Der Gemeinderat

Website: WueCampus
Kurs: vhb - Kommunalrecht - Demo
Buch: Der Gemeinderat
Gedruckt von: Gast
Datum: Mittwoch, 26. Juni 2024, 03:04

Beschreibung

Die Lerneinheit Gemeinderat vermittelt die Grundlagen des Kommunalverfassungsrechts. Dabei wird insbesondere die Konstitution, Funktion sowie Arbeitsweise, der sog. Geschäftsgang des Gemeinderats beleuchtet, der die notwendigen Bezüge zum Haus- und Ordnungsrecht sowie zu den Mitwirkungsverboten aufgrund persönlicher Beteiligung herstellt. 

1. Hauptorgan Gemeinderat

Neben dem ersten Bürgermeister stellt der Gemeinderat gem. Art. 29 Abs. 1 GO das zweite Hauptorgan der Gemeindeverwaltung dar. Seine Rechtsstellung leitet er aus Art. 30 GO ab. Der Gemeinderat ist die demokratisch gewählte Vertretung der Gemeindebürger in der Gemeindeverwaltung. In Städten führt er die Bezeichnung Stadtrat, in Marktgemeinden die Bezeichnung Marktgemeinderat, was allerdings keine rechtliche Bedeutung im Hinblick auf die Verwaltung der Gemeinde hat. Gemeinderat und erster Bürgermeister sind dem Wesen nach gleichgeordnete Teile der Gemeindeverwaltung, wobei jedoch der Bürgermeister Teil des Gemeinderats ist. Neben der Erledigung der hauptsächlichen Verwaltungstätigkeit der Gemeinde gem. Art. 29 GO überwacht der Gemeinderat die gesamte Gemeindeverwaltung, also auch den ersten Bürgermeister; der Gemeinderat hat eine interne Kontrollwirkung im Sinne einer kommunalen Verwaltungsaufgabenteilung. Dieses Überwachungsrecht gem. Art. 30 Abs. 3 GO beinhaltet zunächst ein umfassendes Informationsrecht ggü. allen Organen, Bediensteten und gemeindeeigenen Institutionen, also auch kommunalen Wirtschaftsunternehmen. Nicht ausüben kann die Gemeinde das Recht ggü. Dritten und ggü. Betrieben/Gesellschaften mit eigenständiger Rechtspersönlichkeit, an denen die Gemeinde nur beteiligt ist.

2. Zusammensetzung des Gemeinderats

Der Gemeinderat besteht aus dem ersten Bürgermeister und den Gemeinderatsmitgliedern, so schreibt es Art. 31 Abs. 1 GO vor. Die Anzahl der zu wählenden Gemeinderatsmitglieder steht gem. dem Art. 31 Abs. 2 GO in Proportionalität zur Einwohnerzahl einer Gemeinde. Damit bringt die Gemeindeordnung ein demokratisches Repräsentationsprinzip zum Ausdruck, das eine möglichst demokratische Abbildung der Vertretung der Gemeindebürger gewährleisten soll. 

Differenziert werden muss zwischen den Begriffen Mitgliedern des Gemeinderats und den tatsächlichen Gemeinderatsmitgliedern. Die Gemeindeordnung ist in der Verwendung dieser Formulierung nicht präzise, was eine Auslegung im Normkontext erforderlich werden lässt. Die Mitglieder des Gemeinderats umfassen begrifflich den ersten Bürgermeister und die Gemeinderatsmitglieder, während der erste Bürgermeister kein Gemeinderatsmitglied, aber Mitglied des Gemeinderats ist. Diese Differenzierung mutet auf den ersten Blick befremdlich an, stellt sich bei Lichte betrachtet aber nicht als Tautologie dar, sondern als absolut notwendig. Die Zahl der zu wählenden Gemeinderatsmitglieder gem. Art. 31 Abs. 2 GO bezieht sich nämlich nur auf die tatsächlichen Gemeinderatsmitglieder exklusive des Bürgermeisters. Der Gemeinderat setzt sich daher wie Art. 31 Abs. 1 GO vorgibt aus der jeweiligen Anzahl der Gemeinderatsmitglieder zusammen und dem hinzu zu addierenden Bürgermeister. Die auch Sollstärke genannte Mitgliederzahl des Gemeinderats liegt also zwischen 9 und 81 gem. Art. 31 Abs. 1 und 2 GO. 


3. Ausschüsse

Innerhalb des Gemeinderats können sog. Ausschüsse gebildet werden, die aus einzelnen Mitgliedern des Gemeinderats bestehen und sich mit spezialisierten Aufgaben befassen. Dadurch erfolgt eine Bündelung von Fachkompetenz und eine möglichst aufgabengerechte und gründliche Verwaltung im Wege der Arbeitsteilung. Ausschüsse können dabei sowohl eine ausschließlich beratende Funktion haben, als auch eine beschließende Funktion. 

Während vorberatende Ausschüsse aufgrund der geringen Reichweite des Beratungsergebnisses im Hinblick auf die Verwaltungstätigkeit des Gemeinderats daher grundsätzlich unbeschränkt im Rahmen der jeweiligen Geschäftsordnung gebildet werden können, hat die Gemeindeordnung hinsichtlich der Bildung sog. beschließender Ausschüsse einen zehn Punkte umfassenden Ausschlusskatalog vorgesehen, der die Bildung eines beschließenden Ausschusses in diesen Punkten verbietet. Die Limitierung beschließender Ausschüsse liegt in der Möglichkeit begründet, durch einen beschließenden Ausschuss im Namen der Gemeinde einen endgültigen Beschluss zu fassen, der in seiner rechtlichen Wirkung dem Gemeinderatsbeschluss gleichsteht und einen solchen ersetzt (Art. 32 Abs. 3 GO). Um die Organtätigkeit des Gemeinderats als Hauptverwaltungsorgan der Gemeinde nicht in eine geringfügig demokratisch legitimierte Ausschussarbeit zu überführen, muss die Bildung beschließender Ausschüsse an gewichtige Gründe gebunden werden, die entweder in der Handlungsfähigkeit der Verwaltung oder der Entlastung der Verwaltung begründet sein können. Insbesondere bei Letzterem ist es bedeutsam, dass die Erfüllung der dem Ausschuss übertragenen Aufgabe in aller Regel keine Befassung des gesamten Gemeinderats rechtfertigt, die „ausgeschossene“ Aufgabe also auch in gleicher Art und Güte durch den Ausschuss wahrgenommen werden kann. 

Zwingend zu bilden hat eine Gemeinde einen Ferienausschuss und einen Werkausschuss für etwaige Eigenbetriebe, beide in beschließender Form. Der Ferienausschuss ist während einer Ferienzeit des Gemeinderats (bis zu 6 Wochen) für die Erledigung der Aufgaben des Gemeinderats zu bestellen. Dem Werkausschuss gem. Art. 88 Abs. 4 GO sind die zur Führung des Eigenbetriebs notwendigen Angelegenheiten übertragen, soweit der Gemeinderat sich keine Entscheidung selbst vorbehalten hat. Die Exegese des Normtextes zeigt dabei abschließend zu diesem Thema zwei wesentliche Faktoren der Ausschussarbeit. Einerseits die Bündelung spezifischer Fachkompetenz im Werkausschuss, die wohl sachgerecht von einem Ausschuss schon aufgrund seiner flexibleren Größe besser und zielgerechter erfolgen kann und zum anderen die limitierte Beschlussfähigkeit, die in Akzessorietät zu der abgeleiteten Beschlussfähigkeit aus dem Gemeinderat steht. Dies zeigt sich in Art. 88 Abs. 4 GO dergestalt, dass der Gemeinderat über die materiell-rechtliche Beschlussfähigkeit des Werkausschusses weiterhin verfügen kann, insbesondere sich bestimmte spezifische Aufgaben selbst vorbehalten kann. Damit ist dem Gemeinderat die Möglichkeit eröffnet nach eigenem Ermessen festzulegen, welche Aufgaben durch ihn als Hauptverwaltungsorgan der Gemeinde selbst zu erledigen sind. 


4. Fraktionen

Eine in Bezug auf den Gemeinderat bedeutsame Frage ist die rechtliche Stellung der Fraktionen. Insbesondere die sog. Kommunalverfassungsstreitigkeit, also eine Streitigkeit zwischen mehreren Organen der Gemeinde, erfordert die Betrachtung und Kenntnis derjenigen Organe einer Gemeinde, die mit eigenen organschaftlichen Rechten ausgestattet sind. Diese müssen aus der Gemeindeordnung, respektive der Geschäftsordnung des Gemeinderats abgeleitet werden können und begründen für das jeweilige Organ eine einklagbare organschaftliche Rechtsposition, die sodann im Wege der Kommunalverfassungsstreitigkeit für den Fall ihrer materiell-rechtlichen Begründetheit durchgesetzt werden kann. Während Ausschüsse unmittelbar aus der Gemeindeordnung eine organschaftliche Stellung ableiten können, sind Fraktionen von der Gemeindeordnung nicht explizit erwähnt, werden nur in Bezug auf die Besetzung der Ausschüsse in einem Spiegelbildlichkeitsprinzip genannt, das die Abbildung der Parteien und Wählergruppen auch in den Ausschüssen spiegelbildlich zum Hauptverwaltungsorgan der Gemeinde, dem Gemeinderat, ausgestaltet werden soll. Das impliziert in einem Rückschluss eine Verklammerung der einzelnen Gemeinderatsmitglieder durch deren Zugehörigkeit zu einer Partei oder Wählergruppe in einer Fraktion, deren politische couleur sodann auch in den Ausschüssen proportional zur Zusammensetzung des Gemeinderats stattfinden soll und so ein Mehr an demokratischer Abbildung garantieren soll. Dennoch muss nicht jedes Gemeinderatsmitglied einer Fraktion angehören, es besteht insofern kein Fraktionszwang. Wesentliches zu Fraktionen enthalten in aller Regel die Geschäftsordnungen der Gemeinderäte, welche Bestimmungen zu Anzahl, Sitzordnung nach Fraktionen und Verteilung der Fraktionen in den Ausschüssen beinhalten. Die Geschäftsordnung des Gemeinderats ist daher besonders bedeutsam für die Begründung der organschaftlichen Rechtsstellung der Fraktionen.

Zu den Charakteristika einer Fraktion: 

Eine Fraktion muss gewissen Anforderungen in formaler und materieller Hinsicht gerecht werden, um als „Suborgan“ des Gemeinderats eigene organschaftliche Rechte für sich in Anspruch nehmen zu können. Diese formalen Voraussetzungen sind aufgrund der mangelnden Bestimmung der GO relativ frei und durch den Gemeinderat in Teilen selbst festzulegen, sind aber in jedem Fall in der Geschäftsordnung des Gemeinderats festzuhalten. Aufgrund der besonderen Bedeutung des Demokratieprinzips auch auf kommunaler Ebene kann insbesondere Art. 33 Abs. 1 S. 2 GO entnommen werden, dass die Gemeindeordnung eine Fraktionierung der Gemeinderatsmitglieder voraussetzt, welche sich sodann im Sinne des Demokratieprinzips in der Bildung und Zusammensetzung der Ausschüsse niederschlagen soll. Diesen Gedanken muss die Geschäftsordnung eines Gemeinderats aufnehmen, wenngleich hier insbesondere anhand der personenmäßigen Stärke des Gemeinderats degressiv abnehmend im Einzelfall Abweichungen geboten sind. Exemplarisch kann zunächst § 5 der Geschäftsordnung des Würzburger Stadtrats (Fassung v. 18.12.2018) betrachtet werden, welcher die Bildung von Fraktionen regelt. 

 

 

§ 5 Fraktionsbildung

(1) Parteien und Wählergruppen, die im Stadtrat mit mindestens drei Mitgliedern vertreten sind, bilden je eine Stadtratsfraktion. Daneben können einzelne Stadtrats-mitglieder sich zu Fraktionen zusammenschließen, sofern die Fraktion dann aus mindestens drei Mitgliedern besteht.

(2) Die Bildung und Bezeichnung der Fraktionen sowie die Namen der Fraktionsvorsitzenden und ihrer Stellvertretung in der festgelegten Reihenfolge sind der Oberbürgermeisterin/dem Oberbürgermeister mitzuteilen, die/der den Stadtrat unterrichtet. Bei Fraktionen mit mehr als einem Vorsitzenden sowie mehreren gleichberechtigten Stellvertretern ist von der Fraktion die Vertretungsreihenfolge zu benennen.

 

Betrachtet man die Vorschrift im Einzelnen zeigt sich, dass an eine Fraktion sowohl formelle, wie auch materielle Anforderungen im Einzelnen gestellt werden, welche die organschaftliche Rechtsstellung einer Fraktion im Hinblick auf eine subjektive Rechtsstellung gegenüber der Durchsetzung organschaftlicher Rechte gegenüber einem anderen Organ der Gemeinde ermöglicht (Interorganstreit – Zwischenorganstreit). 

Zu den formalen Voraussetzungen ist die Bezeichnung der Fraktion, also eine Namensgebung, eine sachpolitisch und kommunalpolitische Übereinstimmung der Fraktionsmitglieder und eine Mindestanzahl von drei Fraktionsmitgliedern zu zählen. Auch die Benennung eines Fraktionsvorsitzenden sowie einer Stellvertretung dessen ist eine formale Voraussetzung, welcher die Fraktion gerecht werden muss. Ebenso besteht gegenüber dem ersten Bürgermeister (Oberbürgermeister der Stadt Würzburg) eine Mitteilungspflicht der Fraktion, diesen über die formelle Bildung der Fraktion zu unterrichten. 

In materieller Hinsicht muss eine Fraktion eine tatsächlich vorhandene politische Übereinstimmung auf kommunaler Ebene vorweisen, welche glaubhaft die Absicht einer längerfristigen politischen Zusammenarbeit der zur Fraktion gehörenden Stadtratsmitglieder beteuert. Hier gibt die Geschäftsordnung des Würzburger Stadtrats die Vermutung der Gemeindeordnung wieder, dass diese aufgrund entsprechender Parteizugehörigkeit oder Anhängerschaft einer Wählergruppe gegeben ist. Eine sich über diese bloße Zugehörigkeitsfrage hinwegsetzende Fraktion ist jedoch nicht ausgeschlossen, da es auf die längerfristig angelegte, ernsthafte und glaubhafte politische Übereinstimmung der Fraktionsmitglieder ankommt, die auch einem schriftlich vorliegenden Sachprogramm der Fraktion entnommen werden können muss. So erscheint es denkbar, dass eine Fraktion auch aus mehreren kleinen Parteien gebildet wird, die koalitionsmäßig in Kooperation stehen; zeitliches Leitbild soll die laufende Wahlperiode des Gemeinderats sein, da nur auf diese Weise eine Abbildung der Fraktionsstärke in den Ausschüssen dauerhaft gewährleistet werden kann, ohne diese aufgrund permanenter Fraktionsumbildung neu festlegen zu müssen. Dabei soll zwar der Gedanke eines politischen Konsenses das Fraktionsbild leiten, allerdings ist ein opportunistischer sowie zweckmäßiger Zusammenschluss durch eine Fraktion nicht schädlich. Eine rein technische Fraktionsbildung, zur Partizipation an entsprechenden Ausschüssen ohne glaubhafte politische Übereinstimmung der Fraktionsmitglieder, ist jedenfalls vor dem Hintergrund der Aushöhlung des dem Art. 33 Abs. 2 GO innwohnenden Gedankens einer sich in den Ausschüssen proportional widerspiegelnden demokratischen Abbildung der Zusammensetzung des Gemeinderats, nicht als Fraktionsbildung im materiellen Sinn anzuerkennen. 

Festgehalten werden kann, dass eine Fraktion abstrahiert vom hiesigen Einzelfall sowohl formellen als auch materiellen Anforderungen gerecht werden muss, um eine subjektive organschaftliche Rechtsstellung für sich behaupten zu können. Im Einzelnen gehört hierzu jedenfalls eine Bezeichnung der Fraktion sowie eine Benennung des Vorsitzenden und eine Mindestzahl der Fraktionsmitglieder, die eine gewisse organschaftliche Struktur erkennen lässt. In materieller Hinsicht muss die Mitglieder der Fraktion eine längerfristig angelegte politische Zusammenarbeit verbinden, die sich in einem sachbezogenen politischen und schriftlichen Programm der Fraktion manifestiert. 

Die Fraktionsbildung ist jedoch nicht in „Stein gemeißelt“, kann deshalb auch während der laufenden Wahlperiode des Gemeinderats entsprechend den Vorgaben der Geschäftsordnung erneut erfolgen. Dies kann unter Umständen der Parteiaustritt eines Fraktionsmitglieds sein oder die Bildung einer parteiübergreifenden Fraktion. Inwieweit eine Fraktionsumbildung eine Anpassung bspw. der Verteilung der Mitglieder in Ausschüssen veranlasst, steht in Abhängigkeit der zahlenmäßigen Bedeutung der Fraktionsumbildung vor dem Hintergrund der Gesamtzahl der Gemeinderatsmitglieder. Schließen sich bspw. zwei kleinere Fraktionen zu einer größeren Fraktion zusammen, evoziert dies nicht zwingend eine Anpassung der Ausschussverhältnisse, da die Ausschussvertreter insoweit addiert werden können und dann auch innerhalb des Ausschusses zahlenmäßig spiegelbildlich zum Gemeinderat vertreten sind. Anders verhält es sich hingegen dann, wenn eine Fraktion eine große Anzahl an Mitgliedern verliert und dieser Verlust die Fraktion insgesamt schwächt. Für diesen Fall erscheint es sachgerecht auch die spiegelbildliche Vertretung der Fraktion in Ausschüssen anzupassen, um die veränderte politische Fraktionsbildung des Gemeinderats nicht durch eine versteinerte Ausschusszusammensetzung für den Teil der beschließenden Ausschüsse zu umgehen, was nicht dem demokratisch legitimierten Mandat des Gemeinderats gerecht wird.

5. Der Geschäftsgang

Der Geschäftsgang des Gemeinderats ist die Haupttätigkeit dessen und erschöpft sich weit überwiegend in der Gemeinderatssitzung. Dort werden alle die Gemeinde betreffenden Angelegenheiten beraten und beschlossen, sofern der Bürgermeister keine ihm obliegende Eigenzuständigkeit für sich behaupten kann.

5.1. Allgemeines

Wesentlich ist der Alltag der Kommune vom Geschäftsgang des Gemeinderats geprägt. Der Gemeinderat gibt sich hierzu eine Geschäftsordnung, die grundlegende Bestimmungen zum Ablauf der Gemeinderatssitzungen und zu den Fraktionen und Ausschüssen des Gemeinderats enthalten muss. Der ordnungsmäßige Geschäftsgang des Gemeinderats ist Grundvoraussetzung einer ordentlichen Verwaltungstätigkeit durch die Gemeinde. Grundsätzlich beschließt der Gemeinderat durch Beschluss in öffentlicher Sitzung (Sitzungszwang, Art. 47 Abs. 1 GO). Beschlüsse des Gemeinderats bedürfen der formellen Rechtmäßigkeit, die sich neben Vorschriften des allgemeinen Verwaltungsrechts (bspw. Art. 28 BayVwVfG) hauptsächlich aus der Ordnungsmäßigkeit der Gemeinderatssitzung ableitet. 

Zur Konstitution der Gemeinderatssitzung ist insbesondere die Lerneinheit „Der Gemeinderat“ zu beachten. Hieraus zu übertragen ist, dass die Gemeinderatssitzung durch den ersten Bürgermeister der Gemeinde geleitet wird, der gleichermaßen die Geschäfte der Gemeinde nach der durch die Geschäftsordnung vorgegebenen Verteilung verteilt. Von allgemeiner Bedeutung ist in diesem Zusammenhang auch die Vorbereitung der Gemeinderatssitzung durch den ersten Bürgermeister, die auch die Ladung zu den Gemeinderatssitzungen beinhaltet. Die ordnungsgemäße Ladung der Mitglieder des Gemeinderats ist neben der Anwesenheit und Stimmberechtigung einer Mehrheit dieser, unabdingbare Voraussetzung der Beschlussfähigkeit des Gemeinderats. Die Beschlussfähigkeit des Gemeinderats ist also positiv formuliert dann gegeben, wenn sämtliche Mitglieder des Gemeinderats ordnungsgemäß durch den Bürgermeister zur Sitzung geladen wurden, die Mehrheit der Mitglieder zur Sitzung erscheint und insbesondere stimmberechtigt ist. Die Anwesenheit der Mitglieder des Gemeinderats während der Sitzung und deren Stimmberechtigung können auch als Beschlussfähigkeit im engeren Sinn bezeichnet werden, wohingegen die ordnungsgemäße Ladung, auch wegen deren Konkretisierungsbedürfnis durch die Geschäftsordnung des Gemeinderats zur Beschlussfähigkeit im weiteren Sinn zu zählen ist. Die Beschlussfähigkeit des Gemeinderats ist in ihrer Dreifaltigkeit eine häufige und in der juristischen Ausbildung klausurrelevante Thematik, die an unterschiedlichen Fehlerquellen und Fehlerfolgen kranken kann (Hierzu die Lerneinheit Fehlerquellen und Fehlerfolgen – Beschlussfähigkeit des Gemeinderats). 

Weiterhin gilt für sämtliche Mitglieder des Gemeinderats eine Teilnahmepflicht gem. Art. 48 GO, die nicht mit dem Sitzungszwang in Art. 47 GO zu verwechseln ist. Die Teilnahmepflicht ist der fortwährenden demokratischen Repräsentation des Gemeinderats geschuldet, die nur durch eine Organvollständigkeit gewährleistet werden kann. Art. 48 GO verleiht dem Gemeinderat als beschlussfähiges Organ daher Ordnungsmaßnahmen, die zunächst die Verhängung eines Ordnungsgeldes vorsieht und im Äußersten den Ausspruch des Amtsverlustes gestattet (Art. 48 Abs. 3 GO). 

Dem Demokratieprinzip schuldet die kommunale Selbstverwaltungstätigkeit ein hinreichendes Maß an transparenter Arbeitsweise, das sich weit überwiegend durch das Öffentlichkeitsgebot der Sitzungstätigkeit des Hauptverwaltungsorgans realisiert. Die Sitzungen des Gemeinderats sind daher grundsätzlich öffentlich, was eine rechtzeitige Unterrichtung der Gemeindebürger erfordert, um einer Aushöhlung des Öffentlichkeitsprinzips durch eine „Scheinöffentlichkeit“ mittels öffentlich zugänglichem „Geheimsitzen“ vorzubeugen. Hierzu muss eine Sitzung spätestens am dritten Tag vor dem Tag der Sitzung öffentlich bekannt gemacht werden. Die Form der Bekanntmachung entspricht dem Prinzip der Ortsüblichkeit, kann also grundsätzlich im Amtsblatt der Gemeinde, an öffentlich zugänglichen Anschlagtafeln oder vergleichbar erfolgen. Trotz Digitalisierung reicht eine ausschließlich elektronisch stattfindende Bekanntgabe, bspw. auf der Webseite der Gemeinde nicht aus, da damit nicht sichergestellt werden kann, dass der Großteil der Gemeindeöffentlichkeit zuverlässig erreicht wird. Hierunter ist auch die Beschaffenheit des Sitzungssaals der Gemeinde zu fassen gem. Art. 52 Abs. 4 GO. Insbesondere mit Blick auf Barrierefreiheit sind hier die erforderlichen räumlichen Gegebenheiten durch die Gemeinde zu schaffen, sodass eine Öffentlichkeitsteilnahme unter weitestgehend voraussehbaren Bedingungen stattfinden kann. Insbesondere ist der Ort einer Gemeinderatssitzung auch anhand des Interesses der Öffentlichkeit zu wählen und kann ggf. eine Ortswahl außerhalb eines „üblichen“ Sitzungssaales erfordern, sofern ein gesteigertes Interesse der Öffentlichkeit an der Sitzung besteht. In die generelle Wahl des Sitzungsortes sind auch wirtschaftliche Erwägungen mit einzubeziehen, insbesondere muss der Grundsatz der Sparsamkeit der Verwaltung beachtet werden.

Ein Ausschluss der Öffentlichkeit von der Beschlussfassung der Gemeinde ist immer dann zulässig, wenn Rücksichtnahme auf das Wohl der Allgemeinheit oder berechtige Ansprüche einzelner den Ausschluss rechtfertigen. Hierunter zu zählen sind insbesondere gewichtige Aspekte der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, soweit diese nicht aus Geheimhaltungsgründen sowieso dem ersten Bürgermeister ausschließlich unterstellt sind oder über Personalentscheidungen, die vom Gemeinderat als Organ getroffen werden. Hinsichtlich der Geheimhaltung gilt jedoch nicht das Prinzip der ewigen Geheimhaltung, vielmehr ist diese ablaufend bedingt an das Fortbestehen des Geheimhaltungsinteresses. Das bedeutet, dass nichtöffentlich gefasste Beschlüsse dann der Gemeinde öffentlich bekanntzugeben sind, wenn die die Geheimhaltung rechtfertigen Gründe wegfallen oder die Geheimhaltung aufgrund geänderter Tatsachen nicht mehr rechtfertigen. 


5.2. Ablauf der Gemeinderatssitzung

Die Gemeindeordnung enthält in den Art. 45-55 GO zahlreiche Vorschriften zum korrekten Ablauf einer Gemeinderatssitzung, die angefangen von der Ladung bis hin zur Beschlussfassung unbedingt beachtet und eingehalten werden müssen. Dem Bürgermeister kommen in seiner Funktion als Vorsitzendem des Gemeinderats dabei „präsidiale“ Aufgaben insbesondere im Vor- und Nachgang der Sitzung zu. Während der Sitzung leitet er diese, was das Führen der Tagesordnung, die regelmäßige Handhabung der Ordnung sowie die sitzungsinterne Bekanntgabe der Wahlen und Abstimmungen umfasst. Im Nachgang der Sitzung hat der Bürgermeister die während der Sitzung gefassten Beschlüsse auszufertigen und ortsüblich bekannt zu geben. 

a) Vorbereitung – Erarbeitung und Sammlung der Beratungsgegenstände sowie Ladung durch den ersten Bürgermeister

Die Vorbereitung der Sitzung beinhaltet in erster Hinsicht das Sammeln und Listen der aktuellen Geschäftsgänge der Kommune, die der Bürgermeister in einer Tagesordnung oder anderweitig geeigneten Weise dem Gemeinderat zugänglich machen muss, sodass eine umfassende Beratung und darauf aufbauende ordentliche Verwaltungstätigkeit möglich wird. Der Bürgermeister hat diesbezügliche Informationen zu sammeln und ggf. auch auszuwerten, um dem Gemeinderat eine handlungsfähige Beschlussgrundlage zu geben. Sodann hat der Bürgermeister die Mitglieder des Gemeinderats nach den Vorschriften der Gemeindeordnung sowie den dazu zu treffenden Vorgaben der jeweiligen Geschäftsordnung zur Sitzung zu laden. 

b) Sitzung – Sitzungsablauf, Tagesordnungspunkte, Beschlussfassung

Die Sitzung wird vom Bürgermeister geleitet. Über die Verhandlungen des Gemeinderats ist eine Niederschrift anzufertigen, die nach der Sitzung durch den Vorsitzenden und den Schriftführer zu unterschreiben ist. Die Niederschrift muss insbesondere Angaben über Tag und Ort der Sitzung, die Namen der anwesenden Mitglieder des Gemeinderats sowie der abwesenden Mitglieder samt dem die Abwesenheit rechtfertigenden Grund und die behandelten Gegenstände, die Beschlüsse und das Abstimmungsergebnis ersehen lassen. Den Mitgliedern wird das Recht zuteil, das individuelle Abstimmungsverhalten in der Niederschrift festhalten zu lassen. Den Gemeindebürgern ist in die Niederschriften über öffentlich gefasste Beschlüsse Einsicht zu gewähren; gleiches gilt für in nicht öffentlicher Form gefasste Beschlüsse, deren Geheimhaltungsgrund fortgefallen ist oder eine Geheimhaltung nicht weiter rechtfertigt. Gleiches Einsichtsrecht steht den örtlichen Grundbesitzern und Besitzern mit gewerblichen Niederlassungen im Gemeindegebiet zu, ohne Gemeindebürger zu sein. 

Für die Beschlussfassung des Gemeinderats gilt das einfache Mehrheitsprinzip, Stimmenparität führt zu Antragsablehnung. 

c) Nachbereitung – Ausfertigung und Bekanntmachung der gefassten Beschlüsse durch den ersten Bürgermeister

Im Nachgang der Sitzung hat der Bürgermeister die gefassten Beschlüsse auszufertigen und ortsüblich bekanntzumachen. Der Bürgermeister ist für den Vollzug der Beschlüsse zuständig (Art. 36 GO).


5.3. Fehlerquellen und Fehlerfolgen

Die Gemeinderatssitzung stellt vielerlei Hürden auf, die aufgrund deren Durchschlagen auf die Beschlussfähigkeit des Gemeinderats, für die Rechtmäßigkeit der gefassten Beschlüsse von Bedeutung sein können. 

a) Fehlerhafte Ladung zum Gemeinderat

Der erste Bürgermeister ist verpflichtet im Rahmen der Vorbereitung der Sitzung sämtliche Mitglieder des Gemeinderats ordnungsgemäß zu laden. Nicht verantwortlich ist der Bürgermeister für die tatsächliche Zustellung der Ladung, da diese außerhalb dessen Machtbereich liegt. Fehler bei der Ladung werden allerdings durch die positiv bestehende Beschlussfähigkeit geheilt. Erfährt ein nicht ordnungsgemäß geladenes Mitglied des Gemeinderats also trotz fehlender Ladung von der anberaumten Sitzung, wird der Ladungsmangel durch dessen Anwesenheit geheilt. Fehlt das Mitglied hingegen aufgrund des zurechenbaren Ladungsfehlers, fehlt dem Gemeinderat die erforderliche Beschlussfähigkeit. 

b) Ausschluss vom Stimmrecht wegen persönlicher Beteiligung

Nicht nur in der kommunalrechtlichen Ausbildung, sondern auch in der kommunalrechtlichen Praxis nimmt der Ausschluss vom Stimmrecht eine gewichtige Rolle in der Beschlussfassung ein. Die Rechtslage ist oft nicht eindeutig, weshalb erst eine gerichtliche Klärung Auskunft darüber geben kann, ob ein Mitglied des Gemeinderats entweder rechtmäßig vom Stimmrecht ausgeschlossen wurde oder nicht. Maßgeblich kommt es dabei auf Art. 49 GO an. Auszuschließen vom Stimmrecht ist zunächst ein Mitglied des Gemeinderats, wenn ein Beschluss desselben für ihn einen unmittelbaren Vor- oder Nachteil bringen würde. Gleiches gilt, wenn der Vor- oder Nachteil dem Ehe- oder Lebenspartner, einem Verwandten oder Verschwägerten bis zum dritten Grad oder einer kraft Gesetzes oder durch juristische Vollmacht vertretenen natürlichen oder juristischen Person widerfährt. Ebenso wird ein Mitglied ausgeschlossen, wenn es in anderer als öffentlicher Eigenschaft ein Gutachten zu der Beschlusssache abgegeben hat. Die Ausschlussgründe gelten nicht, soweit es um die Wahl oder die durch Beschluss erfolgende Bestellung eines Mitglieds in einen Ausschuss geht. Der Gemeinderat entscheidet selbst, ohne Mitwirkung des möglicherweise Auszuschließenden, ob die Voraussetzungen des Art. 49 Abs. 1 GO vorliegen. Für die Bestimmung des Verwandtschaftsgrades gilt § 1589 BGB, für die Bestimmung des Verschwägerungsgrades § 1590 BGB.

Wesentlich für die Auswirkung des Ausschlusses, also den Durchschlag eines fehlerhaften Ausschlusses oder eines fälschlicherweise unterlassenen Ausschlusses auf die Beschlussfähigkeit, ist nach Art. 49 Abs. 4 GO nur in solchen Fällen beachtlich, in denen der Fehler für das Stimmergebnis entscheidend war. Dies ist bei einer fehlerhaften Beteiligung dann der Fall, wenn der Abzug der konkreten Stimme des Mitglieds für den Ausgang des Beschlusses entscheidend war. Für den unrechtmäßigen Ausschluss eines Mitglieds kommt es darauf an, dass die hinzuzuaddierende Stimme am Gesamtergebnis der Wahl keine Entscheidungserheblichkeit mehr hat; d.h. das hypothetische Addieren zu den Ja- oder Nein-Stimmen keine Änderung am konkreten Entscheidungsergebnis mehr herbeiführt. 

c) Handhabung der Ordnung – Ausschluss von der Sitzung

Weitere Fehlerfolgenquelle ist die Handhabung der Ordnung durch den Bürgermeister, respektive den Gemeinderat. Grundsätzlich übt der erste Bürgermeister gem. Art. 53 GO die Ordnung und das Hausrecht während der Gemeinderatssitzung aus, dies berechtigt ihn zunächst solche Zuhörer von der Sitzung entfernen zu lassen, die die Ordnung grundsätzlich stören. Dies kann durch Zwischenrufe, Beleidigungen oder andere zur Störung der Ratstätigkeit geeignete Weisen erfolgen, die eine nicht unerhebliche Auswirkung auf die Geschäftstätigkeit des Gemeinderats einnimmt. Abzuwägen ist mit Blick auf den zu entfernenden Zuhörer das hier konkret individualisierte Interesse der Öffentlichkeit der Sitzung mit dem reibungslogen Geschäftsgebaren des Gemeinderats. 

Mit der Zustimmung des Gemeinderats ist der erste Bürgermeister ermächtigt, auch Mitglieder des Gemeinderats entfernen zu lassen, sofern diese die Ordnung fortgesetzt und erheblich gestört haben. Dieses Erfordernis setzt eine gesteigerte Störung der Ordnung der Gemeinderatstätigkeit voraus, die indes über eine bloße Störung hinausgeht. Eine einmalige Störung reicht aufgrund der fortgesetzten Störung ebenfalls grundsätzlich nicht zum Ausschluss aus dem Gemeinderat aus; anderes gilt hier, wenn das streitgegenständliche Verhalten eines Mitglieds permanent dilatorisch die Ordnung des Gemeinderats stört, bspw. durch uneinsichtiges fortgesetztes Zwischenreden o.Ä. Besonders renitente Mitglieder des Gemeinderats können nach Art. 53 Abs. 2 GO auch für insgesamt zwei weitere Sitzung ausgeschlossen werden, wenn diese innerhalb von zwei Monaten nach dem erstmaligen Ausschluss durch den Gemeinderat wiederholt die Ordnung stören. Der Zweck des Ausschlusses eines Gemeinderats liegt nicht in der Bestrafung desjenigen und kann daher nicht auf persönliche Gründe gestützt werden, sondern steht in strenger Akzessorietät zur Aufrechterhaltung der Ordnung und Geschäftstätigkeit des Gemeinderats. Nach Art. 53 Abs. 2 GO ausgeschlossene Mitglieder müssen nicht nach Art. 47 GO zur Sitzung geladen werden.