2. Folgen und Grenzwerte

2.2. Wichtige Beispiele für Folgen

Folgen bilden die Grundlage für einige zentrale Ideen in der Mathematik und können auch in anderen Gebieten wie Physik, Biologie oder Finanzwirtschaft genutzt werden, um reale Situationen zu modellieren. Wir werden fünf dieser Folgen betrachten: die arithmetische Folge, die geometrische Folge, die Fibonacci Folge, die Look-and-say sequence und Fakultäten.

Die arithmetische Folge

Es gibt viele verschiedene Definitionen der arithmetischen Folge:

Definition 1a (Arithmetische Folge)

Eine Folge \( (a_{n} \) heißt arithmetische Folge, falls die Differenz \( d \in \mathbb{R} \) zwischen zwei aufeinander folgende Folgenglieder konstant ist, d.h.:

\( a_{n+1}-a_{n}=d \text{ mit } d=const \text{und} n \in \mathbb{N}. \)

Definition 1b (Arithmetische Folge)

Eine nichtkonstante Folge \( (a_{n})_{n} \) heißt arithmetische Folge (erster Ordnung), falls die Differenzfolge erster Ordnung, also die Folge mit \( a_2 - a_1, a_3 - a_2, a_4-a_3, \ldots , \) konstant ist.

Diese Regel gibt der arithmetischen Folge ihren Namen: Das mittlere Folgenglied dreier benachbarter Folgenglieder ist das arithmetische Mittel der anderen beiden. Beispielsweise gilt

\( a_2 = \frac{a_1+a_3}{2} \text{ sowie } a_n = \frac{a_{n-1}+a_{n+1}}{2}. \)

Beispiel 1.

Die Folge der geraden natürlichen Zahlen

\( (a_n)_{n\in \mathbb{N}} = (2,4,6,8,10,12,14,16,18,\ldots) \) ist eine arithmetische Folge, da die Differenz \( d \) zwischen zwei aufeinanderfolgenden Folgengliedern stets \( d=2 \) ist.

Die geometrische Folge

Die geometrische Folge kann ebenfalls auf verschiedene Weisen definiert werden:

Definition 2 (Geometrische Folge)

Eine Folge \( (a_{n}) \) heißt geometrische Folge , falls der Quotient aus jeweils zwei benachbarten Folgengliedern konstant \( q\in\mathbb{R} \setminus \text{{0}} \) ist, d.h.

\( \frac{a_{n+1}}{a_{n}}=q \text{ für alle } n\in\mathbb{N}. \)

Bemerkung: Auf Grund von Definition 2 gilt die rekursive Beziehung \( a_{n+1} = q\cdot a_n \) für alle Folgenglieder einer geometrischen Folge. Ferner erhält man die explizite Formel

\( a_n=a_1\cdot q^{n-1} \) für das \( n-te \) Folgenglied.

Der Name der Folge folgt wiederum aus der Definition. In diesem Fall ist das mittlere Folgenglied dreier benachbarter Folgenglieder das geometrische Mittel der beiden anderen Folgenglieder. Beispielsweise gilt:

\( a_2 = \sqrt{a_1\cdot a_3}. \)

Look-and-say Folge

Diese Folge ist auch bekannt als Conway-Folge. Sie tritt oft zu einem bestimmten Zeitpunkt des Mathematikstudiums als kniffliges Rätsel auf. Üblicher Weise lautet die Aufgabe:

Setze die nachfolgende Folge fort:

1

11

21

1211

111221

312211

Man braucht mehrere Anläufe, um die Aufgabe zu lösen, obwohl die Folge sehr einfach beschrieben werden kann:

Betrachten wir die ersten Folgenglieder:

  • "1" wird gelesen als "eine 1" \( \, \hat{=} \, \) "11"

  • "11" wird gelesen als "zwei 1en" \( \, \hat{=} \, \) "21"

  • "21" wird gelesen als "eine 2 eine 1" \( \, \hat{=} \, \) "1211"

  • "1211" wird gelesen als "eine 1 eine 2 zwei 1en" \( \, \hat{=} \, \) "111221"

  • "111221" wird gelesen als "drei 1en zwei 2en eine 1" \( \, \hat{=} \, \) "312211"

Natürlich kann die Folge mit jeder Ziffer \( d \) ( \( 0 \leq d \leq 9 \) ) gestartet werden und sieht ähnlich aus. Beispielsweise erhält man für \( d=4 \) die Folge \( 4 \) , \( 14 \) , \( 1114 \) , \( 3114 \) , \( 132114 \) , \( 1113122114 \) , ... .

Interessanterweise treten in der look-and-say Folge nur die Ziffern \( \left\lbrace 1, 2, 3 \right\rbrace \) sowie \( d \) auf, sofern die Folge mit \( d \) beginnt, da keine Ziffer öfter als dreimal wiederholt wird.

Die Fibonacci-Folge

Die Fibonacci-Folge ist sehr bekannnt, weil sie in vielen biologischen Prozessen wie dem Pflanzenwachstum eine Rolle spielt und tritt oftmals in der Natur auf. Die rekursive Definition ist:

Definition 3 (Fibonacci-Folge)

Die Fibonacci-Folge \( \left( F_k \right) \) ist durch folgende Formeln gegeben:

  • \( F_0=0 \) ;

  • \( F_1=1 \) ;

  • \( F_{k+1}=F_k+F_{k-1} \) für \( k\geq 1 \) .

Die Berechnung der ersten 15 Folgenglieder liefert \( 0 \) , \( 1 \) , \( 1 \) , \( 2 \) , \( 3 \) , \( 5 \) , \( 8 \) , \( 13 \) , \( 21 \) , \( 34 \) , \( 55 \) , \( 89 \) , \( 144 \) , \( 233 \) , \( 377 \) . Im Diagramm auf der rechten Seite sind die ersten 20 Folgenglieder dargestellt.Allerdings ist das Diagramm durchgängig bzw. kontinuierlich, wohingegen die Folge nur diskrete Zahlenwerte liefert Die absoluten Zuwächse der Folgenglieder sind zunächst relativ klein, nehmen aber sodann schnell zu.

Definition von \( e \)

In kaum einem Kurs in Mathematik kommt nicht die Zahl \( e \) vor - und dieser Kurs ist keine Ausnahme. Die Zahl \( e \) kann durch \( e \approx 2.718281828459045... \) approximiert werden (zumindest russische Mathematiker verwenden folgenden Trick, um sich die Zahl \( e \) zu merken: Lew Tolstoi wurde 1828 geboren; dies sind nach dem Dezimalpunkt die Zifferngruppen 2 bis 5 und 6 bis 9 :)).

Aber woher kommt der Zahlenwert für \( e \) und weshalb hat er eine solch große Bedeutung?

Wir beginnen dabei mit einem Beispiel aus der Zinsrechnung. Angeommen man hat ein gewisses Startkapital \( K_0 \) bei einer Bank angelegt. Der Einfachheit halber nehmen wir \( K_0 = 1 \, \textrm{€} \) an. Die Bank gibt bei einer Laufzeit von einem Jahr einen (extremst utopischen aber für das Beispiel deutlich machenderen) Zinssatz von  \( 100 \, \% \). Nach einem Jahr hat man dann ein Kapital \( K \) von

\( K = K_0 \cdot 2,00^1 = 2,00 \, \textrm{€}. \)

Nun verrechnet die Bank die Zinsen nicht mehr jährlich, sondern halbjährlich. Dafür werden halbjährlich \( 50 \, \% \) Zinsen berechnet. Nach einem Jahr haben wir also ein Kapital von

\( K = (1 \, \textrm{€} \cdot 1,5) \cdot 1,5 = (1,5)^2 \, \textrm{€} = 2,25 \, \textrm{€}. \)

Diesen Gedankengang wollen wir nun verallgemeinern. Wir suchen also eine Formel für eine Aufteilung in \( n \) gleichgroße Zeitintervalle. Wir müssen hierfür auch unseren Ursprungszins von \( 100 \, \% \) in \( n \) Teile aufteilen, was wegen \( 100 \, \%=1 \) dem Term \( \frac{1}{n} \) entspricht. Nach einem Jahr haben wir also ein Kapital von

\[ K = (1 + \frac{1}{n})^n. \]

Zunächst berechnen wir die ersten Folgenglieder der Folge \( (e_n) \) :

\( e_{n} \) \( e_{1} \) \( e_{2} \) \( e_{3} \) \( e_{4} \) \( e_{5} \) \( e_{6} \) \( e_{10} \) \( e_{100} \) \( e_{1000} \) \( e_{10000} \)
2 2.25 2.37 2.44 2.48 2.52 2.59 2.7 2.716 2.718

Die Werte der Folge \( \left( e_n \right) \) streben mit zunehmenden \( n \) gegen einen gewissen Wert. Der exakte Grenzwert dieser Folge wird mit \( e \) bezeichnet. Man wird auch mit anderen Startkapitalen oder Zinssätzen auf \( e \) stoßen. In den folgenden Abschnitten werden wir den Ausdruck Grenzwert einer Folge genauer betrachten.

Fakultäten

Betrachte die folgende rekursiv definierte Folge \( \left( f_n \right) \) :

  • \( f_1 = 1 \)

  • \( f_{n} = f_{n-1} \cdot n \) für \( n 1, n\in\mathbb{N} \)

Die ersten Folgenglieder \( \left( f_n \right) \) sind:

\( f_1 = 1, \\ f_2 = 1 \cdot 2 = 2, \\ f_3 = 1 \cdot 2 \cdot 3 = 6, \\ f_4 = 1 \cdot 2 \cdot 3 \cdot 4 = 24, \\ f_5 = 1 \cdot 2 \cdot 3 \cdot 4 \cdot 5 = 120, \\ \ldots \)

Allgemein gilt \( f_n = 1 \cdot 2 \cdot 3 \cdot \ldots \cdot (n-1) \cdot n \) . Als Abkürzung benutzt man die Bezeichnung \( 1 \cdot 2 \cdot 3 \cdot \ldots \cdot (n-1) \cdot n = n! \) und nennt sie n Fakultät.

Offensichtlich können Fakultäten rekursiv und mittels einer expliziten Formel berechnet werden. Es hängt vom jeweiligen Kontext ab, welche Formel bevorzugt werden sollte. Beispielsweise wird man beim Programmieren zunächst die rekursive Formel bevorzugt (da leichter zu programmieren), obwohl die explizite Formel effizienter ist.

Beispiel.

Die Anzahl, auf wie viele verschiedene Arten man zwei aus fünf unterscheidbaren Dingen auswählen kann, ist gegeben durch:

\( \left( \begin{matrix} n \\ k \end{matrix} \right) = \frac{n!}{k!(n-k)!} = \frac{5!}{2! \cdot (5-2)!} = \frac{5!}{2! \cdot 3!} = \)

\( = \frac{1 \cdot 2 \cdot 3 \cdot 4 \cdot 5}{1 \cdot 2 \cdot 1 \cdot 2 \cdot 3} = \frac{4 \cdot 5}{1 \cdot 2} = \frac{2 \cdot 5}{1} = 10,\text{ } k, n\in\mathbb{N}, k\leq n \)

Beispiel 2.

Gegeben sei die Folge

\( -3,~1,~5,~9,~13,~... \) Wegen \( 1-(-3) =4 \) und \( 5-1=4 \) and \( 9-5=4 \) und \( 13-9=4 \) liegt eine arithmetische Folge vor, die durch

\( a_1=-3 \) und

\( a_{n+1}=a_n+4 \) für \( n\in\mathbb{N} \) gegeben ist.

Beispiel 3.

Gegeben sei die Folge

\( 2,~6,~18,~54,~... \) Wegen \( \frac62=2 \) und \( \frac{18}{6}=3 \) sowie \( \frac{54}{18}=3 \) liegt eine geometrische Folge vor, die durch

\( a_n=2\cdot3^{n-1} \) für \( n\in\mathbb{N} \) gegeben ist.

Beispiel 4.

Es sei \( (F_k) \) die Fibonacci Folge. Berechne

\( a_k=\frac{F_{k+1}}{F_k} \) für \( k=7,8,9,10 \) und vergleiche das Resultat mit \( \frac12(\sqrt{5}+1)\approx1.6180 \) . Was könnte gelten?

Es gilt

\( F_7=13, F_8=21,F_9=34, F_{10}=55,F_{11}=89 \)

Daher gilt

\( a_7=\frac{21}{13}\approx1.6154 \), \( a_8=\frac{34}{21}\approx1.6190 \), \( a_9=\frac{55}{34}\approx1.6176 \), \( a_{10}=\frac{89}{55}\approx1.6182 \)

Wir erwarten, dass \( a_k \) eine Näherung für \( \frac12(\sqrt{5}+1) \) ist.

Dies ist in der Tat der Fall und \( \frac12(\sqrt{5}+1) \) ist der sogenannte goldene Schnitt. Hier ist ein Link für weiterführende Informationen.

Übungen

Falls möglich, klassifiziere jede Folge als arithmetische Folge oder geometrische Folge und gib eine zugehörige Formel an.

Übung 1.

Gegeben sei die Folge \( \left( g_n \right) \) durch \( \left( 2, ~6, ~18, ~54, ~162, \dots \right) \) .

Lösung

Übung 2.

Die Folge \( \left( h_n \right) \) ist gegeben durch Title \( \left( 10, ~-2, ~-14, ~-26, ~-38, \dots \right) \) .

Lösung

Übung 3.

Gegeben sei die Folge \( \left( p_n \right) \) durch \( \left( 2, ~5, ~10, ~13, ~26, ~29, ~58, \dots \right) \) .

Lösung