Grundlagen der anwendungsbezogenen Hochschulmathematik

6. Integralrechnung

6.2. Eigenschaften des Integrals

Eigenschaften des Integrals:

Die Addition und skalare Multiplikation von Funktionen lässt sich mit dem Differenzieren vertauschen. Es gilt

\[(a \cdot f(x) + b\cdot g(x))' = a \cdot f'(x) + b\cdot g'(x).\]

Gleiches gilt auch beim Integrieren:

Additivität und Homogenität

Additivität:
\(\int (f(x) + g(x)) \,\mathrm d x = \int f(x) \,\mathrm d x + \int g(x) \,\mathrm d x\).
Homogenität:
\(\int c \cdot f(x) \,\mathrm d x = c \cdot \int f(x) \,\mathrm d x\).

Zusammengefasst wird geschrieben:

\[\int a \cdot f(x) + b\cdot g(x)\,\mathrm{d}x = a \int f(x)\,\mathrm{d}x + b\int g(x)\,\mathrm{d}x.\]

Das Integral stellt eine lineare Operation auf dem Raum der integrierbaren Funktionen dar.

Beispiel 1:

\[\int 3 x^2 + 5 \,\mathrm d x = 3 \cdot \int x^2 \,\mathrm d x + 5\int 1 \,\mathrm d x \\ = 3 \cdot \frac{1}{3} x^3 + 5 x = x^3+5x+c,\,c\in\mathbb{R}.\]

Wieder betrachten wir integrierbare Funktionen \(f\). Aus der Herleitung des bestimmten Integrals über \(f\) lassen sich weitere Eigenschaften des Integrals ableiten.

Vertauschung von Grenzen

\[ \int \limits^a_b f(x)\,\mathrm{d}x := - \int\limits^b_a f(x)\,\mathrm{d}x\]

Positivität

Gilt für den Integranden \(h(x)\geqslant 0\) für \(x\in[a,b] \) so ergibt sich für das Integral

\[\int_a^b h(x)\, \mathrm{d}x \geqslant 0.\]

Monotonie des Integrals

Gilt an jedem Punkt \(x \in [a,b]\)

\[ f(x)\leqslant g(x) \] so gilt dies auch für die bestimmten Integrale

\[ \Rightarrow \int_a^bf(x)\, \mathrm{d}x\leqslant \int_a^bg(x)\, \mathrm{d}x. \]

Als spezielle Folgerung ergibt sich mit der letzten Aussage aus der Eigenschaft \(f(x) \leq |f(x)|\) die Aussage

\[\pm \int_a^bf(x)\, \mathrm{d}x \leqslant \int_a^b |f(x)|\, \mathrm{d}x.\]

Auf der linken Seite können wir nun auch den Betrag schreiben und erhalten:

\[\left| \int_a^bf(x)\,\mathrm{d}x\right| \leqslant \int_a^b|f(x)|\,\mathrm{d}x.\]

Mittelwerte

Oft wird die Integration geometrisch als der Flächeninhalt unter einer Funktion auf einem bestimmten Intervall interpretiert, wie die rote Fläche in der Graphik. In der Graphik ist aber auch ein Rechteck dargestellt, das den gleichen Flächeninhalt \(A\) besitzt, wie die rot dargestellte Fläche,\[A= \int\limits_a ^b f(x) \,\mathrm d x.\] Das Rechteck der Höhe \(h\) und Länge \(b-a\) besitzt den Flächeninhalt \(A_R=h\cdot(b-a)\). Dieser Flächeninhalt \(A_R\) soll gleich dem der Fläche unter der Funktion \(f\) zwischen den Werten \(a\) und \(b\). Es gilt also: \[A_R=h (b-a) = \int \limits _a^b f(x) \,\mathrm d x=A\]und somit \[ \quad h = \frac{1}{b-a} \cdot \int \limits _a ^b f(x) \,\mathrm d x.\] \(h\) ist dann der Mittelwert der Funktion auf dem Intervall \([a,b]\).

Außer dem linearen gibt es auch noch den quadratischen Mittelwert \(\sqrt{\frac{1}{b-a} \int \limits _a^b f^2(x) \,\mathrm d x}\), der zum Beispiel verwendet wird, um den Effektivwert einer Spannung zu berechnen.


Satz 2 (Mittelwertsatz der Integralrechnung)

Sei \(f\) eine auf \([a,b]\) stetige Funktionen für alle \(x \in [a,b]\), dann gibt es eine Zwischenstelle \(\overline{x} \in [a,b]\) mit

\[\int\limits^b_a f (x) \,\mathrm d{x} =f (\overline{x}) \cdot(b-a).\]

Das Integral als Abbildung

Das bestimmte Integral von \(a\) bis \(b\) über eine Funktion \(f\) können wir als eine Abbildung auffassen. Die Menge der über \([a,b]\) integrierbaren Funktionen sei mit \(I([a,b])\) bezeichnet. Dann ist folgende Interpretation möglich:

\[\int_a^b:I[a,b] \to \mathbb R\qquad \mbox{mit} \qquad f\mapsto \int_a^b f(x)\mathrm d x.\]

Bestimmtes Integral als orientierter Flächeninhalt
Flächeninhalte sind zwar immer nichtnegativ, aber bei Verwendung des Integrals zur Flächenmessung wird der sogenannte „orientiere Flächeninhalt“, bzw. die sogenannte „orientierte Flächenbilanz“ berechnet, d.h., die Flächenanteile, die unterhalb der x-Achse liegen, werden negativ „gezählt“. Auf diese Weise wird eine Bilanzierung aller betrachteten Flächen durchgeführt.

Hierzu sind bei Berechnung einer Flächen zwischen einem Funktionsgraphen und der x-Achse in einem bestimmten Intervall drei Fälle zu unterscheiden:

1. Der Graph verläuft oberhalb der x-Achse.

2. Der Graph verläuft unterhalb der x-Achse.

3. Der Graph schneidet die x-Achse (ggf. mehrmals)

Im ersten Fall entspricht der Wert des Integrals gerade dem Flächeninhalt zwischen x-Achse und Funktionsgraph. (Man spricht auch von einer „positiven Normalfläche“.)

Im zweiten Fall entspricht der Betrag des Integralwertes gerade dem Flächeninhalt zwischen x-Achse und Funktionsgraph. (Hier wird auch von einer „negativen Normalfläche“ gesprochen.)

Im dritten Fall unterscheiden sich der Integralwert und sein Betrag allerdings vom Flächeninhalt zwischen x-Achse und Funktionsgraph. Um hier den tatsächlichen Flächeninhalt zu bestimmen, ist es notwendig, das betrachtete Gesamt-Intervall in Teilintervalle zwischen den Nullstellen der Funktion zu unterteilen. Anschließend kann dieser Fall in den jeweiligen Intervallen auf die Fälle 1) und 2) zurückgeführt werden.