Ausgangssituation:

Einleitung (Redakt.): Abstrakte Modelle, 3-dimensionale Strukturen, komplexe Räume, oder komplizierte mehrdimensionale Zusammenhänge von Daten – all dies findet sich in unterschiedlichen Fachwissenschaften und können die menschliche Vorstellungskraft herausfordern. Extended Reality (erweiterte Realität) kann hierbei unterstützen. 

Problemstellung (Redakt.):
Komplexe, abstrakte Themen sind zum Teil schwer effektiv zu vermitteln und sind für Studierende oft schwer greifbar. Insbesondere in Fächern wie der Physik, Informatik oder der Mathematik kann es schwierig sein, Konzepte wie Raumkrümmung oder mehrdimensionale Datenmengen und Strukturen verständlich zu erklären. Traditionelle Lehrmethoden, die auf Texten, Bildern oder zweidimensionalen Darstellungen basieren, können oft nicht ausreichend sein, um ein tiefes Verständnis zu vermitteln.
Studierende profitieren hier von einem immersiven Model.
 

Lösungsansatz:

Welches Potenzial bietet XR bei Visualisierungen? 

Dreidimensionale interaktive Visualisierungen dienen dabei oft als Hilfsmittel für Studierende und Forschende. Sie dienen sowohl der explorativen Analyse als auch der Kommunikation von Inhalten. Extended Reality bietet dabei im Vergleich zu zweidimensionalen stationären Bildschirmen zusätzliche Freiheitsgrade und Möglichkeiten, um in räumliche und dynamische Visualisierungen einzutauchen. In virtuellen Visualisierungen von abstrakten Räumen können kontinuierliche gestalterische und graphische Parameter, wie etwa Farbe, Intensität, Lichtrichtung usw. mit bestimmten Parametern (z.B., Datendimensionen oder Klangfarben) assoziiert werden und damit nicht nur strukturelle, sondern auch ästhetische Dimensionen einbeziehen. 

Durch die immersive Natur von XR mit speziellen VR oder AR-Headsets können Studierende komplexe Konzepte auf eine intuitive und anschauliche Weise erleben, was ihr Verständnis und ihre Lernmotivation verbessern können. Darüber hinaus ermöglicht es Lehrkräften, Lehrinhalte auf innovative Weise zu präsentieren und das Engagement der Studierenden z.B. durch handlungsbasiertes Lernen zu steigern. Der pädagogische Zugang ist oft explorativ und lädt zur Auseinandersetzung mit dem Inhalt ein. Es ergänzt damit formale und theoretische Beschreibungen in der Lehre und Fachliteratur. 

Inhalte, wie z.B. Daten, Modelle, aber auch theoretische Zusammenhänge und Simulationen können im virtuellen Raum platziert werden. Studierende können durch die Interaktion mit den Inhalten Aufgaben lösen, oder diese genauer untersuchen. Dabei müssen Inhalte nicht zwangsläufig als 3-dimensionales Objekt in einem gestalteten Raum platziert werden, sondern können auch die Gestaltung des Raumes ansich beeinflussen. Daten und Parameter können z.B. Lichtverhältnisse, Raumdimensionen oder Objekteigenschaften bestimmen. So sind Darstellungen und Interaktionen möglich, die im realen physischen Raum umsetzbar sind.  

 

 

Abb. 2: Die VR Anwendung Virtual Tonal Spaces – eine interaktive Visualisierung von abstrakten Konzepten und Schemata aus der Musiktheorie (Projektleitung JProf. Fabian Moss)

 

Abb. 3: Die Augmented Reality Anwendung PUMA Magnetlaboreine dynamische Visualisierung von dreidimensionalen Magnetfeldern(Projektleitung: Prof. Thomas Trefzger und MSc. Hagen Schwanke) 

 
Ergänzungen:
Arbeitsschritte:
Tools und Technik:
Tipps & Tricks:
Begriffsbestimmung:

XR-Technologien 

Im sogenannten Reality-Virtuality-Kontinuum beschreiben Milgram und Kishino (1994) ein breites Spektrum an möglichen Umgebungen und deren Eigenschaften. Hierbei identifizieren sie reale Lebensumwelten sowie virtuelle Welten als gegensätzliche Extrema. Während reale Umgebungen ohne den Einsatz von immersiven Technologien wahrgenommen werden, wird im Rahmen virtueller Welten durch die Verwendung von Head-Mounted Displays (HMD) den Nutzenden das Eintauchen in eine computergenerierte Realität ermöglicht (Buchner & Aretz 2020). Reale und virtuelle Welten beziehungsweise Objekte können miteinander verschmelzen und eine Interaktion von physischen und digitalen Elementen in Echtzeit ermöglichen (Milgram & Kishino 1994). 

Ein illustratives Schema des Reality-Virtuality Kontinuums.

Augmented Reality (AR) 

Charakteristisch für Augmented Reality ist die Erweiterung der realen Welt durch virtuelle Inhalte (Skarbez et al. 2021). 

 

Virtual Reality (VR) 

Virtual Reality-Technologien ermöglichen das Eintauchen in eine computergenerierte Realität durch die Verwendung von Headsets (Buchner & Aretz 2020). VR ist demnach eine simulierte dreidimensionale Welt oder Umgebung, die ihren Nutzern ein immersives Erlebnis erlaubt (Jiminéz, 2019).  

 

Extended Reality (XR) 

Der Begriff Extended Reality (XR) deckt das gesamte Spektrum virtueller Erweiterungsmöglichkeiten ab und dient in diesem Zusammenhang daher als zusammenfassender Oberbegriff für AR- und VR-Technologien (Skarbez et al. 2021). 

 

Mixed Reality (MR) 

Der Begriff Mixed Reality (MR) bezeichnet eine Umgebung, in der Benutzer sowohl Objekte der realen Welt als auch virtuelle Objekte von einem beliebigen Ort des Kontinuums Realität-Virtualität auf einem Bildschirm wahrnehmen (Milgram et al. 1994). 

 

Affordanzen 

 

Immersion 

Der Begriff Immersion beschreibt die technischen Voraussetzungen, die benötigt werden, um durch das Ansprechen möglichst vieler Sin-neseindrücke der Nutzenden eine Illusion der Realität zu kreieren (Slater & Wilbur 1997). Außerdem ist für Immersion eine möglichst natürliche Ausführung von Bewegungen innerhalb der XR-Anwendung notwendig (z.B. indem sich durch das Drehen des Kopfes die Szenerie in der virtuellen Welt entsprechend anpasst; ebd.). 

 

Presence 

Der Begriff der Presence stellt ein psychologisches Konstrukt dar, bei dem sich die Nutzenden als anwesend in der virtuellen Welt wahrnehmen (Slater & Wilbur 1997). Darüber hinaus zeichnet sich Presence durch die Betätigung von Handlungen aus, die auch unter realen Bedingungen gezeigt werden würden (Sanchez-Vives & Slater 2005). 

 

Embodiment 

Embodiment wird in erster Linie durch Handlungen und Wahrnehmungen innerhalb einer bestimmten Umgebung erfahren (Merleau-Ponty 1945/2005). Für XR-Systeme bedeutet dies, durch das Aufsetzen einer Brille visuell den realen Körper einer Person durch einen lebensgroßen, virtuellen Körper zu ersetzen (Sanchez-Vives & Slater 2005). Diese Avatar-Verkörperung des Individuums macht das Erleben der virtuellen Welt aus der Ich-Perspektive möglich, was sich wiederum auf das Presence-Gefühl der Nutzerinnen und Nutzer auswirken kann (ebd.)  

 

 

Open XR  

OpenXR ist ein offener Standard für Virtual Reality (VR) und Augmented Reality (AR), entwickelt von der Khronos Group. Er definiert eine einheitliche Programmschnittstelle, die es Entwickler*innen ermöglicht, Anwendungen zu schreiben, die auf verschiedenen VR- und AR-Geräten laufen, ohne dass für jedes Gerät eine spezifische Anpassung nötig ist. Dies erleichtert die Entwicklung und verbessert die Kompatibilität und Interoperabilität zwischen unterschiedlichen Hardware- und Softwareplattformen. Bekannte Entwicklungsumgebungen wie Unity und Unreal Engine unterstützen OpenXR. 

 

Literatur:
Adaption:
Beispielprojekte:
Curved Space Lab und Virtual Tonal Spaces, biomolekulare Strukturen, Brainbuilder 
 

Wann bietet sich der Einsatz von XR in der Lehre an?  

Ein Einsatz von Extended Reality spezieller Technik, wie Headsets für Virtual Reality oder Augmented Reality, bietet sich vor allem in kleineren Lehrveranstaltungen wie Seminare, Übungen, Abschlussgespräche, Gruppenmeetings an. Anwendungen auf Smartphones oder Tablets können auch in größeren Vorlesungen einfach eingesetzt werden.    

Für den Einsatz in der Lehre gibt es zum Teil bereits VR-Anwendungen, wie z.B. “Nanome” zur Darstellung biomolekularer Strukturen. Individuelle Softwarelösungen können zusätzlich entwickelt und gestaltet werden und bieten eine große Fülle an Möglichkeiten für komplexe Visualisierungen, Simulationen und Interaktionen. Die individuelle Programmierung erlaubt es fachspezifische Datensätze, Datenbänken oder 3D Modelle direkt in die XR-Umgebung zu integrieren. Virtuelle bzw. virtuell-erweiterte Räume können individuell gestaltet werden, sodass Studierenden Aufgaben und Lerninhalt in einem spezifischen Kontext erfahren können.   

XR-Umgebungen können von ein oder mehreren Spielenden gleichzeitig genutzt werden. Letzteres kann das kollaborative Lösen von Aufgaben und damit Co-Kreativität fördern. Didaktisch stellen VR-Lernumgebungen in der Regel einen handlungsorientierten Lehransatz dar, der Studierenden gemeinsam das Kennenlernen dynamisch und räumlicher Strukturen im dreidimensionalen Raum entweder aufgabenorientiert (von der Lehrperson vorbereitet) oder aber frei (explorativ und kreativ) erlaubt. Studierende würden im Rahmen einer einzigen Anwendung unmittelbare Erfahrung mit der Visualisierung komplexer Strukturen und Theorien, deren Zusammenhängen und Dynamiken und einem Gamification-Ansatz erhalten, welcher gleichzeitig ihre Medienkompetenz erhöht. 

 

Materialien & Medieneinsatz: 

Für die Anwendung von Virtual Reality Anwendungen bedarf es: VR-Headset und ggf. eine Workstation 

Für Augmented Reality Anwendungen bedarf es: Tablets/Smartphones oder eine AR-Headset (Hololens, Focus 3, etc.) 

Integration in der Lehre: 

 
 

Hier unterscheidet man in der Regel zwischen Single-Player und Multi-Player Anwendungen. Bei Single-Player Anwendungen handelt es sich um eine asynchrone Nutzung: Lernende können die Anwendung nutzen, um selbstständig die virtuelle Welt zu erkunden. Die Anwendung kann dann als Erweiterung zum bestehenden Inhalt von Seminaren dienen und baut auf die bereits bestehenden Grundlagen auf, um diese durch immersive Visualisierung zu vertiefen und zu erweitern. Durch Instruktionen von außen (Lehrpersonal) im können Erläuterung zur Bedienung der Hardware und dem Zurechtfinden im Userinterface (UI) schnell umgesetzt werden. In Multiplayer Szenarien oder Mehrspieler-Erlebnis können Lehrpersonen im virtuellen Raum eintauchen und mit Nutzer*interagieren (Abb. 4).   

Als ein besonderes Fallbeispiel für die Interaktion einer “Zwei-Spieler”-Erfahrung oder Multiplayer-Erfahrung mit Rotation der Teilnehmenden kann die Verwendung der VR Software in Abschlussgesprächen von Übungen herangezogen werden (für mehr Details siehe Good Practice: Biomolekulare Strukturen).   

Die Prämisse ist dabei, dass eine begrenzte Anzahl von Geräten zur Verfügung stehen (Platz und organizationale Begrenzung).  

Hier kann immer eine Person für bestimmte Zeit in VR eintauchen und direkt mit den Objekten in der virtuellen Umgebung interagieren, sowie eine zweite Person in der passiven beobachten Funktion erste Eindrücke des Szenarios sammeln. Zusätzlich kann eine Lehrkraft in VR beratend und anleitend zur Seite stehen. Nach einer bestimmten Zeit, in der das Projekt mit der aktiven Person besprochen wurde, wechselt die passive Person in die aktive Rolle. Dann wird die passive Rolle von einer neuen Person aufgefüllt, die zuvor eine kurze Einführung durch eine externe Lehrkraft bekommt. Dies wiederholt sich, bis alle Teilnehmenden einmal aktiv in VR tätig wurden und ihre Ergebnisse mit der Lehrperson diskutieren konnten.