VI. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit
Nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit muss jegliches staatliches Handeln in Hinblick auf den verfolgten Zweck geeignet, erforderlich und angemessen sein.
Er wird auch als Übermaßverbot bezeichnet.
Wie der Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, wird auch der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit dem in Artikel 20 Abs. 3 GG verankerten Rechtsstaatsprinzip entnommen. Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zwingt die öffentliche Hand einen Ausgleich der Individualrechtsgüter mit den von den öffentlich-rechtlichen Normen geschützten Gütern oder Interessen herzustellen. Er erfordert ein je nach Rechtsverstoß und Schwere des Eingriffs abgestuftes Vorgehen.
Zunächst darf eine Maßnahme der Verwaltung nur dann erfolgen, wenn es hierfür einen legitimen Zweck gibt. Dies ist immer dann der Fall, wenn die Maßnahme nicht gegen die Wertung des Grundgesetzes verstößt und sie nicht willkürlich ist.
Ist ein legitimer Zweck gegeben, darf die Verwaltung nur dann einen Eingriff in rechtlich geschützte Positionen vornehmen, wenn dieser geeignet ist, den legitimen Zweck zu verwirklichen. Verbietet beispielsweise eine Behörde den Versandhandel mit verschreibungsfreien Medikamenten, um die Bevölkerung vor Gesundheitsgefahren zu schützen, ist zwar ein legitimer Zweck gegeben. Das Verbot ist aber ungeeignet, da davon ausgegangen werden kann, dass Medikamente, deren Fehl- und Überdosierung ernsthafte Gesundheitsgefahren auslösen können, verschreibungspflichtig sind und somit ein Versandhandelsverbot von verschreibungsfreien Medikamenten den Gesundheitsschutz der Bevölkerung nicht erhöht.
Des Weiteren muss die Maßnahme erforderlich sein. Erforderlich ist eine Maßnahme, wenn kein milderes, weniger belastendes Mittel gegeben ist, das den gleichen Erfolg erreichen kann. Schießt beispielsweise ein Polizist einem fliehenden Bankräuber gezielt in den Rücken, ist die Maßnahme unverhältnismäßig, wenn auch ein gezielter Beinschuss den Täter gestoppt hätte.
Schließlich muss das Handeln der Verwaltung auch angemessen sein (sog. Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne). Unangemessen ist die Maßnahme dann, wenn der Nachteil für den Betroffenen und der erstrebte Erfolg in einem deutlichen Missverhältnis zueinander stehen, wenn also die durch die Maßnahme herbeigeführten Nachteile offensichtlich größer sind, als diejenigen, die durch sie abgewendet werden sollen. Ob eine Maßnahme unangemessen ist, kann nur im Einzelfall durch Abwägung der beeinträchtigten Rechtsgüter entschieden werden.