Fall 2 - Brötlis zwanghafte Mitgliedschaft - ausformulierte Lösung
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Buch: | Fall 2 - Brötlis zwanghafte Mitgliedschaft - ausformulierte Lösung |
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Datum: | Montag, 25. November 2024, 00:31 |
1. Sachverhalt
Beate Brötli (B) betreibt seit einiger Zeit die gut laufende Bäckerei „Brötli-Zeit“. Durch das Finanzamt erfolgte eine Veranlagung zur Gewerbesteuer. Zudem wird das sonst harmonische Betriebsklima immer wieder duch die Industrie- und Handelskammer (IHK) gestört. B ist erbost über die ständigen Aufforderungen zur Beitragszahlung, die die Behörde auf § 2 IHK-Gesetz stützt. Sie hält diese Zwangsmitgliedschaft für nicht rechtens. Sie hat weder dem Beitritt zugestimmt, noch steht ihr das Recht zu, aus dem „Sauverein“ auszutreten. Schließlich hat sie genug und erhebt Anfechtungsklage vor dem Verwaltungsgericht, um die Aufhebung der Bescheide zu veranlassen. Sie führt aus, dass das „IHK-Gesetz“ gegen die ihr vom Grundgesetz zuerkannte Vereinigungsfreiheit verstoße. Als Anhängerin des vorbehaltslosen Liberalismus ist B der Meinung, dass es doch möglich sein müsste, ihr Gewerbe ohne dauernde Einmischungen betreiben zu können. Seitens der IHK wird jedoch entgegnet, dass eine andere Organisationsform nicht möglich ist. Im Gegenteil, die Mitglieder würden nur Vorteile aus ihrer Mitgliedschaft ziehen. Auch Richter Herold (H) am Verwaltungsgericht ist von der Verfassungswidrigkeit des IHK-Gesetzes überzeugt. Da H sich jedoch nicht ganz sicher ist, ruft er das Bundesverfassungsgericht form- und fristgerecht an, damit es sich dieser Frage annimmt.
2. Bearbeitervermerk / Hinweis
Bearbeitervermerk: Wie wird das Bundesverfassungsgericht entscheiden?
Hinweis: von der formellen Verfassungsmäßigkeit dieses Gesetzes ist auszugehen. Ausführungen zum Art. 12 GG bleiben außer Betracht.
3. zusätzliche Gesetzestexte
Auszug aus dem IHK-Gesetz:
§ 1
(1) Die Industrie- und Handelskammern haben, […], die Aufgabe, das Gesamtinteresse der ihnen zugehörigen Gewerbetreibenden ihres Bezirkes wahrzunehmen, für die Förderung der gewerblichen Wirtschaft zu wirken und dabei die wirtschaftlichen Interessen einzelner Gewerbezweige oder Betriebe abwägend und ausgleichend zu berücksichtigen; dabei obliegt es ihnen insbesondere, durch Vorschläge, Gutachten und Berichte die Behörden zu unterstützen und zu beraten sowie für Wahrung von Anstand und Sitte des ehrbaren Kaufmanns zu wirken.
§ 2
(1) Zur industrie- und Handelskammer gehören, sofern sie zur Gewerbesteuer veranlagt sind, natürliche Personen, Handelsgesellschaften, andere nicht rechtsfähige Personenmehrheiten und juristische Personen des privaten und des öffentlichen Rechts, welche im Bezirk der Industrie- und Handelskammer entweder eine gewerbliche Niederlassung oder eine Betriebsstätte oder eine Verkaufsstelle unterhalten (Kammerzugehörige).
§ 3
(1) Die Industrie- und Handelskammer ist Körperschaft des öffentlichen Rechts.
4. Gliederung
A. Zulässigkeit
I. Zuständigkeit des BVerfG
II. Vorlageberechtigung
III. Vorlagegegenstand
IV. Antragsgrund
V. Entscheidungserheblichkeit
VI. Form und Frist
B. Begründetheit
I. Formelle Verfassungsmäßigkeit
II. Materielle Verfassungsmäßigkeit
1. Verstoß gegen Art. 9 I GG
a) Schutzbereich
b) Ergebnis
2. Verstoß gegen Art. 12 I GG
3. Verstoß gegen Art. 2 I GG
a) Schutzbereich
b) Eingriff
c) Verfassungsrechtliche Rechtfertigung
aa) Legitimes Ziel
bb) Geeignetheit
cc) Erforderlichkeit
dd) Angemessenheit
d) Ergebnis Art. 2 I GG
III. Ergebnis
5. Lösung
In Betracht kommt die konkrete Normenkontrolle nach Art. 100 I GG, §§ 13 Nr. 11, 80 ff. BVerfGG. Der Antrag des Verwaltungsgerichts hat Aussicht auf Erfolg, wenn er zulässig und begründet ist.
A. Zulässigkeit
I. Zuständigkeit des BVerfG
Gemäß § 100 Abs.1 S.1 Alt. 2 GG ist das Bundesverfassungsgericht zuständig, soweit es um die Vereinbarkeit eines Gesetzes mit dem Grundgesetz geht. Hier steht die Verfassungskonformität eines Gesetzes in Frage. Somit ist das Bundesverfassungsgericht zuständig, § 100 Abs.1 S. 1 Alt. 2 GG.
II. Vorlageberechtigung
R müsste vorlageberechtigt sein.
Dies sind nur Gerichte. Gerichte sind dabei sachlich unabhängige Spruchstellen, die in einem Gesetz mit den Aufgaben eines Gerichts betraut und als Gerichte bezeichnet werden.
Das Verwaltungsgericht ist ein Gericht im obigen Sinne und damit vorlageberechtigt.
III. Vorlagegegenstand
Das IHK-Gesetz müsste tauglicher Gegenstand sein.
Gegenstand einer konkreten Normenkontrolle kann nur ein formelles, nachkonstitutionelles Gesetz sein, § 100 Abs.1 GG. Formelle Gesetze sind die Rechtsnormen, die in für den Erlass von „Gesetzen“ verfassungsrechtlich vorgesehenen Verfahren zustande gekommen sind. Hiervon ausgenommen sind untergesetzliche Rechtsnormen, insbesondere Rechtsverordnungen oder Satzungen.
§ 2 IHK-Gesetz ist ein solch formelles Gesetz bzw. Norm daraus und insofern ein tauglicher Vorlagegegenstand.
6. Lösung
IV. Antragsgrund
Erforderlich ist, dass das vorlegende Gericht von der Verfassungswidrigkeit des Gesetzes überzeugt ist. Bloße Zweifel hieran genügen nicht. Dies ist hier der Fall.
V. Entscheidungserheblichkeit
Das vorlegende Gericht muss darlegen, dass es für seine Entscheidung auf die Gültigkeit der Norm ankommt. Die Entscheidung des Gerichts müsste daher bei Gültigkeit anders ausfallen als bei Nichtigkeit. Dies ist vorliegend zu bejahen. H legt es ja dem BVerfG gerade vor, um dadurch zu einer eindeutigen Entscheidung gelangen zu können. Es kommt mithin auf die Gültigkeit des § 2 IHK-Gesetzes an.
VI. Form und Frist
Die Form wurde gem. §§ 23 Abs.1, 80 Abs.2 BVerfGG gewahrt, ein Fristerfordernis besteht nicht.
Der Antrag ist zulässig.
7. Lösung
B. Begründetheit
Der Normenkontrollantrag gegen § 2 IHK-Gesetz ist begründet, wenn es wesentlichen grundgesetzlichen Wertungen widerspricht, mithin verfassungswidrig ist.
I. Formelle Verfassungsmäßigkeit
Von der formellen Verfassungsmäßigkeit, insbesondere von der Gesetzgebungszuständigkeit nach den Art. 70 ff. GG, einem ordnungsgemäßen Gesetzgebungsverfahren nach Art. 76 ff. GG sowie der Ausfertigung und Verkündung nach Art. 82 I GG, ist laut Sachverhalt auszugehen.
8. Lösung
II. Materielle Verfassungsmäßigkeit
Fraglich ist allerdings, ob § 2 IHK-Gesetz, welcher für jeden Gewerbetreibenden die Pflichtmitgliedschaft in der Industrie- und Handelskammer vorsieht, auch materiell verfassungsmäßig ist.
1. Verstoß gegen Art. 9 I GG
Es könnte ein Verstoß gegen die Vereinigungsfreiheit aus Art. 9 I GG vorliegen.
a) Schutzbereich
Der Schutzbereich müsste eröffnet sein.
Gemäß Art. 9 I GG haben alle Deutschen das Recht, Vereine und Gesellschaften zu bilden. B ist deutsche Staatsangehörige. Der persönliche Schutzbereich ist damit eröffnet.
Weiterhin muss der sachliche Schutzbereich eröffnet sein. Mit Art. 9 I GG wird die Freiheit gewährleistet, Vereine zu gründen und sich in einer Vereinigung zu betätigen (individuelle Vereinigungsfreiheit). Auch sind Vereinigungen als solche in ihrer Existenz und Funktionsfähigkeit geschützt (kollektive Vereinigungsfreiheit). Der Schutzumfang beinhaltet auch das Recht der Selbstbestimmung über die eigene Organisation, das Verfahren ihrer Willensbildung und die Führung der Geschäfte. Außerdem wird ebenso die Freiheit geschützt aus einer Vereinigung auszutreten oder sich dieser gar nicht erst anzuschließen (negative Vereinigungsfreiheit).
§ 2 IHK-Gesetz sieht eine Pflichtmitgliedschaft vor. Dies bietet den Gewerbetreibenden keine Möglichkeit, sich dieser zu entziehen, womit ein Verstoß gegen die durch Art. 9 I GG gewährleistete negative Vereinigungsfreiheit vorliegen könnte. Hierfür müsste die Industrie- und Handelskammer auch eine Vereinigung i.S.d. Art. 9 I GG sein. Vereinigungen sind Zusammenschlüsse, zu denen sich eine Mehrheit natürlicher oder juristischer Personen für längere Zeit zu einem gemeinsamen Zweck freiwillig zusammengeschlossen und einer organisierten Willensbildung unterworfen haben. Hier ist das Merkmal der Freiwilligkeit problematisch, denn Körperschaften des öffentlichen Rechts, wie die Industrie- und Handelskammer, vgl. § 3 IHK-Gesetz, die durch staatlichen Hoheitsakt gegründet werden und eine Mitgliedschaft kraft Gesetzes vorsehen, gerade nicht auf Freiwilligkeit basieren. Daher ist auch die Existenz und Funktionsfähigkeit solcher Vereinigungen nicht vom Schutzbereich des Art. 9 I GG geschützt. Auch Zwangsmitglieder dieser Vereinigungen können sich nicht auf die Gründungs- und Betätigungsfreiheit berufen.
Uneinheitlich beurteilt wird allerdings die Frage, ob nicht zumindest die negative Komponente des Art. 9 I GG Körperschaften des öffentlichen Rechts erfasst und wenigstens vor der Zwangseingliederung in öffentlich-rechtliche Verbände schützt.
Dies wird von der Rechtsprechung und überwiegender Ansicht in der Literatur verneint und auf Art. 2 I GG verwiesen. Als Argument wird angeführt, dass die positive Seite der Vereinigungsfreiheit nicht weiterreichen kann als die negative, sog. Kehrseitenargument. Steht dem Einzelnen nicht das Recht aus Art. 9 I GG zu eine öffentlich-rechtliche Vereinigung zu gründen so lässt sich auch ein Recht auf Fernbleiben daraus nicht ableiten. Des Weiteren wird die Entstehungsgeschichte des Art. 9 I GG zur Begründung herangezogen. Gerade unter dem Hinweis der möglichen Notwendigkeit Angehörige bestimmter Berufe in öffentlich-rechtlichen Organisationen zusammenzuschließen, wurde der Vorschlag im Verfassungskonvent abgelehnt, die Vereinigungsfreiheit um eine Regelung zu ergänzen, dass niemand gezwungen werden dürfe, sich einer Vereinigung anzuschließen. Die Gegenmeinung will hingegen die negative Vereinigungsfreiheit auch hinsichtlich öffentlich-rechtlicher Zusammenschlüsse zulassen. Dem Kehrseitenargument wird entgegengehalten, dass es sich bei dem Fernbleiben von einem solchen Verband gerade nicht um eine Inanspruchnahme öffentlich-rechtlicher Gestaltungsformen handelt. Im Vordergrund liegt vielmehr die Abwehr staatlichen Zwangs und folglich um eine klassische Grundrechtsfunktion.
Die Argumente der Gegenmeinung vermögen letztlich nicht zu überzeugen, da ohne Frage ein qualitativer Unterschied zwischen privat-rechtlichen und öffentlich-rechtlichen Zusammenschlüsse besteht, was eine unterschiedliche Behandlung rechtfertigt. Insofern ist mit der Rechtsprechung davon auszugehen, dass der Schutzbereich der negativen Vereinigungsfreiheit öffentlich-rechtliche Zwangsmitgliedschaften nicht umfasst.
9. Lösung
b) Ergebnis
Die Freiheit vor Pflichtmitgliedschaften in Körperschaften des öffentlichen Rechts wird nicht vom Schutzbereich des Art. 9 I GG erfasst. Es liegt keine Verletzung des Art. 9 I GG durch § 2 Abs.1 IHK-Gesetz vor.
2. Verstoß gegen Art. 12 I GG
Ausführungen zu Art. 12 I GG sowie zum Streit über das Verhältnis zu Art. 2 I GG bleiben außer Betracht.
Anmerkung:
Es liegt zumindest kein Eingriff vor. |
10. Lösung
3. Verstoß gegen Art. 2 I GG
Die Pflichtmitgliedschaft nach § 2 IHK-Gesetz könnte aber gegen die allgemeine Handlungsfreiheit des Art. 2 I GG verstoßen.
a) Schutzbereich
Die allgemeine Handlungsfreiheit i.S.d. Art. 2 I GG schützt jedes menschliche Verhalten in positiver wie in negativer Hinsicht. Davon wird auch die Freiheit erfasst, kein Mitglied in einer Körperschaft des öffentlichen Rechts zu werden beziehungsweise eine solche Vereinigung auch wieder verlassen zu können. Art. 2 I GG ist jedoch lediglich ein Auffanggrundrecht und folglich nur einschlägig, sollte kein spezielleres Grundrecht greifen. Der Schutzbereich des Art. 9 I GG ist nicht gegeben (s.o.) und steht der Anwendung des Art. 2 I GG nicht entgegen. Auch der Schutzbereich der durch Art 12 I GG gewährleisteten Berufsfreiheit wird die gesetzliche Pflichtmitgliedschaft des § 2 Abs.1 IHK-Gesetz nicht tangiert (str.). Somit kann subsidiär auf Art. 2 I GG zurückgegriffen werden.
Anmerkung:
Aufgrund fehlender berufsregelnder Tendenz greift die Pflichtmitgliedschaft in der IHK nicht in Art. 12 I GG ein. |
11. Lösung
b) Eingriff
Erforderlich ist des Weiteren ein Eingriff in den Schutzbereich des Art. 2 I GG. Jeder Gewerbetreibende ist bereits kraft Gesetz Mitglied in der IHK. Diese Pflichtmitgliedschaft greift damit final und unmittelbar in die Freiheit des einzelnen Gewerbetreibenden, einem solchen Verband fernzubleiben, ein. Damit liegt ein Eingriff in die allgemeine Handlungsfreiheit der Gewerbetreibenden vor und damit auch ein Eingriff die Freiheit der B.
c) Verfassungsrechtliche Rechtfertigung
Fraglich ist, ob der Eingriff auch gerechtfertigt ist. Die allgemeine Handlungsfreiheit wird nicht schrankenlos gewährleistet. Sie findet ihre Schranken u.a. in der verfassungsmäßigen Rechtsordnung, d.h. in der Gesamtheit formell und materiell verfassungsmäßiger Normen. § 2 IHK-Gesetz ist eine solch einschränkende Norm. Diese Norm müsste jedoch auch verhältnismäßig sein.
12. Lösung
aa) Legitimes Ziel
Die Pflichtmitgliedschaft müsste einem legitimen Zweck dienen. Damit müsste letztlich auch die IHK selbst legitime öffentliche Aufgaben wahrnehmen, welche sie ohne die Pflichtmitgliedschaft nicht oder nur unzureichend erfüllen könnte. Die IHK erledigt Verwaltungsaufgaben auf wirtschaftlichen Gebiet und vertritt die gewerbliche Wirtschaft, § 1 IHK-Gesetz. Sie sind Selbstverwaltungskörperschaften und bündeln den Sachverstand sowie die Interessen der Wirtschaftssubjekte und tragen dies in den wirtschaftspolitischen Willensbildungsprozess ein. Es besteht ein gesteigertes öffentliches Bedürfnis an der Erfüllung derartiger Aufgaben. Die IHK erfüllt damit eine legitime öffentliche Aufgabe. Die Pflichtmitgliedschaft dient mithin einem legitimen öffentlichen Zweck.
Anmerkung:
Auch wenn Sie sich mit der Zwangsmitgliedschaft in der IHK nicht auskennen: beachten Sie, dass es irgendein legitimes Ziel mit hoher Wahrscheinlichkeit geben muss, denn erst dann können Sie im weiteren Verlauf der Klausur die Probleme diskutieren. Arbeiten Sie stets am Gesetz, oft sind im § 1 eines Gesetzes die Ziele und Zwecke normiert, greifen Sie diese auf! |
13. Lösung
bb) Geeignetheit
Die Pflichtmitgliedschaft müsste zur Erreichung des Zieles geeignet sein. Der Gesetzgeber hat eine weite Einschätzungsprärogative in dieser Hinsicht. Daher darf das Mittel für die Zweckerreichung zumindest nicht völlig ungeeignet sein. Anhaltspunkte für eine gänzliche Ungeeignetheit des IHK-Verbandes die gesetzgeberischen Ziele zu erreichen, bestehen nicht.
Anmerkung:
Hier ist ausreichend, dass die Zwangsmitgliedschaft nicht völlig ungeeignet ist. |
14. Lösung
cc) Erforderlichkeit
Fraglich ist aber, ob das Gesetz auch zur Zweckerreichung erforderlich ist. Es dürfte daher kein gleich wirksames milderes Mittel vorliegen. Zunächst könnte man darüber nachdenken, die genannten öffentlichen Aufgaben durch ausschließlich private Verbände mit freiwilligen Mitgliedern wahrnehmen zu lassen. Problematisch hierbei ist allerdings die fehlende Gemeinwohlbindung, anders als bei den öffentlich-rechtlichen Verbänden. Eine freiwillige Mitgliedschaft würde bedeuten, dass nicht alle Gewerbetreibenden Mitglieder einer solchen Vereinigung sein würden und der Verband damit nicht für die Gesamtheit der Gewerbetreibenden sprechen könnte. Privaten Vereinen ist es daher nicht möglich, in gleicher Art und Weise die Aufgaben der IHK wahrzunehmen. Auch die Erfüllung durch staatseigene Behörden wäre, aufgrund der fehlenden besonderen Sachnähe und Sachkompetenz, kein gleich effektives Mittel zur Verfolgung dieser Ziele. Damit lässt sich feststellen, dass die Errichtung öffentlich-rechtlicher Selbstverwaltungskörperschaften, einschließlich der Pflichtmitgliedschaft erforderlich ist.
Anmerkung:
Überlegen Sie sich, wie die Situation ohne Zwangsmitgliedschaft wäre. Welche alternativen Organisationsformen gäbe es? |
15. Lösung
dd) Angemessenheit
Die Anordnung einer Pflichtmitgliedschaft müsste im Verhältnis zu den angestrebten Zielen auch angemessen sein.
Es ist anzumerken, dass die gesetzliche Pflichtmitgliedschaft die Gewerbetreibenden in ihrer wettbewerblichen Handlungsfreiheit kaum einschränkt. Sie können die angebotene Ware sowie den Preis, die Verkaufsplattform, Standort etc. selbst bestimmen. Damit wird die unternehmerische Handlungsfreiheit nur marginal berührt und die Pflichtmitgliedschaft eröffnet den Kammerzugehörigen die Möglichkeit der Beteiligung und Mitwirkung an staatlichen Entscheidungsprozessen. Es steht ihnen ebenso offen, sich nicht daran aktiv zu beteiligen. Mitwirkungspflicht der Betroffenen bestehen nicht. Gerade die Pflichtmitgliedschaft sorgt für eine angemessene Berücksichtigung sämtlicher Interessen und die größtmögliche Bindung an das Gemeinwohl. § 2 IHK-Gesetz ist damit auch verhältnismäßig im engeren Sinne, d.h. angemessen.
d) Ergebnis Art. 2 I GG
Die Anordnung der Pflichtmitgliedschaft nach § 2 IHK-Gesetz ist mithin verhältnismäßig. § 2 IHK-Gesetz ist folglich eine zulässige Schrankenregelung des Art. 2 I GG. Die allgemeine Handlungsfreiheit wird nicht durch § 2 IHK-Gesetz verletzt.
III. Ergebnis
§ 2 IHK-Gesetz ist formell und materiell verfassungsmäßig. Damit ist die konkrete Normenkontrolle unbegründet.
Die Vorlage des Verwaltungsgerichts Würzburg ist zulässig, aber unbegründet und hat daher keine Aussicht auf Erfolg.