3. Allgemeine Entwicklungsverläufe der Lern- und Leistungsmotivation

3.1 Entwicklung des Leistungsmotivs

Bei der Entwicklung des Leistungsmotivs lassen sich nach Holodynski und Oerter (2008) vier Phasen unterscheiden:

In der ersten Phase ist die Freude am Effekt kennzeichnend: Ab einem Alter von etwa drei Monaten führen Säuglinge aktiv Effekte herbei, welche sie als lustvoll erleben. Zum Beispiel ein mehrmaliges Bewegen einer Rassel, die dadurch ein Geräusch von sich gibt. Diese Freude am Effekt, auch "Effektmotivation" genannt, benötigt keinerlei äußere soziale Verstärkung und kann als eine Vorform der Lern- und Leistungsmotivation verstanden werden.

Abbildung 10.4: Foto mit einem drei Monate alten Baby, welches versucht, eine Rassel zu berühren.

In der zweiten Phase, etwa im zweiten Lebensjahr, entsteht ein Verständnis der eigenen Urheberschaft. Die Kleinkinder wollen eigenständig Effekte herbei- und Aufgaben ausführen (Phase des "Selbermachenwollens").

In der dritten Phase, die ab dem Alter von etwa drei Jahren einsetzt, wird das Ergebnis einer Handlung mit der eigenen Tüchtigkeit verknüpft. Erstmals treten, zumindest bei Anwesenheit von Bezugspersonen, neben effektbezogenen Emotionen (wie Freude und Frustration) auch Leistungsemotionen (wie Stolz bei Erfolg und Scham bei Misserfolg) auf. Ab diesem Zeitpunkt geht es nicht mehr nur um das reine Erzielen von Effekten, sondern das Handeln erhält auch einen Wertemaßstab von Tüchtigkeit, der durch die Reaktionen der sozialen Umwelt beeinflusst wird. Ab dieser Phase ist Handeln nicht mehr nur effektmotiviert, sondern auch leistungsmotiviert. Schon gegen Ende dieser Phase können Kinder danach unterschieden werden, welche der beiden Komponenten des Leistungsmotivs, also "Hoffnung auf Erfolg" oder "Furcht vor Misserfolg", bei ihnen dominiert. Je nach Umweltbedingungen kann sich diese Orientierung weiter verfestigen und zum Persönlichkeitsmerkmal werden, das einen Einfluss auf die Lern- und Leistungsmotivation der Schüler/-innen hat (vgl. Lehreinheit 9).

Die vierte Phase der Entwicklung des Leistungsmotivs beginnt mit etwa viereinhalb Jahren und ist durch das Festlegen von Anspruchsniveaus gekennzeichnet, d.h. durch das Bestimmen eines Gütemaßstabs, bei dem Erfolg beginnt und Misserfolg aufhört. Ab dieser Phase können sich Kinder aufgrund vorangegangener Erfolge bzw. Misserfolge bei konkreten Aufgaben-stellungen Ziele setzen.

Fazit

Das Leistungsmotiv entwickelt sich in vier aufeinanderfolgenden Phasen: Dies sind zunächst die anfängliche Freude am Effekt im Alter von drei Monaten und die anschließende Phase des "Selbermachenwollens" (2. Lebensjahr). Ab dem dritten Lebensjahr sind Handlungen auch leistungsmotiviert und deren Ergebnisse mit der eigenen Tüchtigkeit verknüpft ("Hoffnung auf Erfolg" vs. "Furcht vor Misserfolg"). Ab etwa viereinhalb Jahren legen Kinder Anspruchsniveaus fest.