Lern- und Leistungsmotivation I: Grundlagen und Komponenten

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Buch: Lern- und Leistungsmotivation I: Grundlagen und Komponenten
Gedruckt von: Gast
Datum: Donnerstag, 28. März 2024, 14:29

Gabriele Steuer, Michaela Fasching & Markus Dresel, Augsburg - Lern- und Leistungsmotivation I: Grundlagen und Komponenten

Ziele

Grundlegende theoretische Vorstellungen der Motivationspsychologie kennen. Konzepte und einzelne Dimensionen der Lern- und Leistungsmotivation kennen und einordnen können.

1. Grundlagen der Motivation

Motivation ist zum einen ein sehr wichtiges und zum anderen ein sehr breites Feld. Um die herausragende Stellung zu unterstreichen und das Thema adäquat darzustellen, sind der Motivation hier drei Kapitel gewidmet. Aufbauend auf diesem Grundlagenkapitel (Lehreinheit 9), fokussiert Lehreinheit 10 die Entwicklung und Förderung der Lern- und Leistungsmotivation und legt dabei einen besonderen Schwerpunkt auf die Umweltfaktoren, v. a. auf Aspekte, die in der Schule und im Unterricht beeinflusst werden können. Lehreinheit 11 beschreibt schließlich die Phänomene "Lern- und Leistungsemotionen", "Interesse" und "Neugier" detaillierter.

Im vorliegenden Grundlagenkapitel wird zunächst erörtert, was Motivation ist, und es wird ein Rahmenmodell der Lern- und Leistungsmotivation vorgestellt. Aufbauend darauf werden verschiedene Komponenten der Lern- und Leistungsmotivation eingehender behandelt.

1.1 Was ist Motivation?

Der Begriff Motivation leitet sich aus dem Verb "movere" ab und meint folglich etwas, das die Menschen antreibt und zwar in eine bestimmte Richtung. Motivation ist ein hypothetisches Konstrukt, d. h. man kann sie nicht direkt beobachten oder messen, sondern nur anhand von Indikatoren im Verhalten, Denken und emotionalen Erleben erschließen. Die Motivation einer Schülerin zur Vorbereitung auf Schulaufgaben bzw. Probearbeiten in der Schule könnte man beispielsweise daran erkennen, dass sie sich nicht mit ihren Freundinnen trifft, sondern sich an ihren Schreibtisch setzt und lernt.

Im Folgenden findet sich die Definition von Motivation, die Dresel und Lämmle (2011) geben und die sich in ähnlicher Weise auch bei anderen Autoren finden lässt (z. B. Schunk, Pintrich & Meece, 2008; Ziegler, 1999).

Definition

Motivation ist ein psychischer Prozess, der die Initiierung, Steuerung, Aufrechterhaltung und Evaluation zielgerichteten Handelns leistet.

In älteren motivationspsychologischen Ansätzen wurde oft nur der Aspekt der Handlungsinitiierung fokussiert. Ein neueres und breiteres Verständnis nimmt an, dass Motivation den gesamten Handlungsprozess einschließlich Planung, Ausführung und Bewertung von Handlungen umfasst. Motivation meint folglich psychische Prozesse, die im gesamten Handlungsverlauf zum Tragen kommen.

Viele können sich sicher an ihre Schulzeit erinnern. Als Schüler gibt es vielerlei Dinge, die man gerne macht (z. B. mit Freunden treffen, Computer spielen, im Internet surfen etc.), wenn man sich eigentlich auf die Schule vorbereiten sollte. Wie funktioniert es, dass ein Schüler sich tatsächlich an den Schreibtisch setzt und anfängt zu lernen?

 

Übung 1


Warum denken Sie, dass Motivation wichtig ist bzw. es wichtig ist, dass man als Lehrkraft darüber Bescheid weiß? Welche Konsequenzen hat dieses Wissen der Lehrkräfte für die Schüler? Machen Sie ein kurzes Brainstorming.


 


1.2 Bedeutung der Motivation im Lernprozess

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1.3 Das Rubikon-Modell der Handlungsphasen

Ein zentrales Modell der Motivation ist das "Rubikon"-Modell der Handlungsphasen von Heckhausen (1987), das in Abbildung 9.1 dargestellt ist (Überblick bei Achtziger & Gollwitzer, 2006). Der Name "Rubikon-Modell" bezieht sich auf die historische Überschreitung des Flusses Rubikon durch Julius Cäsar, nach dem der unwiderrufliche Ausbruch des römischen Bürgerkriegs folgte. Das Modell spezifiziert vier Phasen im Handlungsprozess. Es betrachtet menschliches Handeln unter einer chronologischen Perspektive.

Abbildung 9.1: "Rubikon"-Modell der Handlungsphasen mit der Unterscheidung zwischen volitionalen und motivationalen Phasen (modifiziert nach Heckhausen, 1987)

In der Abwägephase (prädezisonale Phase) werden einerseits individuelle Bewertungen darüber gebildet, wie bedeutsam das Erreichen von etwas Erwünschtem (bzw. das Vermeiden von etwas Unerwünschtem) ist (Wertkomponente), andererseits werden Erwartungen darüber geformt, ob das Gewünschte herbeigeführt (bzw. das Befürchtete oder Unerwünschte vermieden) werden kann (Erwartungskomponente). Eine Intention wird gebildet, wenn aus dem Abwägen der beiden Komponenten eine hinreichend positive Bilanz resultiert.

In der Planungsphase (präaktionale Phase) steht die Realisierung des gesetzten Handlungs-ziels im Fokus. Sie besteht aus der Planung der Handlungsdurchführung, dem Herbeiführen oder Abwarten einer günstigen Gelegenheit zur Handlungsinitiierung sowie der Abschirmung gegenüber anderen konkurrierenden Zielen.

In der Handlungsphase (aktionale Phase) kommt es dann zur eigentlichen Handlungs-initiierung. Zentrale Kontrollprozesse sind die Regulation von Anstrengung und Ausdauer sowie die Abwehr störender Einflüsse. Wenn es nicht zu einem Handlungsabbruch kommt (oder einem Wechsel zu einer alternativen Handlung), wird zu einem bestimmten Zeitpunkt der angestrebte Zielzustand erreicht, was den Abschluss der Handlungsausführung darstellt.

In der Bewertungsphase (postaktionale Phase) werden Handlungsverlauf und Handlungs-ergebnisse evaluiert. Dazu zählt in besonderem Maße die Analyse der Ursachen für Erfolg und Misserfolg (mehr dazu im Kapitel 4). Am Ende dieser Phase stehen Schlussfolgerungen für zukünftiges Handeln.

Heckhausen unterscheidet in seinem Modell die Motivation von der Volition1. Die Volition bezieht sich auf die gewollte Umsetzung einer Intention in eine Handlung. Die Volitionsphase umfasst also Handlungsinitiierung (Planen) und -ausführung (Handeln). Der Übergang zwischen Motivation und Volition liegt beim Überschreiten des Rubikons (s. Abb. 9.1).


Übung 2


Stellen Sie sich einen Schüler vor, der seine Hausaufgaben erledigen soll. Überlegen Sie, wie ein solcher Prozess anhand des "Rubikon"-Modells der Handlungsphasen ablaufen könnte.


 


 

1 Diese Unterscheidung ist hier relevant, da in dieser Lehreinheit nur näher auf die motivationalen Phasen eingegangen wird, nicht aber auf diejenigen der Volition.

1.4 Rahmenmodell der Lern- und Leistungsmotivation

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2. Motive und motivationale Tendenzen

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2.1 Motive und Bedürfnisse

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2.1.1 Bedürfnisse bei Maslow

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2.1.2 Bedürfnisse bei Deci und Ryan

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2.1.3 Bedürfnisse bei McClelland

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2.1.4 Leistungsmotiv

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2.1.5 Risikowahlmodell

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2.2 Zielorientierungen

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2.3 Fähigkeitsselbstkonzept

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3. Aktuelle Motivation

3.1 Erwartung und Wert

3.2 Erwartungskomponente3.3 Wertkomponente

3.1 Erwartung und Wert

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3.2 Erwartungskomponente

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3.3 Wertkomponente

Für den Begriff "Wert" werden auch die Begriffe "Anreiz" und "Valenz" synonym verwendet. Eine bedeutsame Unterscheidung der Wertkomponente der Motivation ist jene zwischen intrinsischer und extrinsischer Motivation.

Definition

Intrinsische Motivation ist dadurch gekennzeichnet, dass der Wert, eine Handlung auszuführen, in der Tätigkeit selbst liegt. Entweder weil die Tätigkeit als solche positiv erlebt wird (tätigkeitsspezifische Anreize) oder weil das Thema als interessant erlebt wird (Interesse). Extrinsische Motivation ist dadurch gekennzeichnet, dass der Wert nicht in der Handlung selbst liegt, sondern sich aus den Folgen der Handlung ergibt.

Deci und Ryan (1985, 1993) nehmen in ihrer Selbstbestimmungstheorie der Motivation eine noch feinere Differenzierung vor, indem sie verschiedene Formen extrinsischer Motivation postulieren, die mehr oder weniger innerhalb der handelnden Person liegen (s. Tab. 9.3).

Tabelle 9.3: Differenzierung der extrinsischen Motivation nach Deci und Ryan (1985, 1993)

Art der Motivation

Beschreibung

Selbstbestimmt-extrinsische Motivation

Der Wert liegt zwar außerhalb der Handlung, aber überwiegend innerhalb der handelnden Person.

Fremdbestimmt-extrinsische Motivation

Der Wert der Handlung ergibt sich aus der fremdgesteuerten Belohnungs- und Sanktionierungsstruktur.

Bei der intrinsischen Motivation, die bei Eccles (1983) intrinsischer Wert genannt wird, liegt der Wert innerhalb der Handlung selbst. Dabei handeln Personen autonom und unabhängig von Verstärkung und Sanktionierung von außen (z. B. Spaß am Tüfteln an Matheaufgaben oder Interesse an den Sonetten Shakespeares). Intrinsische Motivation hat durchwegs positive Auswirkungen auf Schüler, beispielsweise hinsichtlich der Selbstregulation des Lernens und der Leistungsgüte. Im Schulkontext häufiger vorzufinden ist hingegen die extrinsische Motivation, welche sich weit komplexer hinsichtlich ihrer Auswirkungen zeigt. Deci und Ryan (1985) klassifizieren verschiedene Subtypen der extrinsischen Motivation danach, wie stark diese mit persönlichen Wert- und Zielsetzungen der handelnden Person einhergehen. Werden Handlungsfolgen als persönlich bedeutsam bewertet, so fallen sie in die Kategorie der selbstbestimmt-extrinsischen Motivation.

Wenn der Wert von Handlungen aus externalen Belohnungen, Sanktionen, Regeln oder Normen resultiert (z. B. wenn ein Schüler Mathe lernt, um Bestrafung zu entgehen), dann überwiegt die Fremdbestimmung. Eine weiterführende Ausdifferenzierung der verschiedenen Motivationsformen nach Ryan und Deci (2000) findet sich in der Abbildung 9.9.

Abbildung 9.9: Selbstbestimmungskontinuum von handlungsbezogenen Werten (vereinfacht nach Ryan & Deci, 2000)

Fremdbestimmt-extrinsische Motivation kann kurzfristig lern- und leistungsförderliche Effekte haben. Langfristig ergeben sich jedoch eher negative Effekte auf die Lernprozesse von Schülern, z. B. hinsichtlich des Einsatzes von Lernstrategien (vgl. Ryan & Deci, 2000). Selbstbestimmt-extrinsische Motivationsformen können dagegen ähnlich positive Effekte wie die intrinsische Motivation aufweisen.

Übung 6                                                                                                                                                          

1. Denken Sie an eine Tätigkeit, die sie regelmäßig und häufig ausführen. Wenn Sie diese Tätigkeit ausführen, warum tun Sie das dann? Reflektieren Sie über Ihre Handlungsgründe. Finden Sie heraus, von welchen verschiedenen Formen der intrinsischen und extrinsischen Motivation Ihr Handeln abhängt.

2. Auf Basis Ihrer Ergebnisse aus Übung 1: Überlegen Sie sich, was Schüler motiviert und welche Möglichkeiten Sie haben, diese Motivation zu verändern. Versuchen Sie dabei möglichst konkret zu werden.


 

 

Eine einfache Dichotomie von intrinsischer und extrinsischer Motivation ist konzeptuell nicht ausreichend, da sich beide nicht gegenseitig ausschließen. Daher ist eine differenziertere Betrachtung der extrinsischen Motivation nach dem Grad der Selbstbestimmung erforderlich, um die Auswirkungen des Werts verschiedener Handlungsfolgen angemessen erklären zu können.

4. Evaluation der Handlung: Ursachenerklärungen (Attributionen)

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5. Fazit und abschließende Übungen

Die aktuelle Motivation für bestimmte Lernhandlungen resultiert aus Erwartungs- und Wertkomponenten der Handlungsoptionen. Diese stehen ihrerseits in Wechselwirkung mit vergleichsweise stabilen und bereichsübergreifenden motivationalen Tendenzen (Zielorientierung, Fähigkeitsselbstkonzept) und mit der Lehr-Lern-Umwelt. Motivationale Tendenzen sowie die aktuelle Motivation wirken über den gesamten Prozess der Lernhandlung und beeinflussen dessen Qualität und Resultate. Abhängig von zuge-schriebenen Ursachenfaktoren (Attributionen) können Anpassungen der Erwartung und des Werts erfolgen. Diese Mechanismen sind zusammenfassend auch in Abbildung 9.2 dargestellt.

Übung 8                                                                                                                                                          

Überlegen Sie, in welcher Weise Lehrkräfte und Eltern die Entwicklung der Motivation von Schülern beeinflussen können. Verwenden Sie dabei alle Informationen, die Sie in diesem Kapitel erhalten haben, und nutzen Sie zur Übersicht Abbildung 9.2.

Die zugehörige Lösung finden Sie im Online-Kurs.

Übung 9                                                                                                                                                          

Im Folgenden sehen Sie vier Dialoge von Schülern. Ordnen Sie die Fachbegriffe, die Sie in diesem Kapitel gelernt haben, den einzelnen Aussagen zu.

Dialog 1:

Lisa: Hast du für die Schulaufgabe heute gelernt?

Andi: Nur so viel, dass ich keine Fünf oder Sechs krieg’. [ ______________________, ______________________ ]

Lisa: Das kann dann aber auch ’mal schief gehen!

Andi: Ach was, immer locker bleiben. Bei mir klappt das immer, mindestens ’ne Vier zu kriegen. [ ______________________ ]

Dialog 2:

Susi: Hast du die Mathehausaufgaben gemacht? Kann ich bei dir abschreiben? Ich bin echt zu doof für Mathe, ich hab das nicht gecheckt, wie das funktioniert. [ ______________________ ]

Hannes: Na dann musst du halt auch ’mal ’was für Mathe machen, wenn du es kapieren willst. [ ______________________ ]

Susi: Aber, ich weiß ja schon, dass ich es nicht kann. Egal, wie viel ich mache, ich werde mich in Mathe doch nicht verbessern [ ______________________]. Selbst wenn ich noch so viel mache, schaffe es doch nicht [______________________]. Ich mache jetzt nur noch so viel, dass es nicht auffällt, dass ich nichts kann. [ ______________________ ]

Hannes: So ein bisschen versteh ich das schon. Bei mir ist das in Englisch manchmal so, aber der Lehrer ist halt auch echt schlecht, bei dem kann man eh nichts lernen. [ ______________________ ]

Dialog 3:

Manuel: Du warst ja voll gut in der Bioprobe?!

Katrin: Ja, ich hab voll viel gelernt dafür [ ______________________ ].

Manuel: Hä?

Katrin: Na ich will doch bei dem Bio-Wettbewerb nächstes Halbjahr mitmachen. Jetzt muss ich viel lernen, weil man mindestens ’ne 2 braucht, wenn man mitmachen will [ ______________________ ]. Machst du auch mit?

Manuel: Nur weil die Lehrerin sagt, dass man mitmachen soll [ ______________________ ], muss man das noch lange nicht. Außerdem interessiert mich das überhaupt nicht.

Dialog 4:

Michael: Hast du die Mathehausaufgaben gemacht?

Sarah: Klar.

Michael: Pf, hätte ich mir ja denken können.

Sarah: Ich will Mathe halt verstehen. [ ______________________ ] Mich interessiert das einfach, drum mach ich halt die Hausaufgaben [ ______________________, ______________________ ].

Die zugehörige Lösung finden Sie im Online-Kurs.

6. Literaturempfehlungen

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7. Literaturverzeichnis

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8. Übungsfragen

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