Grundlagen der anwendungsbezogenen Hochschulmathematik

6. Integralrechnung

6.6. Integrationsregeln

Im letzten Kapitel haben wir gesehen, dass die Stammfunktion ein Hilfsmittel ist, um Integrale zu berechnen und dass es für einige Funktionen relativ leicht ist, diese zu bestimmen. Für komplexe Funktionen, z.B. \(\cos(x)e^{\sin(x)^2}\) ist das komplizierter. In diesem Kapitel werden Techniken gezeigt, mit denen trotzdem noch eine "Integration per Hand" funktioniert.

Die meisten Funktionen sind Kombinationen aus verschiedenen elementaren Funktionen. Diese Kombinationen können zum Beispiel durch Addition, Multiplikation oder Verkettung von Funktionen entstehen. Wie beim Differenzieren gibt es auch beim Integrieren Regeln, um diese Kombinationen aufzulösen und komplizierte zusammengesetzte Funktionen auf einfachere Darstellungen zurückzuführen. Die Regeln für die Integration lassen sich aus den Regeln fürs Ableiten herleiten.

Im Hauptsatz der Differential- und Integralrechnung wird die Stammfunktion \(F\) für stetige Funktionen \(f\) eingeführt. Es gilt dann \(F(x)'=f(x),\, x\in D_f\). Für stückweise stetige Funktionen \(g\) mit \(D_g\subset\mathbb{R}\) lässt sich mit Hilfe einer Integralfunktion eine verallgemeinerte Stammfunktion definieren.

Definition 1 (verallgemeinerte Stammfunktion)

Es wird

\[G(x) := \int_a^x g(\xi)\,\mathrm{d} \xi\]

gesetzt, wobei \(a\in D_g\) gilt. \(G\) ist dann eine stetige Funktion auf \(D_g\) und auf den Definitionsabschnitten von \(g\) stimmt \(G'\) mit \(g\) überein.

Frage: Überlegen Sie sich, warum \(G\) stetig sein muss, insbesondere an den Punkten, in denen die Definitionsabschnitte zusammentreffen. Ein möglicher Weg nutzt den Mittelwertsatz der Integralrechnung.

Beim Ableiten gibt es für Brüche eine schöne Regel (Quotientenregel). Bei der Integration ist dies jedoch nicht so einfach. Hier ist es zunächst nur möglich, für einige Spezialfälle Regeln anzugeben.

Beispiele
Stückweise definierte Funktion

Logarithmische Integration

Bekanntlich ist die Ableitung des \(\ln\) an einer Stelle \(x>0\), also des natürlichen Logarithmus zur Basis \(e\), gleich \(\frac{1}{x}\). Nach der Kettenregel für die Ableitung gilt außerdem für eine differenzierbare positive Funktion \(f\,:\,\frac{\mathrm d}{\mathrm dx} \ln (f(x)) = \frac{f'(x)}{f(x)}\).

Das heißt, für Brüche, bei denen der Zähler gleich der Ableitung des Nenners ist, ergibt sich die Regel

\begin{equation} \int \frac{f'(x)}{f(x)}\, \mathrm{d} x= \ln \left(|f(x)|\right) +c,\,c\in\mathbb{R}.\end{equation}

Die Betragsstriche sind wichtig, da in den Logarithmus nur positive Werte eingesetzt werden können.

Partialbruchzerlegung

Die logarithmische Integration funktioniert gut bei Spezialfällen von gebrochen rationalen Funktionen, bei denen der Zähler ein Vielfaches der Ableitung des Nenners ist. Andere Fälle lassen sich aber manchmal auf diesen zurückführen. Dieses Verfahren hießt Partialbruchzerlegung, mit der gebrochen rationale Funktionen als Summe mehrerer gebrochen rationaler Funktionen darstellt werden können.

Partielle Integration

Für Ableitung eines Produkts zweier einmal stetig differenzierbarer Funktionen \(f\) und \(g\) gilt:

\[(f(x)\cdot g(x))' = f'(x)\cdot g(x)+f(x)\cdot g'(x),\quad x\in(a,b).\]

Dieses Vorgehen wird nun genauer beschrieben.

Satz 1 (Partielle Integration)

\(f : [a,b] \to \mathbb R\) und \(g : [a,b] \to \mathbb R\) seien auf dem Intervall \([a,b]\) differenzierbar und die Ableitungen \(f^{\prime}\) und \(g^{\prime}\) auf \([a,b]\) seien stetig. Dann gilt

\[\int\limits^b_a f^{\prime}(x)g(x)\,\mathrm d{x} = f (x) g (x) \Bigl|^b_a - \int\limits^b_a f (x) g^{\prime} (x)\,\mathrm d{x}\]

Beweis

Substitution

Satz 2 (Substitution)

\(f\) sei auf \([a,b]\) stetig und \(g\) auf \((a,b)\) stetig differenzierbar. Dann gilt

\[\int_a^bf(g(x))g'(x)\, dx = \int_{A}^{B} f(u)\, \mathrm du,\]

mit \(A=g(a),\ B=g(b)\)