfaktor zu beachten. Es gilt \(\frac{\mathrm d (m \cdot \frac{1}{2} \cdot x^2)}{\mathrm dx} = mx\).
Damit gilt für das Integral \(\int\limits_a^b mx \mathrm{d}x = \left[\frac{m}{2}x^2 \right]_{x=a}^{x=b}= \frac{m}{2}b^2 - \frac{m}{2}a^2 \).
- Lösen durch geometrische Betrachtung Das gesuchte Integral ergibt sich geometrisch, indem vom Flächeninhalt des Dreiecks mit den Ecken \((0|0)\), \((b|0)\) und \((b| mb)\) der des Dreiecks mit den Ecken \((0|0)\), \((a|0)\) und \((a| ma)\) abgezogen wird. Aus Formel für den Flächeninhalt von Dreiecken \(\frac{1}{2} \cdot \mbox{Grundlinie} \cdot \mbox{Höhe}\) folgt, ist der Flächeninhalt des ersten Dreiecks \(\frac{1}{2}\cdot b \cdot mb = \frac{1}{2}mb^2\) und der des zweiten Dreiecks analog \(\frac{1}{2}ma^2\). Für das Integral ergibt sich somit \(\frac{m}{2}b^2 - \frac{m}{2}a^2\). Dies stimmt mit dem Integral, das mit Hilfe der Stammfunktion berechnet wurde, überein.

Potenzfunktionen
Gesucht ist das Integral \(\int\limits_a^b x^n\, \mathrm dx\). Bei konstanten und linearen Funktionen haben wir schon gesehen, dass der Exponent einer Funktion beim Ableiten um Eins kleiner wird. Beim Integrieren muss er also größer werden. Es gilt:
\[\frac{\mathrm d }{\mathrm dx}x^n = n \cdot x^{n-1}. \]
Das heißt, die Stammfunktion für \(x^n\) muss den Exponenten \(n+1\) besitzen. Es gilt:
\[\frac{\mathrm d }{\mathrm dx} x^{n+1}= (n+1) \cdot x^n\].
Somit muss die Gleichung noch mit \(\frac{1}{n+1}\) multipliziert werden, damit sich der Faktor vor dem \(x^n\) wegkürzt:
\[\frac{\mathrm d}{\mathrm dx} \frac{1}{n+1} x^{n+1} = \frac{n+1}{n+1} \cdot x^n = x^n\].
Es gilt also: \(\int x^n\, \mathrm dx = \frac{1}{n+1} x ^{n+1},\,c\in\mathbb{R}\).
Beispiele
- \(\int x^2\, \mathrm dx = \frac{1}{3} x^3 +c,\,c\in\mathbb{R}\)
- \(\int x^3\, \mathrm dx = \frac{1}{4} x^4 +c,\,c\in\mathbb{R}\)
- \(\int x^{20}\, \mathrm dx = \frac{1}{21} x^{21} +c,\,c\in\mathbb{R}\)
Die Formel \(\int x^n\, \mathrm dx = [\frac{1}{n+1} x^{n+1}] \) lässt sich auch anwenden, falls der Exponent der Funktion keine natürliche Zahl und nicht \(-1\) ist.
Beispiele
- \(\int x^{2,7}\, \mathrm dx = \frac{1}{3,7} x^{3,7}+c,\,c\in\mathbb{R}\)
- \(\int \sqrt{x}\, \mathrm dx = \int x^\frac{1}{2} = \frac{2}{3} x^{\frac{3}{2}}+c,\,c\in\mathbb{R}\)
- Aber: Für \(x>0\) gilt\(\int x^{-1}\,\mathrm d x=\ln(x)+c,\,c\in\mathbb{R}.\)

Aufgabe Überlegen Sie sich, dass für \(x<0\) die Formel \(\int x^{-1}\,\mathrm d x=\ln(-x)+c,\,c\in\mathbb{R}\) gilt.

Natürliche Exponentialfunktion
Die natürliche Exponentialfunktion \(f(x) = e^x\) ist eine der am einfachsten zu differenzierenden und zu integrierenden Funktionen.
Da die Ableitung von \(e^x\) auch wieder \(e^x\) ergibt, ist \(\int e^x\, \mathrm dx = e^x +c, \, c\in \mathbb{R}\).
Beispiel 1
Bestimme den Wert des Integrals \(\int_0^1 e^z \,\mathrm{d} z\).
\[\int\limits_0^1e^z\,\mathrm{d}z= \left[e^z\right]_{z=0}^{z=1}=e^1-e^0=e-1.\]
Beispiel 2
Bestimme den Wert des Integrals \(\int_0^b e^{\alpha t} \,\mathrm{d} t\).
\[\int\limits_0^b e^{\alpha t}\,\mathrm{d}t=\left[ \frac{1}{\alpha}e^{\alpha t}\right]_{t=0}^{t=b}=\frac{1}{\alpha}\left(e^{\alpha b}-e^0\right)=\frac{1}{\alpha}\left(e^{\alpha b}-1\right).\]

Natürliche Logarithmusfunktion
Die Ableitung der natürlichen Logarithmusfunktion ist \(\ln'(x) =\frac{1}{x}\) für \(x>0\). Es gilt sogar \(\ln'(x) =\frac{1}{x}\) für \(x<0\). Diese Ergebnisse zusammen ergeben für die Stammfunktion von \(\frac{1}{x}\)
\[\int \frac{1}{x}\,\mathrm{d}x = \ln\left(|x|\right) +c , c\in\mathbb{R}.\]
Für den natürlichen Logarithmus kann eine Stammfunktion angegeben werden:
\[ x\ln(x) - x + c ,\, c\in\mathbb{R}.\]
Überzeugen Sie sich durch Differentiation von der Gültigkeit dieser Gleichung.
Beispiel 3
Bestimme den Wert des Integrals \(\int_{\frac12}^e \ln(x)\,\mathrm{d} x\). Es gilt:
\[\int_{\frac12}^e \ln(x)\,\mathrm{d} x = \left[x\ln(x) - x\right]_{x=\frac12}^{x=e} = \left[\left[e\ln(e) - e\right]-\left[\frac12\ln\left(\frac12\right) - \frac12\right]\right]=\frac12\left(1+\ln(2)\right).\]

Trigonometrische Funktion
Auch die Stammfunktionen von \(\sin\) und \(\cos\) ergeben sich logisch, wenn man "rückwärts" ableitet.
\(\int \sin(x)\, \mathrm dx = -\cos(x)+c,\,c\in\mathbb{R}\), da \( (-\cos(x))' =-(-\sin(x))=\sin(x)\)
\(\int \cos(x)\, \mathrm dx = \sin(x)+c,\,c\in\mathbb{R}\), da \((\sin(x))' = \cos(x) \) gilt.
Beispiel 4
Welche Fläche schließt der Sinus im Intervall \([0,\pi]\) mit der \(x\)-Achse ein?
Zur Bestimmung des Flächeninhaltes können wir einfach das bestimmte Integral \(\int_0^{\pi} \sin(\tau) \, \mathrm{\tau}\) bestimmen:
\[\int_0^{\pi} \sin(\tau) \, \mathrm{d}\tau = \left[-\cos(\tau)\right]_{\tau=0}^{\tau=\pi} = -\cos(\pi) - (-\cos(0)) = -(-1) - (-1) = 2.\]
Beispiel 5
Wie lautet das unbestimmte Integral \(\int \cos(\omega t +\phi)\,\mathrm{d}t\)?
Zur Bestimmung des Integrals können wir die Stammfunktion des Kosinus verwenden: \(\sin'(x) = \cos(x)\). Allerdings muss in der gegebenen Funktion noch die innere Ableitung berücksichtig werden. Damit erhalten wir \(\int \ \cos(\omega t +\phi)\,\mathrm{d}t =\frac{1}{\omega}\sin(\omega t+\phi).\)
