Gestufter Schutz des Lebens

Website: WueCampus
Kurs: vhb - Medizinstrafrecht - Demo
Buch: Gestufter Schutz des Lebens
Gedruckt von: Gast
Datum: Montag, 29. April 2024, 08:54

1. Absoluter Lebensschutz

Es gilt der Grundsatz des absoluten Lebensschutzes, ohne Rücksicht auf Lebensfähigkeit, Lebenserwartung oder Lebensinteresse des einzelnen. Selbst bei schwersten Missbildungen oder geistigen Defekten gibt es kein „lebensunwertes Leben“. Das Leben unterliegt auch nicht der Verfügungsgewalt seines Trägers, vgl. § 216 StGB.


2. Abgestufter Schutz des menschlichen Lebens

Das Strafrecht gewährt dem menschlichen Leben einen abgestuften Schutz, der vom Stadium seiner Entwicklung abhängt.


3. Zeitraum bis zur Verschmelzung

Bis zur Verschmelzung von Ei- und Samenzelle sind diese nicht durch spezielle Normen geschützt. Werden Ei- oder Samenzelle im Körper einer Person geschädigt, so kommt lediglich eine Körperverletzung gem. §§ 223 ff. StGB in Betracht. 


4. Schutz der befruchteten Eizelle

Bis zur Nidation wird die befruchtete Eizelle im Mutterleib nicht besonders geschützt. Die in-vitro befruchtete Eizelle unterfällt dagegen dem Embryonenschutzgesetz (ESchG).


5. Schutz des Embryos nach der Nidation

Ab ihrer Nidation im Uterus wird die befruchtete Eizelle bis zur Geburt durch die Regelungen über den Schwangerschaftsabbruch (§§ 218 ff StGB) geschützt. 


6. Tatobjekt „Mensch“

Um einen Menschen im Sinne des Strafrechts handelt es sich von Beginn des Geburtsaktes (ab dem Einsetzen der Eröffnungswehen) bis zum Hirntod. In diesem Zeitraum wird das Rechtsgut Leben nach den §§ 212 ff. StGB und den §§ 223 ff. StGB geschützt, deren Tatobjekt der „Mensch“ ist. 


7. Fahrlässige Tötung des Embryos

Problematisch ist die fahrlässige Tötung des Embryos im Mutterleib, da dieser noch kein Mensch im Sinne der §§ 212 ff. StGB ist. Da es auf den Zeitpunkt der schädigenden Einwirkung ankommt (BGHSt 31, 348, 352), liegt keine fahrlässige Tötung vor (siehe dazu: Lüttger, JR 1971, 133, der als Beispiel für pränatale Einwirkungen mit postnatalen Auswirkungen auch auf den „Contergan-Fall“ eingeht). Dasselbe gilt für die Körperverletzung. Auch die Strafbarkeit wegen Schwangerschaftsabbruchs scheidet aus, da diese den Vorsatz des Täters voraussetzt.


8. Tod des Menschen

Der Todesbegriff ist im StGB nicht geregelt. Klassischer Todesbegriff war früher der irreversible Stillstand von Kreislauf und Atmung. Dieser wurde jedoch durch den medizinisch-technischen Fortschritt in Frage gestellt. Nach heute h.M. tritt der Tod mit dem endgültigen Erlöschen der Hirnfunktionen des Groß- und Stammhirns ein.