Autorinnen: Melanie Hartmann, Antonia Halsch, Samantha Monty, Dr. Oyudari Vova, Stephan Löwe, Anne Vetter, Dr. Annika Kreikenbohm 

Begriffsbestimmung:

Im Folgenden werden verschiedene Begriffe zum Verständnis des weiteren Entwurfsmusters beschrieben: 

XR-Technologien 

Im sogenannten Reality-Virtuality-Kontinuum beschreiben Milgram und Kishino (1994) ein breites Spektrum an möglichen Umgebungen und deren Eigenschaften. Hierbei identifizieren sie reale Lebensumwelten sowie virtuelle Welten als gegensätzliche Extrema. Während reale Umgebungen ohne den Einsatz von immersiven Technologien wahrgenommen werden, wird im Rahmen virtueller Welten durch die Verwendung von Head-Mounted Displays den Nutzenden das Eintauchen in eine computergenerierte Realität ermöglicht (Buchner & Aretz 2020). Reale und virtuelle Welten beziehungsweise Objekte können miteinander verschmelzen und eine Interaktion von physischen und digitalen Elementen in Echtzeit ermöglichen (Milgram & Kishino 1994).

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Infografik nach Milgram & Kishino (1994), Credit: CreativeXR 

 

Augmented Reality (AR) 

Charakteristisch für Augmented Reality ist die Erweiterung der realen Welt durch virtuelle Inhalte (Skarbez et al. 2021). 

Virtual Reality (VR) 

Virtual Reality-Technologien ermöglichen das Eintauchen in eine computergenerierte Realität durch die Verwendung von Headsets (Buchner & Aretz 2020). VR ist demnach eine simulierte dreidimensionale Welt oder Umgebung, die ihren Nutzern ein immersives Erlebnis erlaubt (Jiminéz 2019).   

 

Extended Reality (XR) 

Der Begriff Extended Reality (XR) deckt das gesamte Spektrum virtueller Erweiterungsmöglichkeiten ab und dient in diesem Zusammenhang daher als zusammenfassender Oberbegriff für AR- und VR-Technologien (Skarbez et al. 2021). 

 

Mixed Reality (MR) 

Der Begriff Mixed Reality (MR) bezeichnet eine Umgebung, in der Benutzer sowohl Objekte der realen Welt als auch virtuelle Objekte von einem beliebigen Ort des Kontinuums Realität-Virtualität auf einem Bildschirm wahrnehmen (Milgram et al. 1994). 

 

Affordanzen 

1. Immersion 

Der Begriff Immersion beschreibt die technischen Voraussetzungen, die benötigt werden, um durch das Ansprechen möglichst vieler Sin-neseindrücke der Nutzenden eine Illusion der Realität zu kreieren (Slater & Wilbur 1997). Außerdem ist für Immersion eine möglichst natürliche Ausführung von Bewegungen innerhalb der XR-Anwendung notwendig (z.B. indem sich durch das Drehen des Kopfes die Szenerie in der virtuellen Welt entsprechend anpasst; ebd.). 

 

2. Presence 

Der Begriff der Presence stellt ein psychologisches Konstrukt dar, bei dem sich die Nutzenden als anwesend in der virtuellen Welt wahrnehmen (Slater & Wilbur 1997). Darüber hinaus zeichnet sich Presence durch die Betätigung von Handlungen aus, die auch unter realen Bedingungen gezeigt werden würden (Sanchez-Vives & Slater 2005). 

 

3. Embodiment 

Embodiment wird in erster Linie durch Handlungen und Wahrnehmungen innerhalb einer bestimmten Umgebung erfahren (Merleau-Ponty 1945/2005). Für XR-Systeme bedeutet dies, durch das Aufsetzen einer Brille visuell den realen Körper einer Person durch einen lebensgroßen, virtuellen Körper zu ersetzen (Sanchez-Vives & Slater 2005). Diese Avatar-Verkörperung des Individuums macht das Erleben der virtuellen Welt aus der Ich-Perspektive möglich, was sich wiederum auf das Presence-Gefühl der Nutzerinnen und Nutzer auswirken kann (ebd.)  

Ausgangssituation:
  • Herausforderung, Themen der Hochschullehre für Studierende didaktisch zugänglich zu machen, auch bei abstrakten, gefährlichen oder nicht greifbaren Lerninhalten 

  • Herausforderung, (ortunabhängige) Kollaboration und Interaktion in der Hochschullehre lernförderlich auszugestalten 

Lehrende stehen insbesondere mit Blick auf komplexe, abstrakte, gefährliche oder nicht greifbare Lerninhalte immer wieder vor der Herausforderung, diese den Studierenden didaktisch zugänglich zu machen und sie effektiv zu vermitteln. 

Darüber hinaus stoßen traditionelle Lehrmethoden auch mit Blick auf die lernförderliche Ausgestaltung von (ortsunabhängiger) Kollaboration und Interaktion in der Hochschullehre schnell an ihre Grenzen.  

Immersive Medienangebote können hier ansetzen und eine Möglichkeit zur Transformation der didaktisch-methodischen Herangehensweisen bieten. 

Lösungsansatz:

Das Potenzial der Innovationen von Extended Reality oder der Kombination von virtuellen Umgebungen eröffnet neue didaktische und methodische Möglichkeiten für Lehrende. Hierbei bieten immersive Technologien wie Augmented-, Virtual- und Mixed-Reality-Anwendungen (AR, VR, MR) Studierenden sichere, kostengünstige und effiziente Möglichkeiten, mit gefährlichen, nicht greifbaren oder schwer vorstellbaren Konzepten zu arbeiten (Tzanavari & Tsapatsoulis, 2010). Gleichzeitig stellen virtuelle Lernräume eine Möglichkeit zur sozialen, ortsunabhängigen Kollaboration und Interaktion der Nutzenden dar. Im Vergleich zu herkömmlichen Videokonferenzplattformen ermöglicht das immersive Erleben hierbei ein stärkeres Gefühl von Presence und Embodiment im Lernraum (Buchner & Aretz 2020). 

Zur Unterstützung von Lehr-Lernprozessen können unterschiedliche Formen des (Inter-)Agierens im virtuellen Raum genutzt werden. Dies schließt sowohl Formen sozialer Kollaboration und Vernetzung als auch die Interaktion mit Elementen der Lernumgebung selbst ein. So bietet beispielsweise die Anwendung “ViLeArn” als immersiver Seminarraum die Möglichkeit zur sozialen Interaktion mithilfe von Avataren sowie die (kollaborative) Interaktion mit abstrakten 3D-Elementen im Raum, die dem Lerninhalt entsprechend angepasst bzw. ausgelegt werden können.  

 

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Abbildung 1: Virtueller Seminarraum “ViLeArn 

Ergänzungen:
Arbeitsschritte:
Tools und Technik:
Tipps & Tricks:

Entwicklungs- und Testphase: 

Es sollte eine großzügige Testphase eingeplant werden, in der die Zielgruppe (möglichst oft und bereits früh im Entwicklungsprozess) eingebunden wird, um die App-Prototypen zu testen.  

Zudem sollten XR-Technologien vor der Nutzung in Lehrveranstaltungen von verschiedenen Parteien (z.B. durch Dozierende, Doktorand*innen und/oder Studierende) ausprobiert werden, da hierdurch wertvolle Eindrücke für den weiteren Entwicklungsprozess gewonnen werden können. 

Andererseits kann auch auf bereits entwickelte Anwendungen zurückgegriffen werden, oder in Absprache mit Entwickler*innen (z.B. bei ViLeArn) die Möglichkeit individueller Anpassungen der gewählten Anwendung geprüft werden. 

 

Bedenken von Raumrestriktionen/räumlichen Gegebenheiten: 

Informieren Sie sich frühzeitig über den zur Verfügung stehenden Platz im Hinblick auf den möglichen Bewegungsspielraum und die maximale Gruppengröße in den Räumlichkeiten sowie über evtl. nutzbare Infrastruktur. Hierzu gehören ggf. Aufstellmöglichkeiten wie Tische, Sitzgelegenheiten (v.a. bei kabelgebundenen Anwendungen ratsam), die Stromversorgung (Anzahl der benötigten Steckdosen abhängig von der verwendeten Hardware), die Lichtverhältnisse sowie das Internetsignal über verfügbare WLAN/LAN- Verbindungen. 

 

Aufbau und Vorbereitung der Technik: 

Für den Tag der Durchführung sollte ausreichend Zeit zum Aufbau der Technik eingeplant werden. Je nach verwendeter Hardware kann es außerdem erforderlich sein, Akkus oder Batterien der Geräte (z.B. der XR-Brillen oder der Controller) im Vorfeld zu laden, damit sie für die Durchführung einsatzbereit sind. Auch sollte bei der Vorbereitung der XR-Hardware Zeit für die Kalibrierung des zur Verfügung stehenden Bodenbereichs eingeplant werden. 

 

Bedenken von notwendiger personeller Unterstützung: 

Wie viele Teilnehmer/-innen können von Ihnen oder ihrer Gruppe bei einer Veranstaltung insgesamt und gleichzeitig betreut werden? Hierbei zeigt die Erfahrung vergangener Veranstaltungen, dass der Umfang an notwendiger personeller Unterstützung von der Komplexität der Anwendung, der verwendeten Hardware, den didaktischen Zielvorstellungen und den Vorerfahrungen der Teilnehmenden abhängt. Pro kompetente technische Unterstützungsperson können in der Regel je nach den genannten Kontextfaktoren ca. 1 bis 5 Teilnehmende betreut werden.  

 

Hinweise für Brillenträger: 

Bei Brillenträger*innen ist zu prüfen, ob die XR-Brille auch mit dem eigenen Brillengestell verwendet werden kann. Dies ist zum Beispiel bei den Modellen HP Reverb G2, Meta Quest 2, 3 und Varjo XR3 möglich. Hierbei sollte jedoch darauf geachtet werden, dass es bei gleichzeitiger Nutzung auch zu Unannehmlichkeiten kommen kann. 

In manchen Fällen kann es jedoch hilfreich sein, Kontaktlinsen zu tragen, sollte die eigene Brille nicht kompatibel mit der Hardware sein. 

 

Gesundheits- und Sicherheitshinweise: 

Adaption:

Die immersiven Lernräume können sowohl in hybriden als auch in E-Learning-Settings genutzt werden. Für Nutzungsszenarien im Bereich der Distanzlehre ist darauf zu achten, dass neben der entsprechenden Geräteausstattung und -einrichtung auch die Begleitung der technischen Handhabung gegeben sein muss 

Die mögliche Anzahl der Teilnehmenden ist abhängig von der Wahl der Hardware und Software sowie der didaktischen Zielsetzung.  

Durch die Möglichkeit der Verkörperung in Avatare können die Teilnehmenden in soziale Interaktion miteinander (Multiplayer/Mehrspieler-Anwendung) und/oder in Interaktion mit virtuellen Elementen treten. In diesem Zusammenhang stehen ihnen in den Lernumgebungen eine Bandbreite an verschiedenen Tools zur Verfügung.  

Für die Einbettung der XR-Nutzung in die Lehre bietet sich beispielsweise ein handlungsorientiertes Vorgehen an, das einen reflektierten Einsatz des Mediums für unterschiedliche Phasen des Lehr-Lernprozesses ermöglicht (Tulodziecki, Herzig & Blömeke 2017; Hartmann et al. 2024). 

 

WueDive-Projekte im Kontext virtueller Welten als Vernetzungs- und Interaktionsräume: 

Atwoli L., Baqui A. H., Benfield T., Bosurgi R., Godlee F., Hancocks S., Horton R. C., Laybourn-Langton L., Monteiro C. A., Norman I., Patrick K., Praities N., Olde Rikkert M. G., Rubin E. J., Sahni P., Smith R. S., Talley N. J., Turale S., & Vázque,z D. (2021). Call for emergency action to limit global temperature increases, restore biodiversity, and protect health. Journal of Medical Ethics, 47(12), 1-1 

Buchner, J., & Aretz, D. (2020). Lernen mit immersiver Virtual Reality. Didaktisches Design und Lessons Learned. In K. Rummler, I. Koppel, S. Aßmann, P. Bettinger & K. D. Wolf (Hrsg.), Lernen mit und über Medien in einer digitalen Welt (S. 195-216). Jahrbuch Medienpädagogik (17) 

Hartmann, M., Tiede, J., Latoschik, M. E., & Grafe, S. (2024). Development and Exploratory Implementation of a Higher Education Pedagogy Concept for Teaching and Learning with Social VR Focusing on Diversity. In J. Cohen & G. Solano (Hrsg.), Proceedings of Society for Information Technology & Teacher Education International Conference 2024 (S. 146-155). Association for the Advancement of Computing in Education (AACE). https://www.learntechlib.org/primary/p/224132/ 

Jiminez, Z. A. (2019). Teaching and Learning Chemistry via Augmented and Immersive Virtual Reality. Technology Integration in Chemistry Education and Research (TICER). American Chemical Society. 

Merleau-Ponty, M. (1945/2005). Phenomenology of Perception. Routledge. 

Milgram, P., & Kishino, F. (1994). A taxonomy of mixed reality visual displays. IEICE TRANSACTIONS on Information and Systems, 77(12), 1321-1329. 

Milgram, P., Takemura, H., Utsumi, A., & Kishino, F. (1994) Augmented Reality: A Class of Displays on the Reality-Virtuality Continuum. Telemanipulator and Telepresence Technologies, SPIE, 2351, 282-292. http://dx.doi.org/10.1117/12.197321  

Sanchez-Vives, M., & Slater, M. (2005). From Presence Towards Consciousness. Nature Re-views Neuroscience, 6, 332-339. 

Skarbez, R., Smith, M., & Whitton, M.C. (2021). Revisiting Milgram and Kishino's Reality-Virtuality Continuum. Front. Virtual Real. 2:647997. doi: 10.3389/frvir.2021.647997 

Slater, M., & Wilbur, S. (1997). A framework for immersive virtual environments (FIVE). Speculations on the role of presence in virtual environments, Presence: Teleop. Virtual En-viron. 6, 603-616. 

Tulodziecki, G., Herzig, B., Blömeke, S. (2017). Gestaltung von Unterricht. Klinkhardt 

Tzanavari, A., & Tsapatsoulis, N. (2010). Affective, interactive, and cognitive methods for e-learning design: Creating an optimal education experience. Information Science Reference. https://doi.org/10.4018/978-1-60566-940-3